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Tempel des Wassers - Gabriel
Mit spöttischem Gesichtsausdruck hatte Gabriel das Schauspiel verfolgt, welches sich in den letzten Minuten in diesem ketzerischen Gewölbe zugetragen hatte. So von sich eigenommen waren diese so genannten Magier Adanos‘, dass sie seine Anwesenheit schlicht nicht bemerkten. Die Frau mit dem strengen Blick, die nicht von der Seite des Edelsteins wich, hatte ihn zwar bei seiner Ankunft hier unten beobachtet, doch für sie musste er als einfacher Pilger durchgegangen sein. Wie hochmütig zu glauben, dass es Menschen wirklich zu diesem gottlosen Unterwassergrab hinziehen würde, geschweige denn als Pilgerort wahrnahmen. Es war nichts weiter als ein altes Gewölbe unter Stewark. Vielleicht hatte es einst sogar als Ort des Glaubens der Kirche Innos‘ gedient, doch dieser Tage waren gezählt und es würde viel Arbeit erfordern die Entweihung dieses Tempels zu revidieren. Doch deswegen war er ohnehin nicht hier.
Noch ehe diese Frau, deren Name er bereits wieder vergessen hatte – für seinen Geschmack gab es definitiv zu viele Frauen, die sich in dieser Stadt Magier nennen durften – mit ihrer ganzen Entourage hier eingetroffen war, hatte der Primus längst entdeckt, was er gesucht hatte. Aus einem etwas spitzeren Winkel konnte man das silbrige Schimmern eines von Rost und Zeit unversehrten Dolches zwischen einigen Anemonen erkennen, wenn man genau genug hinsah. Leider war er bisher nicht dazu gekommen seine Telekinese anzuwenden. Doch jetzt tat sich eine Gelegenheit auf, als diese vermaledeite Wächterin mit der Wilden sprach und die anderen sich um Bruder Felia und Bruder Curt sammelten.
So unauffällig wie möglich schälte sich der in braune Roben gewandte Gabriel aus dem Schatten einer Säule, so, dass Bruder Curt ihn nicht sehen konnte, hob den rechten Arm und flüsterte: „Mein sollst du sein.“
Er spürte wie seine Magie sich durch den Schleier wandte, durchs Wasser glitt und um den metallenen Gegenstand legte, doch als er an der magischen Leine zu ziehen versuchte, geschah absolut gar nichts. Die Stirn vor Antrengung gerunzelt versuchte er mehr Magie in die Telekinese zu legen, doch stattdessen begann der Boden unter ihm zu vibrieren.
„Was zum…“, entwich es ihm, als sich das Gestein wie Mauern anhob und um seinen Körper schloss.
Die Geräusche, die der sich auftürmende Fels erzeugte, weckten die Aufmerksamkeit aller und im nächsten Augenblick wurde Gabriel vor den Augen der Versammelten über den Boden des Tempels befördert, eingesperrt in einen Mantel aus Stein.
Mit Schwung wurde er in die Richtung, wo sich die Wilde aufhielt, befördert und sobald er eine unsichtbare Linie überquerte, bröckelte der Fels von ihm ab und er kam mit einem schmerzenden Laut unsanft auf dem Boden auf.
Er hustete und keuchte, doch spürte er auch, dass sich etwas über seine Sinne legte, über seine magischen Sinne. Als wären sie getrübt oder gar…verschwunden.
„Was…was tut ihr mir an, ihr Barbaren?“, rief er zu gleichen Teilen panisch und zornig, „Ihr, die ihr nicht mal erkennt, dass diese beiden euch einen Bären aufbinden wollen! Bruder Felia und Bruder Curt sind nur hier, um ein Artefakt zu beschaffen, was rechtmäßig der Kirche Innos‘ gehört!“
Er versuchte seiner Stimme mit Magie mehr Ausdruck zu verleihen, sich Autorität zu verschaffen, doch selbst in seinen Ohren klang sie hoch und unsicher.
Ardan
Geändert von Die Feuernovizen (18.07.2024 um 22:18 Uhr)
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Götter, wenn die Leute betrunken waren, dann bremste sie wirklich selten etwas. Entweder redeten sie ohne Punkt und Komma oder kamen auf die dämlichsten Ideen. Syrias hatte schon so manch dumme Aktion erlebt, die mit den Worten "Halt mein Bier" begonnen wurden. Da war ihm Johannas Ausbruch an Redseligkeit schon fast lieber. Auch wenn dieser definitiv mehr Einzelheiten mit sich brachte als Syrias zu wissen wünschte.
Eines stand fest: Isidor hatte verschissen. Aber so richtig. Anscheinend gehörte der junge Schmied eher zu der Sorte Männer, die sich nicht an eine einzige Frau binden wollten. Syrias war es an sich reichlich egal, wer mit wem und wie was hatte. Ob jemand eine, zwei oder gleich nen ganzen Harem an Frauen beglücken wollte. Oder halt auch Männer, das konnte jeder so halten wie er oder sie es wollte. Doch eines war ihm wichtig: Ehrlichkeit. Und hielt man sich nicht daran, dann war so etwas das Ergebnis.
"Danke." kommentierte er trocken Johannas "Kompliment". Ein Stinker also. Aber wenigstens ehrlich, das war doch was. Auch, wenn er alt war. Götter, er war Ende Dreißig, nicht Hundert. Aber das war wohl so mit der Jugend, für die war halt alles alt, was mehr als Fünf Jahre älter als sie war.
Eine Sache lies den früheren Söldner doch stutzig werden. Die kleine Frau erzählte von einem Georg, der tot war, einer Frieda, an die sich Isidor ran machen sollte. Aber wer war Rudra? Ein GROßER Kerl, mit dem sie nichts anfangen konnte, weil er so "groß" war? Dessen Name ganz sicher orkisch klang und sich nicht in eine Schenke traute? Interessant.
Als sie so mit dem Kopf auf Meves Schoß lag und die Vorzüge ihres "Packpferds" lobte, musste der Waffenschmied über Meves irritierte Miene schmunzeln. Vermutlich hatte die große Blondine nicht damit gerechnet, dass sich Johanna in ihrem betrunkenen Zustand so an sie heran machte.
"Weißt du," hob Syrias an, während Johanna versuchte ihn mit ihrem glasigen Blick zu fokussieren, "Ich könnt jetzt all den üblichen Scheiß loslassen. Von wegen, das wird schon, gib ihm nur Zeit, er muss sich erst entscheiden, die richtige Person kommt noch oder was weiß ich fürn bla bla bla." Mit einer verächtlichen Geste tat Syrias das eben gesagte ab.
"Aber ich glaub, dass wäre Blödsinn. Außerdem bist du ziemlich voll, da red ich mir nicht den Mund fusselig, damit du morgen die Hälfte wieder vergessen hast. Du hast für heute genug Dampf abgelassen und der alte Mann hier wird langsam müde." Syrias stand auf, kniete sich hin und hob Johanna von der Bank. Die kleine, zierliche Frau ging in den großen Armen des Waffenschmieds fast verloren, als er sich mit ihr wieder aufrichtete.
"Wir bringen dich mal lieber zu Bett. Meve," wandte er sich an die Dritte im Bunde, "du nimmst ihren Schlüssel und wir bringen sie auf ihr Zimmer. Dann darfst du dich um den Rest kümmern. Sie hat für heute genug Zeit mit Männern auf nem Zimmer verbracht."
Die drei begaben sich in Richtung Johannas Zimmer, Meve voran mit dem Schlüssel, Syrias mit seiner Last in den Armen. Johanna murmelte währenddessen immer wieder Beleidigungen über Isidor und die Männer im allgemeinen. Irgendwas von wegen großer Kerl und kleine Flöte, wenn der Söldner es richtig verstand. Das Reizwäsche so einen Ausbruch auslösen konnte, das hatte Syrias auch noch nicht erlebt.
Als die drei in Johannas Zimmer angekommen waren, legte Syrias die betrunkene Junge Frau überraschend behutsam auf ihr Bett, zog einen Nachttopf von unter dem Bett mit dem Fuß heraus und nickte Meve zu. "Ich denk mal, ab hier übernimmst du den Rest. Ich mag vielleicht [I]alt/I] sein, aber ich bin kein geiler Bock." betonte er noch einmal Johannas Aussage mit einem leichten Grinsen, bevor er sich noch einmal an die kleine Frau wandte.
"Und du schläfst deinen Rausch aus. Wir können uns nochmal über Isidor und seine Dummheit unterhalten, wenn du wieder bei klarem Verstand bist." Syrias wollte sich schon abwenden, zögerte jedoch noch kurz.
"Und wenn ich Rudra sehe, sag ich ihm Bescheid. So ein großer Kerl ist schließlich nicht zu übersehen." Betonte er noch einmal, bevor er den Raum und die Schenke verlies.
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Unter hunderten hätte Felia die Stimme dieses Mannes heraushören können. Die unangenehm nörgelnde Stimme eines Mannes, der ganz offensichtlich einige Köpfe zu klein für sein Gewicht war. Das penetrante, unüberhörbare, jeden Nerv quälende Gezeter und Gemecker eines von Grund auf und bis ins Mark unzufriedenen Männleins. Das grauenvolle, kindererschreckende, albtraumartige Jaulen, Zetern und Gemaule aus den tiefsten, dunkelsten Teilen von Beliars Reich freigelassen von einem winzigen, unwichtigen, ganz und gar überflüssigen Nebencharakters in Felias Lebensgeschichte, der sie mit einer unvergleichlichen Penetranz verfolgte und mit jedem grässlich raspelnden und den dicklichen Körper durchschüttelnden Atemzug darum rang, mehr zu sein als die Fußnote im letzten Teil des Abspanns im letzten von Felias mehrteiliger Lebensgeschichte.
Gabriel.
Novize.
Primus des Ordens Innos'.
Nervtötendster aller Knilche unter Innos' herrlicher Sonner.
Und zu allem Überfluss nicht nur ihr direkter Vorgesetzter, sondern auch Kontrahent im Rennen um die Beförderung zur Feuermagierin.
