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    Waldläufer Avatar von Corsika
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    Der Zirkel um Xardas im Forenrollenspiel
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    „Elf?! Elf Ziegen? Du willst mich wohl verkohlen!“
    Corsika zwängte sich in die Ecke der kleinen Höhle, in der auch ihre ganzen Besitztümer, die Weinfässer, Säcke und Kisten mit Gewürzen und Kleidung lagen. Da saß sie also, gepresst zwischen ihren Gänsen, die sich panisch an sie drängten in Anbetracht der Herde von Vierbeinern, die so plötzlich einer nach dem anderen durch das Loch in die Höhle gepurzelt waren. Und mit ihnen eine Gestalt auf zwei Beinen, bei deren Körperform man sich wundern mochte, wie lange sie diese beiden Beine noch zu tragen vermochten. Es war ganz eindeutig ein Mensch, das erkannte sie sogar in der Dunkelheit. Ein männlicher Mensch mit einer Stimme, die den Stimmbruch nicht durchlebt hatte, wohl weil immerzu zarter Honig seine Kehle hinabrann und den stattlichen Leib ausdehnte. Er musste ein wohlhabender Mann sein, so rund wie er war. Aber vielleicht sahen alle Bewohner dieses Landes so aus, er war schließlich nur der Erstbeste, dem sie begegnete. Völlig unmöglich, daraus bereits voreilige Schlüsse zu ziehen.

    Sie streckte ihr stumpfes Messer nach ihm aus und als er das sah, zuckte er mitsamt seiner elf Ziegen zurück in die andere Ecke der Höhle. In Anbetracht der geringen Größe des Raumes und seiner persönlichen Breite bedeutete dies jedoch, dass Corsikas Messer noch immer beinahe seine seltsamen Kleider berührte. Eine Schärpe, die sich über seinen Bauch spannte, dazu eine seltsame Kluft, die die wulstigen Arme und Beine nackt herausschauen ließ. Nicht gerade eine geeignete Kleidung zu dieser Jahreszeit; die Kratzspuren an seinen Waden erzählten bereits eine eigene Geschichte vom Krauchen durch das Unterholz.

    Es musste ganz wundersam anmuten, würde man durch den Höhleneingang auf die Szene hinabblicken und sehen, wie sich eine Frau mit zehn Gänsen und ein Mann mit elf Ziegen gegenübersaßen. Doch diese kuriose Situation entsprang einem gemeinsamen Ursprung und das war dieses markerschütternde Brüllen der Bestie, die irgendwo ganz in der Nähe herumstreifte.
    „Was hast du hier zu suchen, Ziegenjunge? Siehst du nicht, dass diese Höhle kaum genug Platz für einen Menschen und seine Schar an Tieren bietet?“
    Sie rümpfte die Nase.
    „Sag mal, hast du was zu essen dabei?“

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    Provinzheld Avatar von Die Feuernovizen
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    „Ach du Schreck! Ach du grüne Neune! Ach du…“, stotterte Dion, als die Gänsefrau plötzlich aufgesprungen war und sich mit einem riesigen Messer daran gemacht hatte, ihn auszuweiden. Er hatte die Augen fest zusammengekniffen und erwartete jeden Augenblick den Todesstoß. Der jedoch nicht kam.
    „Sag mal, hast du was zu essen dabei?“, fragte sie auf einmal. Sie hatte einen seltsamen, aber irgendwie melodischen Akzent.
    „E-etwas zu… essen?“, fragte Dion verdattert und öffnete vorsichtig – sehr vorsichtig – erst das eine Auge, dann das andere. Die Frau hatte sich wieder ein Stück zurückgezogen – soweit das in der Enge der Höhle eben möglich war – und saß zwischen ihren Gänsen, hielt aber noch immer das gefährlich blitzende Messer in der Hand.
    „Ich… also… äh!“, erklärte Dion und nestelte an seiner Gürteltasche herum. Er öffnete den Verschluss und kramte mit zitternden Händen durch den Inhalt. Bunte Steinchen, eine pechschwarze Feder, eine Muschel, ein lustig geformtes Stück Wurzel… Aber nichts Essbares! Dion wurde immer nervöser. Wenn er der Gänsefrau nichts zu Essen anbieten konnte, was würde sie dann tun? Ihn essen? Ihrem Akzent und der markanten Form ihrer Augen nach zu urteilen, kam sie nicht von hier, und Dion hatte gehört, dass auf den südlichen Inseln und dahinter Kannibalenstämme ihr Unwesen trieben. Wenn sie nun eine von denen war? Er musste sie irgendwie gnädig stimmen, damit sie ihn nicht doch noch aufschlitzte! Oder noch schlimmer, eine seiner Ziegen – das würde Prior Gabriel ihm nie verzeihen!
    „Ah, uhm… also… n-n-n-nein! Aber das hier! Hübsch?“, stieß er hervor und hielt ihr ein Schneckenhaus hin, das er vor einigen Tagen gefunden hatte. Es war von stattlicher Größe und hatte eine schöne gestreifte Musterung, seine Oberfläche glänzte sogar in dem spärlichen Licht, das durch den Spalt ins Innere der Höhle fiel. Also wenn das die Kannibalin nicht besänftigen konnte, dann hatte Dion wirklich ein mächtiges Problem…

    Tak
    Geändert von Die Feuernovizen (21.03.2024 um 18:49 Uhr)

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    Waldläufer Avatar von Corsika
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    Der Zirkel um Xardas im Forenrollenspiel
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    Corsika legte den Kopf schief und beäugte den für Friedensverhandlungen angebotenen Gegenstand neugierig. Ein Schneckenhaus, ein ganz hübsches noch dazu. Ob die Menschen dieser Gegend gern Schnecken aßen? Wenn dem so war, mussten sie eine ganze Menge von Schnecken züchten, um zu einer solch stattlichen Figur wie der Ziegenjunge zu kommen. Außerdem schmeckten die meisten von ihnen nicht, zumindest nicht roh. Corsika hatte einen starken Magen und als Kind schon so manche Dinge probiert, die sie in der Natur gefunden hatte. Schnecken entsprachen jedoch nicht ihrem Geschmack. Je mehr sie darüber nachdachte, desto sicherer war sie, dass dieser junge Mann nicht allein von Schnecken so dick geworden war. Er hatte ja auch noch Ziegen bei sich.
    Corsika griff nach ihrem Eimer und drückte ihn dem Jungen in die Hand. Er machte ihr einen sehr unterwürfigen Eindruck. Das konnte sie zu ihrem Vorteil nutzen.
    „Ich will was von deiner Ziegenmilch. Dafür kannst du einen Schluck Wein von mir haben. Das beruhigt dich. Du bist zu aufgeregt. Das Monster da draußen kann deine Angst riechen.“
    Sie kam wieder auf das Schneckenhäuschen in ihrer Hand zurück. Sie hatte schon von Stämmen gehört, die anstelle von Münzen auf Muschelschalen zum Tauschen zurückgriffen. Warum also nicht auch Schneckenhäuser?
    „Hast du noch mehr davon? Benutzt ihr die als Zahlungsmittel?“

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    Provinzheld Avatar von Die Feuernovizen
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    „Zahlungs…?“ Dion blinzelte die Kannibalin verständnislos an. „Nein, das n–“ Einen Moment! Wenn er ihr verriet, dass Schneckenhäuser kein Zahlungsmittel waren, dann würde sie wahrscheinlich verlangen, dass er ihr Geld gab. Und Geld hatte er keines dabei! Schließlich war er Adlatus, und der Orden sorgte für seinen Unterhalt in Form von Naturalien. Sicher, seine Familie hatte Geld, jede Menge sogar, aber das half ihm gerade herzlich wenig. Und wenn er der Kannibalin sagte, dass er ihr kein Geld geben konnte, was würde sie dann mit ihm machen? Ihn aufschlitzen und in Ziegenmilch dünsten?
    „Ich meine, ja! Ja, richtig, äh… Zahlungsmittel!“, rief er, nickte enthusiastisch und deutete auf das Schneckenhaus. „Ich hab bestimmt noch mehr davon, einen Moment!“
    Er kramte wieder in seiner Tasche herum und förderte nach kurzer Suche zwei weitere Schneckenhäuser zu Tage. Beide kleiner und nicht ganz so hübsch wie das erste, aber eines hatte ein interessantes Muster und das andere schillerte in verschiedensten Farben. Er reichte sie der Kannibalin.
    „Das, äh, sind alle, die ich gerade dabei habe…“, sagte er und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Sie nahm die Schneckenhäuser entgegen und betrachtete sie, wobei Dion sie fast wie hypnotisiert anstarrte.
    „Was ist?“, fragte sie und zog die Augenbrauen hoch, „Ziegenmilch?“
    Die Kannibalin deutete auf den Eimer und Dion schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
    „Oh, ja, natürlich! Entschuldige…“
    Mit Eifer machte er sich daran, die dicke Heidi zu melken. Die alte Mutterziege hatte immer etwas abzugeben und beschwerte sich nie, wenn man ihr an die Euter wollte. Mit stoischer Ruhe ließ sie die Prozedur über sich ergehen und es dauerte nicht lange, bis Dion den Eimer fast zur Hälfte mit frischer, warmer Ziegenmilch gefüllt hatte. Er schob ihn zu der Kannibalin hinüber. Was sie damit wohl vorhatte?

