-
Ächzend trat Syrias aus dem Innenhof hinein in die warme Schmiede, über die Schulter einen Sack Erz geworfen. Der schwere Leinensack, gefüllt mit allerlei Brocken Erz, war der vorletzte des großen Vorkommens, welches er und Na-Cron vor einigen Monaten geschürft hatten. So wenig Lust er hatte, stand trotzdem fest, dass er bald wieder zu der kleinen Höhle aufbrechen musste und die restliche Ladung holen würde. Meister Taron hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich fürs erste nicht um neues Erz kümmern wollte, schließlich hatte er damals Syrias eine ziemlich große Menge Gold dafür gegeben. Und der ehemalige Söldner musste sich an diese Abmachung halten.
Wovor Syrias jedoch ein wenig graute, Na-Cron wusste nichts von dieser Abmachung. Der Bergmann hatte ihm im Vertrauen auf seine Ehrlichkeit das Erz überlassen. Doch Syrias hatte auch die versteckte Ladung als Einsatz geben müssen, damit Taron ihn in der Schmiede als Waffenschmied aufgenommen hatte. Das nagte etwas an dem früheren Söldnerführer, schließlich war das ganze restliche Erz noch eine Menge wert. Und diesen Wert musste er an Na-Cron zurück geben. Irgendwie.
Als der Waffenschmied eine kleine Gestalt in der Schmiede ausmachte, stockte er kurz in seiner Bewegung, bevor er im schummrigen Licht der Esse die kleine Johanna erkannte. "Grüße." gab er kurz angebunden von sich, während er den schweren Sack hinein trug und dann mit einem unterdrücktem Stöhnen weiter hob und in einen großen Steintrog ausleerte. "Bin gleich soweit." ächzte er.
Nachdem er den Sack gleichmäßig ausgeleert hatte, legte der Waffenschmied den Leinensack ordentlich zusammen und packte ihn in eines der Regale auf neben dem Trog. Taron hatte es schließlich gern ordentlich. Syrias konnte das zwar nachvollziehen, aber bei den Säcken konnte er es nie so ganz verstehen. Die meisten von ihnen hielten kaum mehr als ein, vielleicht zwei Ladungen, bevor sie rissen. Die scharfkantigen Brocken aus Erz sorgten für einen ziemlich hohen Verschleiß durch Risse und dergleichen.
Syrias klopfte sich die Hände an seiner ledernen Arbeitshose ab, bevor er sich der Schwarzhaarigen zuwandte.
Die kleine Frau wirkte etwas steif in ihrer Haltung, angespannt und hölzern, so wie sie da vor der Esse stand und die Hände der wärmenden Glut entgegen streckte. Syrias konnte sich schon denken, was die Frau hatte.
"Na? Muskelkater?" grinste er. Dann musterte er das Gesicht der jungen Frau genauer und entdeckte in dem jugendlichen Antlitz etwas, dass ihn noch breiter grinsen lies. "Ich hoff, dein Frühstück hat geschmeckt?" Während er sich mit der Hand wie zufällig über den linken Mundwinkel wischte. Johanna hatte noch krümelige Reste des Backwerks in ihrem Gesicht.
-
Tarons Waffenschmiede
"Aber so was von!", rief sie keck und schleckte sich über die Mundwinkel, statt die Überreste der Zimtschnecke mit der Hand aus ihrem Gesicht zu entfernen. "Hab ich in Friedas Bäckerei im Nordviertel gegessen - solltest du auch mal probieren!"
Sie legte den Kopf schief. "Und das mit dem Muskelkater stimmt auch. Ich fühl mich, als hätte mich gestern jemand zusammengeschlagen. Aber falls es etwas zu schleppen oder anzupacken gibt, bevor wir wieder die Schwerter in die Hand nahmen: Ich werd mich schon durchquälen."
Johanna nahm ihre Handschuhe vom Amboss und raffte sie in einer Hand zusammen.
"Oh, ich hab mir gestern ein Paar Handschuhe und vernünftige Stiefel gekauft, mit denen ich mich sicherer bewegen kann als mit meinen alten, durchgelaufenen Novizinnenschuhen. Und mein Griff um den Degen ist gleich viel fester, hab ich das Gefühl! Ich freu mich schon drauf, mit dir weiter zu üben!"
Sie trat von der Esse weg auf Syrias zu und blieb direkt vor ihm stehen. Um ihm ins Gesicht zu sehen, musste sie den Kopf in den Nacken legen.
"Also: du machst die Ansagen und ich folge, ohne zu murren! Außer, wenn der Muskelkater sticht. Aber dann versuche ich, leise zu leiden, in Ordnung?"
Geändert von Johanna (26.03.2024 um 16:59 Uhr)
-
Momente wie dieser zeigten Syrias einmal mehr auf, dass er ganz sicher nicht mehr zu den jungen Leuten zählte. Bei den Göttern, war diese Frau quirlig! War er auch so aufgekratzt gewesen, als er in ihrem Alter gewesen war? Syrias konnte sich nicht daran erinnern. Aber das musste nichts bedeuten, schließlich nahm man sich selbst nie so wahr wie andere es taten.
Als Johanna endlich mit ihrem Redeschwall fertig geworden war - natürlich nicht, bevor sie stolz ihre neuen Stiefel und Handschuhe präsentiert hatte -, kam der ehemalige Söldner auch endlich zu Wort.
"Ich mach mir nicht viel aus süßem," tat er seine Meinung kund zu der Aufforderung zum Besuch der Bäckerei. "Bist aber nicht die erste, die mir sagt, dass ich da hin soll. Scheint ja wirklich nen spitzen Laden zu sein." Hatte nicht dieser Varanter etwas von der Bäckerei erzählt? Oder war es einer der anderen Kunden gewesen? Nun, war ja auch egal.
"Du kannst mir helfen den Ofen für den Stahl vorzubereiten." Syrias wies auf den großen gemauerten Steinofen nahe der Esse. "Es muss heut noch ne Ladung Erz geschmolzen werden, deswegen bereiten wir den erstmal vor. Danach zeigst du mir, was du noch im Kopf behalten hast."
Syrias nahm eine Handschaufel und drückte sie Johanna in die Hand. "Verteil mal die Kohlen im Ofen. Schön gleichmäßig. Darauf schüttest du dann ordentlich Erz, dann wieder Kohle, dann wieder Erz und zum Schluss nochmal Kohle. Falls dir die Kohle ausgehen sollte, der Kohlenkeller ist vom Innenhof erreichbar. Die Tür rechts. Aber pass mit den Stufen auf."
-
Tarons Waffenschmiede
Ein paar Steine, halb verbranntes Holz und Feuer - es war verrückt, dass daraus tatsächlich etwas entstehen konnte, das sich zu Waffen und Werkzeugen, Hufeisen und Küchenutensilien verarbeiten ließ. Johanna staunte nicht schlecht darüber, dass Syrias und Taron ihren Stahl tatsächlich selbst aus Erz schmolzen. Sie hatte immer gedacht, die Handwerker in den Städten spezialisierten sich so sehr, dass jeder nur eine ganz bestimmte Aufgabe erfüllte. So eine allumfassende Beschäftigung mit verschiedenen Fachbereichen kannte sie ansonsten nur von einem - und der tat es, weil er sich lieber von allen anderen fernhielt und ohnehin seinen Verstand pausenlos beschäftigt halten musste, um nicht verrückt zu werden.
Johanna half Syrias gern bei der Vorbereitung der Schmelze. Rudra hatte ihr schon einmal davon erzählt, wie er Bronze auf ganz ähnliche Weise zum Gießen einer Statue vorbereitet hatte. Sie erinnerte sich noch daran, dass er gemeint hatte, mit Stahl wäre es ganz genauso - nur, dass der Kohle eine noch größere Bedeutung beikam. Denn die Menge an Kohle bestimmte, wie hart und fest der Stahl werden konnte, der aus dem Eisenerz geschmolzen wurde.
"Dann werdet ihr heute wohl nicht schmieden, oder?", fragte sie ihren Lehrer, während sie sich mühte, einen geschulterten Kohlesack gleichmäßig in der Schmelze zu verteilen, in dem sie diese beim Ausschütten umkreiste. "Wenn du möchtest, bleibe ich bis zum Ende des Schmelzens dabei und übernehme Hilfsaufgaben, damit ihr euch auf die Kontrolle des Prozesses konzentrieren könnt."
Sie faltete den leeren, kohlegeschwärzten Sack zusammen, wie es Syrias zuvor auch getan hatte, und legte ihn zu den anderen Säcken. Dann versuchte sie sich an dem Erzsack, gab es aber direkt auf, als sie merkte, wie schwer dieser war. Dann würde sie wohl etwas öfter hin und her laufen müssen, um die Erzbröckchen zu verteilen.
