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    Grünauge  Avatar von Sinistro
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    Der Zirkel um Xardas im Forenrollenspiel
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    So langsam breitete sich ein Geruch um den Grünäugigen und die jungen Damen aus, der, wäre er nicht durch diese zerfledderte Maus zu erklären, auf einen rapiden und unerklärlich verwesenden Verfall des Fladenbrots hätte schließen lassen. Überhaupt hatte Tharas beschworene Kreatur, anders als die schon wirklich als technisch herausragend zu bezeichnende Knochenschlange, den ein oder anderen Makel. Denn neben der Tatsache, dass das Wesen scheinbar den Geruch der Verwesung mit sich trug, sah man auch deutlich, dass in ihm noch Würmer und Maden ihr Werk trieben, den Kadaver von Innen und von Außen zu zerstören. Das kleine, verwesende Wesen, konnte kaum als richtiger Untoter bezeichnet werden. Eher als „in Zersetzung Befindliches“. Oder als „kürzlich Verstorbenes“. Und dass die Wesen, die er bisher beschworen hatte, den fauligen Geruch alles Vergehenden verströmten, wäre dem Magielehrmeister bisher nicht aufgefallen.

    Tharas eloquentes „Oh“ kommentierte Sinistro süffisant:
    „Oh trifft es wohl sehr gut. Wie kommt es, dass du… das dein Wesen so einen Gestank verbreitet? Es riecht, als käme es direkt aus seinem Grab… Wir sollten jetzt wirklich“, der Lehrmeister hielt sich eine Hand vor Mund und Nase, „gehen. Wir sollten jetzt schnell gehen!“

    Der Magier erhob sich und drehte sich schnell gen Eingang des Refektoriums, nur um einen Schritt schneller zu werden und kaum mehr auf seine Schülerinnen zu achten. Sicher hätte er Arzu für die Ausführung ihrer Skelettschlange loben müssen, hätte Thara erklären müssen, dass der Geruch des Übels gerne an dem Ort bleiben könnte, wo er herkam und dass ein ekelerregender Gestank zwar Feinde vertreiben könne, aber dem Geist eines Zombies als starker Helfer entgegenstünde. Wer möchte schon einen Zombie, der das Labor fegt, wenn im Anschluss Extremitäten verloren und einzeln in dem Labor, das das Wesen zuvor gesäubert hatte, herumliegen und gleichzeitig beim Reinigen einen derart abartigen Gestank verströmte, dass das Labor nach der Reinigung zehn Tage trotz Lüftens nicht mehr zu betreten wäre…

    Außerhalb des Refektoriums im Gang beugte sich der Mann mit den grünen Augen n ach vorne über und atmete mehrmals tief ein und aus, während er den Reflex, sich Erbrechen zu wollen, mehr und mehr durch seine Gedanken zurückdrängte. Eigentlich konnte er nur hoffen, dass Thara und Arzu seinen derzeitigen Zustand nicht so wirklich mitbekämen…

    Und um seine Übelkeit weiterhin ein wenig zu kaschieren, schritt der Hohepriester langsam den Flur entlang, den Weg einschlagend, von dem er ausging, dass er in Richtung der Bibliothek führen sollte. Er hoffte, dass die beiden Frauen ihm folgen.

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    Local Hero Avatar von Arzu
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    Der Zirkel um Xardas im Forenrollenspiel
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    In dem Moment, in dem der Gestank die schlanke Nase der Varanterin traf, brach das Schlangenskelett augenblicklich zusammen und verschwand in einem blauen Licht. Arzus Würgereflex setzte genauso unmittelbar ein. Sie spürte, wie das leckere Fladenbrot sich auf den Weg nach oben bahnte. Überstürzt nahm die Beschwörerin Reißaus und rannte dem untoten Lehrmeister hinterher. Im Gegensatz zu Sinistro gelang es ihr jedoch nicht, das Würgen zurückzuhalten. Schon zum zweiten Mal erbrach sich Arzu quer über den Korridor des Kastells. Sie stützte sich entkräftet gegen die Wand, hoffend, dass Tharas Maus von ihr fern blieb.
    Natürlich rannte das dürre Mädchen ihnen hinterher und ihr wiederum die Zombiemaus. Arzu riss sich zusammen, beschwor eine Schattenflamme und schleuderte sie dem untoten Nager entgegen. Ein Volltreffer! Das ekelhafte Ding desintegrierte in den schwarzen Flammen zur Gänze. Nur ein wenig den betäubenden Geruchs blieb noch zurück.
    »Das musste sein!«, sagte Arzu zu ihrer Zirkelschwester und stemmte die Hände in die Hüfte. »Beschwöre so was nur weit von mir!«
    Arzu stieg über die Pfütze des Erbrochenen hinweg. Der Anblick machte ihr schon ein mulmiges Gefühl im Magen. In einem großen Bogen ging sie dann um die Tür des Refektoriums und hinter Sinistro hinterher, der sich klammheimlich abgesetzt hatte. Thara schloss schnell zur Varanterin auf, hielt allerdings ein bisschen Abstand zu ihr. Die Schwarzmagierin wusste ganz genau, dass das dürre Mädchen hinter dem Vorhang aus Haaren Entschuldigungen vor sich her murmelte.
    »Zumindest hast du an das Fladenbrot gedacht.«, sagte Arzu, um ein wenig die Stärke aus ihrem Tadel zu nehmen.
    »HEY!«, rief sie dann Sinistro laut hinterher. »Stehen bleiben!« War er da gerade zombiehaft herum geschlurft? Es sah fast danach aus.
    Als sie zu ihm aufgeschlossen hatten, beschwor Arzu ein weiteres Tierskelett. Dieses Mal das eines Sperlings. Sie hatte sich an den riesigen Vogel erinnert, den der noch lebendige Sinistro für ihre Flucht erschaffen hatte. Die Neugierde, ob ihr Vogel ebenfalls fliegen konnte, obwohl es sich nur um ein Skelett handelte, war groß. Zuerst hüpfte das Tier auf dem Boden hin und her. Als es nicht länger mit den Magiern mithalten konnte, breitete es die skelettierten Flügel aus und hob tatsächlich vom Boden ab. Pure Magie! Der kleine Vogel landete auf Arzus Hand. Fast war der Beschwörerin so, als ob sie ein Flimmern sah, wo einst Federn gesessen haben mussten.
    »Ich will stark hoffen, dass nicht alle Zombies so stinken!«, merkte Arzu an und ließ den Sperling fliegen. Dabei gab sie ihm nicht vor, wohin. Ein Test, ob sie ihn auch dann noch kontrollieren konnte.
    »Auf jeden Fall will ich größere Wesen beschwören können! Faustgroß, das ist ja lächerlich! So ein Zombie wäre mir auch ganz recht. Das muss doch nicht auch eine Maus sein, oder? Ein Zombietroll oder zumindest ein Zombiewüstenläufer will ich haben.«

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    Grünauge  Avatar von Sinistro
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    „Da hast du aber noch einen langen Weg vor dir, mein Kind“, erwiderte der Lehrmeister auf Arzus Aussagen zur gewünschten Größe zu beschwörender untoter Wesen.
    Und dann begann es. Das Wissen sprudelte nur so aus dem Magier heraus, er erklärte Arzu, welche Gefahren darin bestehen, zu schnell zu viel zu wollen, er führte aus, wie sie die Magie nutzen müsse, um eine Verbindung zu den Wesen aufrecht zu erhalten und begann ausführlich, über das allumspannende Netz der Magie zu referieren, dass sich die Magier zu Nutze machten, um ihre Sprüche zu wirken. Und dann begann er auszuführen, dass am Ende allen Lernens die Möglichkeit bestünde, sie frei zu formen. Natürlich beeinflusst durch den Gott, dem man sich verschrieben hatte.
    „So lächerlich es auch sein möge, aber einen Feuerball kann eben doch nur ein Anhänger Innos‘ magisch erscheinen lassen und nutzen“, endete der Monolog des Hohepriesters. Dass er sich bisher noch nicht daran versucht hatte, die Magie der anderen Magieschulen zu ergründen, ließ Sinistro einfach aus. Aber wahrscheinlich war bisher auch noch niemand anderes auf diese Idee gekommen. Sollten er und seine Schülerinnen das Mondkastell jemals wieder verlassen, so müsste er intensiv darüber nachdenken, die Magie der anderen Götter auch noch zu erforschen.
    Andererseits: Was könne diese ihm schon bieten?

    „Seid euch bewusst, meine jungen Freunde, euer Leben wurde mit dem Erlernen der dunklen Magie dem dunklen Gott verpfändet. Er wird euch in dieser Sphäre reich dafür belohnen, dass ihr nach eurem Tod in seinem Reich seine Armeen führen werden. Und er wird euch grausam auch in dieser Sphäre strafen, wenn ihr ihm nicht den nötigen Respekt und die nötigen Opfer darbringt. Er erwartet, dass ihr euren Erfolg mit ihm teilt und ihm zu Ehren der Welt zeigt. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum nur so wenige von uns in dieser Sphäre wandeln und es noch weniger von uns aus dem Kastell zieht“, grübelte er, während sich die beiden jungen Frauen und er der Bibliothek näherten.

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    Kämpfer Avatar von Thara
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    Thara versuchte gar nicht erst, Sinistros Worten zu folgen. Selbst wenn, hätte sie wahrscheinlich kaum die Hälfte dessen verstanden, was der Hohepriester erzählte. Sie war sich zwar sicher, dass er mit allem, was er sagte, vollkommen recht hatte, aber sie war eben nicht Arzu. Die gebildete Varanterin hatte bestimmt keine Probleme mit all den seltsamen Wörtern und verschachtelten Phrasen, aus denen Sinistro seine Vorträge zu stricken pflegte. Und sicherlich würde sie bald in der Lage sein, nicht nur ein fliegendes Skelett zu beschwören, sondern auch einen Troll und einen Wüstenläufer … auch wenn Thara sich weder unter dem einen, noch dem anderen etwas vorstellen konnte.

    Sie selbst war inzwischen damit beschäftigt, die Folgen ihres eigenen Fehlschlags bei der Beschwörung zu verarbeiten. Wieso war sie nur so übermütig geworden und hatte versucht, auf eigene Faust den Zauber zu wirken? Kein Wunder, dass dabei nur wieder eine Katastrophe herausgekommen war! Auch wenn die heftigen Reaktionen ihrer Gefährten auf den Gestank der Maus sie doch ein wenig überrascht hatten – sicher, das Tierchen hatte nicht gerade angenehm gerochen, aber auch nicht schlimmer als das Armenviertel von Thorniara nach einem Regentag …
    Nun ja, Arzu und Sinistro waren sicherlich nicht in einem Armenviertel aufgewachsen. Umso beschämender war die ganze Situation für Thara, und sie hielt weiterhin Abstand zu den beiden, ließ den Kopf hängen und versteckte sich hinter ihren Haaren. Unschlüssig drehte sie dabei das Fladenbrot in den Händen, das sie noch wie im Reflex vom Tisch geschnappt hatte – wohl auch eine Angewohnheit aus ihrer Vergangenheit –, bevor sie der flüchtenden Arzu hinterhergelaufen war (und die Maus wiederum ihr, obwohl Thara in dem Augenblick überhaupt nicht mehr an das untote Ding gedacht, geschweige denn sich darauf konzentriert hatte). Was sie jetzt mit dem Gebäck anstellen sollte, wusste sie allerdings nicht so recht. Aber wenigstens hatten ihre Hände damit etwas zu tun.