    Tak

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    Waldläufer Avatar von Corsika
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    „Schneller! Gib her! Nichts verschütten!“
    Corsikas Finger gruben sich tief in ihre Kleider, während sie im Schneidersitz dasaß und den runden Jungen antrieb, ihr etwas von der Ziegenmilch zu reichen. Ihre Augen schimmerten bestimmt schon und ihre Zungenspitze wanderte bereits gierig an ihrer Zahnreihe entlang. Sie musste sehr um Beherrschung ringen, als er ihr endlich den Eimer reichte.
    „Gut, gut“, sagte sie und rieb sich die Finger. „Jetzt dreh dich um.“
    Er zögerte, die blanke Panik stand ihm ins Gesicht geschrieben. Um sie ihm zumindest ansatzweise zu nehmen, schob sie noch eine Erklärung hinterher. „Es geziemt sich nicht, eine Dame so durchdringend anzustarren. Na los.“
    Sie drehte mit ihrem Finger einen Kreis und wie mechanisch drehte er sich ganz langsam um. Ihr war beinahe so, als murmele er ein heimliches Gebet, aber darauf gab sie im Moment nichts. Ihr Blick ruhte nur auf der Ziegenmilch. Schließlich gab sie der Versuchung nach, hob an und trank einen riesigen Schluck direkt aus dem Eimer. Nein, einen solche Blöße musste man sich wirklich nicht vor Fremden geben. Wenn ihre Mutter das sehen würde, hätte sie bestimmt schon einen Klaps auf den Hinterkopf bekommen. Corsika war es gewohnt. Sie war immer die Erste, wenn es darum ging, eine Gelegenheit zu ergreifen; nur so konnte sie überhaupt überleben.

    „Okay, du kannst dich wieder umdrehen.“
    Sie rieb sich gerade mit dem Handrücken die Milchreste von den Wangen. Das war köstlich! Wie lang hatte sie nur von Wein und schalem Wasser gelebt? Milch – und dann auch noch die von einer Ziege – war das Getränk des Lebens. Es wusste sogar ihren Hunger ein wenig zu stillen, so fett und energiereich war sie.
    Corsika schob den Eimer beiseite, für später. Außerdem legte sie die drei Muscheln fein säuberlich vor sich. Während der Hirte seine Ziege gemolken hatte, hatte sie das Feuer wieder entzündet. Jetzt konnte sie die wertvollen Schneckenhäuser in ihrem ganzen Glanz bewundern.
    „Du hast mir schöne Geschenke gemacht. Du darfst in meiner Höhle bleiben, bis es draußen wieder sicher ist. Aber es wäre besser, wenn du keine seltsamen Geräusche im Schlaf machst, verstanden?!“
    Ohne auf eine Reaktion zu antworten, füllte sie einen Krug Wein und reichte ihn weiter.
    „Trink davon und erzähl mir was von dir. Ist dein Hof hier in der Nähe? Hast du Eltern, die nach dir suchen? Und wenn ja, wie rufen sie dich? Nein, warte.“ Sie legte den Kopf schief und tippte sich mit dem Zeigefinger ans Kinn. „Sie rufen dich Rollo, nicht wahr?“

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    Provinzheld Avatar von Die Feuernovizen
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    Dion erstarrte mitten in der Bewegung, als er gerade gehorsam den mit Wein gefüllten Krug an die Lippen setzen wollte, den die Kannibalin ihm gereicht hatte. Er war sich zwar nicht sicher, ob er nicht vergiftet war, aber besser, er tat, was sie verlangte, bevor sie wieder ihr Schlachtermesser auspackte.
    Aber als sie seinen Namen erwähnte…
    Woher weiß sie das?
    Mit großen Augen starrte er sie an. War die Kannibalin zudem noch eine Hexe? Er hatte Geschichten darüber gehört, wie diese Kannibalenstämme urtümliche, ganz und gar abscheuliche Formen von Magie ausübten, mit Blut und geköpften Hühnern und so… Wu-Du nannte man das! Die Kannibalin hatte zwar nur Gänse bei sich, keine Hühner, aber die ließen sich bestimmt genauso gut köpfen. Das würde jedenfalls erklären, wieso sie mit einer Schar Federvieh in einer Höhle hockte. Hier führte sie ihre finsteren Rituale durch, brachte Dämonen Opfer dar und lockte harmlose Ziegenhirten ihre Falle…
    Da kam ihm wieder das markerschütternde Brüllen in den Sinn, das ihn in diese Höhle getrieben hatte. Vielleicht versteckte sie sich ja ganz einfach nur vor dem Monster da draußen, genau wie er? Aber konnte er sich da so sicher sein…? Sie war offenbar schon länger hier, das war verdächtig! Also doch – eine Wu-Du-Hexe!

    Mit zitternden Händen führte Dion den Kelch zum Mund und nahm einen großen Schluck Wein, um sich nicht anmerken zu lassen, dass er sie durchschaut hatte. Fieberhaft überlegte er, was er tun sollte. Versuchen, zu fliehen? Keine Chance. Er würde nicht einmal durch den engen Eingangsspalt kommen, bevor sie ihn mit ihrem rasiermesserscharfen Schlachtermesser von oben bis unten aufgeschlitzt hätte und sich an seinen Eingeweiden gütlich tun oder sie für ihre finsteren Rituale verwenden würde! Solange sie in dieser Höhle saßen, war er gefangen.
    Was sollte er also dann tun? So angestrengt er auch nachdachte, ihm wollte einfach kein Fluchtplan einfallen. Also blieb ihm nichts anderes, als mitzuspielen, zu überleben und zu hoffen, dass sich später eine Gelegenheit ergeben würde, vor der furchtbaren menschenfressenden Wu-Du-Hexe zu entkommen.

    „Ja, tatsächlich, viele nannten mich, äh… Rollo“, gab er zögerlich zu. Einer von vielen Spitznamen, die er nicht so wirklich mochte. Aber zumindest noch lange nicht der schlimmste, wie etwa Schwarte, Schwabbelbacke, Fettsack, Klops, Schweinchen, oder Dickon. Er konnte nur hoffen, dass die Kannibalen-Hexe nicht auch noch einen dieser Spitznamen aus seinem Geist lesen konnte!
    „Aber eigentlich heiße ich Dion“, fuhr er fort, „Meine Eltern wohnen auf dem Festland, in Myrtana. Ich bin Adlatus des Heiligen Ordens unseres Herrn Innos!“ Seine Haltung straffte sich ganz automatisch, als er seine Stellung erwähnte, und er drückte ein wenig die Brust heraus. Ja, es erfüllte ihn mit Stolz, dass er Angehöriger des Ordens war und seine Eltern so große Hoffnungen in ihn setzten, dass sie nicht nur den stolzen Preis von 1000 Goldstücken und einem Schaf aufgebracht hatten, um seine Mitgliedschaft zu finanzieren, sondern sogar für den weiten Weg und die Überfahrt nach Thorniara aufgekommen waren, wo er eine sehr viel bessere Ausbildung erhalten konnte als in dem alten Kloster in der Nähe ihres Anwesens! Angeblich war das Kloster zwar berühmt für seine Gelehrten und die umfassende Bibliothek, die es beherbergte, wogegen einige von Dions Bekannten über Thorniara nur die Nase gerümpft und es als ‚heruntergekommenes provinzielles Kackloch‘ bezeichnet hatten, aber Dion war sich sicher, dass seine Eltern sehr genau überlegt hatten, wo sie ihn unterbrachten, um ihm die besten Voraussetzungen für seine Zukunft zu bieten.
    „Eines Tages werde ich Feuermagier sein!“, erklärte er stolz, woraufhin er jedoch wieder in sich zusammensackte. „Im Moment… naja, bin ich Ziegenhirte. Wie man sieht…“ Dass er schon seit drei Jahren Ziegenhirte war und es auch nicht danach aussah, dass er die Karriereleiter so schnell höherklettern würde, musste sie ja nicht wissen.