Und dieser Wicht hatte es tatsächlich bis nach Stewark geschafft. Nicht nur das - er hatte sogar den Ort gefunden, auf den das Rätsel der obersten Feuermagierin hinwies. Das Fenster durch welches man - da war Felia sich mittlerweile sicher - die in Kettenhemden gehüllten Fische betrachten konnte, die irgendwo in der Nähe des gesuchten Gegenstands umherblubberten.
Als die Schimpftirade des zu klein geratenen, pausbäckigen Gartengnoms losgebrochen war, hatte der aufmerksam und bisher noch durchaus freundliche Blick der Wassermagierin sich langsam auf das zeternde (unterdurchschnittlich große und beinahe glatzköpfige) menschliche Ärgernis gelegt. Ihre Gefühlsregungen zu deuten war schwierig - sie machte nach wie vor einen insgesamt recht ruhigen Eindruck, dennoch wurde die kleine Novizin das Gefühl nicht los, dass ihr das Auftreten dieses Mannes so gar nicht gefiel. Für einige Herzschläge ruhte der Blick der Frau auf dem fremden Mann. Als dieser dann das gut gehütete Geheimnis von Felia und Curt enthüllte, wandte sie sich erneut an die beiden. Nicht wütend, auch nicht vorwurfsvoll. Ihr Blick war viel eher fragend mit einer gewissen Note der Neugierde. Und nicht, dass Felia mangels einer Mutter je ein solches Gefühl hatte verspüren können, aber sie war sich sicher, dass so der Blick einer Mutter aussehen musste, die soeben erfahren hatte, dass sie von ihren Kindern belogen worden war. Die angehende Feuermagierin senkte betreten den Blick und knetete sich verlegen die Finger.
»Es stimmt.«, gestand sie kleinlaut und konnte aus dem Augenwinkel beobachten, wie Curt ob der Offenbarung sichtbar zusammenzuckte. Felia griff nach seiner Hand. Nicht, weil sie das Gefühl hatte, dass er sie brauchte, sondern schlicht aus dem egoistischen Grund, dass sie seinen Halt benötigte. Sie wollte die letzten Augenblicke ihres freien Lebens außerhalb einer von Salzwasser zerfressenen stewarker Gefängniszelle, die sie sich sicherlich mit einer gesichtstätowierten und merkwürdig durchtrainierten Verbrecherin mit unmodischem Kurzhaarschnitt teilen musste, ehe sie sich unweigerlich einer gewaltbereiten wassermagischen Frauenbande anschließen und ebenfalls einen solchen Haarschnitt hätte tragen müssen, in Gegenwart ihres Liebsten verbringen. Mit der freien Hand fuhr sie sich durch das wohlig duftende, perfekt liegende und äußerst gut gepflegte Haar. Sie würde es vermissen, so viel stand fest.
»Wir sind in der Tat hier, um ein längst vergessenes Artefakt zu finden, das irgendwo im Meer vor, neben oder unter Stewark zu finden sein soll. Es gehörte einst einem Paladin im Dienste Innos'.«, erzählte sie frei heraus.
Die Katze war durch Gabriels unbedarftes Geplapper sowieso aus dem Sack. Sie zu verstecken hatte keinen Sinn mehr - also bürstete und fütterte Felia die Katze, auf dass sie so anschaulich wie möglich aussah.
»Dass wir euch dafür haben belügen müssen, das bedaure ich.«, sprach Felia wahrheitsgemäß und blickte die Wassermagierin an. »Wir hatten Angst-« Sie deutete auf den rot unterlaufenen und noch immer wild zeternden Oberknilch. »so zu enden.«.
Gern wäre sie ernst geblieben.
Aber ein kurzes Kichern und ein zufriedenes Schmunzeln ob Gabriels derzeitiger Situation konnte sie sich beim besten Willen nicht verkneifen.
Geändert von Felia (18.07.2024 um 20:13 Uhr)
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Herberge der Klippenschänke
„Verdammt, mein Kopf …“
Johanna rollte sich mit einem leidvollen Ächzen auf den Bauch und zog die Knie an. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätte ihn jemand in einen Schraubstock geklemmt. Sie schloss die Augen, so fest sie konnte, in der irrigen Hoffnung, noch ein wenig weiter zu schlafen und ihrem erbarmungswürdigen Zustand so noch etwas länger aus dem Weg zu gehen. Doch die Sonne hatte andere Pläne mit ihr. Das zum Fenster hereinfallende Licht brannte sich durch die geschlossenen Lider in ihren gemarterten Geist und machte alles nur noch schlimmer. Nein, es half nichts. Sie musste sich erheben – irgendwie.
„Was ist denn nur passiert?“, presste sie hervor. Mühevoll schob sie die Beine aus dem Bett, bis sie mit den Knien den Boden berührte, und verharrte für eine Weile mit dem Gesicht im Stroh der Bettstatt. Dann, als sie sich endlich bereit dafür fühlte, drückte sie sich mit den Händen ab und brachte sich in eine aufrecht kniende Haltung am Rand ihrer Bettstatt.
Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass sie nicht allein war. Auf einem Stuhl am anderen Ende der kleinen Kammer saß Meve mit verschränkten Armen, den Kopf in den Nacken gelegt, und schnarchte mit dem von draußen hereindringenden Stadtlärm um die Wette.
„Was machst du denn hier, Große?“, ächzte Johanna. Sie tapste zu ihrer Freundin hinüber und hangelte sich dabei an der Wand entlang, um nicht umzufallen. Unbeholfen patschte sie ihr auf die Wange. „Meve?“
Doch ihre riesenhafte Freundin schnarchte nur einmal kurz auf und schlief einfach weiter. Johanna ließ die Hand auf ihre Schulter sinken und strich darüber.
„Hast du auf mich aufgepasst?“
Johanna entschloss sich, Meve dem Schlaf der Gerechten zu überlassen. Doch sie brauchte unbedingt etwas zu essen und vor allem trinken! So schleppte sie sich zur Tür und zwängte sich hindurch auf den Gang des Obergeschosses.
Nach drei Schritten durch den Korridor hielt sie inne und stützte sich an die Wand, um eine Welle stechenden Kopfschmerzes zu überdauern. Sie versuchte verzweifelt, ihren Verstand in Bewegung zu setzen, um zu rekonstruieren, was am Abend zuvor geschehen war. Doch das Letzte, an das sie sich mit Sicherheit erinnern konnte, war, wie sie alle vor dem Platzregen in den Schankraum geflohen waren. Wieso hatte sie sich denn nur so abgeschossen, dass der ganze Abend im Rausch verloren gegangen war? Hatten sie sich etwa so heftig gefeiert, weil sie das Chaos am Stadttor aufgelöst hatten? Das konnte doch nicht sein!
Johanna betastete ihre Haare, während sie den Gang entlang schlurfte, und musste feststellen, dass sie wie Unkraut in alle Richtungen abstanden und vollkommen verfitzt waren.
„Ach Mist …“, murrte sie. Hatte sie sich etwa mit nassen Haaren hingelegt? Und wer hatte sie nass gemacht?
Als sich eine Tür öffnete, schwankte Johanna zur Wand und stützte sich daran ab, um zumindest einen halbwegs stabilen Eindruck abzugeben. Mit wirrem Haar und dümmlich gequältem Grinsen lehnte sie dort und nahm sich vor, auszuharren, bis sie niemand mehr sah. Doch als sie Isidor aus der Tür treten sah, ließ die Anspannung ab und sie ließ ihrem beklagenswerten Zustand freien Lauf.
„Isidor!“, rief sie erschöpft, als wäre sie endlich auf ihren Retter getroffen, der sie von dem Kater erlöste. Doch Isidor freute sich nicht, Johanna zu sehen. Stattdessen zuckte er kaum merklich zusammen, als er sie sah. Johanna aber achtete gar nicht weiter darauf.
„Isidor, du musst mir unbedingt sagen, warum ich so viel getrunken hab“, jammerte sie. „Was haben wir denn gestern Abend gemacht?“
Sie kämpfte eine neu aufkommende Welle von Kopfschmerz nieder.
„Ich glaub, ich brauch was zu trinken. Wasser, keinen Alkohol. Bei den Göttern, bloß keinen Alkohol …“
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Klippenschänke
Mit Wut im Bauch zu Bett zu gehen war etwas, was man vermeiden wollte, wenn man konnte. Doch manchmal war die Wahl nicht gegeben und in seltenen Fällen sah die Welt am nächsten Tag schon besser aus. Heute war so ein Fall.
Noch immer verstimmt, zornig auf Ardan, Piero, die Welt, sich selbst und sogar Johanna, die durch ihren Zustand alles falsch aufgenommen hatte, traf er auf letztere als erstes nach dem Aufstehen. Eigentlich ein Grund direkt auf der Schwelle kehrtzumachen und den Tag mit Trübsal im Bett zu verbringen, wäre da nicht der Umstand gewesen, dass sie keinerlei Erinnerungen an letzte Nacht zu hegen schien. Glücklicher Zufall? Vielleicht, doch Isidor hatte selbst schon so manche Erinnerung in Alkohol ertränkt, die später wieder an die Oberfläche des Bewusstseins gedrungen war und meist nicht weniger schmerzvoll.
„Guten Morgen“, grüßte er mit belegter Stimme, „Ich weiß nicht, wie viel du getrunken hast. Ich bin oben geblieben, nachdem du wieder runtergestürmt bist“, blieb er bei der Wahrheit.
Anhand seiner Haltung und Stimmlage erkannte man, dass ihm nicht Wohl in seiner Haut war.
Johanna tat ihm leid, wie sie offensichtlich heimgesucht von den Geistern des Alkohols Halt an der Wand suchte, die so wenig hilfreich war, wie er in diesem Augenblick.
„Warte hier, ich hole bei Ingor einen Krug Wasser“, bedeutete er ihr und lief ohne eine Antwort abzuwarten die Treppe hinab.
Er betete zu allen Göttern, die zuzuhören bereit waren, dass sie ihn heute mit dem Antlitz Pieros verschonten oder zumindest bat er sie, ihn vor seiner Faust zu verschonen, mit der er ihm noch immer gern das Grinsen aus dem Gesicht zimmern wollte.
Unten angekommen schaute er sich lustlos im Schankraum um. Alles, was auf die volle Hütte von letzter Nacht hindeuten würde, war bereits aufgeräumt und Ingor stand quickfidel hinter der Theke und bereitete einige Krüge für das Frühstück vor.