"Ein Freund hat mir einmal erklärt, wie man das Eisenerz aufreinigen kann - dann hättet ihr weniger Unreinheiten im Stahl, weniger Schlacke abzuschöpfen und vor allem nicht so verflucht schwere Säcke", ächzte sie, während sie die Steinchen schleppte. "Das Erz so fein mahlen, wie es geht, am besten mit einer Wassermühle. Hab gehört, im Süden nahe der Gespaltenen Jungfrau gibt es eine kleine. Und dann braucht man eine Waschbank mit kleinen Rillen, über die man Wasser laufen lässt. Weil das Erz schwerer ist als das taube Gestein, bleibt es an den Rillen hängen. Den Rest fängt man auf und macht das damit so lange wieder und wieder, bis man alles Erz herausgewaschen hat. Den Erzsand muss man dann aber leicht anfeuchten in der Schmelze, bis er klumpt, hat er gesagt - ich glaube, damit das Feuer ihn nicht aufstieben lässt. Aber nicht zu nass, damit nichts verpufft."
Sie sah zu Syrias, der sie wie so oft einfach reden ließ und sich selbst ausschwieg.
"Ist ein vielseitig interessierter Freund. Ich kenne keinen schlaueren."
Als sie die Schichten endlich eingebracht hatten, erlaubten sie sich eine kurze Pause, bevor Syrias den Schmelzofen schloss und an einigen Stellen mit Lehm versiegelte. Johanna ging in den Innenhof, um sich den Kohlenstaub von den Händen zu waschen. Zweimal hatte sie neue Kohlen aus dem Kohlenkeller holen müssen, und tatsächlich war sie beim ersten Mal drauf und dran gewesen, sich auf den abgetretenen Stufen den Hals zu brechen. Nun aber war es geschafft, und kurz darauf gesellte sich auch Syrias zu ihr im Innenhof, die Holzwaffen vom Vortag in der Hand zusammen gerafft.
"In der Bäckerei gibt es übrigens auch Pasteten für die weniger Süßen, weißt du?", sagte sie. "Nur so als Hinweis."
Sie nahm sich ihr Holzschwert und ging direkt in Grundposition, so wie Syrias es ihr gezeigt und wie sie es am Vorabend geübt hatte. "Ich vermute, wir sollten schnell machen, um wieder nach der Schmelze zu sehen, oder?"
Vielleicht war es der Rausch des Schmerzes, den der Muskelkater in ihr auslöste, vielleicht fühlte sie sich heute einfach schon wohler mit dem Schwert in der Hand - in jedem Falle drängte etwas in ihr dazu, diesmal deutlich angriffslustiger zu sein. Johanna bewegte sich schnell zwei Schritte auf Syrias zu und drehte die Klinge aus dem Handgelenk zu einem schnellen Seitwärtsangriff, den Syrias abwehrte und zum Gegenschlag ansetzte. Sie sprang sofort wieder einen Schritt zurück, und Syrias beließ es bei der Andeutung des nun hoffnungslos gewordenen Gegenangriffs.
"Irgendwann erwisch ich dich schon mal", meinte sie grinsend. Erneut setzte sie vor, stach zunächst in Richtung seiner Füße und zog dann zurück, um stattdessen aufwärts in Richtung seines Gesichts zu stechen.
-
Haus der Magier
Fasziniert hatte Kisha ihrer Lehrerin dabei zugesehen, wie sie das Wasser mit der bloßen Kraft ihres Willens in eine eigene Form gebracht hatte. Leise, kaum wahrnehmbar, hatte sie den Widerhall eines fernen Flüsterns gehört.
Kisha formte tonlos das Wort "umbo" nach, das sie herauszuhören glaubte, doch der genaue Klang, das Gefühl für die Kraft des Wortes, blieb nicht greifbar für sie. Kisha zuckte die Schultern - vermutlich war sie noch nicht bereit dafür, sich dieser Art von Zauber zu widmen, wenn selbst Aniron sich darin noch probieren musste.
"Ich will etwas fliegen lassen können!", verkündete Kisha tatenfroh, doch als Aaras ihr einen besorgten Blick zuwarf, fügte sie noch hinzu: "Nach einem kurzen Schläfchen, eh? Vielleicht heute Abend in der Küche?"
Ein wenig schwach fühlte sie sich ja schon noch. Und in der Küche gab es vermutlich auch mehr, das man schweben lassen konnte. Aniron wäre vermutlich unglücklich darüber gewesen, wenn sie ihre Pflanzen zu Übungszwecken aus der Erde geholt hätten.
Niemand widersprach - und so ging die Gruppe vorerst auseinander, um sich am Abend wieder zu treffen.
Als Kisha erwachte, dämmerte es bereits. Mera, die gemeinsam mit ihr in die Novizenkammer zurückgekehrt war, hatte diese offenbar schon wieder verlassen, als sie sich erhob. Doch ein nur allzu menschliches Bedürfnis schmälerte ihre Lust auf ausgedehnte Gespräche gerade ohnehin nur allzu sehr. "Oh shiti! Jetzt aber schnell!"
Mit dem breiten Lächeln einer Frau, der eine erhebliche Last abgenommen wurde, verließ sie den Verschlag im Hinterhof und schlenderte gemütlich in das Haus der Magier zurück bis in die Küche, in der sie bereits das wundervolle, rote Haar von Aaras erblickte, auf dem der flackernde Lichtschein des brennenden Kaminfeuers verführerisch tanzte.
"Habari, rafiki mzuri!", grüßte sie den Lehrer und gesellte sich lächelnd direkt zu ihm.
"Hast du schon wieder etwas zu essen mitgebracht? Vielleicht können wir ja alle zusammen kochen? Aber zeigst du mir vorher nochmal den Schwebe-Zauber? Ich will das Flüstern hören..."
-
Na-Cron hatte die Stunden der Pause sinnvoll genutzt. So war zumindest seine Einschätzung. Wenn er weiter in der Magie und deren Möglichkeiten kommen wollte, dann musste er den Blick darauf mehr üben. Er konnte nicht immer nur dann diese besondere Form der Wahrnehmung nutzen, wenn sie sich darin übten, Zauber und dergleichen anzuwenden. Nein, der Wechsel zwischen diesen besonderen Ebenen musste, so sein Gedanke, am besten instinktiv geschehen. Also hatte der Novize sich auf Wanderschaft im Haus der Magier begeben.
Na-Cron hatte dabei wohl sicherlich ein merkwürdiges Bild abgegeben, wie er immer wieder scheinbar gedankenversunken stehen geblieben war und Löcher in die Luft gestarrt hatte. Manchmal waren ihm sogar kleine Laute der Verwunderung über die Lippen gekommen, was ihm einige irritierte Blicke eingebracht hatte. Vermutlich hatte man den Bergmann für einen sehr komischen Kauz gehalten. Aber war das nicht irgendwo auch ein Alleinstellungsmerkmal eines Magiers? Egal welcher Glaubensrichtung er auch angehörte. Zumindest war es in den Geschichten immer so, dass die Zauberer und Hexen scheinbar wilkürliche Dinge taten oder sagten, nur damit der Held am Ende der Geschichte darin plötzlich den allumfassenden Sinn erkennen konnte und damit die Prinzessin erschlug. Moment. Das klang irgendwie falsch.
Doch irgendwann hatten seine Schritte ihn zu den anderen in die Küche geführt, wo Kisha gerade dabei war, eine gemeinsames Kochen vorzuschlagen. Die dunkelhäutige Frau hatte wieder ihre komische Holzmaske dabei, wie Na-Cron feststellen musste. Der Novize fand das Konzept dahinter immer noch mehr als merkwürdig. Wie konnte ein simples Stück Holz jemandem helfen, dass er Magie wirken konnte? War es nur Aberglaube oder steckte mehr dahinter? Waren nicht damals bei den Magiern auch Runen dazu genutzt worden, damit sie ihre Zauber wirken konnten? Konnte Kishas Maske damit quasi nichts anderes sein als Runensteine? Doch während die Runen aus magischem Erz herstellt worden waren, ein Prozess, den der Novize immer noch nicht verstanden hatte, bestand Kishas hölzerne Maske... Nun, sie war aus Holz. Schnödem, langweiligen Holz. Zumindest soweit Na-Cron es einschätzen konnte.
"Wenn wir gemeinsam kochen wollen, würde sich ein Eintopf anbieten." brachte Na-Cron sich in die Unterhaltung mit ein. "Oder ein Schmorgericht. Das könnte dann vor sich hin köcheln, während Aaras uns zum Beispiel noch einmal den Schwebezauber zeigt." Ein entschuldigendes Lächeln begleitete die Worte des Novizen. Auch er wollte noch einmal sehen, wie jemand den Zauber wirkte. Mithilfe der besonderen Sicht auf die Magie war er vielleicht in der Lage zu erkennen, wie sie fließen musste, damit auch er den Zauber wirken konnte.