    Dion nahm noch einen tiefen Schluck von dem schweren Wein, der einen intensiven, würzigen Geschmack hatte und schon nach dem ersten Becher eine gewisse angenehme Leichtigkeit in seinem Kopf verursachte. Er war vielleicht mit einer Kannibalen-Wu-Du-Hexe in einer engen Höhle gefangen, während draußen ein grauenvolles Monster auf der Jagd nach menschlicher Beute herumschlich, aber es war warm – das Feuer und das Viehzeug sorgten dafür –, das Monster konnte ihnen hier drin nichts anhaben und bisher hatte auch die Kannibalin ihn nicht gefressen. Es hätte also alles viel schlimmer kommen können, sagte er sich und begann, sich ein wenig zu entspannen. Die Kannibalin bot ihm an, seinen Becher wieder zu füllen, was Dion natürlich nicht ausschlug. Und zwar nicht nur, weil er es natürlich nie gewagt hätte, einen Vorschlag der gefährlichen Zauberin abzulehnen!
    Der zweite Becher Wein verbreitete eine wohlige Wärme in seinem Bauch, machte seine Gedanken träge und ließ seine Augenlider schwer werden. Vielleicht war ja wirklich alles gar nicht so schlimm? Seine Angst war durch den Alkohol wie unter einer flauschigen Decke verborgen. Und so traute sich Dion etwas ganz und gar Verwegenes, etwas so Risikoreiches und Unerhörtes, dass er sich, noch während er es tat, wunderte, wie es dazu gekommen war, dass er auf einmal so unglaublich mutig, ja geradezu heldenhaft handeln konnte: Er stellte der Kannibalen-Wu-Du-Zauberin eine Frage!
    „Und… wer bist du?“

    Tak

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    Waldläufer Avatar von Corsika
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    Corsika schlug sich ins Fäustchen, als Dion ihr gestand, dass er tatsächlich Rollo genannt wurde. Für freche Spitznamen hatte sie ein Gespür, das war unter Geschwistern ja nichts Ungewöhnliches. Ihr Bruder Malle war zu Kindertagen auch ein bisschen verwöhnt und rundlich, da hatte sie ihn eben Rollo, kleiner Beliarbraten oder Specki Mampftonne genannt. Vielleicht nicht die beste Erziehungsmethode, aber sie war ja auch nur ein Kind gewesen. Am Ende war er in die Kriegerkaste aufgenommen worden und hatte all sein Fett in Muskelmasse verwandelt. Das würde Dion vielleicht auch guttun, doch er hatte den Weg des Sesselpupsers eingeschlagen.
    Ein Anhänger der Innoskirche. Die waren auf der Welt weit verbreitet. Missionare kamen immer mal wieder in ihre Heimat, um Spenden für die heilige Flamme einzutreiben. Wenn Corsika ihr Geld verbrennen wollte, brauchte sie aber ganz sicher keine Mittelsmänner dafür. Das konnte sie selbst. In ihrer Heimat stand man den drei Gottheiten recht ambivalent gegenüber. Man dankte jenem Gott, der einem in einer gewissen Notlage beisteht, betrachtete ihre schiere Existenz aber eher aus einer agnostischen und fast schon opportunistischen Perspektive. Vielleicht hatte Innos über sie gewacht und Dion zu ihr geschickt, um sie zu bekehren, vielleicht war er auch einfach nur ein plumper Tölpel, der sich mit seinen Ziegen zu weit von den sicheren Stadtmauern entfernt hatte. Vielleicht hatte Adanos dafür gesorgt, dass Corsika die wochenlange Fahrt auf See lebend überstand, vielleicht war er aber nicht nur ein gleichgewichtiger, sondern gar ein gleichgültiger Gott. Womöglich sandte Beliar seine Schrecken durch die Nacht, um sie in dieser dunklen Höhle heimzusuchen, aber vielleicht sorgte er auch einfach nur für ihre Sterbenslangeweile.
    Wichtig war hier lediglich, dass sie anscheinend an einem Ort gelandet war, an dem man eine etwas striktere Achtung vor den Göttern hatte. Sie sollte sich also davor hüten, irgendwelche Karikaturen auf gestickten Taschentüchern zu verbreiten. Engstirnige Geister mochten daran Anstoß finden.

    „Ich heiße Corsika und komme von einem Ort jenseits deiner Vorstellungskraft. Ich bin erst vor einigen Tagen auf diesem Eiland gestrandet und hatte schon befürchtet, gar keinen Menschen hier zu treffen. Aber jetzt bist du ja da.“
    Sie grinste und bleckte dabei die Zähne. Von ihrem versteckten Boot wollte sie Dion noch nichts erzählen; das war immerhin ihr letzter Trumpf. Vielleicht konnte er ihr helfen, in eine Stadt zu kommen oder sich hier zumindest irgendwie zurechtzufinden.
    „Ich habe immer noch so schrecklichen Hunger, Dion“, seufzte sie und griff wieder nach ihrem Messer, um damit ein bisschen in der Glut zu stochern. „Wenn das Monster nicht verschwindet, müssen wir uns darauf einstellen, hier noch länger in der Höhle auszuharren. Nur für alle Fälle … welche deiner Ziegen ist am ältesten und entbehrlichsten?“
    Vielleicht konnten sie ja eins der Tiere der Bestie verfüttern und sich mit dem Rest aus dem Staub machen.

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    Provinzheld Avatar von Die Feuernovizen
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    Corsika also… Corsika die Kannibalin! Der Name hatte sogar einen gewissen Klang, den Dion irgendwo sehr weit hinten in seinem leicht alkoholvernebelten und dennoch kurz vor einer Panik stehenden Hirn zu schätzen wusste.
    Vordergründig beschäftigten ihn jedoch völlig andere Sorgen, seit Corsika die Kannibalin zähnefletschend wieder ihr Schlachtermesser hervorgezogen hatte. Während sie damit begann, die brutale Klinge in der Glut des Feuers zu erhitzen, war Dion so weit von ihr weggerückt, wie es der enge Raum zuließ. Er klebte jetzt geradezu an der gegenüberliegnden Wand und wäre am liebsten mit dieser verschmolzen, wenn er nur die dazu nötigen Fähigkeiten besessen hätte. Seine weit aufgerissenen Augen folgten jeder Bewegung, die Corsika mit ihrem Messer machte. Corsika, die Wu-Du-Hexe, die aus einem fernen Land gekommen war…
    Wie? Mit einem Schiff? Bestimmt nicht. Ein Gefährt, das seetüchtig genug gewesen wäre, um das Meer zu überqueren, wäre sicher nicht unbemerkt geblieben. Wie war sie dann hier her gekommen? Dion wusste, dass einige mächtige Magier die Fähigkeit hatten, sich zu teleportieren. Aber über Inseln und Kontinente hinweg? Wenn sie das konnte, dann musste sie eine wahrhaft mächtige Zauberin sein! Oder… Er ließ seinen Blick vorsichtig über die Kisten und Kästen schweifen, die im hinteren Bereich der Höhle lagerten. War vielleicht ein Besen darunter? Manche Hexen konnten auf fliegenden Besen reiten! Oder auch auf Gabeln, vor allem dreizinkigen. War sie also nach Argaan geflogen? Erklärte das, warum sie Gänse mitgebracht hatte und keine Hühner – weil Gänse besser in der Lage waren, sie auf dem Flug zu begleiten?

