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Im südlichen Sumpf, Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik, Maris und Runa
„Die meisten Leute denken ja, man muss Oberarme wie ein Bär haben, um so schwere Bögen ziehen zu können“, laberte Frank gut gelaunt in Maris‘ Rücken an Runa gewandt. „Klar, man muss schon kräftige Arme haben, und ich heb dir auch ordentlich was weg, das kannst du mir glauben, Kleine. Das Geheimnis ist aber ein anderes: du musst aus den Rückenmuskeln ziehen!“
„Versteh ich nicht“, entgegnete Runa. „Wie soll das mit dem Rücken denn funktionieren?“
„Ungefähr so!“
Als Frank geräuschvoll wie der Ochse, als den ihn Jilvie beschrieben hatte, abstoppte, wandte Maris sich missmutig um. Frank spannte seinen massiven Langbogen ohne aufgelegten Pfeil und zeigte dabei eine befremdlich aussehende Verrenkung, bei der er leicht nach vorn gebeugt im Hohlkreuz stand. Erst als er den Boden gespannt hatte, richtete er sich auf, ohne die Haltung im Hohlkreuz zu verlassen. Maris wandte sich wieder ab und ging weiter.
Runa indes kicherte: „Das sieht dämlich aus!“
„Aber nur so kannst du die Zugkraft aufbringen, Kleine!“, erwiderte Frank nach einer kurzen Pause, in der er vermutlich den Bogen wieder entspannt hatte – nicht ohne ein klein wenig Empörung in der Stimme.
Plötzlich ging Hund an der Spitze der Gruppe in Habachtstellung. Sana blieb stehen und sah sich lauernd wie ein aufgeschrecktes Tier in der Gegend um. Maris hielt ebenfalls und hob die Faust.
„Ohne die Technik schaffst du vielleicht- holla! Was ist denn los?“, rief Frank, als er wie ein Trottel auf Maris auflief. Seamus knurrte von hinten mit leise: „Hey Labersack: Fresse halten!“
Nun spürte er es auch: zu seiner Rechten, gar nicht weit von hier, ballte sich die dunkle Magie der Verderbnis. Ihr Patrouillenpfad führte sie eigentlich weiter geradeaus, doch wenn eine größere Bedrohung so nah am Basislager umherzog, mussten sie den Umweg in Kauf nehmen. Immerhin hatten sie noch keine Markierungen an den Bäumen gesehen, die auf eine Bedrohung hinwiesen, also war die Gegend entweder noch nicht vollständig ausgekundschaftet worden, oder das Ziel war erst vor Kurzem in dieses Gebiet eingefallen.
Sana machte den Eindruck einer Katze, die mit erhobenem Buckel mit stetig wachsamem Blick zur Seite einen großen Bogen um eine stärkere Katze machte. Sie war drauf und dran, sich wieder in Bewegung zu setzen und dem Weg zu folgen, weg von der Bedrohung.
„Wir machen einen Abstecher zwischen die Tümpel“, sagte Maris gedämpft.
Die Jägerin riss die Augen auf. „Nein. Hund, komm!“
„Du kommst mit, Sana, oder du wirst den Rest des Sumpfes allein durchqueren.“
Sana hielt inne. Ihre Augen rasten hin und her, während sie ihre Möglichkeiten durchspielte. Ihre einzigen Optionen zu überleben waren die sofortige Rückkehr zum Lager oder, sich Maris‘ Anweisungen zu fügen – je länger sie da stand, desto mehr schien ihr das bewusst zu werden. Ihre Augen waren zornig, als sie den Kopf ruckartig in seine Richtung umwandte.
„Fein. Aber ich werde nicht kämpfen.“
„Unsere Aufgabe ist immer noch die gleiche. Wir beobachten, schätzen ein und markieren die Gegend“, entgegnete Maris. „Ich gehe voran, Sana und Runa passen auf, dass uns niemand in den Rücken fällt.“
Er wandte sich zu Runa an seiner Seite und murmelte ihr zu: „Behalt sie im Auge und ruf mich, wenn sie abhaut.“
Maris führte sie herunter von den Stegen und hinein in das unbefestigte Sumpfgebiet. Er gab sich alle Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er diese Umgebung hasste. Das Einzige, was jetzt zählte, war dieses Vieh ausfindig zu machen, dessen Anwesenheit er ganz klar ein Stück voraus spürte.
Plötzlich drangen die Fetzen eines Rufes über’s Wasser an sein Ohr. Maris zuckte zusammen.
„Was war das denn?“ Frank war seiner Stimme nach zu urteilen ganz und gar nicht wohl bei der Sache. Maris antwortete nicht.
„Kommt!“ Er beschleunigte das Tempo.