-
Haus der Magier - Küche
Trotz all der Aufregung am Vortag, hatte Aaras erstaunlich gut schlafen können und war zur üblichen Zeit früh am Morgen wach geworden. Nachdem er sich ausgiebig gewaschen hatte...und bei dem ihm der sonderbare Gedanke aufgekommen war, dass es hier doch so viel anders sich verhielt als damals noch in Varant, wo tagtäglich die feinen Sandkörner immer irgendwie den Weg unter die Kleidung gefunden hatten und am Körper haften geblieben waren,...hatte er sich daran gemacht einige Kräuter zu pflücken. Auch dieses Mal hatte er vor der kleinen Schar an Schülern einen Tee zuzubereiten und etwas aufzutischen. Da seine Gedanken sowieso noch in Varant hingen, bemerkte er wie sehr dieses Verhalten Parallelen zu seiner Zeit als Koch in der Karawanserei schlug. Auch damals hatte er viel Zeit damit verbracht die Gäste und Durchreisenden zu bewirten. Nur mit dem Unterschied, dass er nach all den Jahren einiges verlernt und nicht mehr ganz so schnell und geschickt bei der Zubereitung der Mahlzeiten war. Zugegeben, mittlerweile gab es auch keinen Grund der Eile mehr in seinem Alltag.
Das Teewasser brodelte bereits vor sich hin als plötzlich Kisha auftauchte.
„Ha-bari? Gut zu sehen, dass es dir wieder besser geht Kisha!“, grüßte er sie und hoffe sie durch das wiederholen ihrer Sprache sie nicht beleidigt zu haben. Tatsächlich fand er es äußerst spannend und hoffte in der Zeit der Lehre einige Phrasen aufschnappen zu können. Lebendige Sprachen zu erlernen, war um so viel interessanter als längst tote aus alten Schriften mühsam zu übersetzen!
„Ich wollte tatsächlich etwas Kleines zubereiten, aber wir können auch gern etwas mehr machen, wenn dir nach einer ordentlichen Mahlzeit beliebt! Du wirst sicher hungrig sein nach all den Übungen und nachdem du dich so entkräftet hast!“, meinte der Rotschopf bevor dann auf einmal Na-Cron in der Küche auftauchte.
„Ein Eintopf?“, wiederholte der Adept und dachte für einen Moment nach. Schließlich nickte er zustimmend und schaute die beiden mit einem Lächeln an, als ihm eine spannende Idee in den Sinn kam.
„Wie wäre es, wenn wir gemeinsam Kochen und dabei die Zutaten nicht mit den Händen berühren dürfen? Ihr müsstet also das Gemüse und die Gewürze aus den Körben und Schalen auf das Schneidbrett bewegen in dem ihr eure Magie zu Hilfe nehmt. Dann könnte ihr es in Stücke schneiden. Mir ist bewusst, dass ihr den Zauber noch nicht beherrscht, also werde ich natürlich auch mitmachen unter denselben Voraussetzungen. Dann könnt ihr dadurch auch immer wieder erfühlen, wie ich den Zauber ausführe, wenn ihr selbst Schwierigkeiten habt bei der Ausführung.“, erklärte er seinen Plan und fügte mit einem Grinsen hinzu: „Mal sehen wer von euch beiden mir am Ende wirklich beim Kochen hilft!“
Nach diesen Worten legte er drei Schneidbretter am Tisch zurecht und reichte den beiden noch ein Kochmesser. Anschließend verschränkte er den freien Arm hinter seinem Rücken, um nicht selbst in Versuchung zu geraten die Hand zu benutzen und begann seinen Zauber zu wirken. Wie schon im Kräutergarten, als er trockene Äste herbei schweben lassen hatte, so konzentrierte er sich auch dieses Mal auf die Magie um ihn herum. Die Magie, die alles umgab und durchdrang, nahm er sich so zur Hilfe und griff nach ihr mit seinen Sinnen und Gedanken. Anschließend ließ er sie zum Gemüsekorb hinüber fließen und suchte sich eine schöne große Karotte heraus. Langsam durchtränkte er sie gleichmäßig mit der gesammelten magischen Kraft und vermochte sie dadurch langsam in die Luft schweben zu lassen. Nicht lange und das Gemüse fand seinen Platz auf dem Holzbrett vor ihm, so dass er beginnen konnte sie mit dem Messer in Stücke zu schneiden. Ab und an musste er sie abermals mit der Magie ergreifen und sie in eine bessere Position zurückbringen. Doch mit geübten schnitten schaffte er es die Karotte in Stücke zu schneiden.
„Ich hoffe ihr konntet den Vorgang gut erfühlen? Falls ihr keine weiteren Fragen haben solltet, können wir gern anfangen!“
-
Syrias blickte sich hektisch um, als Johanna ihm von ihrem Freund und den anderen Möglichkeiten der Erzverarbeitung erzählte. Mit energischen Gesten versuchte der ehemalige Söldner ihr das Wort abzuschneiden. Verwirrt blickte die junge Frau zu ihm auf, doch Syrias Blick glitt weiterhin suchend durch die Schmiede. Doch es waren nur die beiden hier, niemand sonst.
"Tu mir nen Gefallen und lass das Taron nicht hören." Syrias Miene wirkte angespannt, als er sich noch einmal umschaute. Doch der Meisterschmied war nicht in der Waffenschmiede. Und wenn Syrias sich richtig erinnerte, dann würde er auch erst am späten Abend wiederkommen. Heute musste doch der Tag gewesen sein, an dem er sich mit dem Vorsteher der Akademie traf für Verhandlungen.
Erleichtert atmete der frühere Söldner auf und lies die angespannten Schultern sacken. Verlegen fuhr er sich über den Kopf und strich mit der Hand über die fest angelegten Zöpfe. Johannas fragender Blick sprach Bände, schließlich musste ihr das Verhalten ihres Lehrmeisters mehr als befremdlich vorkommen. Syrias holte tief Luft, wollte sich erklären.
"Tschuldige. Aber wenn Meister Taron das mitbekommt, dann blüht mir noch mehr Arbeit. Der versucht Gold zu sparen wo er kann und als Meister drückt er das entweder einem Lehrling aufs Auge oder mir. Und da wir zur Zeit keine Lehrlinge haben..." Syrias hob entschuldigend die Schultern. Er war zwar bereit zu Arbeiten, schließlich war das die Abmachung der beiden Männer gewesen, aber er wollte sich nun auch nicht vollkommen ausnutzen lassen. Auch wenn der frühere Orksöldner davon ausging, dass der Meister über diese Methode Bescheid wusste, dafür aber zur Zeit nicht den Kopf hatte.
"Aber dein Freund scheint wirklich ne Menge zu wissen. Muss selbst wohl so einiges geschmiedet haben."
Nachdem die beiden fertig waren und Syrias sich um den Ofen gekümmert hatte, waren die beiden im Innenhof geblieben, damit sie üben konnten.
Und der Waffenschmied musste zugeben, dass Johanna ihre Lektionen im Kopf behalten hatte. Sie übten erst einmal wieder nur die einfachen Angriffe und Paraden, welche Syrias ihr am Tag zuvor gezeigt hatte. Die Grundlagen mussten sitzen, bevor man sich an gewagtere Manöver zuwandte.
"Hoffe ich doch." entgegnete er der Schwarzhaarigen gegenüber. "Wenn du mich nicht irgendwann erwischen solltest, würd das ganze hier keinen Sinn machen." Wieder erfolgten Angriff und Parade, während der Waffenschmied die junge Frau angrinste. Ihrem Stich ins Gesicht wich er mit einem neigen des Kopfes aus. Mit einem leisen Zischen glitt die Übungsklinge an seinem Kopf vorbei, ein leichter Luftzug glitt über Syrias Gesicht.
Syrias knickte zur Seite weg und hielt sein Schwert über der Hüfte, die Klinge zeigte nach hinten mit ihrer Spitze, und schlug einen schnellen Streich in Richtung Johannas Bauch. Kurz bevor er wirklich mit der breiten Schneide ihren Magen getroffen hätte, stoppte er und trat stattdessen zurück.
"Auch wenn das Schwert, das du benutzen willst, eher zum Fechten passt, musst du drauf gefasst sein, das dein Gegner lieber brutale Gewalt nutzt." Der Waffenschmied griff an seinem Schwert um und hielt es nun am Griff wie ein Kreuz, bevor er die Waffe erneut hob und Johannas nächsten Schlag mit der breiten Seite des Schwertes blockte. Dabei nutzte er seinen Unterarm als weitere Stütze.
"Schneiden, Stechen, Schlagen, alles möglich." Der Söldner hob das Schwert erneut, immer noch im Kreuzgriff. Dann schlug er schräg von oben nach unten, bevor er mit seinem Handgelenk eine weitere Bewegung machte, die Übungsklinge loslies und sie durch den Schwung einmal in der Handfläche drehen lies, bevor er die Klinge wieder ergriff und dann den Schlag rückwärts wiederholte. Und ja, er wusste, dass war er hier tat, war nichts anderes als Angeberei. Doch manchmal konnte man den Gegner mit solchen Spielereien überraschen.
-
Hinterhof der Waffenschmiede
„Pah, alter Angeber“, quittierte Johanna Syrias‘ Spielerei mit dem auf der Handfläche rotierenden Schwert. „Machst du so was auch in einem richtigen Kampf?“
Na, hoffentlich erwartete er nicht, dass sie ihm solche Spielereien nachmachte, denn die waren mal so gar nicht ihr Ding. Ihr ging es nur darum, sich vernünftig verteidigen und, wenn nötig, Gegner außer Gefecht setzen zu können. Johanna lag es fern, ihren Kampf mit irgendwelchen Zusatzeinlagen aufzupeppen.