    „… welche deiner Ziegen ist am ältesten und entbehrlichsten?“
    „Was?“ Dions Augen weiteren sich vor Entsetzen. „Keine!“, rief er atemlos, „Wenn eine der Ziegen fehlt, bringt Primus Gabriel mich um, oder schlimmeres! Und Timo fehlt ja sowieso schon! Oh weh und ach…“
    Dion presste sich noch enger gegen den Fels, als Corsika ihn missbilligend ansah.
    „Ü-überhaupt, was willst du mit meinen Ziegen? Hast du nicht deine Gänse extra mitgebracht für deine Blutrituale? D-die funktionieren doch bestimmt viel besser für einen Zauber, der das Monster vertreibt, glaubst du nicht? Die Ziegen, die sind … äh … die sind Innos geweiht, v-von einem Feuermagier persönlich, jawoll, die sind ganz und gar untauglich für Wu-Du!“, stieß er keuchend hervor. Irgendwie musste er die menschenfressende Hexe davon abbringen, seine Ziegen opfern zu wollen! „U-und ich bin auch geweiht und untauglich!“, schob er geistesblitzartig hinterher.

    Tak

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    Waldläufer Avatar von Corsika
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    Wu-Du? Blutrituale? Die Menschen von hier mussten wirklich eine bemerkenswert andersartige Kultur verfolgen als in Corsikas Heimat. Sie sollte wachsam bleiben, wenn sie anderen Leuten begegnete. Dion kam ihr lammfromm vor, doch welche Grausamkeiten muss er nur schon erlebt haben, dass ihn die Erwähnung eines tierischen Opfers so verstörte? Es war doch völlig normal, in einer Notlage das schwächste Glied aufzugeben, wenn es dem Wohl der ganzen Herde diente.
    „Und Timo ist auch eine deiner Ziegen?“, hakte sie nach.
    Er nickte schnell und heftig. Sie lehnte sich zurück, entspannte sich sogar ein bisschen.
    „Das sollte genügen.“
    Wahrscheinlich hatte dieses Ungeheuer da draußen sich längst an der verlorenen Ziege oder der Gans, die Corsika weggelaufen ist, sattgefressen. So eine fette Mahlzeit sollte die Bestie müde machen. Sobald sie sich schlafenlegte, könnten Corsika und ihre zweiundzwanzig Begleiter die kleine Höhle verlassen.

    „Wenn es dich nicht stört, würde ich für ein paar Stunden die Augen schließen. Du hältst solange Wache. Weck mich, wenn von dem Monster nichts mehr zu hören ist. Oder wenn es näherkommt. Aber wag es bloß nicht, mich grundlos zu wecken, hörst du?“
    Sie legte sich in ihre Ecke und behielt dabei das Messer fest in der Hand, als wäre es ein Kuscheltier.
    Corsika, die Blutmagierin … hörte sich gar nicht so schlecht an.

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    Waldläufer Avatar von Corsika
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    Der neue Tag weckte Corsika mit einem strahlenden Sonnenschein, der sie durch das schmale Loch in der Höhle direkt auf die Nasenspitze traf. Sie gähnte und räkelte sich ausgiebig, ehe sie die Augen öffnete, nur um festzustellen, dass sie allein war. Bis auf ihre kärglichen Vorräte war Unterschlupf leer. Kein Dion, keine Ziegen … und keine Gänse! Sogar ihr Messer fehlte.
    „Das ist doch wohl nicht sein Ernst!“
    Blitzschnell war Corsika auf den Beinen und steckte ihren Kopf durch das Loch. Großes böses Monster hin oder her, jetzt hielt sie nichts mehr in der einsamen Höhle. Wenn dieser Rollo sie bestohlen hatte, würde er die Abreibung seines Lebens kassieren. Sie war ganz bestimmt schneller als er und Prügel austeilen konnte sie auch, anders hätte sie sich gegen ihre Geschwister schließlich auch nie durchsetzen können.

    Zum Glück fiel es ihr nicht sonderlich schwer, ein paar Spuren ausfindig zu machen. Sandalenabrücke, Federn, Ziegenköttel, dafür brauchte man nun wirklich kein Jäger zu sein. Die Fährte war auch ziemlich frisch, sie führte erst ein wenig tiefer ins Dickicht, bis sie einem kleinen Hain Platz machte. Dieser war äußerst idyllisch, um einen großen Eichenbaum waren sämtliche Tiere versammelt. Nur der Hirte fehlte.
    „Rollo?! Äh, ich meine Dion?“
    Corsika näherte sich vorsichtig den Tieren, die allesamt wohlauf waren. Doch dann vernahm sie ein durchdringendes Knacken über sich, das sie panisch die Arme über den Kopf schlagen ließ. Zum Glück fiel nichts herunter.
    „Da bist du ja!“, rief sie und starrte mit verschränkten Armen in die Baumkrone empor. Auf einem der massivsten Äste saß Dion. „Was soll das denn werden, wenn’s fertig ist, hm?“

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    „Oh… oh-oh! Oh, verdammt ist das hoch!“
    Dion umklammerte fest den Baumstamm. Bevor Corsika die Kannibalin nach ihm gerufen hatte, war ihm gar nicht bewusst gewesen, wie weit er bereits den alten Baum hinaufgeklettert war. Aber jetzt hatte er den Fehler gemacht, nach unten zu schauen, und das waren ja mindestens fünf Doppelschritte bis zum Boden! Vielleicht sogar sechs! Oh weh, wie sollte er da nur wieder herunterkommen?
    Und das war gerade nicht einmal das Hauptproblem. Das war eine blutrünstige menschenfressende Wu-Du-Hexe, die mit verschränkten Armen missbilligend zu ihm nach oben schaute und wahrscheinlich schon darüber nachdachte, in welches eklige Tier sie ihn am besten verwandeln sollte. Eine Ratte? Eine Spinne? Eine Kröte? Oh, bei Innos, er musste sie davon überzeugen, dass er nichts gegen sie im Schilde geführt hatte, und zwar schnell!
    „Die Tiere, äh, brauchten Auslauf und etwas zu Fressen, und da dachte ich, ich kümmere mich darum, weil du hast so fest geschlafen und du hast ja gesagt, ich darf dich nicht wecken, also war ich ganz besonders leise und hab ganz vorsichtig die Ziegen und auch die ganzen Gänse ganz vorsichtig raus und hier die Lichtung hab ich gefunden mit gutem Gras und Kräutern und so und damit die Tiere fressen können und außerdem nicht die ganze Höhle vollkacken und der Baum hier dann da dachte ich Ausschau ist gut um vielleicht wenn ich Glück hab also vielleicht Timo zu finden, aber den hab ich noch nicht gefunden aber ich glaube die Tiere sind soweit zufrieden und natürlich wollte ich nicht weglaufen ich weiß dass ich das nicht könnte also mir gings wirklich nur darum die Tiere zu füttern und Timo zu finden und später wären wir wieder zurückgekommen, ich schwöre es bei Innos und meiner Mama und außerdem hab ich Beeren gefunden, die sind richtig lecker und machen zumindest ein bisschen statt weil ich hab Hunger und du hast gesagt gestern du hast auch Hunger also dachte ich die Beeren sind ja auch gut gegen Hunger und und… und…“
    Er schluckte. Corsikas Augenbrauen waren während seiner hastigen Rede Stück für Stück nach oben gewandert, ihr Gesichtsausdruck schwankte irgendwo zwischen Missbilligung und Belustigung.
    „…und bitte verwandel‘ mich nicht in einen Frosch! Sonst fall ich ja runter!“


    Tak

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    „Wenn ich dich in einen Frosch verwandele, bleibt mir ja kaum noch was für meinen Eintopf übrig“, entgegnete Corsika dem verängstigten Ziegenjungen auf dem Baum. Während er panisch noch einen Ast weiter emporkroch, umrundete sie einmal den Baum und stellte mit Freude fest, dass er tatsächlich einen kleinen Korb voller Beeren gesammelt hatte. Die wuchsen hier sogar schon zu dieser frühen Jahreszeit – musste an dem feuchten und milden Klima liegen. Beherzt griff sie zu und aß im Nu fast den gesamten Korb leer. Den Rest verteilte sie an die Tiere.
    „Danke für die Beeren, das hat meinen Blutdurst fürs Erste gestillt.“
    Nur von ihrem Messer fehlte weiterhin jede Spur. Und von Gans Nummer 11. Und von Dions Ziege Timo. So gut sie sich bisher auch durchgeschlagen hatte, so konnte es nicht weitergehen. Sie musste sich in die hiesige Zivilisation eingliedern. Wenn alle Menschen der Gegend eine Mentalität wie Dion hatten, sollte es kein großes Problem für sie sein, sich durchzusetzen. Andererseits konnte sie sich auch gut vorstellen, dass Dion das absolut niederste Glied der Nahrungskette war, so abstrakt dies bei seiner Körperform auch schien. Wenn er schon ihr gegenüber so schreckhaft war, welch unsägliche Erfahrungen hatte er wohl sonst bereits durchgemacht?