    Schließlich erreichten die drei Schwarzmagier die Bibliothek. Die großen Flügeltüren sahen ein wenig älter und heruntergekommener aus als diejenigen des ‚echten‘ Kastells, und die von einer Patina überzogenen Angeln quietschten vernehmlich, als Sinistro nicht ganz ohne Anstrengung die Tür aufzog. Der Hohepriester trat ein – und blieb wie angewurzelt stehen.
    „Hm“, kommentierte er, „Das ist ja … interessant!“
    Als nach Sinistro und Arzu zuletzt auch Thara die Bibliothek betrat, wunderte sie sich im ersten Moment darüber, was die beiden anderen so in Erstaunen versetzte. Der große Saal mit den endlosen Bücherregalen sah aus wie immer, abgesehen von den Spuren von Alterung und Vernachlässigung, die so typisch waren für das Mondkastell. Erst, als sie auf den Gedanken kam, einmal den Kopf zu heben, statt nur auf ihre Füße zu starren, sah sie es:
    Die Decke schaute auf sie herab.

    Statt eines steinernen Gewölbes breitete sich über den Köpfen der Besucher eine halb durchscheinende, gallertartige Masse aus, deren Oberfläche Wellen schlug wie ein Ozean. Es ließ sich nicht erkennen, ob sich unter dem Gallert die eigentliche Decke befand, oder ob es die Decke der Bibliothek war – wie bei tiefem Wasser verlor sich alles wenige Schritte unter der Oberfläche in Dunkelheit.
    An manchen Stellen bildeten sich Wirbel, an deren Grund Thara seltsame Lichter schimmern zu sehen glaubte, oder einzelne Stränge tauchten Tentakeln gleich aus der Masse empor und tasteten scheinbar ziellos durch die Luft, bevor sie wieder zurücksanken, ohne dass jemals auch nur ein Tropfen des Schleims zu Boden fallen würde, während sich knapp unter der Oberfläche immer wieder für kurze Momente seltsame, kaum greifbare Formen abzeichneten.
    Am befremdlichsten aber waren die Augen … Als wären sie die Fische, die diesen inversen Ozean aus zähflüssigem Schleim bewohnten, tauchten ständig und an allen möglichen Stellen Augäpfel aus der Tiefe (oder Höhe?) auf, trieben einige Sekunden lang auf den Wellen daher, zuckend und rollend, bevor sie wieder abtauchten. Manche waren so klein, dass sie kaum zu erkennen waren, andere wiederum mussten einen Durchmesser von mehr als einer Mannshöhe haben. Die Iriden wiesen alle nur erdenklichen Farben auf, oft sogar solche, die Thara nicht zuordnen konnte und die ihr so falsch erschienen, dass sie den Blick abwenden musste, weil sie um ihren Verstand fürchtete.
    Ein leises, konstantes Rauschen und Blubbern erfüllte den ganzen Raum, unterlagert von einer Art … Brummen? Dessen Frequenz war zu tief, um es wirklich zu hören, aber Thara spürte, wie es ihren ganzen Körper im Inneren zum Vibrieren brachte. Es war ein seltsames, aber kein unangenehmes Gefühl. Es kam ihr sogar so vor, als würde auf diese Art eine direkte Verbindung zur Bibliothek selbst entstehen – auch wenn sie sich nicht erklären konnte, welcher Art diese Verbindung eigentlich war (falls sie mit der Vermutung nicht ohnehin völlig daneben lag).
    „Was … ist das?“, murmelte Thara zu sich selbst. Seltsamerweise verspürte sie keine Angst vor diesem Ding an der Decke, nur eine überwältigende Faszination. Sie legte den Kopf so weit in den Nacken, dass es beinahe wehtat, drehte sich hin und her und versuchte, jedes Detail zu erfassen – doch je länger sie es anstarrte, um so weniger Sinn schien es zu ergeben, und um so mehr verlor sie sich zugleich in der Betrachtung …

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    Local Hero Avatar von Arzu
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    Wäre er nicht ihr Lehrmeister und besäße er nicht das Wissen, nach dem es Arzu verlangte, wäre sie mental während Sinistros langatmiger Lektionen längst ausgestiegen. Dass ein Untoter sich selbst so gerne reden hörte! Zu guter Letzt beschimpfte er sie auch noch als Kind! Sie ein Kind? Ganz offensichtlich hatte der Untod dem Hohepriester das Augenlicht geraubt.
    Mehr konnte sich Arzu darüber nicht aufregen oder sich selbst gleich an einem Zombie probieren, denn sie hatten die Bibliothek erreicht. Und was für ein Anblick das war! So etwas hatte die Varanterin noch nicht gesehen. Die Bibliothek im anderen Kastell beeindruckte durch seine schiere Größe. Selbst Zubens Büchersammlung konnte da nicht mithalten und ihm hatten sämtliche Mittel des Assassinenreiches zur freien Verfügung gestanden.
    Was Arzu dort genau vor Augen hatte, konnte sie sich jedoch nicht erklären. Fast war es so, als guckten sie von unten zur Oberfläche eines Ozeans hinauf. Ein Ozean wie ihn Arzu noch niemals zu Gesicht bekommen hatte. Häufig genug war die Varanterin im Meer vor der Küste nahe Ishtar geschwommen und sogar getaucht. Ein wunderbares Erlebnis. Deshalb wusste sie auch, dass ihr Vergleich hinkte. Wenn sie sich unter Wasser befand und hinauf blickte, sah es keineswegs so aus wie das hier. Besonders die vielen Augen, die sich in dieser gallertartigen Masse schwammen, ließen das ganze viel mehr wie einen Fiebertraum erscheinen.
    Mit offenem Mund starrte Arzu zur Decke hinauf. Wie es sich wohl anfühlte? Während sie einem großen Auge mit violetter Iris hinterher sah, wurde sich die Nekromantin eines unterschwelligen Geräusches gewahr. Es schien ebenfalls von dort oben zu stammen. Ein seltsames Gefühl durchfuhr Arzu, als sie sich darauf konzentrierte. Dann bemerkte sie, wie ihre Brustwarzen sich verhärteten. Normalerweise war sie nicht scheu deswegen, doch hatte es in der Regel auch eine völlig andere Ursache. Das hier konnte sie überhaupt nicht einordnen und diese Tatsache verunsicherte die Schwarzmagierin ungemein.
    »Was sehen wir?«, fragte sie mit aufgesetzter Selbstsicherheit an den untoten Hohepriester gewandt. »Ich kann mich nicht erinnern, davon etwas im Buch über das Kastell gelesen zu haben.«

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    Grünauge  Avatar von Sinistro
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    Was sie sähen, wollte Arzu von ihm wissen. Dabei konnte der Magier diese Frage noch gar nicht vollumfänglich beantworten, geschweige denn erfassen, was sie dort sahen. Er hätte lediglich erklären können, was er spürte.
    Und das, was er spürte, ließ seinen linken Mundwinkel in einer Art Lächeln nach oben zucken und ihm einen wohligen Schauer über den Rücken jagen, der mit einem Gefühl der Gänsehaut am ganzen Körper verbunden war. Und mit einem Gefühl der Allmacht.
    Allmacht…
    Sinistro sammelte sich kurz ob dieses Versprechens. Und er blickte seine beiden Schülerinnen an. Thara, die wie hypnotisiert an die Decke blickte und zu tanzen schien, sowie Arzu, die sich ihrer Sache so sicher war wie der Tod das Leben in dieser Sphäre beendete. Der Magier bemerkte auch die körperliche Reaktion der Varanterin, die urplötzlich mehr zu sein schien als seine Schülerin, deren Auftreten ein vollkommen anderes Licht auf sie warf. Er wollte sie. War das sein tiefster innerer Wunsch oder war es das Ding an der Decke, das ihn beeinflusste?
    Dann zog der Lehrmeister seine linke Augenbraue nach oben und antwortete dem Objekt seiner plötzlichen Gier:
    „Davon, meine liebe Arzu, wirst die nie lesen. Das erscheint mir als die Verkörperung der Seele dessen, was wir als Bibliothek kennen…“

    Und dann spürte der Lehrmeister das unterschwellige Brummen des Dings, das er ebenso wie seine beiden Schülerinnen erstaunt betrachtete und das ihn in seinen Bann zog. Das Wispern und Rauschen formten sich in seinem Kopf um zu Worten, deren Bedeutung er nicht verstand. Das Brummen wiederum – es ließ ihn das Gefühl vollkommener Geborgenheit spüren, es ließ ihn wissen, dass er nur einen kleinen Schritt gehen musste, um all das zu erreichen, was er schon immer wollte.
    Noch nie in seinem Leben war der Grünäugige so nah an dem, was er sich immer erwünscht hatte.
    Geborgenheit, Familie, ein Zuhause…
    Und das Wissen darum, wie man der Welt und den Menschen um sich herum seinen Willen aufzwängt. Die Ambivalenz seiner eigenen Wünsche…

    Und dann brach es aus der Masse heraus: ein Dröhnen, das sich zu Worten formte, die Sinn ergaben. Ein Dröhnen, so tief, wie man es sich nur vorstellen konnte. Ein Dröhnen, das alle drei Anwesenden erstarren ließ.

    „Was führt euch zu mir, Fremde? Ich habe euch hier noch nie begrüßen können…“

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    Kämpfer Avatar von Thara
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    Je angestrengter Thara versuchte, jedes Detail der sich ständig verändernden Decke zu erfassen, um so verschwommener und umso weniger greifbar wurde das, was sie zu Gesicht bekam. Die seltsame, gallertartige Masse mit den Augen nahm Formen und Farben an, die völlig unmöglich waren. Und doch waren sie da, und die Realität schien zusehends an Bedeutung zu verlieren – wenn es so etwas wie Realität überhaupt gab…
    Aber es war mehr und mehr nicht das, was Thara sah, was sie in Bann zog, sondern was sie fühlte. Dieses unterschwellige Dröhnen schien den seltsamen, aber ganz und gar nicht unwillkommenen Effekt zu haben, all die chaotischen Gedanken und Gefühle, die Fragen, Zweifel und Ängste, die sonst ihren Kopf mit Lärm füllten, zu unterdrücken und ihr einen klaren Blick zu geben auf die Dinge, die sie wirklich wollte.
    Und was sie wollte, das war nicht viel. Sie konnte es deutlich vor ihrem geistigen Auge sehen, mit einer ungewohnten, erfrischenden Klarheit. Da war nichts anderes als ein einfacher Raum im Kastell, den sie ihr Zuhause nennen konnte, und … und Arzu, die für sie da war, bei der sie den Schutz, die Geborgenheit und die, nun, die Liebe finden konnte, die sie ihr Leben lang vermisst hatte.
    Das war alles … Mehr wollte sie gar nicht. Keinen Luxus, keine Reichtümer, keine Macht, nicht einmal die Magie zu beherrschen war ihr wirklich wichtig. Nur ein Zuhause, Sicherheit und jemand, der sie liebte. War das denn zu viel verlangt?