„Was, wenn ich dir in dem Moment einfach mal ungezielt auf die Hand gehauen hätte? Oder willst du mich etwa einladen, dich doch ganz bald zu treffen?“
Sie grinste ihren Lehrer keck an. Ein wenig freundliche Provokation am Morgen hatte noch niemandem geschadet, und sie hatte das Gefühl, sie beide verstanden sich bereits gut genug, dass er ihr so etwas nicht krumm nehmen würde.
Sie versuchte sich noch einmal an einer Kombination aus Aufwärtshieb aus der überkreuzten tiefen Haltung heraus, gefolgt von einem Vorstoß und dem direkten Abwärtshieb auf das vorgestellte Bein von Syrias. Der macht einen Schritt zurück und wechselte die Stellung, um ihren Hieb ins Leere laufen zu lassen und sie aus einer halben Drehung heraus zu attackieren. Doch ihr geringes Gewicht kam ihr zugute, denn sie sprang flink zur Seite heraus aus seiner Reichweite. Die Beinarbeit aber merkte sie sich vor – ihr gefiel, wie Syrias mit einer kleinen, effizienten Bewegung die Karten neu gemischt hatte.
Nach einigen weiteren Angriffen und geschickten Paraden oder Gegenangriffen von Syrias schließlich senkte sie die Waffe.
„Sag mal, wie kann ich mich gegen schwerere und stärkere Gegner wehren, die mit Brutalität kämpfen? Ich meine: ich bin schneller, weil ich klein und leicht bin, ist schon klar. Aber ich kann ja nicht immer nur flugs ausweichen. Wie würdest du in dem Fall zu kämpfen versuchen?“
Das war vermutlich eine gemeine Frage, schließlich war Syrias gebaut wie genau der Typ Kämpfer, der sie nicht war und den sie zu besiegen trachtete. Da kam ihr eine Idee, wie sie ihre Frage umformulieren konnte. Ein Grinsen huschte über ihre Züge.
„Was würdest du als deine Schwachstellen ansehen? Womit würdest du dich knacken, wenn du ich wärst?“
-
Haus der Magier
Es war ein purer Genuss für Kisha, dem Flüstern der Vizuka zu lauschen, während Aaras das Gemüse mittels seiner Magie zum Schweben brachte und es kunstfertig in Stücke schnitt. Sie lauschte den Worten mit niedergeschlagenen Augen und geöffnetem Mund, spürte die Kraft der Worte über ihre eigenen Lippen perlen und biss sich genießerisch auf die Unterlippe, während sie nicht nur die Worte selbst, sondern ihren Eindruck in der Welt, ihren Klang und Charakter in sich aufzunehmen versuchte.
"Kijijini", murmelte sie mit einem feinen Lächeln auf den Zügen. Dieses Wort... es war ein Hauch, zart wie eine Orchideenblüte, umhüllend wie der Kokon einer Seidenraupe, verschlungen in einzigartiger Schönheit wie die Lianen aus den Wäldern ihrer Heimat. Aaras' Magie war ein Gedicht aus dem Munde der Ahnen, und Kisha hätte ihm den ganzen Abend lang dabei zuhören können, wie er das Essen schweben ließ. Doch letztlich wurde es Zeit, sich selbst an diesem kunstfertigen Geflecht aus Silben zu versuchen, die sich in inniger Umarmung um die schwebenden Objekte schlangen.
Kijijini... fern. Wie treffen das Wort doch war für das, was der Zauber zu tun vermochte. Es stammte aus der Sprache ihres Stammes, aus der Sprache ihres Herzens. So einfach, so treffend. So wahrhaftig.
Kisha hob die Hand und ließ ihre Fingerspitzen trotz der Instruktionen ihres Lehrers über das Messer vor ihrer Nase streichen. Sie ließ die Hand der Form folgen - den Griff entlang immer über das weiche Holz bis hinauf zur Basis der Klinge, dem harten, stabilen Klingenrücken hinterher, der auf dem Weg schmaler und schmaler wurde und schließlich in einer feinen Klinge endete. Schließlich zog sie die Hand zurück und legte beide Hände in den Schoß. Im Geiste sah sie immer noch die Form des Messers vor sich, als sie hauchte: "Kijijini..."
Doch sie spürte augenblicklich, dass ihre Worte nicht die Gleiche Intonation erreichten, nicht dieselbe Strahlkraft hatten wie das Flüstern der Vizuka, das sie zuvor gehört hatte. Etwas fehlte noch, damit die Worte ihre Wirkung entfalten konnten. Sie musste sich noch ausprobieren, um die Silben so zu falten und formen, dass sie das Messer umhüllten. Sie musste es üben - und das würde sie.
-
Syrias grinste, als Johanna ihn als Angeber bezeichnete. Ja, manchmal kam er nicht aus seiner früheren Haut. Doch diente es auch einem weiteren Zweck, schließlich kamen viele Gegner immer wieder auf die merkwürdigsten Ideen, besonders, wenn sie in verzweifelte Situationen gerieten. Bei einem der Arenakämpfe, welche die Orks in Faring immer wieder gern veranstaltet hatten, war ein Gegner sogar so verzweifelt gewesen und hatte sich während des Kampfes nackt ausgezogen! Und auch wenn man es vielleicht nie zugeben würde, es war schon eine ganz andere Angelegenheit, plötzlich einen nackten Mann sich gegenüber zu haben.
All das freie Geschwinge alleine konnte ziemlich ablenken. Und aus Scham war schon so mancher nicht in der Lage gewesen, sich vollkommen zu konzentrieren. Ob das vielleicht auch eine Möglichkeit für Johanna wäre?
Syrias bezweifelte das doch sehr.
Syrias trat ein paar Schritte zurück und hob die Hand. Das war das Signal für Johanna, dass sie ihre Übungen unterbrachen. Ihre Frage erforderte etwas mehr Aufmerksamkeit und war nicht so einfach während der körperlichen Übungen zu beantworten.
"Meine Schwachstellen?" Syrias warf sich in Pose, die freie Hand in die Hüfte gestemmt, die Brust rausgedrückt, den Kopf leicht gehoben und das Kinn hervor gereckt. "Ich hab keine Schwachstellen. Naja, vielleicht mein blendendes Aussehen. Oder meine unglaubliche Stärke?" Übertrieben legte der ehemalige Söldner die Hand ans Kinn um nachdenklich zu wirken. "Oder war es doch diese mächtige Ausdauer, von der alle Frauen reden?" grübelte er überzogen. "Hab aber nie verstanden, warum die mich immer Eichenstamm genannt haben..." Dann brach er in ein lautes Lachen aus.
"Natürlich hab ich auch Schwächen. Aber um jemanden meines Formats zu schlagen..." Syrias legte seine Klinge beiseite und ging in Richtung Schmiede. Johanna bat er mit einem Wink ihm zu folgen. Er hatte Hunger bekommen und wollte sich eine kleine Zwischenmahlzeit machen. Und da seine Tasche in der Schmiede stand, musste er wohl oder übel dahin gehen.
"Ich hab selten mit kleineren Gegnern zu tun gehabt. Da war mal ne Horde Goblins, die hams mit schierer Überzahl versucht. Aber du kannst dich ja nicht aufteilen." Syrias betrat die Schmiede, ging zum Tresen und schnappte sich seine Tasche. Dort heraus holte er etwas Brot und Käse sowie einen, schon etwas älteren, Apfel. Unter dem Tresen holte er einen Teller hervor und schnappte sich ein herum liegendes Messer. Damit begann er Stücke vom Brot und Käse abzuschneiden und auf den Teller zu legen. Während er danach den Apfel schnitt, sprach er weiter.
"Vielleicht kann mans mit nem Kampf gegen nen Ork vergleichen." Syrias schnitt entspannt weiter. "Ich will dir nix vormachen, ausweichen ist da immer noch deine größte Stärke. Wer Brutal angreift wird schneller müde. Abwarten ist immer ne gute Idee. Natürlich dumm, falls du getroffen werden solltest, bevor dein Gegner platt ist." Syrias legte die Apfelschnitze nacheinander auf den Teller, nahm sich Stücke Brot und Käse und lud mit einer einfachen Geste Johanna dazu ein, sich auch daran zu bedienen. "Iss ruhig was. Und keine Sorge, der Apfel ist noch gut." Dann kam der Waffenschmied wieder zum Thema zurück.
"Die Füße sind nen gutes Ziel. Selbst die mächtigste Eiche," ein leichtes Grinsen glitt über das Gesicht des ehemaligen Söldners, als er an seine übertriebene Selbstdarstellung von vorhin zurück dachte, "fällt, wenn Stamm und Wurzeln schwach sind. Versuch unter den Hieben deines Gegners wegzutauchen und seine Beine, Füße und sowas anzugreifen. Mach ihn langsamer. Versuch in seinen Rücken zu kommen. Stiche, keine Hiebe. Reize ihn mit schnellen Stichen." Syrias überlegte nachdenklich. Wie ging das Sprichwort noch? "Tanz wie ne Motte, stich wie ne Mücke..." murmelte er. Nein, das klang falsch. Egal.