    „Sag mal, hast du eigentlich mein Messer gese-“
    Da plötzlich war ein Knacken aus einem Gebüsch am Rand des Hains zu vernehmen. Hoffentlich nicht das Monster. Wenn sie jetzt wegen Dions Unvorsichtigkeit ins Visier einer Bestie genommen wurde, dann würde sie ihm aber auf den Baum folgen und ihn herunterwerfen. Daran konnte sich jedes Untier tagelang sattfressen.
    „Was was das? Siehst du irgendetwas?“

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    Hof nahe Stewark

    Ragnar arbeitete wie ein Ackergaul. Wobei, dachte Heric, der Vergleich hinkt irgendwie. Kein klappriger Gaul auf irgendeinem Hof im Hinterland, nein, eher ein Schlachtross, das den Pflug hinter sich herzieht, als bestünde er aus nichts weiter als Luft. Interessanterweise wirkte der ehemalige Paladin Innos‘ dabei … glücklich, ein Umstand, den Heric nicht im Geringsten nachvollziehen konnte. Die Tage (oder Wochen?), die sie auf dem Hof verbrachten, ermüdeten, langweilten und nervten ihn. Aber der Hüne hatte dem alten Bauern seine Dienste angeboten und das bedeutete – zwangsweise – dass auch Herics Dienste angeboten wurden. So hatte er Kühe gemolken, Hühner gefüttert und – wenn niemand in der Nähe war – ins Blaue gestarrt und sich gewünscht, überall sonst wo zu sein, nur nicht hier.
    Dabei fiel sein Blick immer wieder auf das ferne Meer und die Stadtfestung, die sich auf einer vorgelagerten Insel in die Höhe schraubte. Stewark. Eigentlich wollte er dort hin, aber Ragnar schien sich aus irgendwelchen Gründen zu zieren. Hatte er Angst, dass ihn dort jemand erkennen könnte? Ein ehemaliger Widersacher, ein alter Freund, der die Seiten gewechselt hatte?
    Nein, dachte sich Heric, Angst wird es nicht sein. Er hat nahezu unbewaffnet eine Gruppe Straßenschläger so zerhauen, dass nur ein Feldscher ihnen wirklich helfen konnte. Angst verspürt der Kerl nicht.
    Wie gewohnt hatte Heric die erstbeste Chance genutzt, um der Arbeit zu entgehen und lümmelte nun in der Gegend herum. Dabei erkannte er nahe des Hofes einige Spuren einer jahrelang zurückliegenden Schlacht, dann einen kleinen Friedhof, wenn man es so wollte. Einige Grabsteine, nichts Pompöses. Einfach der Respekt der Lebenden den Toten gegenüber. Die Inschriften zeigten durchaus schon Spuren von Wind und Wetter, waren aber noch zu lesen.
    Tavik von E…
    Gefallen b… Kampf …en d... O…ks

    Der junge Mann starrte auf den Grabstein, rieb sich die Nase. Orks, wie es schien. Hier hatte man wohl gegen eine orkische Horde gekämpft. Natürlich starben Menschen bei sowas. Jemand räusperte sich in seinem Rücken.
    „Wahrlich, meinem Bruder bist du nicht unähnlich, Bursche“, knurrte Ragnars tiefer Bass, „Das Mindestmaß an Arbeit erledigen und sich dann verdünnisieren. Innos verhüte, dass man am Ende des Tages müde von rechtschaffener, ehrlicher Arbeit ist.“
    Schluckend wandte sich Heric um. Der rothaarige Nordmann sah ihn mit einem schiefen Lächeln an, mehr in Erinnerung als in der Gegenwart. Dann schüttelte Ragnar die rote Mähne und sah auf den Grabstein.
    „Tavik von Eirrin“, nannte er den vollen Namen. Ein kurzes Erkennen flackerte im Gesicht des Mannes auf, wieder eine Erinnerung, ferner diesmal. „Eine interessante Geschichte, wenn du mich fragst. Ich … kannte diesen Mann.“
    „Wer war er?“, fragte Heric, „Ein Held?“
    Ragnar schnaubte. „Nein. Nicht wirklich.“, antwortete er, „Streitbar, um das Mindeste zu sagen. Weißt du, ich kannte ihn. Wir waren beide junge Krieger in Nordmar, er stammte von einer nahezu öden Insel irgendwo im Nordmeer, es verschlug ihn in die Clans. Im Ersten Krieg gegen die Orks kämpften wir Seite an Seite, verdienten uns den Ruhm der Ahnen und die Gunst der Königlichen Armee des alten Rhobars.“
    Er deutete auf den Grabstein. „Das war die Gunst wert. Ich überlebte die Zeit, er auch. Auch wenn seine Einheit in einem Hinterhalt nahezu aufgerieben wurde. Später kehrte er dem Festland den Rücken und lebte lange Jahre glücklich mit seiner Frau auf Khorinis, ehe der alte Feind – die Orks – auch dort einfielen. Er kehrte zurück, wurde ein Novize der Kirche Innos‘ in Vengard.“ Ein knappes Lachen, ein Kopfschütteln. „Forderte die Prüfung des Feuers, der alte Hund. Zog mit einem gefährlichen Mann los, um diese Prüfung in Drakia zu bestehen und kam als gebrandmarkter Verräter zurück. Seine Spur verlor sich in Silden und Varant, ehe er nach langen Jahren in die Dienste der Armee zurückkehrte, unter dem Schutz von Sir Yared … eines ebenfalls streitbaren Soldaten.“
    Der Hüne hob die Schulter. „Das ist hier wohl sein Ende gewesen. Wie ich ihn kannte – vor einer Ewigkeit – wird er gekämpft haben wie der Beliar höchstselbst. Hoffentlich hat er einen beachtlichen Leichenberg um sich gescharrt und den dem Dunklen vor die Füße geschmissen haben, begleitet von einer derben Beleidigung.“
    Ragnar sah Heric an. „Ein Held, fragst du also?“
    Der junge Mann nickte langsam.
    „Vielleicht. Letzten Endes. Ich weiß es nicht. Ich dachte immer, Helden können nur im Dienste Innos‘ entstehen. Aber … ich lag falsch, mehr als einmal. Wurde eines Besseren belehrt, mehr als einmal.“ Er seufzte. „Nimm dir an Männern wie ihm“ – er deutete auf den Grabstein – „oder mir kein Beispiel. Ich bin nur noch nicht tot, weil mich die Ahnen mit Kraft und Hartnäckigkeit gesegnet haben. Nicht, weil ich so heldenhaft bin. Nein. Ich sagte, du erinnerst mich an meinen Bruder, und das meine ich gar nicht negativ: Er war auf seine Art ein Held, auch wenn er von einem wahren Krieger so weit entfernt war wie der Mond von der Sonne.“
    Er lachte kurz. „Na los, Bursche, ab an die Arbeit.“

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    Abenteurer Avatar von Meve
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    Holzfällerlager der Baronie Stewark