Je näher sie kamen, desto mehr hörten sie das Klirren, Rufen und Ächzen eines Kampfes. Noch im Gehen sammelte Maris seine Kräfte in dem Zeichen des Löwen, das er auf ein um seinen Arm gewickeltes Tuch gemalt hatte. Dort vorn war der Kampf bereits in vollem Gange – sie mussten helfen, auch wenn das nicht ihre Aufgabe war. Als sie schließlich durch eine Phalanx aus halb verrotteten Baumstümpfen traten, offenbarte sich auf der Freifläche vor ihnen ein bizarres Bild: eine Gruppe von Jägern, von denen er einige wiedererkannte, kämpften gegen eine Horde halb verwester, wiedererstandener Tiere – gemeinsam mit einer Gruppe von Goblins und einem verdammten Oger!
Er sah Yarik, Ornlus Schüler, im Kampf gegen ein menschliches Skelett; den Aufschneider, der Ornlu beleidigt hatte, gemeinsam mit der dunkelhäutigen Fremden gegen einen verrottenden Lurker; die sichtlich dezimierten Goblins, die sich um verletzte Kameraden kümmerten und sich zweier angefressener Blutfliegen erwehrten; und der verdammte Oger steckte mitten in einem Ringkampf mit einem riesigen, verschimmelten Faultier!
„Heilige Scheiße, was ist denn das für ein Massaker hier?“, rief Seamus. Überall lagen die Überreste weiterer verwesender Tiere herum. Das war keine gewöhnliche Verderbnis – das war offene Beliarmagie!
„Papa, da drüben!“ Runa zeigte auf den Aufschneider und die Fremde, denen sich zwei zerfledderte Warane im Rücken näherten. Er wandte sich zu den beiden Männern an seiner Seite. „Frank, nagel sie mit Pfeilen fest! Seamus, auf die Köpfe! Ich versuch dem Dicken zu helfen, aber es muss irgendwo eine Quelle für die Viecher geben!“
Er sprang in die sumpfige Brühe und richtete seinen Blick ganz auf die beiden streitenden Riesen. Als Mensch geriet man dort besser nicht dazwischen, aber vielleicht konnte er dem Oger zumindest einen entscheidenden Vorteil gegen das Faultier verschaffen. Er hoffte nur, dass der Kerl wirklich auf ihrer Seite war.
„Echuio!“
Das Symbol auf dem Tuch leuchtete auf – der Geist einer jungen Löwin sprang aus dem strahlenden Symbol hervor und rannte über das Wasser, als wäre es fester Grund. Sie sprang dem Faultier an ein Bein und verbiss sich darin, riss den Kopf herum und sprang vom Boden ab, bis das Bein mit einem ekelerregenden Schmatzen nachgab und abbrach. Das Faultier stürzte rücklings um und der Oger begrub seinen Gegner unter seiner fetten Wampe. Wutentbrannt hämmerte er mit den Fäusten auf die Brust und den Schädel der Bestie ein, die blind mit ihren gewaltigen Klauen nach ihm ausschlug. Die Löwin verbiss sich in einem der Arme des Faultiers und gab dem Oger die Freiheit, um sich aufzurichten, die zweite Klaue mit einer Hand zu fixieren und mit der zur Faust geballten anderen Hand immer und immer wieder in das Gesicht des Faultiers zu schlagen, bis das Zucken und Winden schließlich nachließ und der riesige Leib völlig erstarb.
Der Oger richtete sich auf, breitete die Arme aus und brüllte seinen Siegesschrei in den Himmel. Dann hob er etwas vom Boden auf, das wie die perverse Replik eines Saiteninstruments aussah, aber auch genauso gut eine Keule hätte sein können, während der Geist der Löwin sich in Nichts auflöste, und trat auf Maris zu. Der Nomade zwang sich, ruhig zu bleiben und nicht selbst die Waffe zu ziehen. Zu seiner Erleichterung griff der Oger ihn tatsächlich nicht an, sondern hob die freie Hand.
„Glok Dank an dich und Katze! Müssen Freunde beschützen, dann hässliche Alte plattmachen!“
Der Oger namens Glok wandte sich ab und rannte zu den immer noch kämpfenden Goblins hinüber. Und Maris erlaubte sich nach einem schnellen Kontrollblick nach seinen Leuten ein Staunen: wenn selbst dieser Brocken die Quelle des Unheils, die da noch irgendwo lauern musste, als hässliche Alte beschrieb, musste da ein wahrhaft widerliches Vieh auf sie warten…
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Im südlichen Sumpf, Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik, Maris und Runa
Sein Schädel brummte, doch zugleich nicht nur dieser. Durch seine Aktion schmerzte nun sein gesamter Körper. Der Lurker war doch etwas widerstandsfähiger als gedacht, aber er wollte Chala nicht alleine lassen und hatte sich so entschieden, ihr zu helfen. Warum er nicht sein Schwert einsetzte war einfach erklärt, er konnte zwar etwas damit umgehen war aber noch etwas unsicher bei der Handhabung und Darius würde ihn sicher einen Kopf kürzer machen, wenn er hier fehler machte und vielleicht jemanden verletzte.