"Mach ihn wütend. Oder sie, je nachdem. Wer wütend ist, der neigt eher zu Fehlern. Und nutz den Schwung." Syrias neigte sich übertrieben nach vorne, so das er fast über den Tresen fallen würde. Nur seine Hände, mit welchen er sich abstützte, sorgten dafür, dass er nicht mit dem Gesicht aufs Holz knallte.
"Verliert er das Gleichgewicht, kannst du schnell rein und wieder raus, nah ran mit dir. Brutale Stärke nutzt auf engem Raum nix. Ich kann auch kein Eisen schmieden, wenn ich keinen Platz an der Schmiede hab zum schwung holen." Syrias nahm das einfache Messer, welches noch auf dem Tresen lag und hielt es mit dem Griff voran Johanna entgegen.
"Und hab immer ein Messer dabei. Üb mit deiner schwachen Hand zuzustechen. Niere, Achsel, Hals, Kniekehle... Egal wo, stich zu."
-
Na-Cron konzentrierte sich auf die Sicht der Magie, als Aaras anfing seine magische Kraft zu wirken und die Karotte aus dem Gemüsekorb zu heben. Bewundernd beobachtete der Novize, wie sich der Fluss der Magie in der Karotte veränderte. Flossen die funkelnden Lichter anfangs noch in einem gleichmäßigen, gemächlichen Takt um das Gemüsestück herum, fingen sie plötzlich an sich anders zu verhalten. Anstatt im FLuss zu bleiben, war es eher so, als würden sie inne halten und langsam größer werden.
Waren es anfangs erst noch kleine Lichtfünkchen, die ihr Licht wie die fernen Sterne am Himmel abgaben, wurden sie langsam größer und größer. Aus den einzelnen Fünkchen wurden leuchtende Funken, dann große Punkte und dann... ja, wie beschrieb er es am besten? Es war fast, als würden sie flüssig werden und sich immer weiter ausbreiten, so weit, bis ihr Leuchten die ganze Karotte umschloss und diese nur noch an ihrer Form erkennbar war. Fast so, als währe sie aus glänzendem Gold.
Und dann begann die Karotte zu schweben! Wie machte der rothaarige Adept das nur? Konnte er Kraft seiner Gedanken sie einfach schweben lassen? Na-Cron konzentrierte sich noch stärker, ignorierte das beginnende Pochen in seinem Kopf und die leicht tränenden Augen, weil er das Blinzeln vergas.
Was war das? Da hinter dem Funkeln selbst? krude, unregelmäßige Linien? Waren das... Adern? Sie schienen sich wie Äste an einem Baum aufzufächern. Oder wie ein Blitz, der sich in totes Holz fraß und sich seinen Weg hindurch bahnte. Zusammen mit dem Funkeln der Magie wirkten diese Verästelungen fast, als wären sie wie Erzadern. Doch anstatt sie abzubauen lies Aaras die leuchtende Karotte darauf entlang gleiten. Es war fast so, als schwamm sie darauf. Und während sie gleichzeitig schwamm, bildete sich ein Hauptast aus, auf dem sie entlang glitt.
Es wirkte so, als würde der Rotschopf sich in das Erz hinein graben, wie Na-Cron sich in den Fels hackte. Die Magie, welche die Karotte umgab, gab gleichzeitig etwas von ihrem Leuchten ab und bildete so den Pfad, auf welchem sie vorwärts getrieben wurde. Na-Cron war erstaunt. War die Karotte nun durch die Ansammlung so durchdrungen von Magie, dass sie quasi überfloss und der Überschuss wie eine Spitzhacke wirkte, welche den Stollen voran trieb? Bahnte sich die Magie ihren Weg selbst?
Als sie dann auf dem Brett lag, dachte Na-Cron im ersten Moment, dass Aaras die Magie nun wieder in ihre üblichen Bahnen freigeben würde, doch stattdessen behielt dieses einfache Stück Gemüse ihre "leuchtende" Form bei. Aaras nahm sich einfach nur das Messer und schnitt die Karotte in Stücke, korrigierte den Fluss der Magie hier und dort, was sich in einer Zu- oder Abnahme der Menge an Magie zeigte.
"Das will ich auch..." flüsterte Na-Cron. Er rieb sich mit dem Unterarm über die brennenden Augen, bevor er sich dem Gemüsekorb zuwandte.
-
Aaras ließ sich beim Schneiden der Zutaten deutlich mehr Zeit, als er es sonst tat. Auch wenn seine Tage als Wirt und Koch in der Karawanserei in Varant schon längst gezählt waren, ging ihm die Arbeit mit dem Küchenmesser doch noch recht gut von der Hand. Umso wichtiger war es jetzt seinen Schülern keinen unnötigen Druck zu bereiten. Die von ihm aufgestellten Spielregeln, sollten das gemeinsame Kochen etwas spannender machen und nicht unnötigen Frust aufkommen lassen. Das Lernen der Sprüche würde seine Zeit brauchen, das wusste er nur zu gut! Während er abwechselnd Gemüse Schnitt und dann eben jenes umher schweben ließ, beobachtete er seine Schüler etwas genauer.
Kishas Flüstern und Gemurmel vernahm der Rotschopf kaum während er das Gemüse langsam und sorgfältig in Stücke schnitt. Die Bewegungen ihrer Lippen, waren jedoch Hinweis genug für ihn, um daraus zu deuten, dass sie ihrer eigenen Art der Magieanwendung auf einer heißen Spur sein musste. Um ihr ein wenig auf die Sprünge zu helfen, ließ er das Gemüse etwas öfter schweben als notwendig. Es war schwer für ihn nachzuvollziehen wie genau sie die Magie wahrnahm, doch wenn es in ihren Ohren ein Flüstern verursachte, dann wäre es sicherlich hilfreich, wenn er dieses Flüstern so oft wiederholte wie möglich...oder?
Bei Na-Cron verhielt es sich hingegen etwas anders. Der starrende Blick seines Lehrlings entging dem Varanter nicht und auch wenn er bei ihm fast schon Angst bekam, dass seine Augen austrocknen würden, wenn er weiterhin nicht blinzelte, so hielt er sich mit jeglichem Kommentar zurück. Der Bergmann schien etwas besonders wichtiges zu sehen, oder versuchte zumindest etwas wichtiges zu erkennen. Da wollte er ihn nicht in seiner Konzentration stören. Dass man beim Wirken der Magie, auch auf seinen Körper hören musste, würde Na-Cron sicherlich bald merken. Manche Erfahrungen musste man nun mal selbst machen, um sie sich einzuprägen.
Nach einer Weile, wurde Aaras aber selbst des Wirkens müde und spürte, dass er eine kurze Pause gut gebrauchen konnte. So oft und lange hatte er tatsächlich selbst noch nie Gegenstände, geschweige denn Gemüse schweben lassen. Ja vielleicht lag es hierbei sogar an dem organischen Material selbst, dass ihm diese Erschöpfung bereitete. Feste Objekte wie Steine oder trockenes Holz hatten zuvor nie derartig an seinen Kräften gezehrt. Zumindest nicht, dass es ihm in Erinnerung geblieben wäre.
„Ich werde euch beide für einen kurzen Moment allein lassen und noch ein paar Kräuter für die Suppe aus dem Garten holen. Falls ihr noch Fragen habt, stellt sie ruhig. Ansonsten sehen wir uns gleich wieder!“, meinte Aaras mit einem Lächeln zu den beiden gewandt. Tatsächlich war er gespannt, ob Kisha und Na-Cron dies als Anlass nehmen würden, um selbst eine kurze Pause einzulegen. Oder ob sie sich in seiner Abwesenheit intensiver mit der Ausführung des Zaubers beschäftigen würden. Oft genug vorgeführt hatte er es den beiden zumindest schon!
-
Tarons Waffenschmiede
Dass Männer aber auch immerzu ihr Gemächt mit irgendwelchen kräftigen Gewächsen vergleichen mussten! Johanna fragte sich, ob das eine zwanghafte Veranlagung war. Syrias kam ihr ja nicht so vor, als ob er irgendwelche Ambitionen ihr gegenüber verfolgte, sodass ihr kein anderer Grund für seine Anspielungen einfiel. So quittierte sie diese mit einem verkniffenen „Ähm, ja… unangebracht“, und versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. Immerhin war Syrias verdammt alt!