„Morgen“, brummte der Hüne zum Wirt und bestellte einen großen Krug Wasser und einen Tonbecher.
„Kommt sofort. Sag, warst du nicht gestern am selben Tisch wie die kleine Johanna?“, fragte ihn Ingor gut gelaunt.
„Hrm“, grunzte der Schmied als Antwort.
„Das Mädel säuft wie ein Loch, fasst aber nur so viel wie ein Fingerhut. Hab ein Auge auf sie, wenn du sie siehst, in Ordnung?“
„Mach ich.“
„Gut, gut. Hier das Wasser.“
Mit irgendwas zwischen einem dankbaren Wort und einer abwinkenden Geste schnappte sich Isidor den Krug und den Becher und stapfte die Treppe wieder hinauf, wo er Johanna so vorfand, wie er sie zurückgelassen hatte. Ob sie sein Geschenk heute wohl schon entdeckt hatte? Vermutlich nicht, das hätte sicher einige der verlorengegangenen Erinnerungen auf den Plan gerufen.
„Hier, dein Wasser. Ich wollte jetzt zu diesem Rüstungsschmied, Alberich, gehen. Kann ich vorher noch was für dich tun? Du siehst eher aus, als solltest du noch etwas schlafen.“
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"Na na na, wir haben nie gelogen. Zumindest nicht innerhalb dieses ... Tempels." Curt rümpfte die Nase und richtete sich stolz den Kragen seiner schlichten Kutte. Die Frage lautete schließlich, ob sie Feuermagier seien und das hatte er mit Fug und Recht verneint. Noch ist er keiner. Und womöglich könnte sich dieses Vorhaben als Gortharscher Knoten herausstellen - unlösbar.
"Aber ich staune doch, mit welch einfacher Magie sich die Bewohner dieser Stadt in panische Aufruhr versetzen lassen. Das war ein simpler Rauchzauber, ausgesprochen durch einen Novizen, wenn auch einen talentierten. Und das auch nur zum Selbstschutz, da die Wachen dieser Stadt einem intriganten Irren auf den Leim gegangen sind, der mit seinem Lügenmaul vermutlich immer noch da draußen unter den anderen Eseln herumläuft. Die schiere Angst der Menschen vor Innos, dem Gott des Lichts, der Güte und der Frömmigkeit, erschüttert mich."
Er wandte sich an seine Liebste und nahm sie kurz in den Arm. Sog ihre Wärme, ihre Liebe auf, auf dass die anderen Menschen dieser Stadt nichts als ihren ungezügelten Zorn verspüren würden. Dann wandte er sich noch in Richtung Gabriel, der sich inzwischen aufgerappelt hatte, aber von dieser Wilden streng taxiert wurde, nur auf einen Befehl ihrer Vorgesetzten wartend, ihn in einen brennnesselartigen Schwitzkasten zu nehmen. Curts Blick wanderte auf den Boden unter ihnen. Ein antimagisches Siegel. Kaum dass er es betrat, spürte er eine unnatürliche Taubheit. Ganz als hätte man ihm einen seiner Sinne geraubt. Und zugleich ... hatte es den Zauber des Schlichtens, der immer noch wie eine Decke über ihm gelegen hatte, verweht.
"Nur eine Sache noch, bevor Ihr tut, was Ihr tun müsst ..." Er schluckte schwer. "Bruder Gabriel. Primus. Eine Sache brennt mir schon lange auf der Zunge. Verzeiht mir bitte, dass ich es so lange für mich behalten habe."
Der dickliche Knilch verengte die Augen. Er schien nicht so recht zu wissen, was Curt von ihm wollte. Die beiden waren sich bislang auch sehr effektiv aus dem Weg gegangen. Curt senkte die Lider, atmete tief ein, lockerte die Finger und schloss für einen Augenblick Frieden mit der Welt. Nur um sein gesamtes Gefühlschaos in einer einzigen Bewegung zu entladen.
"Es heißt Schwester Felia! Bekommt das endlich in Eure verfetteten Gesprächsmuskeln!"
Mit diesen Worten verpasste Curt dem Kerl eine schallende Ohrfeige, die bis in die hintersten Winkel des Tempels zu vernehmen war und Gabriel völlig unvermittelt rückwärts in die Arme der Wilden beförderte.
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Klippenschänke
„Danke, bist mein Lebensretter.“
Johanna zeigte ein gequältes Lächeln. Sie nahm ihm den Becher ab, den er für sie mit Wasser gefüllt hatte. Begierig stürzte sie das kühle, köstliche Nass hinunter, Schluck um Schluck, bis der Becher restlos leer war.
„Brauch noch was“, ächzte sie und ließ sich nachschenken. Diesmal setzte sie immerhin schon nach dem halben Becher ab und sank mit zufriedenem Ausdruck an der Wand zu Boden.
„Mhm, schlafen …“, murrte sie. „Kann nicht. Mein Kopf tut zu sehr weh.“
Johanna zog die Beine an, umschlang ihre Knie und legte das Kinn darauf ab.
„Ich versteh’s nicht. Wieso bin ich denn runtergestürmt?“
Und wieso war sie auf seinem Zimmer gewesen? Sie hatten doch nicht etwa – Innos! Nein, das konnte nicht sein!
„Isi, ich fühl mich, als hätt ich was Schlimmes gemacht gestern.“
Bleich und kraftlos und zerstrubbelt sah sie mit großen Augen zu ihrem neuen Freund hinauf.
„Sag mir bitte, dass wir nichts Schlimmes gemacht haben, ja?“
Langsam schüttelte sie den Kopf – eine schnelle Bewegung hätte ihn vermutlich platzen lassen, so wie er sich anfühlte.
„Scheiße. Und ich wollt eigentlich zusammen mit Meve zu Syrias und weiter üben. Wie komm ich denn jetzt wieder auf die Beine?“
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Klippenschänke
„Also erstmal, langsamer trinken. Kleine Schlucke und zwischendurch tief durchatmen. Das hilft gegen das Pochen im Kopf und der Magen gluckert nicht so unangenehm“, teilte der Gelegenheitstrinker sein Fachwissen mit der lädierten Anfängerin, „Wenn du nicht aufpasst, landet alles wieder draußen. Glaub mir, an dem Punkt war ich mehr als einmal.“
Sie nickte, doch ihre Ansätze von Verzweiflung ließen sich damit nicht bannen. Manchmal hatten Barbiere oder Apotheker bestimmte Kräuter oder Tinkturen, die gegen die Schmerzen und die Übelkeit halfen, doch meist waren die teuer und wirkten nur mäßig gut. Am besten war es, nach dem Rausch auch den Katzenjammer mit Schlaf zu kurieren, doch offenbar stand das für die junge Frau nicht zur Debatte.
„Ansonsten, ein Eintopf mit Fleisch und Gemüse würde helfen, falls du schon was runter kriegst und Ingor was da hat“, schlug der Hüne vor, ehe er sich mit einem schweren Seufzer neben Johanna auf den Boden niederließ, den Rücken zur Wand, den Kopf angelehnt.
Einige Zeit saß er schweigend neben der ziemlich bematschten Freundin, die er dachte gefunden zu haben, ehe alles vorzeitig in die Brüche gegangen war. Nun erinnerte sie sich nicht mehr, doch das konnte sich mit der Zeit ändern und wenn er nicht ehrlich war, würde es die Situation nur schlimmer machen. Toller Spion war er. Seine erste und beste Option war bisher immer die Wahrheit gewesen. So einfach konnte das Geschäft der Schatten wohl kaum sein. Vermutlich war er einfach eine Lachnummer und würde bald schon die Nachricht bekommen, dass er als unfähig eingestuft wurde und er nicht mehr im Dienste des myrtanischen Reichs stand. Doch wäre das so schlimm? Er wusste es nicht.
„Mach dir keine Sorgen“, brach er irgendwann die Stille, die zugegeben nicht so still war, wenn man bedachte das in einem der Zimmer jemand so laut schnarchte, dass es sogar das geschäftige Treiben vom Torplatz übertönte, „Es ist nichts passiert. Nichts Schlimmes, aber auch nichts Gutes.“
Sie schaute ihn etwas verständnislos an. Kein Wunder, wenn er sich so kryptisch ausdrückte und sie gerade nicht in der besten Verfassung war komplizierte und wohl auch unsinnige Umschreibungen zu verstehen.
„Schau, das fällt mir jetzt nicht leicht, weil es vielleicht viel kaputt macht, aber wenn ich warte oder es verschweige, wird’s nicht besser“, begann er von vorn und wappnete sich, „Ich hab‘ von Piero, der Kerl mit der aufwendig bestickten Kleidung, ein Päckchen bekommen, wobei er meinte, dass es für dich sei, weil er die Situation falsch interpretiert hat. Du warst neugierig, weil ich nicht sagen wollte, um was es ging und hast mich irgendwann dazu gebracht, zuzugeben, dass es für eine Frau ist.“
Ein Blick auf Johanna verriet ihm, dass sie soweit noch folgen konnte. Also fuhr er mit der Nacherzählung der letzten Nacht fort.
„Du hast an Frieda gedacht und es war dir unangenehm, also bist du raus in den Regen“, Isidor deutete auf ihr strubbliges Haar, „Ich bin dir nach und hab dir die ganze Geschichte erzählt. Du wolltest das Paket sehen und wir sind hoch. Ich wusste nicht, was Piero hineingepackt hat, aber als du es aufgemacht hast, kam…Damenunterwäsche zum Vorschein.“
Der Schmied räusperte sich verlegen und vermied nun tunlichst in Johannas Richtung zu schauen.
„Du warst außer dir, bist rausgerannt und wohl wieder unten im Schankraum gelandet. Mehr weiß ich nicht, weil ich meinen Raum nicht mehr verlassen habe.“
Einige Details ließ er aus, doch er hoffte, dass sie ihm das nachsah, sollte sie sich wieder daran erinnern können. Jetzt blieb ihm nur noch abzuwarten, wie sie reagieren würde.
Geändert von Isidor (19.07.2024 um 00:37 Uhr)
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Nun, da waren die Karten also endlich auf dem Tisch. Und Aniron wusste gar nicht, wo sie zuerst anfangen sollte, das nahm ihr dieser Curt, der dem anderen eine gezimmert hatte, ab.