    Der Holzfällerlehrling ging zu Boden wie ein Kartoffelsack, der urplötzlich bemerkt, dass er mit einem Zentner schwerer Steine gefüllt ist. Die Hünin namens Meve stand nur da, ragte über dem wimmernden Bündel Männlichkeit auf und rieb sich die Faust, die sie dem vorlauten Kerl auf die Nase gezimmert hatte. Das Wimmern bekam etwas blubberndes, als das Blut aus dem gebrochenen Geruchsorgan floss.
    „Bei Adanos, Mädchen …“, der Vorsteher sah sie entgeistert an, ein kräftiger, grauer Kerl. Ernst, ein brennender Verfechter von Ethorns Sache, ein richtiger Untertan. „… er, Jykub hat doch nur etwas gescherzt …“
    Die blondhaarige, junge Frau fuhr herum. „Ich hab’s ihm ein Dutzend Mal gesagt!“, fuhr sie auf, „Lass mich in Ruhe, Verschwinde, Ich habe kein Interesse …“ Sie ballte die Fäuste, als wolle sie auch auf den Vorsteher losgehen. „… Also hab ich’s ihm so erklärt, dass er’s endgültig versteht!“
    Ein anderer Holzfäller hockte bei Jykub, dessen Wimmern nun ein Schluchzen war. Wirklich männlich war er noch nicht, vielleicht gerade siebzehn Sommer alt. Und … geschäkert hatte er auch nicht so sehr. Komplimente gemacht, ihre Kraft bewundert, aber nichts was irgendwie … anstößig war.
    Schamesröte stieg ihr ins Gesicht. Sie hoffte, die umstehenden Holzfäller würden es als Zornesröte auffassen. „Ich … er …“, stammelte sie unbeholfen, „… so geht man nicht … mit einer Frau um …“, verlor sich ihr Stammeln in leises Gemurmel. Der Vorsteher des Holzfällerlagers schüttelte enttäuscht den Kopf.
    „Weißt du, Mädchen, ich hab nicht den Worten des Konstablers glauben wollen. Sie ist kräftig, sie ist groß, macht aber einen anständigen Eindruck, hab ich ihm gesagt. Meinte, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass du wahllos Leuten die Gräten brichst.“
    Er hob die Arme und Schultern in einer Geste, die die Sprachlosigkeit eines Mannes über eine Enttäuschung erster Güte umfassen sollte. Meve schluckte. Etwas brannte in ihren Augen. Staub. Um diese Jahreszeit? Ja, das konnte nur Staub sein.
    „Ich …“, setzte sie an, aber der Holzfäller schüttelte den Kopf.
    „Nein!“, fuhr er sofort dazwischen, nun eher wütend als enttäuscht. „Genug der Ausflüchte. Du warst uns hier eine Hilfe, keine Frage. Und in den Augen der Wache von Stewark hast du deine Strafe auch abgearbeitet, ich hatte es dem Konstabler bereits mitgeteilt. Aber … aber das …“ – er deutete auf Jykub, dem gerade aufgeholfen wurde – „das schlägt dem Fass den Boden aus!“
    „Es … es tut mir …“, stammelte Meve und wirkte trotz ihrer Maße, trotz aller Kraft, plötzlich hilflos und schwach, „… ich … dass …“
    Der Vorsteher hob die Hand. „Nein, Meve, es reicht. Pack deinen Kram zusammen und geh. Ich möchte dich hier nicht mehr sehen. Schade um die Hoffnung, die ich mir gemacht habe, dass die Zeit hier dir ein wenig Verantwortungsbewusstsein eingegeben hätte … etwas innere Ruhe. Aber offensichtlich …“ – der Blick, den er ihr zuwarf, war eine böse Mischung aus Enttäuschung und Abneigung – „offensichtlich bist du unverbesserlich. Ein Mensch, den die Götter mit einer Kraft gesegnet haben, das Gute zu tun, anderen zu helfen … aber du nutzt sie nur für dich. Zieh Leine, Meve!“
    Geändert von Meve (13.04.2024 um 12:35 Uhr)

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    Abenteurer Avatar von Heric
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    Hof nahe Stewark

    Nach dem Gespräch am Grab des alten Bekannten von Ragnar, hatte der Nordmann darauf geachtet, Heric mehr als genug Arbeit aufzuhalsen, um nicht auf irgendwelche Gedanken zum Heldentum zu kommen. Der alte Bauer besaß nahe der Hütte einen Gemüsegarten, der völlig überwuchert war und so hatte Ragnar dem jungen Mann aufgetragen, jegliches Unkraut oder verwachsene Pflanzen zu entfernen. Also hatte Heric im Dreck gewühlt wie ein Dachs, schmerzende Hände und Arme von Brennesselpflanzen und -wurzeln bekommen und im Stillen den Tag verflucht, als er entschieden hat, den ehemaligen Paladin zu begleiten.
    Die einzige Ablenkung des Tages kam – erst unscheinbar – von den Wäldern nahe des Ebersteins her. Über und um den Höhenzug erstreckten sich Wälder und Haine, sodass hier Jäger wie Holzfäller mehr als genug Arbeit fanden. Auf die Entfernung hielt Heric die Gestalt, die über den Weg kam, für einen Mann mit blondem Zopf, ehe er gewahr wurde, dass es sich um eine Frau handelte. Heric sah sich um, erhob sich, säuberte die Hände an den ebenso dreckigen Klamotten und ging zum Zaun hin, der am Weg stand. Als die Frau näherkam, realisierte der junge Mann erst, wie groß die Frau wirklich war. Und wie jung.
    Und wie betrübt.
    Er musste sie aufmuntern, ein wenig scherzen.
    „Hey“, rief er grinsend, „ist doch ein viel zu schöner Tag, um Trübsal zu blasen! Die Sonne scheint, und so groß wie du bist, kriegst du von ihr mehr zu sehen als ich!“
    Das Grinsen schwand, als die Frau stehen blieb, den Blick starr zu Boden gerichtet. Die Fäuste waren geballt, das Gesicht verkniffen. Tränen funkelten in den Augen. Dann hob sie den Kopf, geschmeidig und zielgerichtet wie der Berglöwe vor der Jagd.
    „Findest du das witzig?“, zischte sie. Auch ihre Stimme wirkte jung. Sie kam einen Schritt näher. „Du beschissener, kleiner Hosenscheißer.“
    Ein weiterer Schritt, die Fäuste waren immer noch geballt. Irgendwie ahnte Heric, was auf ihn zukommen würde. Und es würde nicht schön sein. Ganz im Gegenteil. Die Frau würde ihn nach Strich und Faden vertrimmen und nicht mal aus der Puste kommen.
    „Ich hab dich was gefragt, Segelohr!“, fuhr sie ihn an. „Bist du der Hofnarr hier? Nein, so dumm wie du schaust, bist du eher der Dorftrottel!“
    Sie kam näher, baute sich auf der anderen Seite des Zaunes vor ihm auf. Er wich zurück, die Hände erhoben, Handflächen nach vorne. Sachte, sollte das zeigen, sachte, sachte.
    „Das reicht dann auch, ihr Zwei.“, Ragnars dröhnender Bass ließ die voranschreitende Frau und den zurückweichenden Mann innehalten und zu ihm blicken. „Heric, das Aufmuntern trauriger Mädchen üben wir nochmal. Vor allem sollte ich dir mal ein paar Worte zum Taktgefühl sagen …“ Er wandte sich an die Frau, trat näher. Ihre Fäuste waren immer noch erhoben. Einen Moment dachte Heric, sie würde zuschlagen. Den ehemaligen Paladin einfach niederschlagen. Aber so einfach würde es nicht werden, ganz sicher nicht. Hatte Heric bei der Frau an einen Berglöwen gedacht? Nein, sie war eine aufgebrachte Katze, die eine vorlaute Maus fressen wollte. Ragnar war ein ausgewachsener Tiger aus dem Östlichen Archipel, ein hunderte Kilo schweres Ungetüm, das keine Feinde kannte.
    Götter, er ist so groß, dass er zu ihr herunterschaut!
    „Also, Mädchen? Was ist los?“, fragte er überraschend sanft.

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    Irgendwo im Wald...

    Dem anfänglichen Rascheln und Knacken im Unterholz folgte ein lautes Krachen, als ob ein ganzer Baum einfach entwurzelt wurde. Dion erstarrte förmlich vor Angst und spähte angestrengt in die Richtung, aus der das unheimliche Geräusch gekommen war, konnte aber nichts entdecken. Vielleicht war das auch besser so…
    „Ich kann nichts erkennen!“, rief er nach unten und beeilte sich, vom Baum zu klettern, wobei er den Rand der Lichtung die ganze Zeit im Auge behielt, „Aber ich glaube, wir sollten zusehen, dass wir wegkommen!“
    Dion hatte den Satz kaum beendet, da sprang er auch schon vom untersten Ast und landete elegant wie ein Walross vor Corsika. Einen Augenblick hielt er inne, um sich zu fragen, wie er es geschafft hatte, so schnell von dem Baum herunterzuklettern, beschloss dann aber, dass wohl einfach Innos ihm geholfen haben musste. Immerhin betete er regelmäßig, das musste ja auch zu irgendetwas gut sein!
    „Ziegen! Gänse! Los, schnell, hier drüben ist das Gras viel grüner!“, lockte er die Schar der Tiere, die ihm ohne zu zögern folgte. Die Richtung, die er einschlug, war sonnenklar: Möglichst rasch möglichst weit weg von dem unheimlichen Geräusch! Denn was auch immer da hinten im Wald solchen Krach machte, war bestimmt noch gefährlicher als Corsika, und das wollte schon was heißen!