Er machte es dann nicht besser, als er Antwort auf ihre Frage gab. Hatte er sie gerade allen Ernstes mit Goblins verglichen? Ja, sie war klein, aber doch nicht so klein! Große Menschen konnten schon echt ziemliche Ärsche sein, wenn es um ihre körperliche Überlegenheit ging. Im Stillen nahm sie sich vor, ihm in ihren Übungen die Füße abzustechen, bis er keine Zehen mehr hatte. Die Rache der kleinen Frau, ha! Denn immerhin, zumindest sein Ratschlag war verdammt gut. Auf die Füße zielen, schnelle, kleine Angriffe setzen, Balance-Schwächen im Nahkampf ausnutzen… vor ihren Augen entwickelte sich nach und nach ein Bild, wie sie den großen Brocken wie Syrias gegenübertreten konnte. Ob sie sich ein wenig mehr solchen Themen wie Gleichgewicht und Schnelligkeit widmen sollte? Und auf die Idee, einen Dolch oder ein Messer in die freie Hand zu nehmen, war sie bislang noch gar nicht gekommen. Doch sobald sie das Gefühl hatte, die Grundlagen gut genug verinnerlicht zu haben, wollte sie sich das unbedingt näher anschauen.
Johanna hatte das erste Apfelstück bereits verschlungen, bevor Syrias seine Bekräftigung, er sei noch in Ordnung, überhaupt ausgesprochen hatte. Wenn man ihr Essen anbot, schlug sie zu, und ein paar Schönheitsfehler waren das Letzte, das sie dabei interessierte. Wer in Hunger aufwuchs, gewöhnte sich solche Marotten gar nicht erst an.
„Ischt perfekt, danke“, mampfte sie mit strahlenden Augen und sicherte sich gleich noch ein Stück, bevor der Schmied es sich noch einmal anders überlegte. Dann schlug sie auch bei Brot und Käse zu und schlang das Mahl in einer Geschwindigkeit herunter, die man sich nur durch jahrelange Übung erarbeitete. Sie mochte es, in Syrias‘ Gegenwart auf feine Gepflogenheiten pfeifen zu können. In dem Punkt war es fast ein wenig wie mit Rudra. Nur eben, dass Syrias gerade einmal halb so stark war und nur halb so herb roch.
Beim Gedanken an ihren Freund seufzte sie. Es tat ihr leid, dass er nun die ganze Arbeit am Hals hatte, die der Ausbau der Hütte mit sich brachte. Und sie trieb sich währenddessen in der Stadt herum und focht lieber im Hinterhof einer Schmiede, statt ihm zu helfen.
„Wie geht es eigentlich weiter?“, fragte sie, als nichts mehr übrig war, das sie noch essen konnte.
„Was werde ich noch alles brauchen, bis ich bereit für einen Gegner bin?“
Sie machte sich keine Illusionen darüber, dass sie noch weit davon entfernt war, eine ernsthafte Kämpferin zu sein. Doch ganz ohne dass Syrias sie wie ein Schulmeister durch trockene Lektionen schleppte, lernte sie mit jedem Schlagabtausch ein klein wenig dazu. Doch ein Gefühl dafür, was es in einem echten Duell brauchte, hatte sie nicht.
„Versteh mich nicht falsch, mir gefallen unsere Übungseinheiten. Ich weiß nur nicht, wo ich eigentlich stehe.“
-
Haus der Magier - Küche
Kijijini…
Das Flüstern kroch ihr unter die Haut, Silbe um Silbe, verschlungener Hauch um verschlungenen Hauch. Kisha schwelgte lustvoll in den Echos von Aaras‘ Kunstfertigkeit, auch wenn es sie immer wieder aufs Neue daran hinderte, sich auf das eigentliche Ziel zu konzentrieren: selbst diesen Zauber zu wirken. Da war es beinahe erlösend, als der Rotschopf seine Vorführungen beendete und sie fragte, ob sie noch etwas wissen wollten. Kisha schüttelte den Kopf, ihr Blick leer wie ein ausgegossener Krug. Sie brauchte einen Moment, um sich wieder zu fangen und ihren Verstand zu konzentrieren. Ihr Blick war dabei fest auf das Messer gerichtet – Aaras und Na-Cron waren nun unwichtig. Kisha griff an ihren Gürtel und löste die Maske. Es war, als tauchte sie in einen stillen See ein, als sie durch die Augenlöcher blickte und das stumpfe Holz ihre Wangen empfing. Die Welt war eine andere durch die Augen der Vizuka, und ihre eigene Stimme klang vollkommen anders, war vollkommen anders als ohne diese Brücke zwischen dem Hier und der Geisterwelt.
Ihre Augen waren nur und ausschließlich auf das Messer gerichtet. Ihre Gedanken bogen sich um die geschwungene Form des Griffes, schmiegten sich an den kalten, schlanken Stahl der Klinge.
„Kijijini“, sprach sie – nicht kraftvoll wie den Flammenzauber, sondern ganz wie den wilden, verworrenen Hauch, als den sie das Flüstern wahrnahm, das von Aaras‘ Vorführungen ausgegangen war. Als verschränkten sich die Silben des Wortes um das Messer.
„Kijijini“, wiederholte sie noch einmal und änderte dabei ihren Ton. Etwas dabei fühlte sich richtig an – eine seltsame Resonanz, ganz so, als vibrierten ihre Stimmbänder im gleichen Takt wie die Luft um sie herum. Doch sie wollte nicht im Einklang mit der Luft sein. Das Messer – es sollte das Messer sein!
„Kijijini!“
Kisha spürte augenblicklich, dass sie diesmal den richtigen Ton getroffen hatte. Es war, als zog sich die Vibration fort durch ihren ganzen Körper, überbrückte die Leere zwischen ihr und dem Messer und breitete sich darin aus wie eine ekstatische Welle. Ihre Augen lösten sich nicht von dem Messer, das mit ihr im Einklang schwang. Ihr Denken konzentrierte sich darauf und nur darauf, und obwohl die Silben aus ihrem Munde schon längst verklungen waren, hielt die Verbindung immer noch an, durchzog ihren Leib genau wie den Stahl der Klinge. Es fehlte nicht mehr viel. Nun musste sie nur noch…
Das Messer zuckte kurz auf und schepperte.
Mehr! Sie wollte mehr als das!
Das Messer schrammte über das Holz und drehte sich langsam auf dem Brett, bis die Spitze nicht mehr auf die Wand, sondern in den Raum zeigte.
So nah! Die Welle durfte nicht abreißen!
Das Messer schoss durch den Raum, durch eine Möhre hindurch und direkt an Na-Crons Antlitz vorbei, wo es zitternd im Holz der Theke stecken blieb, das Wurzelgemüse mittig durchstoßen. Kishas Augen wurden groß, immer größer. Dann öffnete sich ihr Mund und ein freudiges Glucksen drang aus ihrer Kehle hervor. Sie riss sich die Maske vom Kopf.
„Hast du das gesehen, eh? Haha, hiyo ilikuwa nzuri sana! Nzuri sana!“
Gewissensbisse, weil sie Na-Cron beinahe erdolcht hatte? Nein. Sie war hellauf begeistert!
-
Na-Cron atmete langsam ein und aus, holte tief Luft dabei, bevor er eine Tomate ins Auge fasste. Sein Blick wurde abwesend, als er sich auf die Sicht der Magie konzentrierte. Seine Gedanken waren konzentriert, als er sich langsam in den Fluss der Magie versenkte und damit begann, die funkelnden Myraden an Punkten zu verstärken. Ähnlich wie bei Aaras begannen sich die glitzernden Punkte immer weiter auszubreiten und die einfache Karotte immer mehr zu bedecken, so lange, bis sie wie eine goldig leuchtende Version ihrer Selbst glänzte. Und dann begann der Novize damit, den Fluss der Magie IN die Karotte zu lenken.
Während es beim Feuer erschaffen darum ging, die Magie so weit zu verstärken, dass sie bis zu einem einem kritischen Punkt gelangte und sich quasi fast selbst entzündete, so war es hier eher so, als wolle Na-Cron dafür sorgen, dass die Karotte durch die Magie so stark angefüllt wurde, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als sich einen neuen Weg zu suchen.
Die Karotte im Gemüsekorb begann erst damit, dass sie leicht zitterte. Kaum wahrnehmbar, doch wurde es von Moment zu Moment stärker. Gleichzeitig lies Na-Cron die Magie immer weiter fließen, bis er den Punkt bemerkte, an dem diese Kraft wieder heraus floss. Ähnlich wie mit einem Becher voll Wasser, der immer weiter angefüllt wurde. Auch da begann das Wasser dann sich einen neuen Weg zu suchen. Und an diesem Weg wollte der Bergmann die Karotte entlang führen.
Da die Magie überall um ihn herum war, konnte er die glitzernden Pfade erkennen, welche durch die Welt glitten. Und indem er die Magie, welche aus der Karotte floss, in diese Pfade lenkte, konnte er sie dann in Richtung Schneidbrett lenken.
Für den Außenstehenden, der keinen solchen Blick hatte, war es so, als würde die Möhre langsam, fast schon zögerlich, anfangen aus dem Korb zu schweben und in Richtung des Bretts zu schweben. Ja, es wirkte wie Zauberei. Was es, zugegeben, natürlich auch war.