„Ich hatte mich eigentlich deutlich ausgedrückt, Curt“, sprach sie mit schneidender und lauter Stimme. „Ihr entweiht unseren Tempel, schämt Euch! Eure Konflikte habt Ihr außerhalb dieser heiligen Hallen zu klären.“
Sie machte einen Schritt auf Curt zu, die Augen schmal.
„Noch nie haben Vertreter der Kirche Innos‘ ein derartiges respektloses Verhalten in unserem Tempel gezeigt! Ich frage mich, wie es kommt, dass ausgerechnet Ihr zu uns geschickt wurdet. Wer hat euch geschickt, um das Artefakt zu bergen? Etwa Francoise persönlich?“
Sie sah, wie sich Felia etwas straffte, die Augen voller Stolz für einen Moment, der verflog, als Aniron weitersprach: „Ich habe die Oberste Feuermagierin dereinst kennen und schätzen gelernt, ein derartiges Fehlurteil über das Verhalten ihrer Schützlinge hätte ich ihr nicht zugetraut. Oder hat sie Euch gar zu uns geschickt, um Eure hitzigen Gemüter abzukühlen? Ist dies eine Prüfung-“
Ihre Augen wurden plötzlich groß. Mit einem Mal verstand sie, was dahinter liegen könnte. Die Prüfung des Feuers, sie hatte davon gehört. „Ich verstehe“, murmelte sie.
Die Priesterin meinte so etwas wie Trotz in Curts Blick erkennen zu können, doch davon hatte sie genug.
„Ihr kommt hierher, greift unsere Wachen an und wollt unseren Tempel durch Euer Verhalten entweihen. Dazu beleidigt Ihr auch noch die Bewohner dieser Stadt! Hier herrscht keine Angst vor Innos, aber Widerstand gegen einen König, der meint in Innos‘ Namen andere Reiche erobern zu müssen.“
Sie trat näher an Curt heran, ihre Stimme ein bedrohliches Flüstern:
„Was glaub Ihr, was geschieht, wenn der König in dieser Stadt davon erfährt, dass sich hier Diener Innos‘ aufhalten, geschickt von Thorniara, die mit Zaubern um sich werfen und Wachen angreifen? Ich weiß nicht, ob es Euch bewusst ist, aber Eure kleine Rauchwolke könnte schwerwiegende Konsequenzen für diese ganze Insel und ihre Bewohner haben! Ihr wollt ein Diener Innos sein? Das Feuer beherrscht Euren Geist ganz offensichtlich, doch diese lodernde Flamme des Zorns wird Euch verbrennen, statt die Wärme zu geben, mit der Innos die Sphäre seines Bruders gesegnet hat.“
Aniron trat einen Schritt zurück und stemmte kopfschüttelnd die Arme in die Seite.
„Ich bin froh, die Wahrheit jetzt zu kennen. Wir hätten Euch unsere Hilfe angeboten. Jedoch habt Ihr unseren guten Willen verspielt. Ich werde diese Angelegenheit mit dem Obersten Wassermagier besprechen. Bruder Aaras, du begleitest Curt zum Gefängnis der Stadtwache. Er soll dort sein Verhalten bedenken. Vielleicht kühlt sein Geist etwas ab. Aber Aaras, verlier vorerst kein Wort, dass dieser Mann die Stadtwachen angegriffen hat. Ich muss mich erst mit Tinquilius beraten.“ Und am liebsten auch Hyperius. Der Teeliebhaber und Pazifist hatte sicherlich auch eine Meinung zu alldem.
„Felia, Ihr dürft Euch eine Unterkunft suchen. Wenn Ihr möchtet, könnt Ihr bei uns im Haus der Magier unterkommen.“ Dort hätten sie die Frau immerhin im Blick.
„Und Ihr …“ sie ging auf den kleinen Mann zu, der sich nach Curts Ohrfeige aus Kishas Armen wieder rausgezappelt hatte, „habt versucht, Eure Magie in diesem Tempel zu wirken, sonst hätte Sila Euch nicht derart behandelt. Und eine Petze seid Ihr außerdem. Ihr habt Verbot, den Tempel zu betreten. Sollte sonst noch einmal jemand in diesem Tempel Magie wirken, der nicht zum Kreis des Wassers gehört oder eine ausdrückliche Erlaubnis besitzt, wird das schwerwiegende Konsequenzen haben.“
Sie machte erneut einen Schritt zurück und wandte sich an Felia:
„Es gibt eigentlich keinen Grund sich vor uns zu fürchten. Ich bin schwer enttäuscht, ich dachte, Diener Innos‘ seien gelehriger. Dass die Mär vom bösen Wassermagier nach der Heiligen Allianz früher und dem gemeinsamen Kampf gegen den Drachen vor einigen Jahren immer noch Bestand hat in Thorniara, stimmt mich traurig, mindestens aber nachdenklich.“
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Klippenschänke
Als er seine Beichte beendet hatte, sah sie ihm lange und tief in die Augen. Und dann lachte sie – verhalten zunächst, dann lautstark, bis sie sich mit vor Schmerz verzogenem Gesicht abwandte.
„Götter, ich darf nicht so lachen. Mein Kopf …“
Trotzdem traute sich noch ein kleiner Lacher hinterher, dass sie die Hand vor den Mund nahm.
„Das ist der dämlichste Grund, aus dem ich mich je betrunken hab“, gab sie zu. „Scheint ja ein komischer Vogel zu sein, dieser … Pero?“
Angestrengt bemühte sie ihr Gedächtnis, doch sie konnte sich beim besten Willen nicht an einen Kerl mit aufwändig bestickter Kleidung erinnern.
„Aber warum lässt du dir denn von ihm Geschenke für mich geben? Und wie kommt er denn da drauf, dass ich mich über Unterwäsche – oh … hat er etwa gedacht, dass wir …“
Sie verbarg ihr Gesicht mit einer Hand und lachte noch einmal auf. „Oh je, das klingt nach einem furchtbar peinlichen Abend.“
Ob die Anderen zu dem Zeitpunkt schon weg gewesen waren? Nein, Meve saß ja da hinten auf dem Stuhl und schnarchte die Stadt in Stücke. Sie musste alles mitbekommen und ihr dann ins Bett geholfen haben.
„Ja, etwas zu Essen wäre wirklich nicht verkehrt. Ich brauch was Salziges, glaub ich.“
Ihr Körper lechzte geradezu danach. Am liebsten wäre sie vor das Tor gerannt und hätte sich zu den Ziegen an den nächsten Leckstein geworfen.
„Naja, dann geh mal deinen Alberich suchen. Hast ja gestern schon den ganzen Tag mit dem Chaos am Tor verloren. Treffen wir uns dann später?“
Sie lächelte. „Wegen der Verabredung mit Frieda morgen.“
Fahrig fuhr sie sich durch das struppige Haar und blieb auf halbem Wege mit der Hand darin stecken.
„Ich muss mich erstmal vorzeigbar machen, fürchte ich. Unkraut ist’n Scheiß dagegen.“
Johanna kämpfte ihre Hand wieder aus dem Klammergriff der verfitzten Haarpracht frei, dann hob sie mahnend den Zeigefinger.
„Aber Isi: keine Unterwäsche für Frieda, hörst du? Wir überlegen uns heut Nachmittag was, aber keine Unterwäsche.“
Und wieder entfuhr ihr ein kurzes Kichern. Das war einfach zu albern.
Geändert von Johanna (19.07.2024 um 19:17 Uhr)
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Isidor merkte wie ein eselsgroßer Stein von seinen Schultern rollte, als er sah, wie Johanna auf das Erzählte reagierte. Sie kannten sich längst nicht gut genug, um zu wissen, wie der andere auf bestimmte Dinge antwortete, doch er war heilfroh, dass die junge Frau es mit Humor statt Verlegenheit oder noch schlimmer Wut aufnahm.
„Du ahnst nicht, wie froh ich bin, dass du nicht mehr sauer bist“, ließ er sie wissen und ließ sich endlich zum einem Lächeln hinreißen.
Er ließ den Kopf wieder gegen die Wand sinken, nachdem er sich vorgebeugt hatte, um sie ansehen zu können. Sein Blick ging zur Decke, in der sich einige Spinnennetze gesammelt hatten.
„Ich wollte das Geschenk gar nicht annehmen, aber als er es mir in die Hand drückte, kamt ihr schon rein und ich wusste nicht, wie ich mich verhalten soll. Schmeiß es einfach weg, dann hat sich die Sache erledigt.“
Langsam erhob sich der hochgewachsene junge Mann und reichte seiner Freundin die Hand, um ihr ebenfalls aufzuhelfen. Ihr Haar sah wirklich aus, als würde es Pflege bedürfen, nicht, dass seins sonderlich besser dran wäre, doch bei Männern achteten die Leute gewöhnlich weniger auf derartige Details. Seltsame gesellschaftliche Normen.
„Ja, ich sollte wirklich los, auch wenn der Tag gestern bis auf den Abschluss sehr erfolgreich war, will ich meinen. Und keine Sorge…Unterwäsche ist nicht das Geschenk meiner Wahl, wenn ich eine Frau seit einem Tag kenne“, witzelte er, noch immer nicht wieder völlig entspannt, „Ich hatte eher en ein Kleinod gedacht oder wie du schon vorschlugst eine exotische Frucht, falls einer der Händler so etwas im Angebot hat.“
Er wandte sich zum Gehen, drehte sich jedoch nochmal um.
„Und ja, heute Nachmittag hier in der Schänke?“
Sie nickte und er hob die Hand zum Abschied, ehe er die Treppe hinabstapfte. Draußen auf dem Torplatz war es bei Weitem nicht so voll wie am gestrigen Tage und es fehlte nahezu jede Spur von den Hinterlassenschaften der Esel. Ein Glück!
Ein Blick zum Torhaus verriet ihm, dass auch dort wieder zwei Stadtwächter positioniert waren und alles seinen gewohnten Ablauf hatte. Zumindest vermutete er, dass Stewark normalerweise keinen vermeintlichen Angriff von Feuermagiern oder -novizen erlebte und die Eselzuchtmesser war sicher auch nicht jeden Tag.