    Thara riss ihren Blick von der blubbernden, wabernden, Augen gebärenden Masse über sich los (oder folgte sie nur einem Befehl, der ihr von diesem Ding an der Decke eingegeben worden war?).
    „… erscheint mir als die Verkörperung der Seele dessen, was wir als Bibliothek kennen…“, erklärte Sinistro gerade an Arzu gewandt und musterte die Varanterin dabei auf eine Art, die Thara ganz und gar nicht gefiel. Sie merkte kaum, wie sie plötzlich das Brot in ihren Händen zerbröselte, als es ihr den Magen zusammenzog. Wollte er etwa … wollte Sinistro ihren kleinen Traum zerstören, indem er sich zwischen sie und Arzu drängte? Wollte er ihr den einzigen Menschen wegnehmen, dem sie etwas bedeutete? So sehr sie Sinistro auch respektierte und auch, nunja, vielleicht sogar fürchtete, das konnte sie nicht zulassen!
    Thara machte einen Schritt nach vorn, als wollte sie sich zwischen Arzu und den Hohepriester schieben, auch wenn sie keine Idee hatte, was sie dann eigentlich tun wollte. Sie wusste nur, sie konnte nicht zulassen, dass er ihr Arzu wegnahm … er, oder sonst irgendjemand auf dieser Welt!
    Bevor sich Thara jedoch entscheiden konnte, was sie dagegen unternehmen sollte, dröhnte plötzlich eine Stimme durch den Saal, eine unglaublich tiefe Stimme, erfüllt mit unvorstellbarer Macht. Ein Hauch von Ironie schien mitzuschwingen in der Frage, die sie stellte:
    „Was führt euch zu mir, Fremde? Ich habe euch hier noch nie begrüßen können…“
    Überraschenderweise war Thara die erste, die ihre Fassung wiedererlangte. Vielleicht, weil ihre aufgewühlten Gefühle die Ehrfurcht überlagerten, die ihre Mitreisenden erstarren ließ. Vielleicht auch, weil sie aktuell nur einen einzigen Wunsch hatte, der ihr klar vor Augen stand. Sie griff Arzus Arm mit beiden Händen und klammerte sich an ihr fest wie eine Ertrinkende an einem rettenden Seil, bevor sie der Bibliothek eine einfache Antwort gab:
    „Wir … w-wir wollen einfach nur … nach Hause!“

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    Local Hero Avatar von Arzu
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    Arzu ist offline
    Es fühlte sich an, als läge Macht zum Greifen nahe vor der Schwarzmagierin. Sie müsste nur ihre Hand danach ausstreckend und für sich beanspruchen. Was für Macht? Jede nur erdenkliche Form. Körperlich, geistig, magisch, politisch, selbst über Leben und Tod. Wie das überhaupt einen Sinn ergab, kümmerte Arzu nicht. Dafür war es viel zu verführerisch.
    Erst als Thara sich zwischen sie und den untoten Hohepriester schob und überraschenderweise das Wort an diese Entität richtete, wurde die Varanterin aus ihren Gedanken gerissen.
    »Moment, Moment, Moment!«, warf Arzu hastig ein. »Irgendwann wollen wir zurück, aber nicht jetzt!«
    Die Nekromantin warf ihrer Zirkelschwester nicht vor, zurück zu wollen. Immerhin hielten sie sich bereits seit Wochen oder vielleicht sogar Monaten im Mondkastell auf. Vermutlich hatte Thara einfach nicht begriffen, welche außergewöhnliche Gelegenheit sich ihnen hier bot. Wenn man mit einem Gott sprach, bat man nicht um so was profanes! Das ließ Arzu grübeln.
    Was genau hatte sie angesprochen? Ein Dämon sicherlich nicht. Die Entität vermittelte ein Gefühl der Unendlichkeit, als hätte es keinen Anfang und kein Ende. Was die Gesamtheit der Decke der Bibliothek einnahm und für die drei Schwarzmagier gigantisch erschien, war gewiss nur ein bedeutungslos kleiner Teil des Ganzen. Doch konnte man überhaupt von einem Ganzen sprechen, wenn etwas keine Grenzen besaß?
    Ihre eigenen Überlegungen verwirrten Arzu zutiefst. Sie hielt sich selbst für ziemlich clever, doch hatte sie sich über solche Dinge bisher keine Gedanken gemacht. Es waren doch ihre Gedanken, oder?
    »Wir wollen den Schlüssel für zwei Truhen!«, sagte Arzu schließlich, »Dafür müssen wir zuerst Meraton besiegen. Deshalb sind wir hier. Um zu lernen, um bessere Magier zu werden.«
    Arzu ertappte sich dabei, wie sie den gesamten Plan offen vortrug. Sie hätte die Truhen nicht erwähnen müssen. Oder dass sie mit Meraton im Streit lagen. Zurückhaltung wäre gefragt gewesen. Doch das Verlangen, diese Dinge preiszugeben, überwog letztlich. Die Schwarzmagierin runzelte die Stirn und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie war nicht Herr ihrer selbst wie es schien. Ein Gedanke, der ihr sehr widerstrebte.

  9. Beiträge anzeigen #129 Zitieren
    Kämpfer Avatar von Thara
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    Das Ding an der Decke antwortete nicht sofort. Zumindest nicht mit Worten – stattdessen fühlte es sich für Thara so an, als würde es … lachen? War das möglich? Oder versuchte sie nur, eine Empfindung, die zu fremdartig war, um sie zu beschreiben, in Worte zu verpacken, die sie kannte und einordnen konnte?
    „Meraton ist der Schlüssel. Er hat den Weg versperrt und hält euch hier gefangen“, erklärte das Wesen schließlich, „Aber ihr seid nicht bereit, ihm entgegenzutreten. Der, der sich Meraton nennt, ist viel mehr, als ihr glaubt. Und ihr habt die einzige Waffe verloren, mit der ihr ihm hättet gefährlich werden können.“
    In der tiefen Stimme schwangen Enttäuschung und Tadel mit, und Thara fühlte sich, als würde sie in ein schwarzes Loch der Verzweiflung gestoßen. Hatten ihr gerade noch ihre Träume vor Augen gestanden und war es ihr vorgekommen, als wäre die Erfüllung dieser Träume zum Greifen nah, schienen sie ihr jetzt urplötzlich zu entgleiten und in endlose Ferne zu rücken. Zurück blieb nichts als die Gewissheit, dass sie in ihrem Leben niemals Glück finden würde, egal wie bescheiden ihre Wünsche sein mochten. Aber nicht nur sie selbst würde auf den Scherben ihrer Träume sitzen bleiben – auch Arzu und sogar Sinistro ging es ganz genauso. Sie alle drei waren plötzlich erfüllt von der Gewissheit, auf ganzer Linie versagt zu haben…
    „Aber es ist noch nicht zu spät“, fuhr das Wesen an der Decke fort, und die niederschmetternde Verzweiflung wurde von einem Hoffnungsschimmer durchdrungen, „Ihr müsst die Waffen wiederbeschaffen. Der Goblin, der sich Fladnag nennt, bewacht sie – Vabun weiß, wo er sie aufbewahrt. Aber selbst, wenn ihr sie habt, wird euch das noch nichts nützen. Ihr seid noch zu schwach, um ihnen ihre eigentliche Macht wiederzugeben, so dass ihr sie gegen Meraton einsetzen könnt. Zum Glück seid ihr am richtigen Ort, um zu lernen …“

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    Fasziniert betrachtete der Grünäugige das Gebilde an der Decke weiter und ging nicht auf die Fragen und Worte ein, die nun im Raum stand. Er meinte zu erkennen, wie sich einzelne Augen aus der wabernden Oberfläche herab auf die drei Suchenden zu bewegten. Und er meinte zu erkennen, dass sich hinter den Augen Äste oder Tentakel aus der Oberfläche herausbildeten, so dass die Augäpfel nie die Verbindung zur Decke verloren. Aus dem Augenwinkel schien des dem Hohepriester auch, als vergrößere sich die Oberfläche des Wesens, genauso, wie sie sich wieder zusammenzog.

    Die Worte, die seine Schülerinnen von sich gaben, Tharas Wunsch, nach Hause zu kommen, all das erschien ihm nebensächlich.
    Er hätte, wenn er gewollt hätte, dieses Mondkastell sofort verlassen können, das stand für ihn fest. Ebenso, wie feststand, dass er sich Beliar verpflichtet fühlte, seinen Schülerinnen die Macht seiner Magie beizubringen. Und doch war sein Körper angespannt, beinahe erregt, wenn auch nicht im herkömmlich sexuellen Sinne. Die Härchen auf seinem Unterarm hatten sich leicht aufgestellt, ein Kribbeln von Zehenspitze zum Haaransatz und das Gefühl, dass von dem, was in wenigen Augenblicken geschehen möge, sein Leben abhing, durchfluteten den Körper des Schwarzmagiers.

    [B}„… am richtigen Ort, um zu lernen…!“[/B} realisierte er das Brummen dessen, was er als Seele der Bibliothek interpretiert hatte und nickte. Lernen…
    Auch er hatte das dringende Bedürfnis, zu lernen. Doch als er nun seinen Wunsch nach Wissen, seinen Wunsch nach mehr formulieren wollte, kamen ihm die Worte nicht über die Lippen. Etwas schnürte ihm die Luft ab, verhinderte, dass er seine Gedanken in Worte fassen und aussprechen konnte. Etwas verhinderte, dass er klar formulierte, was er wollte.

    Der Grünäugige trat ein, zwei Schritte vor Arzu und Thara und neigte seinen Kopf in den Nacken, um mit der Entität der Bibliothek zu kommunizieren:
    „Die Beiden müssen lernen, das stimmt. Und darum sind sie hier. Um die Theorien zu sammeln, die sie als Basis ihres eigenen Weges kennen müssen… Die Theorien, die in den Büchern der Bibliothek gesammelt sind. Die euch den Weg erklären…“
    Sinistro flüsterte die Worte mehr zu den beiden Frauen, als dass er zu dem Ding sprach, seinen inneren Drang nach dem Wissen aller Magieschulen konnte er nicht einmal als Gedanken formulieren, als läge ein Schleier zwischen dem, was er dachte und dem, was er gerade tat. War er überhaupt der Herr seines Tuns? Oder war es irgendeine Macht, die von ihm Besitz ergriffen hatte, die hier sprach, genauer gesagt flüsterte?

    Er musste Arzu und Thara führen, ihren eigenen Weg zu gehen.
    Das stand fest, so viel war sicher. Und er musste ihnen… was musste er überhaupt, beim Anblick dieses Dings, das er dort an der Decke beobachten konnte.
    Was war überhaupt noch wichtig in diesem Mondkastell?
    Was war das große Ziel, das die drei hier vereinte und festhielt?
    Was war…
    Ein Buch traf den Hohepriester am Hinterkopf und landete direkt vor Tharas Füßen. Ein zweites Buch traf den Magielehrmeister an der Stirn und breitete sich geöffnet vor Arzu auf.
    Nun schien es an den beiden jungen Frauen, den Weg zu gehen, der ihnen offengelegt wurde. Und Sinistro schien den Preis dafür zahlen zu müssen. Vielleicht auch nur, weil ihn die Bücher zuerst trafen, ehe sie an seine Zöglinge übergeben wurden.