Doch dann schoss etwas an dem Novizen vorbei und nagelte die Karotte fast augenblicklich an die Theke. Durch den Schreck wurde Na-Cron aus seinem fast Trance-artigen Zustand gerissen. Welcher Idiot warf denn hier mit Messern?! fragte sich der Bergmann, als sein Blick auf die fröhlich herumhüpfende Kisha fiel, die sich gerade wieder ihre merkwürdige Holzmaske vom Gesicht zog.
"Bist... du... Irre?" flüsterte Na-Cron entsetzt, während sein Blick zwischen ihr und dem Messer hin und her glitt. Warum nahm diese Närrin denn gleich ein Messer? Wollte sie unbedingt jemanden umbringen? Er hatte schon gehört, dass sie fast die Schlafkammer angezündet hatte, in der sie und Mera nächtigten. Dann im Garten dieses verbrannte Laken und jetzt das Messer! War es wirklich so eine gute Idee gewesen, dieser jungen Frau die Magie beizubringen? Das war ja fast schon gemeingefährlich.
"Weißt du, wie knapp das war?" Knurrte er, nachdem der Schreck langsam durch Wut ersetzt wurde. Immer zorniger wurde der Novize darüber. Verantwortungslosigkeit war etwas, dass einem in den Minen ganz schnell das Leben kosten konnte!
Sein Blick glitt auf das Messer in der Theke. Mit einem Ruck zog der Bergmann das Messer hinaus und hielt es in der offenen Handfläche. Fast schon unbewusst lies er die Magie hineingleiten, angefacht und verstärkt durch seine Wut.
"Du kannst doch nicht einfach Messer durch die Luft werfen ohne zu schauen, ob nicht vielleicht wer im Weg steht?" Das Messer begann sich in seiner Handfläche aufzurichten, die Spitze in Richtung Decke geneigt. Und Na-Cron lies in seinem Zorn immer noch Magie hineinfließen.
"Du hättest mich umbringen können. Ich werf doch auch nicht einfach so Messer durch die Gegend, als wäre ich hier ein Narr, der keine Strafen fürchtet!" knurrte der Novize und wedelte mit der anderen Hand herum. Und plötzlich richtete sich das Messer mit der Spitze in Richtung Tür aus und schoss davon, wie von einem kräftigen Mann geworfen. Zitternd bohrte es sich in den Türrahmen und blieb dort einfach stecken!
Sofort verrauchte die Wut des Bergmanns und wurde von Schrecken ersetzt. Verdattert blinzelnd blickte er dem Messer hinterher. "Wie... was..." stotterte er leise. Wie, bei den Göttern, hatte er das denn geschafft? Sofort schoss ihm verlegene Röte in die Wangen.
-
„Wie man auf die Idee kommt, eine Stadt so zu bauen …“
Ragnar schüttelte den Kopf und schaute auf die sich in die Höhe türmende Stadt an der Westküste Argaans.
„Ein verdammter Bienenstock ist das“, murmelte der Krieger weiter, „Würde sich Rhobar die Mühe geben, und ich meine damit, würde er die nötigen Truppen zusammenziehen, dann wäre das hier wieder nur ein Fels vor der Küste, auf dem ein paar Trümmer liegen würden. Mehr nicht.“ Er sah zu Meve hin, die ihn musterte. „Setarrif hingegen, ja, das wäre eine Herausforderung geworden. Ein Kampf, an dem ich mich gerne beteiligt hätte. Paladine gegen Schwerter Ethorns, das wäre ein legendärer Kampf geworden. Die letzte, ähnliche Herausforderung waren die Klingenmeister Zubens oder die abgebrühtesten Veteranen der Orksöldner …“
Ihm geht’s wirklich nur um das Kämpfen, dachte Meve bei sich, ich erkenne den Mann, der er wohl gewesen ist, als er sich noch unter Kontrolle hatte, aber jetzt … niemals möchte ich so werden. Oder wie Meisterin Aviena. Hasserfüllt, lebensfeindlich.
„Es ist trotzdem ein … angenehmer Ort“, erklärte Meve leichthin, „Ich habe … Freunde dort. Johanna, ein wunderbarer Mensch. So klein und zerbrechlich, aber doch stärker als … viele andere Menschen.“ Sie lächelte kurz. „Oder …“
Nun, mehr Leute kennst du eigentlich nicht. Auch eine bittere Feststellung. Syrias, der Waffenschmied, war kein Freund. Und auf ein Wiedersehen freute sie sich, nach ihrer Nachlässigkeit, absolut nicht.
„Hmpf“, brummte Ragnar. Die Torwächter hielten sie an. Sie trugen die Farben Renwicks, des Barons von Stewark. Zwei weitere Wächter im Innern der Stadt und ebenfalls am Tor waren scheinbar Angehörige der Akademie. Klingen. Schamesröte stieg Meve ins Gesicht, als sie eine erkannte. Es war die Frau gewesen, die sie mit einem Kumpan vor die Arena geschleppt hatte, als Tiberon sie nach Strich und Faden vermöbelt hatte. Scheinbar war sie talentiert genug, um innerhalb der letzten Monde zur Klinge aufzusteigen.
„Na, ist das aber eine Riesin!“, der Torwächter, ein junger Kerl in Stewarker Rüstung sah zu ihr auf, dann zu Ragnar. „Und du erst, Gigant! Wollt ihr das Dach der Zitadelle neu eindecken?“
Ragnar knirschte mit den Zähnen, ballte die Fäuste, aber Meve hob die Hand. Irgendwann muss ich ja anfangen, es zu versuchen, dachte sie.
„Wir sind Verstärkung aus Nordmar. Morgen geht’s nach Vengard, Rhobar aus seinem Palast holen.“, antwortete sie bemüht scherzhaft. Der Wächter schnaubte nur kurz milde belustigt.
„Na, holt noch hundert von euch und es kann was werden. Geht rein. Ich glaube, ich kenne dich, Große.“ Er deutete durchs Tor.
Nun wird’s interessant, dachte Meve, als sie an den Klingen vorbeimarschierten. Die Frau ließ nur kurz den Blick über Ragnar und die Hünin schweifen, aber darin lag keinerlei Erkennen. Das versetzte Meve einen heftigeren Stich, als sie erwartet hatte. Mit Spott und Hohn hätte sie sicherlich … irgendwie umgehen können. Aber offensichtlich war die Abreibung, die Tiberon ihr verpasst hatte, unter den Leuten der Akademie nicht weiter der Rede wert gewesen. Man hatte sie einfach vergessen.
Als sie weitergingen, mahlten die Zähne Meves aufeinander.
Die werden mich noch kennenlernen. Das schwöre ich. Es wird der Tag kommen, da ich Tiberon in den Staub der Arena prügle. Und dann sind wir quitt.
-
„Ich werde hier in der Schenke bleiben“, der Nordmann nickte in Richtung der Klippenschenke, um die herum nun, da der Frühling langsam zum Sommer wurde, Tische und Bänke standen, an der sich allerlei Volk tummelte. Leider auch mehrere Klingen, weshalb eine Übernachtung in der Schenke für Meve absolut nicht in Frage kam. So kämpferisch sie war, so ehrgeizig … so sehr schämte sie sich immer noch für die Abreibung, die ihr Tiberon erteilt hatte.
„Alles gut, Meve?“, fragte der Hüne und sah sie von der Seite an. Sie nickte knapp.
„Muss ja“, antwortete sie bemüht leichthin, „Ich habe was zu erledigen.“
„Der Schmied? Die Waffenausbildung?“, Ragnar grinste trocken. „Mädchen, es ist wie mit einem Splitter im Finger, der fest sitzt. Ohne viel Zögern rausreißen. Sonst machst du elendig viel Gewese darum und wirst ihn nie los.“ Er klopfte ihr auf die Schulter. „Du meintest, der Schmied war mal Soldat oder Krieger … wenn du also eine gute Begründung für dein Fernbleiben hast, wird er nicht allzu nachtragend sein.“
Dann lachte er. „Und wenn doch: Scheiß drauf.“
Nun führten Meves Füße sie ins Handwerkerviertel der Stadt, in dem die Waffenschmiede Tarons lag, bei dem Syrias aushalf oder arbeitete. Mit jedem Schritt, so schien es Meve, verhärtete sich eine Bleikugel in ihrem Magen, die in Wellen Übelkeit und Hitze verbreitete. Die Hünin wischte sich über die Stirn und bemerkte, dass sie schwitzte.
Götter, dachte sie, du hast in deiner Kindheit Prügel und Strafe ertragen wie ein Soldat, aber jetzt zittern dir die Knie. Und warum? Nicht weil du Angst vor irgendeiner Züchtigung hast, nein, sondern weil du dich schämst. Weil du nun um Entschuldigung für dein Verhalten bitten musst. Aber hier fängt es an, ab jetzt heißt’s: Versuche ein besserer Mensch zu werden. Keiner sagt, dass es angenehm werden wird.
Sie kam zu der Schmiede, ging jedoch nicht durch den Haupteingang des Gebäudes, sondern zu dem Seitentor des Hofes, in dem die Arbeit getan wurde. Sie hörte Stimmen. Eine schien ihr bekannt zu sein, die andere erst recht. Langsam, vorsichtig, bemüht die zitternden Hände ruhig zu halten, öffnete sie das Seitentor. Natürlich knarzte und ächzte es, als hätte Beliar selbst seine Hände dabei im Spiel. Die Stimmen verstummten.