Glücklicherweise war Stewark eine eher kleine Stadt, denn bei Isidors schlechter Orientierungsfähigkeit, hätte er die Schmieden wohl sonst nicht beim ersten Versuch wiedergefunden. Obwohl die Klänge von Hammer auf Metall und die dichten Rauchschwaden durchaus verräterisch waren.
Linkerhand befand sich Tarons Schmiede, in der Syrias sicher ebenfalls bei der Arbeit war. Blieb herauszufinden, in welchem der Gebäude Alberich seine Werkstatt hatte. Die Schilder waren eher nicht aussagekräftig, doch er würde schon am Ziel ankommen. Die Tür eines Hauses stand offen und er spähte hinein, entdeckte sogar eine Frau mittleren Alters, die dabei war einige Zangen zu schmieden. Eine Werkzeugschmiede oder zumindest etwas, das in ihrem Repertoire lag. Zwei Häuser weiter hing ein hölzernes Schild, auf dem ein stilistischer Hammer abgebildet war. Das Symbol war aus beschlagener Bronze und wirkte noch nicht allzu alt. Ob er hier fündig werden würde?
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Klippenschänke
Ein neuer, strahlend schöner Sommertag, eine neue Gelegenheit, um gute Geschäfte zu machen. Und Piero war bereits fleißig gewesen. Nachdem er die hiesigen Leute am Vorabend ein wenig ausgehorcht hatte, war er gleich nach Sonnenaufgang in die benachbarte Handwerkshalle aufgebrochen, um den gewaltigen Packen an Stoffen und Kleidungsstücken zu Gold zu machen, den ihm Curt und Felia vermacht hatten. Allzu offensiv war er dabei nicht in’s Feilschen gegangen – dafür kannte er sich mit Stoffen zu wenig aus und wollte nicht gleich zu Beginn eine Reputation als Raffzahn aufbauen. Dennoch hatte sich allein aufgrund der Menge und Qualität der Waren ein gehöriges Sümmchen ergeben, das sich sicher als Startkapital für weitere Geschäfte investieren ließ. Selbst den esellosen Eselskarren hatte er an den Mann gebracht – bis auf die Last des Goldes hatte er seine Habe somit wieder auf das gewohnt leichte Gepäck reduziert.
„Ein guter Start“, beschied er sich selbst mit geistigem Schulterklopfen, als er in die Klippenschänke zurückkehrte und sich an den Tresen begab. Der Schankraum war noch leer – ein Stündchen würde es sicher noch dauern, bevor die ersten Gäste auf ein Mittagsmahl hereinschneiten. Das gab Piero endlich einmal die Gelegenheit, mit dem gemeinhin am besten informierten Menschen einer Stadt zu sprechen: dem Wirt.
„Einen guten Morgen wünsche ich! Ingor, richtig?“
„Der bin ich. Und Euch ebenfalls einen guten Morgen! Essen gibt es jetzt noch keines, aber darf’s schon etwas zu trinken sein?“
Piero hob die Hand. „Vielen Dank, aber ich bin versorgt. Sagt, werter Freund, bei meinem gestrigen Aufenthalt in deinem außerordentlichen Etablissement fiel mir auf, dass der Schankraum durch die Abwesenheit jeglicher dunkler Ecken hervorsticht, in denen sich umtriebige Gestalten tummeln könnten. Das ist wahrhaft erstaunlich und ganz und gar nicht üblich, dort wo ich herkomme.“
Ingor, bis zu diesem Moment damit beschäftigt, das Geschirr der Frühstückskundschaft abzuspülen, wandte sich ihm zu und strahlte ihn an. „Fürwahr, in dieser Schänke werdet Ihr kein Gesindel finden, werter Herr. Dafür stehe ich mit meinem Namen.“
Pieros Lippen formten sich zu einem Lächeln, das die Augen nicht erreichte. „Wie außergewöhnlich!“, bekräftigte er. „Es ist ganz wundervoll, all die zwielichtigen Leute ausgesperrt zu wissen. Sicher treiben die sich dann in irgendeiner finsteren Spelunke am anderen Ende der Stadt herum, nicht wahr?“
„Nein, mein Herr, seid unbesorgt“, entgegnete der Wirt. „In ganz Stewark gibt es nur die Klippenschänke, wenn man ein Bier genießen will. Naja, außer den Hauswirtschaften vielleicht, aber die Damen, die sie betreiben, werden sicherlich ebenso niemanden in ihre Stuben lassen, der Euch zu Leibe rücken könnte. Stewark mag voll geworden sein, seit der König hier residiert. Aber wir sind immer noch eine kleine Stadt und hier laufen die Dinge etwas anders als in Thorniara oder früher in Setarrif.“
„Wie schön!“ Das Lächeln war mittlerweile auf Pieros Zügen eingefroren.
Das war, milde gesagt, eine herbe Enttäuschung. In was für einem Provinzkaff war er denn gelandet, das nicht einmal einen vernünftigen Tummelplatz für ehrliche halblegale Aktivitäten bot? Und dieser spießige Kleinstädter rühmte sich auch noch dafür, einem ganzen Wirtschaftszweig den Nährboden zu entziehen. Er fragte sich, ob Lares gewusst hatte, wie sauer ihm dieser Umstand aufstoßen würde, als er ihn hierher beordert hatte.
Sieh, wo du dich nützlich machen kannst.
„Sagt, Ingor, wie seid Ihr denn in den Besitz dieser formidablen Lokalität gekommen? Sicher war es nicht einfach. Wenn ich an die Aufwände denke, dieses Haus zu erwerben, eine Schanklizenz zu erhalten und diese wundervolle Einrichtung zusammenzustellen …“
„Nun, das war eigentlich gar nicht so kompliziert. Aber das ist eine längere Geschichte.“
Piero nahm an der Theke Platz. „So erzählt nur. Ich habe Zeit.“
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Lehrling
Klimpernd verstreuten sich eine halbe Handvoll Goldmünzen über den Boden ihres notdürftigen Unterschlupfs und drei wildgewordene Kinder bauten sich vor Ellie auf, die Mühe hatte unter dem gleichzeitigen Gebrabbel dreier Heranwachsender auch nur irgendetwas verstehen zu können. Auch das kaum hörbare »'Ntschuldigung.«, wurde fast von dem Getose der drei Schreihälse verschluckt. Über die Köpfe des Wildfang-Trios konnte sie gerade erkennen, wie Thorn, ein etwas untersetzter Junge, sich daran machte, die eben fallen gelassenen Münzen einzeln wieder aufzulesen und dabei sicherzustellen, dass keine einzige verloren ging. Als er damit fertig war, reichte er Ellie seine Beute und senkte verlegen den Blick. Sie war sich sicher, dass seine Körperfülle einzig dem Zwecke diente, seinem gigantischen Herzen mehr Platz zu verschaffen. Aufbauend streichelte ihm durch das fettige Haar und nahm die Münzen wieder an sich.
»Ihr drei solltet euch ein Beispiel an Thorn nehmen!«, verkündete sie streng und musterte das bedröppelt dreinschauende Trio ernst, das aufgrund ihres Kommentars beinahe umgehend verstummten. All ihre neugierigen Fragen verebbten unbeantwortet. All diese Personen hier waren ohne Frage Familie und Ellie hätte ohne zu zögern auch ihren anderen Fuß geopfert, um den Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Aber bei allem Verständnis für Jugend und Übermut, waren sie hier kein Kindergarten und erst Recht nicht, weil das abgehalfterte Gebäude von so historischem und künstlerischen Wert war.
»Aber Elliiieee-«, wollte Fendrel ansetzen, sogleich aber von einem harten Stoß von Lyannas Ellbogen in die Rippen gestoppt. Die unbestrittene Anführerin der Kinder sorgte mal wieder für Ordnung in den lebhaften reihen ihrer männlichen Begleiter. »Aua!« Er rieb sich die schmerzende Rippe und erntete dafür einen Seitenblick des deutlich kleineren Mädchens. Diesen Augenblick der Unachtsamkeit nutzte die Nummer vier in der Runde.
»Waren doch nur ein paar Münzen.«, fuhr Eldric mit dem fort, was Fendrel zu sagen versucht hatte. In sicherer Entfernung zu Lyannas Ellbogen und Hieben fühlte er sich sicher genug. Die Entfernung mochte ihn vor einem Schlag schützen, nicht aber für einem funkelnden Blick, den das schwarzhaarige Mädchen ihm durch zu Schlitzen verengte Augen zuwarf.
»Jede dieser Goldmünzen könnte eure nächste Mahlzeit sein.«, erklärte Ellie mit unverändert strengem Blick und musterte das ungleiche Quartett. »Also solltet ihr jede einzelne dieser Münzen ehren und wertschätzen, als sei es der kostbarste Schatz, den ihr besitzen könntet.«
Gedankenverloren ließ sie eine der Münzen einige Male über die Rücken ihrer Finger rollen und durch das eingetretene Schweigen die Worte nachklingen. Dann nahm sie die Münze zwischen Zeigefinger und Daumen, schob sie in ihre geschlossene Handfläche, ehe sie die Faust darum schloss. Gebannt folgten die Blicke der Vier der Münze. Die blonde Stewarkerin öffnete die um die kleine Münze geschlossene Faust Finger für Finger wieder und streckte den Kindern schließlich eine vollkommen münzlose Handfläche entgegen.
»Da ihr anscheinend den Wert eines Essens nicht zu schätzen wisst, schlage ich vor, dass ihr heute kocht.«, schlug sie vor und erntete gleich dreifachen, lauten Widerspruch. Selbst Thorn schien wenig begeistert davon, aber eine einmal getroffene Entscheidung nahm Ellie selten zurück. Sie klatschte in die Hände. »Ihr beeilt euch besser, damit ihr fertig werdet, bevor Kzara und Ansel kommen!«, erwiderte sie auf den Protest schulterzuckend.
Noch während die Kinder sich entfernten schnippste sie Jasque eine Münze zu. »Schon Pläne, was du mit deinem neu gewonnen Feierabend machen willst, jetzt da du nicht kochen musst?«, fragte sie mit einem spitzbübischen Lächeln und rückte augenrollend auch die letzten Münzen raus, die Jasque wortlos mit einem Blick auf die ausgestreckte Hand einforderte.