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    Local Hero Avatar von Arzu
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    Aug in Aug mit dem Fantastischen fand sich Arzu auf einmal mit einem allzu weltlichen Problem konfrontiert. Ihr Hals wurde steif vom Hinaufstarren. Glücklicherweise hatte die Entität den untoten Priester mit zwei Büchern beworfen, die allem Anschein nach für die Zirkelschwestern gedacht waren. Arzu hob das eine auf und betrachtete den Inhalt. Die Schrift war ausgesprochen klein gehalten und jede Seite bis zum Rand beschrieben. Darüber hinaus war das Papier hauchdünn, so dass die Texte auf der Gegenseite bereits durchschimmerten. Wer auch immer das Buch verfasst hatte, musste viel zu sagen gehabt haben. Sinistro in Buchform. Nur hoffte die Schwarzmagierin, dass das Buch schneller zum Punkt kam, als der Zombie. Zu ihrer Überraschung war das Geschriebene in ihrer Muttersprache verfasst worden, was das Lesen zum Kinderspiel machte.
    Arzu schlug eine beliebige Seite des Buchs auf und landete bei einer Abhandlung über Golems. Diese Kreaturen hatten sie schon immer fasziniert. Wenn die Nekromantin mit den Zombies und Skeletten durch wäre, würde sie sich diesen lebendigen Steinen als nächstes widmen. Sie blätterte weiter zurück bis sie das Kapitel über Mumien und Zombies gefunden hatte. Die erste Seite hatte Arzu in Windeseile gelesen. So schnell, dass es sie selbst überraschte und ein wenig argwöhnisch stimmte.
    Die Schwarzmagierin blickte noch mal zur Decke hinauf. Mehrere verschieden große Augen blickten ihr entgegen. Zu keinem Zeitpunkt hatte die Entität sie unbeobachtet gelassen. Es fühlte sich für Arzu keineswegs bedrohlich an. Statt dessen war es vielmehr ein Gefühl der Geborgenheit, ein Gefühl, dass sie diesen Ort gar nicht mehr verlassen musste.
    »Was bist du?«, entfuhr es der Nekromantin plötzlich. Für einige Augenblicke hörten sie nur das beständige Rauschen der gallertartigen Masse, dann kam die Antwort. In Gedanken, in den Ohren, selbst in den Knochen.
    »Die Antwort darauf übersteigt euer Verständnis.«
    »Versuch es trotzdem!«, sagte die Schwarzmagierin herausfordernd. Weitere Augen öffneten sich und starrten zu Arzu herab. Dann folgte etwas, das einem Lachen wohl am nächsten kam.
    »Dann pass nun gut auf!«
    Plötzlich flutete ein Mahlstrom das Hirn der Schwarzmagierin, bestehend aus Worten und Bildern, Ideen und Gefühlen, Musik und Mathematik, und vieles mehr, welches sich nicht durch menschliche Konzepte erfassen ließ. Arzu strauchelte und hielt sich an Thara fest, um nicht zu stürzen. Der Ansturm versiegte plötzlich und die Nekromantin fühlte sich, als sei eine enorme Last von ihr genommen worden, die sie sonst zermalmt hätte. Nur eines hatte sie verstanden: dass ihr nicht einmal ein Bruchteil der Antwort offenbart worden war.
    »Ich verstehe nicht!«, beschwerte sich Arzu und stemmte die Hände in die Seiten. Es kam keine Antwort, nur weiteres Rauschen aus der endlosen Masse.
    »Erkläre es mir einfacher!«, forderte Arzu.
    »Und Beliar sprach zu einem weiteren Wesen. Aber Adanos ließ die Flut kommen, und das Wesen wurde fortgespült von der Erde.«, sprach die Entität.
    Arzu kannte diese Passage aus der Götterlehre. Als Kind hatte sie sich immer gefragt, was diese Kreatur wohl gewesen war. Vieles war ihr dabei in den Sinn gekommen. Gigantische Drachen, furchteinflößende Dämonen und eine Vielzahl ganz anderer schrecklicher Monster.
    »Du bist dieses Wesen?«, fragte die Nekromantin. Eine Antwort im konventionellen Sinne erhielt sie nicht. Statt dessen machte sich ein Gefühl in ihr breit, dass ihr Streben nach Verständnis zwar löblich, aber zwecklos war.

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    „D-das … andere Wesen?“, flüsterte Thara fasziniert und verrenkte sich schon wieder beinahe den Hals bei dem Versuch, möglichst viele Facetten der Kreatur an der Decke auszumachen.
    Den Vers, den es rezitiert hatte, kannte sie auch. Während ihrer Zeit im Waisenhaus hatte sie das fromme Geseiere der Ammen oft genug über sich ergehen lassen und wortgetreu wiederholen müssen, so dass sie die Zeilen noch immer im Schlaf aufsagen – naja, aufstottern – konnte. Sie hatte sich schon damals gefragt, was dieses Wesen, das da so beiläufig erwähnt wurde, wohl sein mochte, aber nie gewagt, eine der Ammen danach zu fragen. Dass es sich allerdings um … so etwas handelte, hätte sie sich nicht träumen lassen. Gut, viel schlauer war sie jetzt im Grunde auch nicht, denn was dieses ‚so etwas‘ genau sein mochte, war ihr noch immer schleierhaft. Das Wesen schien aber auch nicht vorzuhaben, genauere Auskunft zu geben, jedenfalls ignorierte es Arzus diesbezügliche Fragen.
    Stattdessen wurde Tharas Blick wie von selbst auf das Buch gelenkt, das sie in den Händen hielt. In den Händen? Sie glotzte dümmlich auf den in rissiges Leder gebundenen Folianten. Es war eines der beiden Bücher, die das Wesen in einem seltsamen Anfall kosmischen Humors Sinistro an den Kopf geworfen hatte. Aber wann hatte sie es aufgehoben? Sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern ...
    Aber war das überhaupt wichtig? Sie hatte das Buch nun eben, und es gab sicher einen sehr guten Grund dafür. Es fühlte sich richtig an!

    Thara trug das Buch zu einem der Lesepulte und wischte kurz mit dem viel zu langen Ärmel ihrer Vorhangstoff-Robe den Staub von der Oberfläche, bevor sie den Folianten darauf platzierte. Sie war sich nicht sicher, was sie erwartete – aber als sie das Buch aufschlug, sackten ihre Schultern vor Enttäuschung nach unten: Es beinhaltete … nun … Schrift.
    Zeile um Zeile reihten sich schmale, schnörkelige Buchstaben aneinander. Buchstaben, die sie noch immer nicht lesen konnte …
    Was hast du denn erwartet, du dummes Mädchen?, dachte sie, Ein Bilderbuch? Hier, in der Bibliothek des Kastells? Das ist doch lächerlich …
    Aber was sollte sie jetzt mit dem Buch anfangen? All das Wissen auf den vom Alter gelben Pergamentseiten lag da offen vor ihr, zum Greifen nah, und war ihr doch verschlossen. Es war, als wollte das Buch sie verhöhnen.
    Sie hob den Kopf zur Decke. Augen mit seltsamen, unbeschreiblichen Farben schauten zu ihr herab.
    „Ich … k-kann nicht …“, setzte sie an, hielt aber mitten im Satz inne. Auf einmal überkam sie die Ahnung, nein, die Gewissheit, dass dieses Buch mehr war als nur ein einfaches Buch.
    Thara strich mit den Fingern vorsichtig über das Pergament, folgte den Zeilen verschnörkelter Zeichen, die, wie sie jetzt feststellte, keine Ähnlichkeit aufwiesen mit den Buchstaben, die sie etwa von dem Pamphlet her kannte, das Sinistro ihr (vor einer Ewigkeit, wie ihr schien) zum Lesen lernen angefertigt hatte. Diese Symbole hier waren viel komplizierter, verschlungener, nicht eines schien einem anderen zu gleichen. Und sie … bewegten sich …
    Thara stieß einen leisen Schrei aus vor Überraschung, als die Tinte auf einmal über das Pergament zu verlassen und ihre schmalen Finger hinaufzukriechen begann. Wie fadenartige Schlangen wanden sich die Zeichen über ihren Handrücken, ihr Handgelenk, ihren Unterarm hoch und verschwanden in den Ärmeln ihrer Robe. Fasziniert beobachtete Thara das seltsame Schauspiel. Es bereitete ihr keine Angst, im Gegenteil – sie war nach wie vor erfüllt von der Gewissheit, dass es genau so sein sollte, so sein musste! Eine leichte Wärme breitete sich dort aus, wo die Schrift über ihre blasse Haut wanderte. Ihren Arm hoch, über ihre Schulter, ihren Nacken …
    Und dann geschah es. Eine Flut von Eindrücken überschwemmte ihren unvorbereiteten Geist – Bilder, Gedanken, Erinnerungen, die nicht die ihren waren, uraltes Wissen, mit dem sie die Grenzen der Realität selbst zu sprengen im Stande sein würde – wenn sie lernen konnte, es anzuwenden …
    Keuchend hielt sich Thara an dem Lesepult fest. Ihre Beine fühlten sich an wie Gummi und für eine Weile sah sie nicht mehr die Bibliothek vor ihren Augen, sondern nur wirbelndes Chaos, das sie beim besten Willen nicht hätte beschreiben können. Aber sie wusste, was es war: Rohes, ungefiltertes Wissen!
    Als sich ihr Blick schließlich wieder klärte, lag das Buch noch immer offen vor ihr auf dem Pult, doch seine Seiten waren nun vollkommen unbeschrieben. Das Buch war nun in ihr! Es war, als hätte sie plötzlich ein Lexikon in ihrem Kopf. Sie konnte keineswegs direkt alles anwenden, was in diesem Lexikon beschrieben war, aber sie konnte es sich anschauen, sie konnte daraus lesen und lernen.

    Thara drehte sich langsam zu Sinistro und Arzu um. Ein breites, glückliches Lächeln im Gesicht, wie sie es nur höchst selten zur Schau stellte, als hätte sie gerade ein paar tiefe Züge eines Scatty-Spezial-Traumrufs inhaliert.
    „Das ist … u-unglaublich!“, säuselte sie, ohne sich näher zu erklären, und griff nach irgendetwas in der Luft, das nur sie sehen konnte.
    Es ist eine Leihgabe, erklärte ihr die Bibliothek, deren Stimme sie nun in ihrem Kopf vernahm – wenn sie sich ihren eigenen Geist als einen Raum vorstellte, dann kam sie von dort, wo nun auch das Buch ‚gelagert‘ war. Nutze es klug, und wenn die Zeit gekommen ist, wirst du es mir wieder zurückgeben. Du wirst wissen, wann es soweit ist.
    Thara nickte ernst. „J-ja … ja! Natürlich!“
    Und in ihrem Hinterkopf vernahm sie bestimmt kein leises Kichern.

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    Grünauge  Avatar von Sinistro
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    Bücher für die Schülerinnen, Wissen für den Lehrmeister. Denn während sich Arzu und Thara mit ihren kleinen, weltlichen Geschenken abmühten und Versuche unternahmen, das Geschriebene zu verinnerlichen oder das Wesen der Bibliothek auszuquetschen, war der Hohepriester einen Schritt weitergegangen. Er hatte das Netz der Magie, das auch hier alles umklammerte und umschlang, mit seinen Gedanken auseinandergewoben und seine magischen Fühler nach dem Wesen ausgestreckt. Sollte es sich in diesem Fall um ein Wesen Beliars handeln, vielleicht auch um ein Wesen aus einer völlig anderen Sphäre, dessen Absichten nicht ausschließlich positiver Natur wären, so hätte der Grünäugige versucht, die Kontrolle darüber zu erlangen; kurz: das Böse zu kontrollieren.

    Aber da war nichts, was er greifen konnte, nichts, was magisch zu beeinflussen wäre, nicht einmal eine magische Barriere gab es, die ihn an seinem Versuch scheitern ließ. Sinistro traf, als er die Entität mit seiner Magie berührte, ausschließlich auf Unendlichkeit.
    Den Versuch jedoch hatte die wabernde Masse mitbekommen und dadurch honoriert, dass sich ein Tentakel aus der Masse formte und samt einem mächtigen Auge nun dem Hohepriester gegenüber auf Augenhöhe schwebte – die Bibliothek blickte Sinistro wortwörtlich tief in die Augen.
    Dem Magier lief ein kalter Schauer über den Rücken.

    Auge in Auge mit der Bibliothek begann er nun, mit Arzu und Thara zu sprechen. Er versuchte den Beiden zu erklären, dass es sich bei dem beschriebenen Wesen um alles handeln könne, was einst war. Wäre das Auge der Bibliothek nicht an einem Tentakel und ohne Augenbraue, wahrscheinlich hätte es selbige hochgezogen.
    Der Magielehrmeister führte weiter aus, dass eine genaue Beschreibung des Wesens auch nicht nötig sei, sofern man akzeptieren könne, dass es nur noch in der Sphäre Beliars existieren könne, da Adanos es von der Welt gespült hatte. Konnte man bei diesen Worten ein leises Knurren vernehmen?