    So schnell ihn seine kurzen Beine trugen, pflügte Dion durch das Unterholz. Seine Körpermasse gereichte ihm hier ausnahmsweise einmal zum Vorteil, da er sein Gewicht einsetzen konnte, um Sträucher und Äste einfach zur Seite zu schieben, ohne langsamer zu werden. Die Tiere nutzten die von ihm geschlagene Schneise, und den Abschluss der kleinen Prozession bildete Corsika.
    „Hey, wo… wo willst du überhaupt hin?“, fragte die Kannibalin, die sich sogar eine gewisse Mühe geben musste, um Schritt zu halten.
    Dion drehte sich nicht einmal um: „Weg von dem Monster!“ War das nicht selbstverständlich? Brauchte es noch irgendein anderes Ziel? Sie würden schon sehen, wo sie…
    Dion schob einen Ast zur Seite und taumelte geradewegs auf eine Lichtung, deren Anblick ihn innehalten ließ. Mit offenem Mund stand er da und starrte auf das, was sich plötzlich vor ihnen auftat:
    Ein gewaltiger, steinerner Monolith, schwarz wie die Nacht. Der Gesteinsblock war gut doppelt so hoch wie ein erwachsener Mann, ein achteckiges Gebilde, das kerzengerade in die Höhe ragte. Seine Seiten waren spiegelglatt, abgesehen von den seltsamen Symbolen, die in Form von Reliefs in die pechschwarze Oberfläche geritzt waren. Um den Monolithen herum war der Boden in einem Umkreis von gut zehn Schritten bar jeden pflanzlichen Lebens – nicht ein einziger Grashalm gedieh auf dem sandigen Untergrund, und das mitten im Wald! Auch der Monolith selbst war frei von Moosen oder Flechten, die sonst jeden noch so kleinen Felsblock besiedelten.
    „Was zum…“, murmelte Dion und trat vorsichtig einen Schritt näher an das fremdartige Gebilde. Unsicher wandte er sich an Corsika: „Hast du sowas schonmal gesehen?“
    Sie schüttelte jedoch den Kopf und sah ebenso erstaunt aus wie er selbst. Wenn nicht einmal die Wu-Du-Hexe wusste, was dieses Ding war, dann musste es sich wirklich um etwas sehr Fremdartiges handeln! Dion erinnerte sich an Geschichten über irgendwelche uralten Völker, die Argaan einst bewohnten und von denen es noch immer Tempel auf der ganzen Insel geben sollte. Vielleicht war dies hier eines ihrer Bauwerke?
    Plötzlich unterbrach ein Geräusch seine Gedanken. Ein leises, klägliches Meckern, das von der ihnen entgegengesetzen Seite des Monolithen her erklang. Dion riss die Augen auf. Das war doch…
    „TIMO!“, rief er und zögerte keine Sekunde. Er rannte um den Stein herum, und tatsächlich, da war der kleine Ausreißer – er stand auf einem altarähnlichen Gebilde am Fuße des Monolithen, gefertigt aus demselben schwarzen Gestein, zitterte erbärmlich und rief mit meckernd nach Hilfe. Dion war mit wenigen Schritten bei ihm und schloss den kleinen Ziegenbock in die Arme.
    „Timo, du verdammter kleiner Nichtsnutz!“, schalt er ihn, „Hast du auch nur eine Ahnung, was ich mir für Sorgen gemacht habe? Ich bin so froh, dass ich dich wiedergefunden habe! Wie bist du überhaupt hierhergekommen? Und was ist da- …!“
    Dion stieß einen spitzen Schrei aus, als sein Blick auf ein menschliches Skelett fiel, das zusammengesunken am Fuße des Altars lag. Die Knochen waren von der Sonne gebleicht und ruhten offensichtlich schon eine ganze Weile hier. Das Skelett war in die Überreste einer schmucklosen schwarzen Robe gehüllt und ein rostiger Dolch mit geschwungender Klinge lag zwischen den lose verteilten Handknochen. Der Schädel schien mit einem Ausdruck, der gleichermaßen Verwunderung und Wut enhielt, seinen Finder anzustarren.
    Dion drückte Timo fest an sich – was der kleine Ziegenbock, ganz entgegen seinen üblichen Gewohnheiten, klaglos über sich ergehen ließ – und stolperte unbeholfen zurück.
    „Ich… ääh... ich glaube, wir sollten gehen!“

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    Waldläufer Avatar von Corsika
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    Corsika stemmte die Fäuste in die Hüften und betrachtete die riesige Steinkonstruktion mit einem bewundernden Pfiff. Hier lag Magie in der Luft, das konnte sogar sich sogar sie wahrnehmen. Vielleicht hatte Dion recht und sie war wirklich so etwas wie eine Wu-Du-Hexe. Die Aura des Ortes wirkte auf sie jedenfalls nicht sonderlich furchterregend. Vielmehr beruhigend, ehrfürchtig.
    „Welchem Gott hier wohl gehuldigt wurde?“, fragte sie. „Beliar?“
    Ganz offensichtlich hatte vor dem Monolithen ein Opferritual stattgefunden, wenngleich seitdem schon reichlich Zeit vergangen sein musste. Selbst der Dolch war schon verrostet, ein Jammer. Einen feinen Silberdolch hätte sie ohne zu zögern mitgenommen, der wäre bestimmt eine Menge wert. Aber auch sonst sah es nicht so aus, als ob die Leiche noch irgendetwas Brauchbares bei sich trug. Ja, wenn sie sich nicht irrte, sah das Skelett so aus, als wäre es bereits mindestens einmal hin und hergedreht worden. Einige der Knochen lagen jedenfalls ungeordnet herum.
    „Den Burschen hier hat schon jemand geplündert“, sagte sie mit einer leichten Enttäuschung in der Stimme, „und die Zeichen kann ich nicht lesen. Warte einen Augenblick. Ich werde eine Abschrift machen. Ist vielleicht wichtig.“
    Unter ihrer Kleidung, dicht am Herzen, trug sie immer ein bisschen Pergament mit sich herum. Die Gänsefeder, die dekorativ an ihrer Haarklammer befestigt war, eignete sich wunderbar zum Schreiben. Fehlte nur ein wenig Tinte.
    „Och Menno, ich habe meine Tinte in der Höhle liegengelassen. Hast du mein Messer noch?“
    „J-ja aber was soll das werden?“, japste Dion. „Wir sollten wirklich los.“
    „Gib her, na los!“
    Der dicke Adlatus fummelte es von seinem Gürtel und streckte es unschlüssig nach ihr aus. Statt es ihr zu geben, warf er es zu Boden, als müsste er einen Sicherheitsabstand einhalten.
    „Mann, jetzt stell dich doch mal nicht so an.“ Corsika seufzte, nahm die Klinge und wischte sie so sauber wie möglich. Dann setzte sie sie an ihrer Handfläche an.
    „Was – in – Innos – Namen …?!“
    Dions Protest erstickte, als er fassungslos beobachtete, wie Corsika sich selbst eine leichte Schnittwunde zufügte und das Blut zum Schreiben verwendete. Er sollte froh sein, dass sie ihn nicht sezierte.
    „Hmm, die Qualität ist nicht sonderlich gut und es gerinnt ganz schön schnell. Aber siehst du diese eine Zeichenfolge? Sie wiederholt sich ständig. Ich schreibe sie jetzt einmal ab, das sollte genügen. Ach Mist. Jetzt ist mir auch noch Blut auf den Altar getropft! Egal … so … fertig. Wir können los.“
    Sie verband sich die verletzte Handfläche notdürftig und steckte die Feder wieder an ihre Haarklammer.

    „Jetzt wo du deine Ziege wiederhast, kannst du mich endlich zur nächsten Ortschaft bringen, oder?“ Ihr Blick wanderte zu dem seltsamen schwarzen Ziegenbock. Er glotzte Corsika mit seinem durchdringenden Silberblick an.
    „Bilde ich mir das nur ein“, fragte sie, „oder haben seine Augen gerade rot geleuchtet?“

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    Bauernhof nahe Stewark

    Mittlerweile hatte Thorek neue Bekanntschaften auf dem Hof des Bauern Gernot knüpfen können und die Umgebung ausgiebig erkundet. Es hatte sich tatsächlich viel verändert, seit König Ethorn und seine Rebellen die Baronie Stewark erobert hatten. Die Bauernhöfe wurden ausgebaut, vormals zugewucherte Wege wurden wieder freigelegt und die vorhandenen Straßen besser befestigt, damit die Handkarren der Knechte nicht in dem aufgeweichten Boden steckenblieben.