»Du bist ein größerer Gauner und Halsabschneider, als ich es je sein könnte - weißt du das?«, erwiderte sie murrend.
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Alberichs Schmiede
Dreimal klopfte er fest gegen die schwere Holztür, doch wurde er von en Hammerschlägen aus dem Inneren übertönt. Nach kurzem Zögern öffnete er die Tür und trat herein. Er wurde von der Hitze einer anständigen Schmiede begrüßt und der Geruch von Rauch und Feuer, welches trotz des Abzugs vorherrschte, verlieh der Szenerie ein Gefühl von Heimat.
„Hallo!“, rief Isidor in die große Werkstatt herein, wobei er nur eine Tür sah, die in einen Nebenraum zu führen schien.
Am Amboss stand ein Bär von einem Mann, etwas kleiner vielleicht als er selbst, doch mit massigen Armen und Schultern wie ein Ochse. Sein ergrauendes Haar lag vom Schweiß eng an seinem Kopf und der ebenso gräuliche Bart war einheitlich gepflegt, wohl aber etwas geschwärzt vom Ruß wie er auch im Gesicht des älteren Schmiedemeisters klebte. Sein Blick war konzentriert auf das Werkstück vor ihm gerichtet, welches er mit schnellen präzisen Schlägen über dem Horn des Ambosses formte. Der abgerundete Hammer traf nie auf die Stelle, wo das Horn direkt das Schmiedegut berührte, sondern immer knapp daneben.
„Entschuldigung?“, rief der Blonde noch einmal etwas lauter, doch bekam wieder keine Reaktion von dem Mann, wohl jedoch von einer weiblichen Stimme, die ihn beinahe zusammenfahren ließ.
„Ah, sei gegrüßt und willkommen in unserer Schmiede! Ich bin Elara, die Lederin hier. Wie kann ich dir helfen?“, fragte sie freundlich mit einem warmen Lächeln im Gesicht.
Sie trat auf Isidor zu und reichte ihm die Hand, die er ohne zu Zögern ergriff. Ihr Händedruck war kräftig und der junge Mann musste zugeben, dass er das sehr mochte. Menschen, die einem halbherzig ihre kalten Waschlappengriffel hinhielten hatten für ihn immer etwas unsympathisches ausgestrahlt.
„Grüße Elara!“, erwiderte Isidor und sprach immer zwischen den lauten Klängen von Metall auf Metall, „Mein Name ist Isidor und ich war auf der Suche nach Alberichs Schmiede.“
„Du hast sie gefunden, Freund! Was können wir für dich tun?“
Sie musterte ihn und anhand seiner eher einfachen Kleidung und fehlender Rüstung musste sie sich wohl über den Grund seines Besuchs wundern, doch sie ließ sich keinen Unmut anmerken, sondern lächelte noch immer offen und ehrlich. Sie war deutlich kleiner als er, doch das fiel durch ihre Art gar nicht so sehr auf. Ihre aufgeweckten braunen Augen blickten zu ihm auf, während sie sich eine widerspenstige Strähne ihres langen, zu einem Dutt gebundenen, dunklen Haars von der Stirn hinters Ohr wischte. Einige charmante Leberflecke zierten ihr eckiges Gesicht und ihre Kleidung war pragmatisch und schlicht.
„Nun, ich hatte gehofft, dass Meister Alberich ein weiteres paar Hände gebrauchen kann.“
„Auch ein Schmied?“, fragte sie und schaute auf seine Hände.
„Genau, ich habe in der Schmiede meines Vaters gearbeitet. Wir haben ebenfalls Rüstungen hergestellt“, erklärte er sich.
„Oh, und warum bist du weg?“, fragte sie mit neugierigem Interesse.
„Das ist eine längere Geschichte. Könnte ich wohl mit Meister Alberich ein paar Worte sprechen?“
„Wenn er das nächste Mal den Hammer ablegt, kannst du ihn sicher fragen. Aber während er so ist“, sie deutete vielsagend auf den konzentrierten Rüstungsbauer, dann hast du wenig Chancen. Niemand dringt dann zu ihm durch.“
„Ich verstehe“, und das tat er tatsächlich.
„Schau dich einfach in Ruhe um bis es soweit ist. Hier gibt’s einige interessante Stücke, die man bewundern kann“, schlug sie vor und zwinkerte ihm zu.
Tatsächlich war Isidor schon beim Hereinkommen aufgefallen, dass sich viele ungewöhnliche Dinge in der Schmiede befanden, die man so nicht erwartet hätte. Dort war zum Beispiel der Kopf eines Drachensnappers, präpariert und an der Wand aufgehangen. Ein eindrucksvolles Exemplar mit Hörnern an der Seite des Kopfes, die einem Krieger wohl ein jähes Ende bereiten konnten. Nicht zu vergessen die Zähne, welche so lang waren, dass man daraus einen kurzen Dolch hätte fertigen können. Gleich daneben hing ein offenkundig altes, zerfleddertes Banner, auf dem dasselbe Zeichen prangte wie über der großen Zitadelle wehte. Eine Art Sonne mit Schweif auf blauem Grund. Ob es eine Standarte König Ethorns war?
Doch damit war noch lange nicht das Ende der Sammlung erreicht, denn es gab auch einige verschiedene Waffen und zwei Rüstungen, die beide so aussahen, als würde man sich noch immer regelmäßig um sie kümmern.
Dieser Alberich schien ein sehr interessanter Mann zu sein und Isidor wurde immer ungeduldiger, je mehr er sich umsah. Er wollte gern jede Geschichte hören, die hinter diesen Relikten und Trophäen steckten.
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All der Aufruhr in der Stadt war also entstanden weil ein paar Novizen Innos' ihre Prüfung des Feuers ausgerechnet hier in Stewark absolvieren sollten?
Aaras konnte kaum glauben, was sich hier vor ihm abspielte und was diese drei hier im Tempel für ein Theater veranstalteten. Und dennoch; seine Auffassungsgabe war schärfer als sonst. Dass hier etwas nicht stimmte, hatte er gleich erkannt. Oder zumindest hatte er von Beginn an einen Verdacht gehabt, der sich nach und nach bestätigt hatte.
Dass Kisha die Falschheit der jungen Frau namens Felia sofort durchschaut hatte, beeindruckte den Rotschopf tatsächlich sehr. Auch wenn es bei seiner Schülerin mehr ein Bauchgefühl gewesen war, als fundiertes Wissen durch scharfe Beobachtungen. Nichtsdestotrotz bestätigte gerade dieses Bauchgefühl Aaras' Eindruck, dass es sich bei dieser Felia um eine falsche Schlange handelte, die ihren Verstand und ihre Zunge als wichtigste Mittel zu nutzen schien, um sich aus schwierigen Situationen heraus zu winden, oder versuchte sich damit einen Vorteil zu verschaffen. In seiner Tätigkeit als Artefaktjäger hatte der Varanter mit vielen Zwielichtigen Gestalten zu tun gehabt, die nur zu gern ein solches Naturtalent für ihre Zwecke ausgebildet und missbraucht hätten. So erkannte auch er das Potenzial in ihr! Und anders als Aniron fiel er somit nicht auf das Geständnis Felias herein. Die 'Wahrheit', die sie so scheinheilig preis gab, waren zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Tisch gewesen. Der wichtigste Teil zumindest. Und nur weil sie die Worte Gabriels bestätigte bedeute dies nicht, dass sie nicht noch etwas verheimlichte, oder im nächsten Moment versuchen würde sich einen anderen Vorteil zu erschleichen. Ihr jetzt freie Hand zu geben, während die zwei anderen Novizen in Gewahrsam genommen werden sollten, war ein grober Schnitzer, der ihnen noch teuer zu Schaden kommen könnte. Auch wenn der Rotschopf die Priesterin aus vielerlei Gründen schätzte und respektierte, so würde er ihr zumindest in dieser Angelegenheit widersprechen müssen.
Zuvor warf Aaras jedoch noch einige Blicke auf die beiden anderen Novizen. Diese waren weitaus einfacher gestrickt und so um einiges schneller zu durchschauen. Der Ehrgeiz und Hochmut gedieh in allen dreien, doch letzterer hatte sich insbesondere bei den beiden Männern im Charakter tief verwurzelt. Der Sinn für Gerechtigkeit war ebenso deutlich spürbar, auch wenn beide das Recht scheinbar ausschließlich auf ihrer Seite glaubten zu wissen. Das hatten die Worte Gabriels und die darauf folgende Schelte Curts sehr eindeutig gezeigt.
Das Schlimmste war jedoch die Unfähigkeit die Konsequenzen ihres Handelns vorauszusehen, oder diese einfach billigend in Kauf zu nehmen. Hierbei stimmte der Varanter Aniron uneingeschränkt zu: der vorherrschende Aufruhr in der Stadt aufgrund einer Gruppe angehender Feuermagier könnte durchaus weitreichende politische Konsequenzen nach sich ziehen, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen durfte. Der Konflikt mochte in den Jahren herunter gekühlt sein, doch schwelte noch immer das Potenzial für einen uneingeschränkten Krieg zwischen den beiden Großmächten auf Argaan.
„Verehrte Priesterin! Auf ein Wort.“, sprach Aaras respektvoll und schaute Aniron dabei eindringlich an. Diese Art und Weise war äußerst ungewöhnlich für ihn, doch verfolgte der Rotschopf damit mehrere Zwecke.
Zum einen wollte er Anirons Stellung und Bedeutung im Kreis des Wassers deutlich klar stellen, hatte sich diese doch bescheidenerweise als Wehmutter und Heilerin vorgestellt. Dadurch hoffte er den Novizen des Feuers die nötige Achtung und etwas mehr Respekt heraus locken zu können. In der Hoffnung, dass diese etwas bedachter handeln und ihre Worte klüger wählen würden.
Außerdem wollte er so seiner eigenen Stellung vor den Innsogläubigen eine beratende Funktion zuschieben und zugleich Aniron den Ernst der Lage und seines folgenden Anliegens deutlich machen.
Der Varanter warf einen vielsagenden Blick zu seinen Schülern und zur Wächterin, auf dass diese ein scharfes Auge auf die Innosler haben sollten. Dann wandte er sich mit Aniron von den anderen ab, so dass man sie nicht so einfach belauschen konnte.