    Der Grünäugige wechselte das Thema, wollte er doch zu einem Gebiet kommen, auf dem er sich wirklich sicher war.
    Er führte aus, dass Tharas und Arzus Magie ja bereits Fortschritte gemacht habe, es nun aber ganz besonders auf die Nuancen ankäme, die einen Zauber zu dem machen, was er sein soll. Als Beispiel nahm er die beschworene, ekelerregend stinkende Maus. Die grundsätzliche Beschwörung war hervorragend, die Begleiterscheinungen jedoch…
    Diese könne man dadurch minimieren, dass man die Magie, aus der man die Kraft schöpft, das gewünschte Wesen zu beschwören, mehr führt, in dem man seine eigenen Ideen und Wünsche einfließen ließe.
    Der Lehrmeister versuchte zu erklären, dass das Wirken von Magie von jeder Kleinigkeit beeinflusst wird, jeder falsche Gedanke konnte dazu führen, dass die grundsätzlich gewünschte Eigenschaft sich ins Gegenteil verkehrte.
    Wieder das Knurren…
    Der Hohepriester hatte das ihm gegenüberstehende Auge inzwischen vollkommen verdrängt und erklärte in einem abstrus anmutenden Szenar, wie in Büchern einzelne Abweichungen in der Ausführung von Zaubern beschrieben wurden, aus denen man lernen könnte, wie man Magie nicht auszuführen hatte. Aus einem unerfindlichen Grund hatte sich der Hohepriester nun aber entschlossen, den beiden Frauen Zauber „vorzuzaubern“, seine Bewegungen und seine Beeinflussung der Magie als Vorgabe zu zeigen, als Blaupause zu präsentieren. Und so stand der Magier nun, immer noch Auge in Auge, da und beschwor.
    Langsam und stetig, jeden Schritt erklärend.
    Er beschwor einen Golem, er beschwor ein Skelett, er beschwor eine Mumie, aus reiner Freude am Beschwören beschwor er auch einen Dämon. Und statt auf seine Schülerinnen zu achten, starrte er weiter in das Auge vor ihm.

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    Allmählich kamen Arzu Zweifel, ob Sinistro tatsächlich untot war. Die Demonstration der Macht beeindruckte die Varanterin, denn so viele beschworene Kreaturen und dazu noch so vielfältig, hatte sie in ihren Träumen noch nicht gesehen. Konnte er das überhaupt als Zombie? Egal! Es befeuerte ihren Ehrgeiz ungemein. Wenn der untote Hohepriester das konnte, dann konnte sie das erst recht. Besonders mit dem Buch, welches die Entität ihr gegeben hatte.
    Neben den vier beschworenen Kreaturen, stand natürlich auch noch die Tentakel im Raum. Es wirkte unfreiwillig komisch. Arzu bezweifelte, dass die Entität eine Manifestation wie diese überhaupt brauchte. Immerhin hing die Decke voll von Augen. War es ein Versuch der Einschüchterung oder gar eine Art von Humor, der die unverbesserliche Eigenschaft des untoten Lehrmeisters zu schwafeln aufs Korn nahm? Was es auch sein mochte, der Nekromantin war es im Augenblick tatsächlich gleichgültig. Sie wollte zaubern!
    Die wichtigen Passagen aus Sinistros langen Monolog hatte sie herausgefiltert. Wie eine untote Wüstenrennmaus rasten ihre Gedanken, um die präsentierte Theorie in die Tat umzusetzen. Ihr erster Versuch musste besser sein, als das, was Thara abgeliefert hatte. Noch eine stinkende Zombiemaus brauchten sie wirklich nicht. Deshalb nahm sich die Schwarzmagierin ein Beispiel an der Mumie, die der untote Hohepriester beschworen hatte. Wo keine Feuchtigkeit, da kein widerlicher Gestank! Höchstens ein unangenehmes Muffen.
    Neugierig umrundete Arzu die Mumie, als ob sie durch das Inspizieren die Geheimnisse ihrer Machart entschlüsseln konnte. Vielmehr wollte sich die Nekromantin ein ganz klares Bild im Kopf machen. Wenn die Konsistenz der Kreatur von den eigenen Vorstellungen maßgeblich beeinflusst wurde, lag das weitere Vorgehen auf der Hand! Nachdem sich Arzu an der Mumie sattgesehen hatte, rieb sie sich die Hände und hielt sie dann ausgestreckt vor sich. Wie es der untote Lehrmeister ihr mit der Skelettmaus vorgeführt hatte, sammelte Arzu nun die magischen Energien und gab ihnen eine Form. Ein bläuliches Licht begann vor ihr zu schimmern. In seinem Inneren wirbelte die Magie wie in einem Sturm, den die Nekromantin nach und nach zu bändigen versuchte. Dem Ganzen eine bestimmte Form aufzuzwingen, erwies sich als ausgesprochen herausfordernd. Wie Sinistro gleich bei vier Kreaturen zustande gebracht hatte, überstieg Arzus Verständnis. Um es sich selbst etwas einfacher zu machen, wich die Schwarzmagierin von ihrem ursprünglichen Plan ab, eine menschliche Mumie zu beschwören. Etwas kleineres wäre genauso gut!
    Die Nekromantin biss sich auf die Unterlippe und konzentrierte sich vollends auf den Sturm magischer Energie. Ganz allmählich zeichneten sich Umrisse darin ab, die mit jedem weiteren Moment klarer wurden. Mit einem letzten Kraftakt der Schwarzmagierin manifestierte sich endlich ein Wesen. Von Kopf bis Fuß in Bandagen eingewickelt, stand auf einmal eine mumifizierte Hyäne vor Arzu. Triumphierend stemmte die Nekromantin die Hände in die Hüfte und setzte ein selbstgerechtes Lächeln auf.

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    Kämpfer Avatar von Thara
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    „Boop!“, machte Thara und stupste dem von Arzu beschworene mumifizierten Tier auf die große Nase. Das untote Wesen zog den Kopf ein Stück zurück, als wäre es überrascht, und Thara kicherte. Die Nachwirkungen der plötzlichen Wissensübertragung aus dem magischen Buch hielten sie noch immer im Bann; sie fühlte sich wie benebelt und die Welt kam ihr wie ein Wunderland vor, dass sie jetzt Schritt für Schritt entdecken konnte!
    Angefangen mit dem Hund, den Arzu beschworen hatte. Hund? Nein, das war kein Hund! Thara legte den Kopf leicht schief und knabberte unbewusst an ihrem Daumennagel, während die die mumifizierte Kreatur betrachtete. Sie hatte schon Ähnlichkeit mit einem Hund, aber eben auch nicht! Die seltsame Körperhaltung mit den kurzen Hinterläufen, dem langen Hals und den großen, runden Ohren, der breite Kopf mit dem imposanten Gebiss und der drolligen Knollnase …
    Was bist du?, fragte sich Thara und konsultierte erstmals ihr neugewonnenes inneres Lexikon. Es war, als könnte sie auf fremde Erinnerungen zugreifen – nur waren diese Erinnerungen weder sortiert, noch ließen sie sich so einfach von ihr durchsuchen. Bilder und Informationen fluteten völlig ungeordnet ihren Geist und verflogen so schnell wieder aus ihrem Gedächtnis, wie sie gekommen waren. Sie merkte rasch, dass sie erst würde lernen müssen, ihr ‚Buch‘ richtig zu nutzen.
    Konzentration!, mahnte sie sich. Dieses ‚Buch‘ war offensichtlich magisch, also war der Schlüssel zu seiner Verwendung wahrscheinlich derselbe wie zur Nutzung von Magie: Konzentration! Sie stellte sich vor, wie der Mumien-„Hund“ lebendig ausgesehen haben mochte (ob er ein schwarzes Fell hatte? Das würde zumindest zu den Schwarzmagiern passen, oder?) und versuchte, das gesammelte Wissen auf diese Art zu filtern. Eine Weile passierte nichts, als dass weiter ungeordnete Bilder und Gedanken auf sie einprasselten, aber schließlich begannen einzelne Fetzen in ihrem Bewusstsein haften zu bleiben und sich langsam, aber sicher zu einem kohärenten Ganzen zusammenzusetzen.
    „Üh-jäh-ne?“, sagte sie langsam und betonte dabei jede Silbe. Ein Tier aus den trockenen Steppen Varants – aus Arzus Heimat! Es war dafür bekannt, dass es selbst dickste Knochen zerbeißen und auf beinahe menschliche Art lachen konnte. Die Priester Innos‘ warfen ihm vor, hinterlistig und tückisch zu sein und nach Belieben das Geschlecht wechseln zu können, was zugleich einer der Grund war, wieso die Alchemisten der varantischen Schwarzmagier sich für diese sonderbaren Tiere interessierten …
    „Huh!“ Thara blinzelte, als sie wie aus einer Trance erwachte. Was es nicht alles zu lernen gab!

    Aber so interessant diese Details zu einem Tier aus einem fernen Land auch sein mochten, eigentlich war sie doch hier, um Magie zu lernen! Sinistro und Arzu sahen sie beide schon seltsam an, mit einer Mischung aus Verwunderung und Erwartung.
    „Äh … äh … ‘tschuldigung! I-ich … gleich!“, versicherte Thara und versteckte sich wieder hinter ihren Haaren. Magie – sie musste irgendetwas zaubern! Sinistro hatte so viele Beschwörungen vorgeführt und Arzu hatte eine untote Ühjähne hervorgebracht, also was sollte sie nun versuchen? Ebenfalls eine Beschwörung, wie Arzu? Nein – nicht hier, nicht jetzt. Der kleine „Unfall“ mit der untoten Maus stand ihr noch viel zu deutlich vor Augen und sie wollte nicht riskieren, dass so etwas noch einmal passierte. Das übte sie wohl besser, wenn sie für sich war …
    Aber was dann? Thara konzentrierte sich einmal mehr auf ihr ‚Buch‘ und ließ die erstbeste Spruchanweisung auf sich zukommen, die in ihrem Gedächtnis hängen blieb. Ein Zauber, um Gegenstände aus Knochen zu erschaffen. Das schien ihr eine gute Idee zu sein, stanken bloße Knochen doch normalerweise nicht, vor allem, wenn man schon bestehende Knochen verwenden konnte … Die einzige Frage war, wo bekam sie jetzt auf die Schnelle Knochen her?
    Thara sah sich um. Die einzigen Knochen, die in Reichweite waren, gehörten allerdings der Ühjähne, die sich vor Arzu niedergelassen hatte. Thara zögerte kurz, beschloss dann aber, es einfach zu versuchen.
    Ein paar gemurmelte Worte und fahrige Gesten später durchlief ein Zucken den Körper der untoten Kreatur, die sich aufbäumte und zusammenkrümmte, als würden Krämpfe ihre längst vertrockneten Eingeweide schütteln. Sie gab etwas wie ein staubiges Krächzen von sich, und dann brachen plötzlich knöcherne Dornen entlang ihrer Wirbelsäule aus den spröden Bandagen hervor. Sie Dornen wuchsen zu fast eine Elle langen, dolchartigen Auswüchsen heran. Thara lächelte angestrengt – auch wenn es sie einiges an Kraft kostete, es klappe besser, als sie erwartet hatte!
    Im Hochgefühl des Erfolgsrausches sammelte Thara weitere Magie und formte die Ühjähne zu etwas, das kaum noch Ähnlichkeit mit der anfänglich beschworenen Kreatur hatte. Die Knochen wurden dicker und länger, das Tier richtete sich auf die Hinterbeine auf und überragte bald nicht nur Arzu, sondern sogar Sinistro. Scharfe Krallen und Stacheln wuchsen aus ihm heraus, während die Mumienbandagen rissen und mitsamt verschrumpelter Eingeweidereste zu Boden fielen. Schließlich stand eine knochige Monstrosität vor den drei Schwarzmagiern mit gefährlichen, dolchartigen Klauen, einem massiven Schädel, in dessen breitem Kiefer sich viel zu viele Zähne befanden, und Stacheln an den unmöglichsten Stellen. Das Ding machte einen unsicheren Schritt vorwärts und Thara bemühte sich, die Kontrolle über die Mutationen zu behalten, aber die Magie der Beschwörung kollidierte auf einer tieferen Ebene mit derjenigen der Veränderung – und das ganze untote Konstrukt fiel von einer Sekunde auf die andere völlig unspektakulär in sich zusammen. Wenige Augenblicke später waren auch die Knochen zuerst zu Staub zerfallen und hatten sich dann gänzlich aufgelöst.