    Wie sich hingegen die Stadt entwickelte, vermochte der ehemalige Ordenskrieger noch nicht zu sagen. Er hatte sich zunächst dafür entschieden, etwas länger auf dem Bauernhof zu verweilen, um die Lage besser einschätzen zu können. Doch es stellte sich heraus, dass seine Befürchtungen unbegründet waren. Zumindest was die Bauernschaft und die einfachen Arbeiter anging. Diese waren Fremden gegenüber alles andere als misstrauisch, sondern eher aufgeschlossen und freundlich. Dass Thorek eine Zeit lang auf dem Bauernhof von Gernot bleiben durfte, obwohl er für die Feldarbeit nichts taugte, war äußerst zuvorkommend. Dafür revanchierte er sich und ging im nahegelegenen Waldstück auf die Jagd nach Hasen und anderem kleinen Getier, dass mit seiner rudimentären Ausrüstung zu fangen war.

    Als Thorek gerade einen erlegten Hasen häutete, dachte er jedoch ernsthaft darüber nach, ob es nicht mittlerweile an der Zeit war, den Bauernhof zu verlassen und Stewark zu betreten. Er hatte die Torwachen viele Male beobachtet und festgestellt, dass die Eingangskontrollen nur sehr oberflächlich waren. Das war auch nicht weiter verwunderlich, hatte der Orden doch schon seit Monaten keine militärischen Interventionen durchgeführt. Dass Thorek also von den Soldaten aufgehalten und ernsthaft durchsucht werden würde, war äußerst unwahrscheinlich. Doch der ehemalige Krieger des Ordens war sich noch immer unsicher, ob er seine Vergangenheit verleugnen und als unbescholtener Tagelöhner auftreten sollte oder ob er preisgeben sollte, dass er einst auf der anderen Seite kämpfte.
    Geändert von Thorek (23.04.2024 um 15:21 Uhr)

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    Lehrling Avatar von Dion
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    Irgendwo im Wald...

    „WAS?“ Timo, rote Augen? Dion hielt den kleinen Ziegenbock mit beiden Händen vor sich und sah ihn durchdringend an. Die Iris mit den seltsamen, horizontal geschlitzten Pupillen war von honiggelber Farbe – so wie immer. „Nein, das musst du dir eingebildet haben!“
    …oder?
    Timo hing ruhig in Dions Händen und starrte zurück. Und irgendwie wurde der Adlatus das Gefühl nicht los, dass der Blick des kleinen Böckleins intensiver war als sonst. Fokussierter. Fast schon… berechnend! Aber das konnte natürlich nicht sein, Timo war nur eine Ziege, eine rebellische Ziege vielleicht, aber nur eine Ziege! Und eine sehr süße Ziege, auch wenn man dem kleinen Beliarsbraten ab und an gern den Hals umdrehen wollte.
    „Nein, nur Einbildung!“, legte Dion schließlich fest und drückte Timo wieder an sich. „Aber hier zu verschwinden ist, ja, ja das ist eine gute Idee…“
    Er legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel. Wolken ballten sich über der Lichtung zusammen, Wolken von rötlicher Farbe, und in einem Loch zwischen den Wolken, genau dort, wo der Monolith in die Höhe ragte, ein kreisrundes Fenster, hinter dem sich die Schwärze des unendlichen Universums auftat, wo an Orten, die selbst den Göttern unbekannt waren, namenslose Dinge ohne Form und Sinn–
    Dion blinzelte, und der Himmel war wieder normal. Er schüttelte kurz den Kopf und bemerkte, wie Corsika ihn genervt ansah, die Arme verschränkt und mit dem Fuß auf den Boden tappend.
    „Was ist nun? Gehen wir, oder willst du lieber weiter in den Himmel starren?“
    „Aber ich hab doch nur…“ …für eine Sekunde, nicht länger… oder etwa nicht? „Ja, ja, wir gehen!“, stammelte Dion verwirrt und marschierte los. Dabei bemerkte er, dass die Tiere allesamt noch am Waldrand warteten – keine Gans, keine Ziege hatte auch nur einen Fuß auf die Lichtung gesetzt, und als er die staubige, trostlose Waldblöße mit dem unheimlichen Monument hinter sich ließ, fühlte es sich an, als würde eine tonnenschwere Last von ihm abfallen. Erst jetzt wurde er sich so recht dessen bewusst, dass er sich die ganze Zeit beobachtet gefühlt hatte. Nein, es war gut, dass sie von hier verschwanden. Schnell. Und weit. Zurück in die Stadt, wo es sicher war, und wo es leckere Schafswurstbrote mit Ziegenkäse gab! Und die Stadt lag in… sie lag…
    „Verdammt!“, murmelte Dion und zuckte zusammen, als Corsika ihn fragte, was los sei. „Äh, n-nichts!“, versicherte er. Wenn er zugab, dass er keine Ahnung mehr hatte, wo sie sich eigentlich befanden und in welche Richtung es zurück zur Stadt ging, würde sie ihn am Ende noch auf dem Altar opfern, um den Weg aus seinen Eingeweiden zu lesen! Oder sie würde diese fiese Zauberformel anwenden, die sie von dem Monolithen abgeschrieben hatte (mit ihrem eigenen Blut, bei Innos!) und ihn in eine unförmige, sabbernde Masse aus Fleisch, Augen und Tentakeln verwandeln! „Äh, hier entlang!“, rief er daher mit gespielter Zuversicht aus und schlug einfach eine willkürliche Richtung ein.

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    Waldläufer Avatar von Corsika
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    Corsika ist offline
    Seit die gewaltig große Reisegruppe bestehend aus zehn Gänsen, zwölf Ziegen, einer Molerat im Kostüm eines Adlatus und einer Bluthexe die Lichtung des Monolithen verlassen hatten und sich auf den Weg in Richtung Stadt machten, war Corsikas Laune Schritt für Schritt gestiegen. Endlich würde sie andere Menschen kennenlernen, vielleicht sogar mal wieder in einem richtigen Bett schlafen. Sobald sich die Gelegenheit bot und sie ein wenig mehr über die Gegend wusste, könnte sie zu ihrer Höhle zurückkehren und ihr Boot, sowie ihre Waren holen. Und sollten die anderen Bewohner der Insel so ähnlich drollig sein wie Dion, hatte sie vermutlich leichtes Spiel.
    „Gibt es dort, wo du mich hinführst, auch ein Badehaus?“, fragte Corsika, die ihren eigenen Geruch kaum mehr von dem der Ziegen unterscheiden konnte.
    „Oh ja. Ein ganz tolles“, schwärmte Dion. „Sogar mit heißem Quellwasser. Reinigung für Leib und Seele.“
    „Und warmes Essen?“
    „J-ja, es gibt mehrere Gasthäuser in der Stadt. Eine im Hafen, eine am Markt und im Tempelviertel … mmh … da gibt es die leckerste Schafswurst, die du dir vorstellen kannst. Hach.“
    Die Mägen der beiden Wanderer rumorten im gleichen Takt.
    „Wie weit ist es denn noch? Ich brauche endlich etwas zwischen die Zähne …“
    „T-Thorniara liegt am nordwestlichen Zipfel von Argaan. Nur noch einen halben Tagesmarsch, denke ich.“
    „Nordwesten?“ Sie blickte sich um. Nahm das Rauschen des Meeres zu ihrer Rechten wahr. Sie bewegten sich seit Stunden in die entgegengesetzte Richtung.
    „Wir laufen aber nach Süden!“, platzte es aus Corsika heraus. „Wohin führst du mich wirklich, Rollo?“
    Ihre Hand wanderte zu ihrem Messer. Dions Schritte beschleunigten sich, als erwäge er ernsthaft, vor ihr wegzulaufen. Weit würde er nicht kommen.

    Plötzlich lichtete sich das Dickicht und die beiden fanden sich vor einem großen Gehöft wieder, das von einer hölzernen Palisade umgeben war. Recht ungewöhnlich für ein Badehaus, dachte Corsika.

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