„Aniron, dein Gebot zur Vorsicht schätze ich sehr, doch befürchte ich, dass wir noch vorsichtiger sein sollten.“ wandte er sich vertrauensvoll an die Priesterin, als er ihren zurecht fragenden Blick bemerkte.
„Es ist richtig Curt und Gabriel in Verwahrung zu nehmen, doch kann ich absolut nicht verstehen, warum du dieser Frau hingegen so viele Freiheiten gewährst. Mag sein, dass sie im Gegensatz zu den beiden anderen noch kein tadelhaftes Verhalten gezeigt hat, doch bin ich mir sehr sicher, dass man ihr ebenso wenig trauen sollte. Falls es sich hierbei wirklich 'nur' um eine Prüfung des Feuers handeln sollte, wie du angedeutet hattest, dann hat auch Felia ein starkes Motiv während deiner Beratung mit den anderen Magiern nicht untätig zu bleiben, sondern ihrerseits einen Versuch zu starten um das Artefakt zu bergen. Möglich das sie dabei mit mehr Finesse vorgehen würde, als die beiden Männer, doch selbst ein kleiner Ausrutscher könnte fatale Folgen haben. Sowohl der Orden als auch Ethorn würden solch einen Vorfall für sich ausnutzen wollen und ich bin mir sicher, dass du dir vorstellen kannst, was das bedeutet.“, versuchte Aaras die wahre Natur ihrer Situation Aniron ans Herz zu legen. Tatsächlich war der Varanter lange nicht mehr so sehr auf Hab-Acht Stellung gewesen, wie in diesem Moment. Auch wenn es für sein eigenes Wohl sicherlich besser wäre, wenn er auch während der Lehre mehr Vorsicht gegenüber seinen Schülern an den Tag legen würde. Der Messerangriff seiner beiden Schüler mag verziehen, doch nicht vergessen sein!
„Allerdings können wir die drei auch nicht so einfach in das Gefängnis schicken. Selbst wenn wir über ihre Identitäten Stillschweigen bewahren, so würde man sie aufgrund des Aufruhrs am Tor sicherlich trotzdem befragen. Und wenn sie sich sogar vor uns verplappert haben, dann können wir nicht ausschließen, dass sie es nicht wieder vor den Gefängniswärtern tun. Das Artefakt selbst bereitet mir auch so einige Sorgen. Falls es wirklich Innos geweiht ist, so gehört es zweifelsfrei in die Hände des Ordens. Ich mag nur nicht daran denken was passiert, wenn noch mehr angehende Feuermagier, oder gar pilgernde Ritter ihr Glück versuchen und es ebenfalls bergen wollen. Darum bin ich überzeugt, dass wir sowohl die Novizen, als auch das Artefakt unversehrt nach Thorniara schicken müssen um größeres Unheil zu vermeiden. Die Frage ist nur Wie?“, kam Aaras schließlich zum wichtigsten Punkt seines Anliegens.
Doch bevor der Artefaktjäger sein eigenes Interesse an diesem geweihten Gegenstand kundgeben konnte, oder gar Vorschläge zu ihrem weiteren Vorgehen machen konnte, erregte eine unscheinbare Gestalt ihre Aufmerksamkeit. Mit nervösen Schritten bewegte sich ein in bäuerlicher Kleidung gewandeter Bursche, mit deutlich zu blassem Taint für seinen augenscheinlichen Stand, die Treppe hinunter. Er schulterte eine unhandlich lange Angel und wirkte bereits auf dem ersten Blick äußerst fehl am Platz. So fehl, dass er fast gar nicht aufgefallen wäre, wenn sich der Angelhaken nicht an seinem Schuhwerk verhakt und sich so die Schnur um seine Beine geschlungen hätte. Es kam was kommen musste und der arme Kerl stolperte die letzten paar Treppenstufen hinunter und landete unsanft auf dem steinernen Boden des Tempels.
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Tarons Waffenschmiede
Drei Stunden und zwei Portionen Eintopf später erweckte Johanna zumindest nach außen hin den Eindruck, wieder auf dem Damm zu sein. Die Haare hatte sie erst bändigen können, als sie ihnen erneut mit Wasser zu Leibe gerückt war, doch nun sah sie wieder durchaus vorzeigbar aus. Doch auch wenn das Frühstück – nein, Mittag! – das Frittag ihr wieder die so dringend benötigte Grundlage gegeben hatte, die sie brauchte, um zu funktionieren, hasste ihr pochender Schädel sie noch immer für die Eskapaden des Vorabends.
Leider – und diese Erkenntnis kam ihr leider ein wenig zu spät – war das konstante Hämmern der Schmiedehämmer auf den Ambossen nicht gerade hilfreich. So fand sie sich im Eingang von Tarons Waffenschmiede wieder und zog leidvoll die Stirn in Falten, während sie Syrias dabei beobachtete, wie er ein kirschrot glühendes Werkstück bearbeitete.
„Heiliger Strohsack! Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier sein sollte“, sagte sie.
„Meve ist schon wieder unterwegs, was?“
Ihre riesenhafte Freundin war von ihr etwas unsanft aus dem von lautstarken Sägearbeiten klanglich untermalten Schlaf der Gerechten gerissen worden, nachdem Isidor sich auf den Weg gemacht hatte. Sie hatte ihr erklärt, dass sie in der Nacht auf sie aufgepasst und geholfen hatte, den Nachttopf zu treffen. Dann hatte sie sich fertig gemacht und in Richtung Tarons Schmiede vorerst verabschiedet, um weiter ihren Dienst zu tun, damit sie die Ausbildung bei Syrias fortsetzen durfte.
„Neue Waffenbündel zum Verteilen gibt es nicht, oder? Kann ich irgendwie anders helfen, damit wir bald weitermachen können? Auch wenn ich nicht weiß, ob ich heute wirklich brauchbar zu irgendwas bin …“
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Alberichs Rüstungsschmiede
Ein verräterisches Scheppern deutete darauf hin, dass der Meisterschmied sein Werkstück soeben beiseitegelegt hatte. Isidor, der soeben ein Schwert begutachtet hatte, welches eine auffällig breite Parierstange besaß, wandte sich ihm zu, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
„Meister Alberich?“, fragte er laut, da er wusste, wie sehr einem die Ohren klingelten, wenn man den Schmiedehammer beiseitelegte.
Der ältere Mann schaute von seiner Werkbank auf, wirkte jedoch kein Bisschen überrascht jemand anderen als seine Partnerin vorzufinden. Anders als sie lächelte er jedoch nicht, sondern trat lediglich hinter seinem Amboss hervor und kam auf den Besucher zu.
„Sei gegrüßt, hat Elara dich noch nicht bemerkt?“, fragte er mit tiefer Baritonstimme.
„Doch, Eure Partnerin hat mich gebeten zu warten, bis Ihr mit dem Arbeitsschritt fertig seid, bevor ich Euch störe“, informierte Isidor seinen potentiell neuen Arbeitgeber.
„Gut, also hast du die Zeit genutzt und dir meine Sammlung angesehen“, stellte er fest mit hob diesmal sogar einen Mundwinkel leicht zu einem halben Lächeln.
„Ja, eine beeindruckende Menge! Hier verbergen sich sicher viele Geschichten hinter jedem einzigen Stück, nicht wahr?“, fragte der Hüne interessiert, der den Schmiedemeister tatsächlich um eine Handbreit überragte.
„Du sagst es, Junge. Sie erzählen aus meinem Leben. Aber genug davon. Was kann ich für dich tun, nachdem du so geduldig gewartet hast?“
Einen kurzen Moment wartete Isidor bis er antwortete. Er mochte den Mann schon jetzt und sein Wunsch bei ihm zu arbeiten war größer als zuvor. Es jetzt zu vermasseln wäre ein schwerer Schlag und er konnte wirklich ein Erfolgserlebnis vertragen nach letzter Nacht.
„Ich bin auf der Suche nach Arbeit bei einem Rüstungsschmied und man nannte mir Euren Namen. Mein ganzes Leben habe ich in einer solchen Schmiede gearbeitet, also wäre ich sicher eine Hilfe!“, bewarb sich der Blonde ganz offiziell.
„Geselle willst du bei mir sein?“, fragte der Ergrauende und zog überrascht eine Augenbraue nach oben, „Ich könnte tatsächlich ein weiteres paar Hände gebrauchen. Ich kann Elara nicht ständig darum Bitten Ringe für die Kettenhemden zu nieten.“
Etwas sank die gute Laune Isidors bei diesen Worten, denn schon bei seinem Vater in der Schmiede hatte er diese Arbeit verrichten müssen und sie war eintönig und langwierig. Zudem strapazierte es die Finger immens und einen Hammer brauchte man nur sehr kurz für jeden Ring.
„Ha, dir steht ins Gesicht geschrieben, was du denkst, Junge!“, amüsierte sich Alberich, „Also hast du das schonmal gemacht?“
„Ja, bei meinem Vater in der Schmiede“, gab der Jüngere zu.
„Und dort bist du weg, weil…“, ließ der Meisterschmied die Frage offen.
„Weil er tot ist. Er und meine ganze Familie“, erwiderte Isidor düster, was Alberich das Feuer in der Esse erkalten ließ.
„Das tut mir leid, Junge“, bot er sein aufrichtiges Beileid an.
„Das konntet Ihr nicht wissen, aber er brachte mir bei, was ich heute weiß und ich konnte nicht mehr dort leben, wo sie starben.“
„Wo war das?“
Der Myrtaner hielt inne. Johanna war offen mit seiner Herkunft umgegangen, doch sie war selber aus dem Großreich gewesen. Wie würde jemand reagieren, der anders erzogen worden war?
„Vengard, Meister“, sah er keinen Nutzen darin nach all der Ehrlichkeit jetzt mit dem Lügen zu beginnen.
„Verstehe“, kam die knappe Antwort.
„Ich schwöre auf die Götter, dass ich nicht die Ideologie der…“
Alberich hob eine massige Hand, um ihn zum Schweige zu bringen.