Sein neuer Ast jedoch würde auch erstmal reichen, um den Lurker sicher etwas zuzusetzen. Dieser hatte sich wieder erhoben aufgerichtet, stürmte auf Valerion und Chala zu, um beide zu attackieren.
Wie schon einige Male davor holte Valerion mit dem Stock aus, um den Angreifer zu attackieren. Der harte Stock krachte gegen den Schädel des untoten Monsters, zerbrach mit einen Knall und blieb im Gesicht des Lurkers stecken.
„Verdammte scheiße“; fluchte der Bärtige. Erst hatte ihm die Gans einen Stock weggeschnappt, dann zerbrach jetzt sein neuer, aber das war kein Problem. Schnell konnte er sich einen neuen Stock suchen, da der Lurker noch etwas unsicher sich versuchte zu orientieren. Chala nutzt die Chance und versuchte die Kehle des Lurkers, zu erwischen, um ihn den Kopf abzuschlagen, aber ihre Waffe konnte nicht den ganzen Schädel abschlagen.
Der Bärtige schaute sich um, als er eine kleine Gruppe an Leuten bei dem Oger erkannte. War das dieser Maris? Der ihn komisch angebrüllt hatte? Was suchte dieser Kerl den nun hier, wollte er ihm noch eine Lektion erteilen?
„VALERION VORSICHT!“ schrie Chala, er drehte seinen Kopf, sah noch die Pranke des Monsters ankommen und wurde voll erwischt, er flog ein paar Meter mitten in ein Gebüsch.
Er seufzte schwer auf, sein Körper schmerzte, irgendwo blutete er auch, aber er konnte sich jetzt nicht drauf konzentrieren. Das Biest kam angestürmt, schnell schnappte er sich einen langen Stock und rammte diesen durch den Körper des Lurkers. Er flog nach hinten um, vom Stock durchbohrt, der sich nun in den Boden vorantrieb.
„Autsch“, rief der Bärtige, rieb sich seinen Ellenbogen und ging zu Chala.
„Gehts dir gut?“, fragte er sie.
„HINTER DIR“, rief eine ihm unbekannte Stimme, als Valerion sich umdrehte sah er wie das Viech sich befreit hatte, wohl hatte er sich irgendwie aus dem Stock gezogen und dabei seinen Körper etwas zerfetzte.
Geändert von Valerion (25.03.2024 um 17:45 Uhr)
Grund: Im südlichen Sumpf, Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik, Maris und Runa
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Nördlicher Bruchwald - später Nachmittag
Beinahe wäre es um sie geschehen gewesen. Das fürchterliche Klackern der unzähligen Beine des Tausendfüßlers auf ihren Fersen war so laut geworden, dass Zarra sich bereits zwischen seinen kräftigen Mandibeln gesehen hatte. Doch wie durch ein Wunder war sie verschont worden. Ein animalischer Schrei hallte durch den Bruchwald und ein Geräusch als würde Metall in einen harten Holzstamm getrieben. Sie hatte einen Blick nach hinten gewagt und blieb ob des Schrecks stehen, der sie durchfuhr. Dort stand jener Hüne, der sie zusammen mit der rothaarigen Freiya und dem Teeliebhaber Melford besucht hatte – oder wohl eher Nerea, denn wer wollte schon zu ihr?
"Bringen sie euch Grünschnäbeln heute nicht mehr bei, dass man nicht alleine im Sumpf spazieren geht?“, fragte der haarige Fleischberg und seine Stimme war so gar nicht wie sie sich daran erinnerte.
Bei ihrer ersten Begegnung war er verschüchtert gewesen, ruhig und umgänglich gewesen. Jetzt jedoch lag eine Härte darin, dass sich dem Mädchen die Nackenhaare aufstellten. Ein Grinsen spaltete seinen Mund und etwas Wildes lag in seinen Augen, ehe er den massigen Nacken dehnte und die Knochen selbst über dem Zersplittern des Holzstammes zu hören war, welcher sich – wie Zarra nun feststellte – zwischen den Mandibeln des monströsen Insekts befand.
"Halt den Kopf unten. Das könnte gleich hässlich werden“, wies Griffin sie an, ehe er sich wieder dem Monster zuwandte.