    Thara atmete schwer und wischte sich ein paar Haarsträhnen aus der schweißnassen Stirn. Es war am Ende doch anstrengender gewesen, als sie gedacht hatte, aber das Experiment war … ja … war es erfolgreich gewesen? Oder hatte sie wieder etwas falsch gemacht? Unsicher zog sie den Kopf zwischen die Schultern, ihr Blick huschte zwischen Sinistro und Arzu hin und her und sie wartete nervös auf das Urteil der beiden.
    Geändert von Thara (02.08.2024 um 00:15 Uhr)

  16. Beiträge anzeigen #136 Zitieren
    Grünauge  Avatar von Sinistro
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    Wie lange starrte er nun schon in das ihn ebenfalls anstarrende Auge? Er wusste es nicht. Dochj immer noch hatte er das Bedürfnis, Zauber um Zauber, Beschwörung um Beschwörung wirken zu wollen. Und dabei in das Auge zu starren…
    Er hätte aber auch gar nicht woanders hingucken können. Jedes Mal, wenn er seinen Kopf oder seinen Körper drehte, dauerte es nur wenige Augenblicke, ehe auch das Auge sich bewegt hatte und dem Magier wieder in die grünen Augen blickte. Alles, was um ihn herum geschehen war, hatte Sinistro demzufolge auch mehr aus der Spiegelung des Auges wahrgenommen, denn selbst wirklich mitbekommen.
    Andererseits: Arzus und Tharas Versuch, Magie zu wirken, war durchaus aller Ehren wert, hatten sie es doch ohne größere erkennbare Anstrengungen geschafft, einen Zauber zu wirken. Und dieses hundeähnliche Bandagenwesen musste erhebliche Stabilität aufweisen, wenn Thara daraus einen Knochenkrieger erschaffen konnte. Nun ja, zumindest fast erschaffen konnte.
    Der Hohepriester schob den Gedanken, selbst nochmal einen Versuch zu wagen, beiseite. Doch es war beinahe eine Qual für ihn, sein Können nicht seinen beiden Schülerinnen demonstrieren zu können. Der Magier riss sich am Riemen und setzte zu einer Erklärung an.
    Und schon wieder… Knurren!

    „Das Problem liegt in der Konsistenz der Knochen, die Zusammensetzung bei Mumien ist immer irgendwie brüchig“, erklärte der Hohepriester kurz und sachlich, und nahm auch hierbei seinen Blick nicht von dem Auge. Ein erneutes Knurren ließ ihn seine Ausführungen unterbrechen und schon beginnen, wieder einen Zauber zu wirken.
    Sinistro schloss dabei unwillkürlich die Augen und verspürte nur einen Sekundenbruchteil, nachdem er nicht mehr in das Auge der Entität starrte, dass er nun besser aufhören sollte, seine Macht und Stärke zu demonstrieren. Er spürte, dass…
    Wieder das Knurren.

    Als der Magielehrmeister nun seine Augen wieder geöffnet hatte, war das vor ihm schwebende Auge verschwunden und gerade dabei, wieder mit der Masse an der Decke zu verschmelzen.
    Und er selbst verspürte keinerlei Drang mehr, unnötig Magie zu wirken, nur um seine Schülerinnen zu unterrichten. Er konnte sich auch nicht erklären, warum er so sehr seine Fähigkeiten vorgeführt hatte; er konnte sich an keine Lehrsituation erinnern, in der er dies jemals tat.
    Doch damit nicht genug. Es war, so musste er unumwunden zugeben, sehr erfolgreich. Arzu hatte ein perfektes mumifiziertes Geschöpf beschworen, Thara hatte die Knochen daraus zu etwas geformt, das einem Krieger gleichen konnte; er war stolz auf die Beiden und musste ihnen dies auch so sagen. Und Thara sagen, dass es nicht an ihr, sondern an der Tatsache, dass sie bereits beschworene, aber durch die Mumifizierung beschädigte, Knochen für ihren Zauber nutzte. Er konnte so nicht von Erfolg gekrönt sein. Allein, dass sie es aber geschafft hatte, den Zauber eines anderen Magiers als Basis für den eigenen Zauber zu nutzen war aller Achtung wert.

    Der Magus blickte zwischen seinen Schülerinnen hin und her und nickte anerkennend. Dann wanderte sein Blick an die Decke und unvermittelt lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Und Hunger hatte er auch.

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    Sie hatte sich so viel Mühe gegeben und das Ergebnis war perfekt gewesen. Dann kam Thara daher und verunstaltete die mumifizierte Hyäne im Handumdrehen. Wäre jemand anderes verantwortlich gewesen, hätte Arzu kurzen Prozess mit demjenigen gemacht. Ihre Zirkelschwester hatte inzwischen bei ihr eine gewisse Narrenfreiheit erlangt. Auch wenn die Nekromantin sich fragte, was die neue Kreatur überhaupt darstellen sollte. Eine Hyäne war es jedenfalls nicht mehr. So geladen mit Magie hielt das Teil auch nicht lange durch.
    Das Ganze weckte Arzus Interesse für die von Thara benutzte Zauberformel. Aus Knochen etwas zu basteln, das könnte sich auf jeden Fall als nützlich erweisen. Ein Knochenkamm zum Beispiel, damit die Schwarzmagierin sich wieder um die Pflege ihrer strapazierten Haare kümmern konnte. Geschwind blätterte sie im Buch, das die Bibliothek ihr gegeben hatte, und wurde fündig.
    »Was ist das denn für ein Quatsch?«, murrte Arzu. »Die Knochen müssen schon da sein, damit ich den Zauber wirken kann? Wer denkt sich denn so was aus? Meinen Sperling habe ich doch auch aus dem Nichts beschworen!«
    Für die Varanterin stand unmittelbar fest, dass solch ein Blödsinn eine Verschwendung ihrer Zeit war. Dann müsste sie halt ohne einen Knochenkamm auskommen. Der Zauberformel zum Spott, streckte Arzu ihre Hände nach vorn und formte die magischen Energien zu einem Skelett. Dieses Mal kam als Ergebnis ein Leopard zum Vorschein. Solche Tiere hatte sie früher in Ishtar oft zu Gesicht bekommen, denn Zuben hatte eine Vorliebe für Raubkatzen. Die Tiere stromerten dann ungehindert durch die Stadt. Sehr zum Verdruss von Schlachtern und Viehzüchtern. Niemand wagte es, Hand an die Katzen zu legen, denn niemand wollte den Zorn des obersten Schwarzmagiers heraufbeschwören. Arzus Leopard war zum Glück äußerst genügsam. Leider brummte er nicht, so wie es die lebendige Variante täte. Oder doch?
    Arzu neigte sich zu ihrem Katzenskelett herab, denn ihr war, als käme tatsächlich von dort ein Brummen. Aber das Skelett blieb stumm. Statt dessen musste die Nekromantin erkennen, dass das Brummen bei Sinistro zu verorten war.
    »Du hattest doch gerade erst was zu essen!«, merkte Arzu an und stemmte die Arme in die Seite. Das musste der unersättliche Hunger des Zombies sein. Zum Glück verlangte es den untoten Hohepriester nicht nach Gehirnen.

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    Thara hielt den Kopf gesenkt und spielte unruhig mit ihren Haaren, während Arzu zu ihrer nächsten Beschwörung ansetzte. Auch wenn das Lob, das Sinistro Thara ausgesprochen hatte, das Mädchen mit Stolz erfüllte, hatte sie doch Arzus missbilligenden Blick bemerkt, als sie die Ühjähnen-Mumie in eine unförmige Monstrosität verwandelt und am Ende ungewollt zerstört hatte. Die Varanterin hatte nichts gesagt, aber das war auch gar nicht nötig. Thara fühlte sich auch so schuldig. Erst die widerlich stinkende Maus, und jetzt das … irgendwie würde sie es Arzu gegenüber wiedergutmachen müssen! Aber wie?
    Zumindest würde sie das Skelett, das Arzu als nächstes herbeirief, nicht verunstalten. Diesmal war es keine Ühjähne – obwohl es fast genauso groß war, hatte es einen anderen Körperbau und bewegte sich entschieden katzenartig. Wäre es ein gutes Stück kleiner gewesen, dann hätte es gut und gern eine Katze sein können.

    Katzen … Thara musste zurückdenken an ihre Kindheit und Jugend. Im Armenviertel von Thorniara gab es auch Katzen – verwilderte Streuner, die meisten in ähnlich schlechtem Zustand wie die Menschen, die das Viertel bewohnten, struppig und misstrauisch, und sich mit Zähnen und Klauen um die Reste stritten. Aber zumindest waren sie frei gewesen, etwas, um das Thara sie immer beneidet hatte.
    Sie mochte die Katzen, und manchmal war es ihr sogar gelungen, sich mit einer von ihnen anzufreunden. Es waren nie Freundschaften von Dauer, eines Tages war jede der Katzen einfach verschwunden – gestorben wahrscheinlich, oder vielleicht auch abgewandert, irgendwohin, wo es besser war. Thara stellte sich gern vor, dass die Tiere dem Elend entkommen waren, auch wenn sie genau wusste, dass die erste Möglichkeit die wesentlich wahrscheinlichere war.
    Und dann war da noch die kleine Miezi gewesen – ja, kein sonderlich einfallsreicher Name, aber er war einfach hängengeblieben. Sie war ein Katzenbaby gewesen, das Thara in der Gosse hinter ihrer alten Hütte gefunden hatte, allein, verängstigt und so schwach, dass es kaum noch hatte laufen können. Thara hatte das kleine Tierchen mitgenommen und wider alle Wahrscheinlichkeit war es ihr gelungen, das Kätzchen von der Schwelle des Todes zu holen und aufzupäppeln. Miezi hatte ein samtweiches, schwarz-weiß geflecktes Fell gehabt und ein rosa Näschen, und sie war verspielt gewesen und neugierig. Des Nachts, wenn ihr Vater zu Hause war, hatte Thara das Kätzchen in einer alten Kiste versteckt, aber tagsüber waren sie unzertrennlich und das Kätzchen war Tharas ein und alles gewesen.
    Bis, tja, bis ihr Vater eines Tages unerwartet früh nach Hause gekommen und Miezi beim Herumtollen erwischt hatte. Er hatte dem Kätzchen ohne viel Federlesens das Genick gebrochen und den kleinen Körper auf dem Müll entsorgt. Die Prügel, die er anschließend seiner Tochter verabreichte, waren für Thara in diesem Moment bedeutungslos gewesen im Vergleich zu dem Schmerz, den der Verlust ihrer Katzenfreundin für sie bedeutete.
    Selbst jetzt, Jahre später, versetzte ihr die Erinnerung einen Stich. Allein der Gedanke, dass der Leichnam ihres Vaters wohl ähnlich unzeremoniell, wie Müll in einem Massengrab entsorgt worden war, erfüllte sie mit ein wenig Genugtuung.