„Ich schätze Menschen für ihre Persönlichkeiten und ihre Taten, nicht für ihre Herkunft“, beschwichtigte er alle Sorgen, die den jungen Mann gerade plagten, „Du hast die Worte meiner Partnerin ernst genommen und geduldig gewartet, hast Interesse am Schatz eines alten Mannes gezeigt und bist sehr höflich gewesen. Alles Dinge, die ich respektiere. Du kannst hier anfangen und mir zeigen, was dein alter Herr dir gezeigt hat und dann entscheiden wir, welche Aufgaben du übernehmen kannst, einverstanden?“
Überglücklich ob dieser Worte hellte sich Isidors Miene auf und er nahm die angebotene Hand des Meisterschmiedes.
„Einverstanden!“
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Neuling
Jasque liebte das Leben welches in diesen welche hier Unterschlupf und letztlich seit einiger Zeit ein Zuhause gefunden hatten, hatte die leeren Lager –und Katakombenräume endlich wieder einen Sinn. Und eine Sinnhaftigkeit gab immer Hoffnung.
»Schon Pläne, was du mit deinem neu gewonnen Feierabend machen willst, jetzt da du nicht kochen musst?« Jasque dachte bereits über diese Frage nach während er schon seine Hand streckte die letzte Münze wieder zurückzufordern. Ellie behielt eine letzte Münze immer für sich.
»Du bist ein größerer Gauner und Halsabschneider, als ich es je sein könnte - weißt du das?«
»Du kennst es doch nicht anders Ellie. Du weißt doch – alles für die Familie.“«, sprach er während er die letzten Münzen in einem Beutel zusammenpackte, eine Truhe unter dem Tisch hochhievte und den Beutel darin verstaute. Als ob er erfolgreiche Arbeit getan hatte, klatschte er in die Hände und stellte die Kiste wieder auf den Boden.
»Aber Feierabend ist doch noch etwas früh gesagt. Hast du deine Runde schon beendet?«, fragte er aber hängte direkt anschließend heran. »Oder hast du dich wieder ablenken lassen?« Noch ohne die Antwort der blonden Frau abzuwarten – da er ihre Antwort meist bereits kannte – stand er auf und zog sich sein Gürtelzeug an. »Dann machen wir die Runde zusammen. Ich brauche eh etwas Stadtluft und bin heute auch noch nicht überall gewesen.«
Die Ältesten der Truppe gehen fast täglich ihre Runden im Gebiet um das Versteck herum. Teils ist es einfach eine Aktivität aber vor allem ist es eine bestimmte Sicherheit. Die kleinen Unsichtbaren dieser Stadt bekamen immer eine Menge mit und wussten einiges was innerhalb der Festung so passierte. Die kleinen „Spione“ ,wie sie teils genannt wurden, hatten ihre Augen und Ohren fast überall. Außer natürlich innerhalb der engsten Burgmauern. Neuigkeiten konnte man verkaufen oder gar für sich ausnutzen. Und die Kontakte, die dadurch geknüpft werden konnten, halfen der Truppe hin und wieder einmal. Jasque liebte die Runden durch das Handwerksvietel und den Markt. Mit Ellie an seiner Seite wusste er, dass es nie langweilig werden würde.
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Mit einem genervten Knurren warf Syrias den Rohling wieder zurück ins Feuer. Hoffentlich würde die Hitze der Esse ihn wieder halbwegs in Form bringen, ansonsten würde er ihn anders verarbeiten müssen. Anscheinend hatte der Waffenschmied diesmal schlechtes Eisen erwischt, es lies sich kaum bearbeiten und war widerspentstiger als ein wilder Hengst.
Er wandte sich zu Johanna um, stutzte kurz und musterte sie dann noch einmal genauer.
"Götter, war ein ziemlicher Abend, was?" er musste lachen. Johanna hatte sich allerlei Mühe gegeben um wieder halbwegs vorzeigbar zu wirken. Doch Syrias erkannte die kleinen Zeichen eines Katers, schließlich hatte er auch oft darunter gelitten. Die angespannte Stirn bedeutete Kopfweh, die leicht zusammen gekniffenen Augen machten deutlich, dass es der kleinen Frau trotz des Dämmerlichts in der Schmiede wohl etwas zu hell war. Tja, das kam davon, wenn man weit über seine Verhältnisse ging.
Gut, Johannas Verhältnisse in der Hinsicht waren eher bescheiden, schätzte der Söldner.
"Mein alter Herr kam gern mit dem Spruch Wer saufen kann, der kann auch arbeiten!" Syrias hob den Zeigefinger mahnend vor Johannas Nase, als er seinen Vater zitierte, "aber der Kerl ging mir eh nur auf den Sack." Mit einem Grinsen nahm er seinen Worten die Schärfe. Stattdessen winkte er Johanna hinter sich her in Richtung Innenhof. Auf dem Weg dahin holte er noch einen kurzen Dolch hinter der Theke hervor und drückte den Johanna in die Hand. "Halt den mal."
Johannas Miene wirkte erst noch genervt, als sie in Richtung Innenhof gingen, dann verwirrt, als Syrias ihr den Dolch in die Hand drückte. Im ersten Moment wirkte die kleine Waffe schmucklos und einfach, doch sobald ein Lichtschimmer über die Klinge glitt konnte man die flammenähnlichen Wirbel im Stahl erkennen. Scharf geschliffen und mit einem stabilen Griff versehen musste er Johanna gut in der Hand liegen. Schließlich war das Heft der Klinge etwas kürzer als bei einem üblichen Dolch. Dafür war die Schneide etwas länger, nur ein kleines bisschen. Syrias hatte die Waffe schließlich selbst geschmiedet und darauf geachtet, dass das Gewicht ausgewogen blieb.
Im Innenhof angekommen, schritt er zu seinem Anderthalbhänder, welcher an einem Eichenfass gelehnt stand. Er atmete einmal tief durch, bevor er das Schwert blank zog und sich wieder Johanna zuwandte. Was jetzt kam war definitiv nicht fair. Aber irgendwann musste es einmal so weit sein.
"Greif mich an." Syrias hielt den Anderthalbhänder in der einen Hand, so als würde er ein normales Schwert halten und winkte mit der anderen auffordernd. Johanna blickte überrascht und vielleicht auch etwas schockiert. Sie wirkte zögerlich. Konnte Syrias das wirklich ernst meinen?
Aber die Miene des Söldners zeigte nichts als ernste Entschlossenheit. Und als die kleine Frau nicht sofort reagierte, schlug Syrias mit seiner Klinge in einer ausholenden Bewegung nach ihr, verfehlte sie aber bewusst. "Greif. Mich. AN!"
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Tarons Waffenschmiede
Scheiße. Das war nun wirklich nicht das, was sie jetzt mit ihrem gewaltigen Brummschädel tun wollte.
Nicht nur, dass es keine gute Idee war, sich Syrias entgegenzustellen, wenn man nicht ganz auf der Höhe war. Nein, es wäre auch noch ihr erstes Mal mit scharfen Klingen, und das jagte ihr ohnehin schon gewaltigen Respekt ein! Aber was hatte sie erwartet, als sie hierher gekommen war? Erholungsurlaub und einen Konter-Umtrunk gegen den Kater? Nein, da musste sie jetzt durch – und Syrias ließ sie auch direkt spüren, dass er da keine Gnade kannte.
„Schon gut, schon gut! Gib mir nur einen Moment, ja? Ist ja mein erster Versuch mit-“
Sie ließ den Satz unbeendet und sprang mit einem so tiefen Ausfallschritt auf ihn zu, dass ihr Stich gegen seinen Oberschenkel gerichtet war. Syrias roch den Braten und wehrte den Stich zur Seite ab. Bevor er zum Gegenschlag ansetzen konnte, zog sie sich wieder auf das hinten ausgestreckte Bein zurück. Sie kniff die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf.
„Oooh, mein Schädel …“
Johanna hob die Hand. „Sag nichts. Ich weiß schon. Bin selbst schuld.“
Doch sie wollte sich nicht länger in Selbstmitleid suhlen. Die Bewegung brachte wenigstens ihren ungelenken Körper in Schwung – vielleicht brauchte sie ja nur ein wenig Anlaufzeit?
Während sie Syrias in sicherem Abstand umkreiste, warf sie einen Blick auf ihren Linkhanddolch. Ein schönes Stück mit seiner langen Klinge und dem ausgefeilten Handschutz. Er war perfekt zum Parieren geeignet, und im Angriff wahrscheinlich auch ein ordentlicher Kompromiss für Stich und Schnitt. Obendrein war der Griff auch noch auf ihre Handgröße abgestimmt und saß darin so fest, dass es schon eines Hammerschlags von einem Angriff bedurft hätte, um ihr den Dolch aus der Hand zu treiben.
„Der ist wirklich hübsch! Was kriegst du denn dafür?“
Johanna streckte ihren Degen nach vorn aus und tat es mit dem Dolch gleich, sodass dessen Gefäß ihre Schwerthand mit abschirmte. Aus ihrer lauernden Halbkreisbewegung um Syrias heraus verkürzte sich den Abstand zu ihm und führte einen Schnitt aus dem Ellenbogengelenk rechts gegen seine Schulter aus. Als er zur Parade ansetzte, versuchte sie, seine Klinge mit dem Dolch an der Schwertklinge zu fixieren, um ihn mit seinem großen Schwert im Nahkampf zu überwältigen, doch Syrias trat zurück und zog sein Schwert ruckartig heraus. Johanna wurde davon überrascht, wie sehr die scharfen Klingen sich ineinander verbissen, und stolperte ihm durch den Ruck hilflos entgegen. Syrias tat einen Schritt zur Seite heraus und ließ seinen Anderthalbhänder mit der zweiten Hand so schnell die Richtung wechseln, dass sie nicht einmal mehr dazu kam, den Dolch in einer verzweifelten Verteidigungsaktion zu heben, bevor sie die Klinge ihres Lehrers auf ihre Brust gerichtet sah.
„Tot, hmm? Verdammt, ich wusste nicht, dass scharfe Klingen so aneinander hängenbleiben!“, gestand sie. „Die Holzschwerter sind so schön aneinander abgeglitten!“
Sie grinste schief. Der Kopfschmerz war zwar immer noch da und ganz und gar nicht zu ignorieren, doch nun, da ihr Körper in Schwung gekommen war, trat das ein klein wenig in den Hintergrund.
„Irgendwas Bestimmtes, worauf ich achten kann? Ich glaub, ich werd langsam wach …“
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