Zwei Augenpaare blickten sie an. Ein hartes aus einem blassen Gesicht mit blondem Bart und Haar, etwa auf ihrer Augenhöhe. Und ein anderes, näher am Boden, das erst überrascht und dann erfreut blickte. Johanna.
Urplötzlich verdichtete sich die Bleikugel so dermaßen, dass Meve fürchtete, sie würde einfach aus ihr herausbrechen. Schamesröte stieg ihr in die Augen. Und es versetzte ihr einen Stich. Denn Johanna trug ein Übungsschwert.
„Syrias“, brachte Meve heiser hervor, „Ich bin zurück.“ Sie zögerte. „Ich … bitte um Entschuldigung für mein Fernbleiben. Ich hatte Probleme mit … der Obrigkeit hier und durfte zur Strafe einige Zeit in der Baronie bei den Holzfällern Arbeiten, Stunden ableisten … aber … nein, kein Aber. Ich bitte um Entschuldigung. Und ich bitte darum, meine Ausbildung fortsetzen zu können.“
Der Waffenschmied schwieg und sah sie nur an. Meves Blick huschte schnell zu Johanna, und was sie in ihrem Gesicht las, munterte sie ein wenig auf. Das Packpferd schenkte der kleinen Elster ein kurzes, fast schelmisches Lächeln, ehe das Gesicht wieder ernst und reumütig wurde.
Geändert von Meve (03.05.2024 um 19:22 Uhr)
-
Hinterhof der Waffenschmiede
Ein paar Bissen nur hatten sie genommen und dabei ein wenig gesprochen, um Kopf und Muskeln frei und das Loch im Magen gestopft zu bekommen. Der Tag war noch nicht zu Ende, und sie hatten noch ein wenig Zeit übrig, in der sie weiter üben wollten. So hatten sie sich wieder in den Hinterhof der Schmiede begeben und nach ihren Holzschwertern gegriffen. Da geschah etwas, das Johanna für einen kurzen Moment vollkommen aus der Bahn warf. Ein Geist aus der jüngsten Vergangenheit, eine verloren geglaubte, gerade erst zuvor gewonnene Freundin, erschien wie aus dem Nichts, nachdem sie wochenlang wie vom Erdboden verschluckt gewesen war.
„Meve!“
Johanna ließ ihr Holzschwert fallen und fiel der blonden Riesin in die Arme.
„Verdammt nochmal, wo warst du denn?“, fragte sie und schalt sich eine Närrin – schließlich hatte Meve gerade erst erklärt, was mit ihr geschehen war. Sie umschlang den gewaltigen Körper ihrer um so vieles größeren Freundin und drückte sie fest an sich.
„Ich hab mir verdammte Sorgen gemacht, als du plötzlich weg warst, Große. Hörst du?“
Als sie sich wieder der Tatsache bewusst wurde, dass der körperliche Ausdruck von Zuneigung Meve angesichts ihrer Vorgeschichte unangenehm sein musste, ließ sie von ihr ab und wandte sich zu Syrias um.
„Natürlich wird er dich wieder als Schülerin aufnehmen, nicht wahr? Denn er ist ein schlauer Mann, der eine Chance erkennt, in der Ausbildung weniger selbst kämpfen zu müssen und dafür ein tragkräftiges Packpferd dazu zu gewinnen, das ihm binnen eines Tages sämtliche schweren Arbeiten abgenommen haben wird.“
Sie kicherte. „Und außerdem entgeht er so der Blöße, demnächst ständig von einer halb so großen Person besiegt zu werden, weil er zu gut erklärt hat, wie man ihn bekämpfen kann!“
Johanna nahm Meves Hand in die ihren. „Ich freu mich so, dass du wieder da bist!“
Ihr Blick ging zu Syrias. „Also?“
-
Noch während Johanna und Syrias sich unterhalten hatten, war eine große Gestalt in den Hinterhof der Schmiede getreten. Zuerst hatte Syrias gedacht, dass es sich dabei um einen weiteren Kunden hätte handeln können, doch welcher Kunde würde die Seitentür benutzen? Nein, als das Licht die Züge der Person erhellte, hatte der Waffenschmied erkannt, um wen es sich da gehandelt hatte.
"Na schau an, was die Katze angeschleppt hat..." grummelte er mit seiner tiefen Stimme überrascht. "Meve. Mit dir hab ich jetzt nicht gerechnet..." Syrias verschränkte die Arme vor seiner stämmigen Brust. Das war schon ein starkes Stück von ihr, dass sie plötzlich wieder auf der Matte stand. Wenn jetzt noch dieser dunkelhaarige Hansel namens Nigel hinter ihr eintreten würde, dann, so schwor sich der ehemalige Söldnerführer, nie wieder irgendein Rauschmittel zu nehmen. Doch Nigel tauchte nicht auf. Was vermutlich auch besser so war, denn Syrias wusste nicht, wie gut er diesen Schwur hätte einhalten können.
"Traust dich ja was." Knurrte er. Er war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Sie war von einem Tag auf den anderen einfach nicht mehr aufgetaucht, so als wäre sie wie vom Erdboden verschluckt worden. Selbst Johanna, die mit Meve wohl bekannt war, hatte nach der großen Frau gefragt, als sie hier das erste Mal gewesen war. Und jetzt, wie von Beliar selbst wieder ausgespuckt, stand sie im Hinterhof und wirkte ziemlich niedergeschlagen und zerknirscht.
Schweigend hörte sich der Waffenschmied ihre Erklärung an. Während Johanna ihr freudestrahlend um den Hals fiel und die junge Frau freudig wieder begrüßte, war Syrias innerlich hin- und hergerissen. Es war klar, was die blonde Frau von ihm wollte. Immer noch. Und ihre Geschichte klang plausibel. Und, wenn er ehrlich war, dann hatte er keinen wirklichen Schaden davon gehabt, dass sie nicht aufgetaucht war, als es darum ging, den Waffengang zu erlernen. Gleichzeitig jedoch fühlte er sich beleidigt. Schließlich hatten sie eine Abmachung getroffen. Und auch wenn Syrias gerne um solche Dinge drückte, wenn er eine einging, dann hielt man sich auch daran.
"Warum bin ich nich überrascht? Höher gestellte sind wohl generell nich so deins, was? Wen hast du denn diesmal versucht zu verprügeln?" Seufzend schüttelte er den Kopf.
Johanna sprang ihrer Freundin jedoch gleich bei und hielt eine energische Rede darüber, dass er Meve NATÜRLICH sofort wieder aufnehmen würde. Götter, Freundschaften waren so eine Sache, befand Syrias. Etwas, dass er schon lange nicht mehr gehabt hatte. Die meisten Menschen in seinem Leben waren entweder Herren, Untergebene oder höchstens Kampfgefährten gewesen. Aber wirkliche Freunde... Nein.
In seinen jüngeren Jahren hatte er dies nicht als wichtig erkannt. In seiner Zeit als Orksöldner war es ihm stets wichtiger gewesen, seine Macht und seinen Wohlstand zu vergrößern. Und da standen Freunde oftmals nur im Weg. Dies rächte sich nun, wie er festellen musste.
Bei Johannas Kampfrede für Meves Wiederaufnahme musste der Waffenschmied die Augen verdrehen. Wenn die beiden wirklich so gut miteinander befreundet waren, konnte das noch zu Schwierigkeiten führen. Aber das würde sich zeigen. Und Syrias würde den Teufel tun und Meve schonen. Er hatte schon damals gesehen, die Frau war es gewöhnt einzustecken. Hartes Holz wurde mit der Zeit entweder nur härter oder zerbrach irgendwann. Und wer konnte schon sagen, wie sich die Freundschaft der beiden auf das Training auswirken würde.
"Unter einer Bedingung." Syrias, der die Arme immer noch vor der Brust verschränkt hatte, hob einen Finger. "Du wirst ihre," er zeigte auf Johanna, "Arbeit übernehmen und gleichzeitig hier mit aushelfen. Und da du ja jetzt so gut mit Holz arbeiten kannst..." Syrias hob die Schultern und wies auf den einsamen Handkarren in der Ecke. "Wir bekommen alle zwei Tage neue Kohle, alle drei Holz. Die holst du ab sofort."
Das würde auch Meister Taron gefallen. Die Holzfäller und Köhler ließen sich das Anliefern immer recht gut bezahlen. Und das daraus gesparte Gold käme dem Meisterschmied gut zu pass. "Laufen wir leer, bezahlst du den Schaden. Ist mir scheiß egal, wie du das machen wirst, Hauptsache du machst es." Syrias Miene war verschlossen und strahlte Härte aus, als er sich zu Johanna umwandte. "Und du," er streckte den Arm aus und zeigte auf die Dunkelhaarige, "hilfst ihr nicht! Du wirst in Zukunft die Waffenbündel an die Stadtwache und die Akademie wegbringen und wer sonst noch was braucht."
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
|