    Das übergroße Katzenskelett ließ sich mit einer nicht zu verleugnenden Eleganz zu Arzus Füßen nieder, als – zum wiederholten Mal – ein dumpfes Knurren oder Grollen ertönte, das die Varanterin Sinistros Magen zuschrieb. Der aber deutete auf die rätselhafte Kreatur an der Gewölbedecke, die ihn die ganze Zeit aus nächster Nähe beobachtet hatte, während er dabei gewesen war, seinen Schülerinnen all die Zauber zu demonstrieren, die einem erfahrenen Magier zur Verfügung standen. Inzwischen hatte sich das Tentakel-Auge jedoch wieder zurückgezogen und war mit dem Rest der gallertartigen Masse an der Decke verschmolzen. Ob die Kreatur bekommen hatte, was sie wollte?

    Sinistro wollte gerade dazu ansetzen, etwas zu sagen, als plötzlich ein lautes Fluchen zwischen den Bücherregalen ertönte, begleitet vom Fauchen einer Schattenflamme. Thara erkannte die Stimme sofort – Vabun! Er musste sich die ganze Zeit in der Bibliothek aufgehalten haben, aber wieso hatten sie ihn nicht gesehen? Wieso sah sie ihn noch immer nicht?
    Verwundert machte Thara einen Schritt in Richtung der endlosen Regalreihen und spähte dazwischen. Dabei fiel ihr ein Detail auf, das ihr bislang entgangen war – im vorderen Bereich der Bibliothek wirkte alles recht normal (wenn man von dem Ding an der Decke absah), aber weiter hinten schienen die Schatten rasch zuzunehmen und der Raum war alsbald in Dunkelheit gehüllt. Und nicht nur das – irgendwie wirkten die Regale und Bücher, ja selbst der Boden auf eine unbestimmte Art falsch, als würden die Winkel und Farben nicht stimmen. Und als sie kurz blinzelte, hatte sie den Eindruck, dass es plötzlich … anders aussah als noch einen Augenblick zuvor …
    Bevor sie sich aber groß darüber wundern konnte (wobei sie sich inzwischen eigentlich über nichts mehr wunderte, zumindest nicht an diesem seltsamen Ort, sondern die Dinge einfach nahm, wie sie kamen), tauchte tatsächlich aus dem Dunkel Vabun auf. Er rannte wie von der Tarantel gestochen und warf immer wieder einen Blick über die Schulter, eine Hand war von der dunklen, ätherischen Energie einer Schattenflamme umhüllt, während er mit der anderen ein dickes, in rissiges altes Leder gebundenes Buch an sich presste. Seine provisorische Robe hing an einigen Stellen in Fetzen, sein Haar war zerzaust und über seine Wange zog sich ein langer, blutiger Kratzer.
    „Hau ab jetzt!“, fluchte der Magier und schleuderte eine Schattenflamme in die Dunkelheit hinter ihm, „Lass mich endlich in Ruhe, du-“
    Als er des Dreiergrüppchens gewahr wurde, das ihn voller Verwunderung anstarrte, hielt er inne und verlangsamte seine Schritte. Noch einmal warf er einen kurzen Blick über die Schulter, fuhr sich dann mit der Hand durchs Haar und strich sich die Robe/Gardine glatt.
    „Arzu und … anderes Mädchen!“, begrüßte er sie, „Was macht ihr denn hier? Hatte ich nicht gesagt, ihr solltet im Zimmer warten? Oder habe ich etwa … oh, ich hatte vergessen, es zu füttern, ist es das?“ Er zuckte mit den Schultern. „Na, passiert. Und wer ist das da?“ Vabun trat vor Sinistro und musterte ihn Neugierig, bevor er ihm die Hand hinstreckte. „Tag! Vabun. Du musst Smaragdauge sein! Gut, gut. Also, wenn ihr ohnehin schon hier seid, das spart mir einen Gang … kommt, ich zeige euch, was ich gefunden habe! Endlich! Diese Bibliothek macht es einem manchmal wirklich nicht einfach!“ Er hob kurz den Blick zur Decke und rümpfte missbilligend die Nase. Anschließend stapfte er zu einem Tisch, blies den Staub von der Oberfläche und knallte dann das Buch auf die Tischplatte.
    „Na, hab ich zu viel versprochen?“, verkündete er stolz. Dass er dafür nur verwirrte Blicke erntete, schien er nicht einmal zu bemerken – oder es kümmerte ihn nicht.
    Der Foliant war von beeindruckenden Ausmaßen und der Ledereinband mit zwei eisernen Beschlägen stabilisiert. Davon abgesehen sah er aber nicht bemerkenswerter aus als zahlreiche andere Bücher der Kastellbibliothek. Trotzdem war da etwas. Thara brauchte einem Moment, bis sie einordnen konnte, was ihr an dem Buch auffiel – es war der Geruch! Es roch nicht nach altem Leder und Pergament, wie man erwartet hätte, auch nicht nach Staub und Mäusekot, sondern auf eine nicht unangenehme, aber völlig unpassende Art frisch wie die Luft nach einem Sommerregen …
    Vabun blätterte ein wenig in dem Buch vor und zurück, bis er gefunden hatte, was er suchte. „Da! Das ist das Ritual, mit dem wir das Lichtschwert und die Weiße-Magie-Rune wieder verbinden können!“ Er tippte auf eine dicht mit schnörkeligen Buchstaben vollgeschriebene Seite, „Es ist sogar einfacher, als ich gedacht hatte – ich habe alles, was wir dafür brauchen, in meinem Labor! Naja, fast alles …“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte erst Arzu, dann Thara mit einem strengen Blick: „Das heißt, alles bis auf die beiden wichtigsten Zutaten, das Schwert und die Rune, die ihr verschludert habt!“ Vabun seufzte theatralisch und rollte mit den Augen. „Wenn man nicht alles selber macht … na, ich werde euch noch eine Chance geben. Beschafft die Gegenstände wieder, und ich bereite in der Zwischenzeit das Ritual vor. Sagt nichts, ich weiß, was ihr fragen wollt – wo die Artefakte denn aufbewahrt werden? Tja, das kann ich euch sogar verraten. Zumindest so ungefähr. Dieser Fladnag hat sein Lager bei den Anti-Magie-Räumen aufgeschlagen. Cleverer kleiner Bursche, so kann kein Magier an seine Kisten … denkt er! Ha! Ihr könnt aber doch sicher Schlösser knacken, nicht wahr? Also, Arzu und Smaragdäuglein, ihr müsst nur seine Wachen ablenken, dann kann, äh, anderes Mädchen sich wieder reinschleichen und die Gegenstände aus seiner Truhe beschaffen. Welche Truhe das ist, wo er sein Zeug aufbewahrt, das … fragt ihr am besten einen der Goblins. Wie, die wollen nicht mit euch reden? Natürlich nicht! Nicht, solange sie leben! Muss man euch denn alles vorbuchstabieren? So. Sonst noch Fragen?“

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    „Nun? Worauf wartet ihr?“, fragte Vabun und wedelte ungeduldig mit der Hand, die sich plötzlich für einen Moment in Stein verwandelte und ihn dabei fast aus dem Gleichgewicht brachte. Er stolperte einen Schritt nach vorn, fing sich wieder, und strich sich mit einem leisen Räuspern die Robe glatt.
    Sie waren in der Vorhalle des Kastells versammelt, dort, wo im „echten“ Kastell die Statue Vabuns stand – an ihrer Stelle gab es im Mondkastell nur einen leeren Plinth. Auf die Nachfrage, was einmal auf diesem Plinth gestanden hätte, hatte Vabun nur die Schultern gezuckt und behauptet, er wäre schon immer leer gewesen.
    Jetzt allerdings lag die übel zugerichtete Leiche eines Goblins darauf. Das halbe Gesicht fehlte ihm, das Fleisch weggefressen und verkohlt von der zerstörerischen Macht einer Schattenflamme, während das rostige Schwert eines beschworenen Skeletts sich in seinen Brustkorb gebohrt hatte. Der Goblin gehörte laut Vabun zu Fladnags Clan – angeblich konnte man das an den Kreidezeichnungen auf seinem Körper erkennen, die in Tharas Augen jedoch nur aussahen wie plan- und sinnloses Geschmier. Wenn sie ein Muster darstellen sollten, erkannte sie es jedenfalls nicht.

    „Na los!“, forderte Vabun nachdrücklicher in Tharas Richtung gewandt, „Du willst doch wissen, wo Fladnag die Artefakte aufbewahrt, oder? Ich hab dir jemanden beschafft, der es wissen sollte, aber fragen kannst du ihn jawohl selbst!“
    „A-a-aber er ist … t-t-t- …“, stammelte Thara, erntete aber nur ein Augenrollen von Vabun. Zum Glück sprang Sinistro in die Bresche und erklärte ihr ausführlich, dass man mit Hilfe einer abgewandelten Form von Wiederbelebungsmagie sogar Tote befragen könne, indem man die feine Verbindung, die noch zwischen dem Körper und dem Geist des Verstorbenen existiere, stabilisiere. Dadurch könne der Tote Wissen mitteilen, das er zu Lebzeiten erworben hatte.
    Sinistros Beschreibung des Prozesses ging freilich noch deutlich tiefer ins Detail und Thara verstand, wie üblich, höchstens ein Drittes dessen, was der Hohepriester erklärte, aber sie glaubte, das Wichtigste begriffen zu haben. Zugleich griff sie auf ‚ihr Buch‘ zu und tatsächlich formten sich in ihrem Geist so etwas wie Pseudo-Erinnerungen, so dass sie sich zumindest vom groben Ablauf des Zaubers ein Bild machen konnte.
    „A-also gut!“ Thara räusperte sich und strich sich nervös eine Haarsträhne hinters Ohr (die Strähne dachte jedoch gar nicht daran, dort zu verbleiben und fiel ihr gleich wieder vors Gesicht), bevor sie an den Plinth herantrat und in Beschwörer-Manier die Arme über dem toten Goblin hob.
    Als sie damit begann, mit halb geschlossenen Augen unverständliche Worte zu murmeln, entdeckte Arzu irgendetwas sehr interessantes in einer Ecke des Raumes, die zufällig möglichst weit entfernt war, und musste es sich unbedingt ansehen. Vabun hingegen stand mit verschränkten Armen da und beobachtete Thara mit ausdrucksloser Miene, während Sinistro ihr genau zuhörte und ab und zu ihre Aussprache korrigierte – was Thara jedes Mal ein wenig aus dem Konzept brachte, bis sie beschloss, den Hohepriester einfach zu ignorieren.

    Thara konzentrierte sich ganz und gar auf den toten Goblin. Mit feinen magischen Fühlern tastete sie vorsichtig über den Leichnam. Als sie das tote Fleisch mit ihrem Geist berührte, spürte seine Kälte regelrecht. Es war ein unangenehmes Gefühl, das sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete und ihr einen Schauer über den Rücken jagte.
    Thara biss die Zähne zusammen und bemühte sich, das widerliche Gefühl zu ignorieren. Sie tastete weiter, probte, suchte – vor ihrem inneren Auge sah sie die Umrisse des Leichnams als dunkle, verschwommene Konturen. Und irgendwo im Inneren, tief unten, glomm ein kleiner, blasser Funken…
    Langsam näherte sie sich dem Funken und umschloss ihn behutsam mit ihrer Magie, wie man ein aus dem Nest gefallenes Vögelchen mit aller Vorsicht mit den Händen aufheben würde. Sie spürte einen Hauch von Wärme, einen letzten Rest von Kraft und Leben, und ließ ihre Magie hineinfließen, stärkte und stabilisierte die Hauchdünne Verbindung…

    „Huuuuurrrrraaaaarrrrggggh!“, krächzte der Goblin und bäumte sich auf dem Plinth auf. Wie von brutalen Tetanuskrämpfen geschüttelt bog er den Rücken durch, dass man glauben konnte, er würde sich gleich das eigene Rückgrat brechen, und hämmerte mit zu Klauen verkrampften Händen auf den kalten Stein. Gurgelnd und röchelnd warf er den Kopf nach links und rechts, Blut und Speichel flogen in alle Richtungen.
    Erschrocken von der heftigen Reaktion, geriet Thara ins Stocken und ihre Konzentration schwand. Der Goblin sackte in sich zusammen wie eine Marionette, deren Fäden man durchtrennt hatte.
    „Nicht aufhören!“, rief Vabun, „Du hattest ihn fast! Los, mach weiter!“
    Thara schluckte und nickte hastig. Sie schloss die Augen, atmete einmal tief durch und ließ wieder die Magie in den leblosen Körper fließen, noch vorsichtiger diesmal.

    Wieder schlug der tote Goblin die Augen auf. Diesmal blieb er jedoch liegen, nur seine Gliedmaßen zuckten ein wenig und er mahlte mit den Kiefern, was ein nasses, schmatzendes Geräusch verursachte.
    „Äh … H-h-hallo, Goblin?“, fragte Thara zögerlich. Der Leichnam rollte mit den Augen, bis sein Blick sich schließlich auf sie richtete. Sein gequältes Röcheln mochte eine Antwort sein oder auch nicht, aber Thara hatte das Gefühl, dass er bereit war, mit ihr zu sprechen. Irgendwie. Nur, dass ihr gerade ein ganz anderes Problem in den Sinn kam – sie konnte doch gar kein Goblinisch!
    „Worauf wartest du?“, drängte Vabun, „Frag ihn, wo Fladnag die Artefakte aufbewahrt!“
    „S-s-seine … d-die Sprache!“, flüsterte Thara, als hätte sie Angst, die Verbindung zu verlieren, wenn sie laut redete, „Ich k-k-kann keine … G-goblinsprache!“
    Vabun winkte ab. „Völlig egal. Spielt keine Rolle. Ich kann ja auch keine Stein-Sprache, und trotzdem kann ich mich mit ihnen unterhalten! Versuch es einfach, du wirst schon sehen!“
    Die Erklärung kam Thara zwar nicht sehr überzeugend vor, aber was blieb ihr anderes übrig? Also holte sie noch einmal tief Luft und versuchte es:
    „Also … äh … Goblin! W-w-wo hat der … der … F-f-fladnag sein … seine … also, seine Schätze und so? I-i-ich meine die Artefakte! Die Rune! U-u-und das Schwert!“
    Der Goblin glotzte sie an. Mit Blut vermengter Speichel troff durch die zerfetzte Wange und sammelte sich neben seinem Kopf. Aber sonst – nichts. Keine Reaktion, keine Antwort.
    Die Nekromantin in Ausbildung seufzte frustriert.
    „S-seht ihr? E-e-er versteht mich nicht!“
    „Chrrr … hnnnnnggg!“, krächzte auf einmal der Goblin und ließ Thara erschrocken zusammenzucken, „Rrrrrchhh … ngl’wui mnagh rrroooogh… jazmal chacha ugladronnnng…“
    Vabun grinste und nickte, mit sich selbst zufrieden, während der Goblin weiter in seiner fremdartgien, gutturalen Sprache mit einiger Mühe Silbe um Silbe hervorwürgte.
    Überrsascht stellte Thara fest, dass sie ihn tatsächlich verstehen konnte – nicht im konventionellen Sinn, die Worte, die er von sich gab, blieben ihr vollkommen unverständlich, aber über die magische Verbindung, die sie zu ihm aufgebaut hatte, wusste sie einfach, was er ihr mitteilen wollte – so, als würde sie die Gedanken lesen, die er formte, bevor er sie in Worte fasste.

    Sie hätte den Prozess nicht beschreiben können. Es war ein sonderbares Gefühl, die Gedankenwelt eines toten Goblins vor dem inneren Auge zu sehen, und keineswegs immer angenehm. Unter den oberflächlichen Gedanken herrschte ein Grundrauschen aus unkontrollierten Gefühlen, die größtenteils von den letzten Augenblicken seines Lebens herrühren mussten – Thara spürte Angst, Schmerz und Verwirrung. Ihre linke Gesichtshälfte fing an, leicht zu brennen, und in ihrem Brustkorb machte sich ein dumpfer, stechender Schmerz breit – ein Echo der Verletzungen, die der Goblin davongetragen hatte, als er von Vabun „beschafft“ worden war.

    „D-die pinke Truhe!“, murmelte Thara, die Gedanken des Goblins übersetzend. „Weil … pink … sieht man nicht …“
    „Goblin-Logik“, kommentierte Vabun, „Rot macht dich schneller, Blau bringt Glück, Weiß macht dich gefährlicher – dummer Aberglaube! Obwohl ich manchmal den Eindruck habe, dass die Roten wirklich schneller sind… Hm.“
    „Aaaaaarrrrgh … grrr … knaft ka traaaagh … ni chooom …“, schnarrte der Goblin und begann, den Kopf ruckartig nach links und rechts zu werfen, „Ni chooom! Niiii …“
    „Es … tut weh!“, übersetzte Thara automatisch, „S-s-so viel Schmerz … lass … freilassen …“
    „Grrraaah! Hnng … zafflaaaah … chooom …“
    Der Goblin begann, stärker zu zucken und bäumte sich plötzlich wieder auf. Es sah aus, als würde er sich gegen unsichtbare Fesseln werfen und daran zerren. Zugleich spürte Thara einen wachsenden geistigen Widerstand. Die flackernde Lebenskraft des Goblins zappelte und wand sich und setzte alles daran, ihr zu entgleiten.
    „Schlüssel!“, stieß Thara hervor und verstärkte ihren magischen Griff, „Wo s-sind die … die Schlüssel? F-f-für die … pinke Truhe?“
    „Raaaaaaaaahhhh!! Gaaarrgh! Aaaaaah!“, gurgelte, kreischte und brüllte der Goblin. Er stieß nur noch unverständliches Geschrei aus, und auch die Gedanken, die Thara von ihm empfing, waren nichts anderes mehr als inkohärenter, sinnesbetäubender geistiger Lärm. Ihre Wange brannte wie Feuer und der bohrende Schmerz in ihrem Brustkorb trieb ihr bei jedem Atemzug die Tränen in die Augen, aber sie ließ nicht locker.
    „Die Schlüssel!“, presste sie zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervor und verstärkte ihren magischen Druck auf die zappelnde kleine Seele des Goblins noch weiter, „Wo? S-sag es mir! Dann l-lass ich dich…“
    Doch es hatte keinen Sinn mehr. Der Goblin verstand sie wahrscheinlich nicht einmal mehr. Sein Kreischen schraubte sich in ungeahnte Höhen, das Geräusch einer trockenen, toten Kehle, die wie ein Reibeisen klang und einem schon beim Zuhören Halsschmerzen verursachte. Er zuckte und zappelte unkontrolliert, flappte auf dem Plinth herum wie ein Fisch auf dem Trockenen, bis er herunterfiel und vor Thara auf dem Boden landete. Dort bäumte er sich noch einmal auf, stemmte sich mit den Armen hoch und kotzte der jungen Magierin einen Schwall dunklen, halbgeronnenen Blutes vor die Füße. Geisterhaftes blaues Leuchten brach plötzlich aus seinen Augen, seinem Mund und den Wunden in seinem gebrochenen Körper hervor, er brüllte noch einmal, hob die Hand, als würde er nach Hilfe bitten, und brach schließlich in sich zusammen. Das Leuchten erlosch und der tote Körper blieb reglos liegen.

    Thara presste die Hände an ihre Schläfen und taumelte rückwärts von dem Leichnam weg, bevor sie sich unelegant auf den Boden plumpsen ließ. Ihr Kopf dröhnte; bei seinem letzten Aufbäumen hatte der Goblin sie, bewusst oder unbewusst, mit einer kakophonischen Flut an Bildern, Gedanken und Gefühlen überrollt, so dass sie für kurze Zeit vollkommen die Orientierung verloren hatte und jetzt erst wieder ein wenig brauchte, bis sie wusste, was, wer und wo sie eigentlich war.
    „Pinke Truhe …“, murmelte sie, „Die s-s-sieht man nicht!“

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    Local Hero Avatar von Arzu
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    Der Zirkel um Xardas im Forenrollenspiel
    Arzu ist offline
    Arzu kam gerade noch rechtzeitig wieder zurück, um dem Schauspiel beizuwohnen, welches Thara fabrizierte. Es mutete wie eine unvollständige Beschwörung an. Statt ein Skelett oder einen Zombie aus dem Jenseits zu rufen, verwendete das dürre Mädchen die Überreste des Goblins. Und statt ihn auferstehen zu lassen, ließ sie ihn sprechen. Die Untoten, die Arzu kannte, hatten niemals viel zu sagen. In den Augen der Varanterin war es auch in diesem Fall unnötig, denn sie verstand nicht ein Wort des verhexten Goblins.
    Ein Trugschluss, wie sich bald herausstellte. Thara schien sehr wohl die fremde Sprache zu verstehen. Lag es an dem Zauber, den sie wirkte? Eine andere Erklärung fiel Arzu jedenfalls nicht ein. Sie war zumindest beruhigt, dass Vabun genauso wenig zu verstehen schien. An ihr lag es also nicht.
    Nachdem das Röcheln und Aufbäumen des Goblins endgültig aufgehört hatte, trat die Nekromantin näher. Sie beute sich über die Leiche und verzog das Gesicht. Ein ausgesprochen unappetitlicher Anblick.
    »Hast du gut gemacht!«, lobte Arzu ihre Zirkelschwester und half ihr auf die Beine. Zwar hatte der Goblin sich erbrochen und Blut über den schachbrettartigen Boden verteilt, doch er war nicht explodiert.
    »Wir müssen also eine pinkfarbene Truhe finden?«, fuhr sie fort.
    »Und den Schlüssel!«, ergänzte Vabun.
    Arzu zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht haben sie ja vergessen, abzuschließen. Egal. Als ich beim Goblinkönig war, habe ich keine Truhe gesehen. Die müssen sie irgendwo anders versteckt haben.«
    Arzu stemmte die Hände in die Hüfte und blickte gedankenversunken zur Decke hinauf.
    »Ha! Ich hab's! Die Sachen sind bestimmt im antimagischen Raum. Da können sie Fladnag keinen Schaden anrichten.«
    »Also los! Zum Vabunmodil!«, rief der Versteinerte und streckte den Zeigefinger in die Luft.
    »Was?«, fragte Arzu und guckte Vabun schräg an.
    »Was?«, fragte Vabun und guckte Arzu schräg an.
    Genau in diesem Moment rollte die Pferdelose Kutsche im angrenzenden Gang vor, mit der sie schon einmal gefahren waren. Gemeinsam liefen sie alle hinüber, nur um hinter sich einen lauten Knall zu hören. Die Überreste des Goblins waren explodiert und hatten sich in der gesamten Eingangshalle verteilt.
    »Zum Glück muss ich das nicht saubermachen.«, sagte Arzu trocken und stieg in die Kutsche.

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