Ungläubig starrte die Jugendliche an dem breiten Rücken des Riesen vorbei, sah gerade noch wie ein hochgewachsener Mann ein Seil um die nächstbeste Esche gespannt hatte, an dessen anderem Ende der Tausendfüßler angebunden war. Das Vieh wollte sich rächen, den in seinen Augen mickrigen Mann zerquetschen, doch die provisorische Leine hielt es zurück.
Griffin lachte.
Er lachte während er dem Tode in den Schlund starrte, aufgehalten vom seidenen Faden.
Unglaublich, dachte die jüngste Rimbe und wollte schon Jubeln, als sie den ächzenden Baum bemerkte, der sie davon ablenkte zu sehen, wie Freiya neben ihr landete und sie mit sich zog.
„Schnell! Weg von dem Ding!“
Sie verlor den Kampf aus den Augen, als sie sich an die Schritte der größeren Frau angepasst und in Laufrichtung gedreht hatte. Sie schaute kurz auf zu ihr und sah, dass sie sich ein Tuch über Mund und Nase gezogen hatte. Es half sicher gegen den Gestank des Tauendfußes.
Sie brachen durch einige Büsche, ehe die Rothaarige sie in die Hocke zog. Erst jetzt stellte Zarra fest, dass ihr ganzer Körper vor Aufregung und Anstrengung bebte. Sie schmeckte Erde und Blut auf der Zunge und ihre Sicht war verklärt vom Schweiß.
„Geht es dir einigermaßen gut?“, fragte die Jägerin sie, während das Mädchen auf seine Hände starrte.
Nein! Ich wäre fast gestorben, mein Körper ist geschunden und die Angst bringt mich beinahe um!, hätte sie am liebsten geschrien, doch sie blickte nur in die tiefgrünen Augen der anderen Frau und nickte bestätigend.
Freiya nahm dies vorerst hin und schaute sich nach dem Kampf um, der zweifelsohne noch immer tobte. Auch die Weißhaarige wollte einen Blick erhaschen, doch bereute es bereits im nächsten Augenblick. Sie beobachtete, wie der Hauptmann mit seinem mächtigen Schwert eines der Mandibeln durchtrennte. Die Wucht des Schlages ließ das mächtige Kauwerkzeug weit durch die Luft fliegen, bis es auf dem weichen Boden aufschlug und mit dem Restschwung in einem nahen Tümpel, wenige Schritte von den beiden Versteckten zum Stillstand kam. Angespannt starrte Zarra auf das aufgewühlte Brachwasser. Tausendfüßler waren Jäger, sie nutzten starkes Gift und wenn dasselbe für dieses Wesen galt, dann…
Sie konnte ihren Gedankengang nicht zu Ende führen, als auch schon das austretende Sekret das Wasser grau färbte und auch die Konsistenz dicker wurde, fast wie Schlacke. Die Luft entwick aus dem Tümpel, geschwängert von toxischen Dämpfen, die bei Kontakt des Insektengifts mit der Luft entstanden.
Eilig zog Zarra den Saum ihres Umhangs so hoch sie konnte. Wenn sie etwas davon einatmete, wäre nicht auszumalen, was mit ihrem geschwächten Körper geschehen würde. Freiya hatte bereits ihr Gesicht bedeckt, weshalb die Jägerin fürs Erste sicher sein sollte.
Als wollte die Mutter selbst sie züchtigen, war der Probleme noch kein Abend, als ein Rudel von Snappern aus dem nahen Dickicht auftauchte. Es war ein großes Jagdrudel. Jetzt jedoch war es die Rothaarige, welche es Griffin gleichtat und sich zwischen die Scharfzähne und sie stellte, die Arme schützend – drohend, korrigierte sich das Mädchen – ausgebreitet hatte und auf die Reptilien einredete.
„Hier jagt nur eine Rote Snapperin mit ihrem Rudel! Das ist unsere Beute! VERZIEHT EUCH!“, schrie sie mit einem verborgenen Knurren in der Stimme.
Rote Snapperin, schnappte die Weißhaarige die seltsame Bezeichnung auf, ehe sie nicht schlecht staunte, als das Jagdrudel tatsächlich kehrt machte.
Viel zu schnell überschlugen sich die Ereignisse, als dass sich die Jugendliche auf ihre Gefühle konzentrieren könnte, die sie zu übermannen drohten. Furcht um ihr Leben, Ehrfurcht vor dem Mut und der Opferbereitschaft ihrer Retter, schiere Verzweiflung wegen der Situation und unendliche Dankbarkeit. Wie sollte ein kleiner Mensch wie sie all das auf einmal verarbeiten?
Sie wandte sich um, als die Snapper zurückwichen, wollte sehen, wie es um den Kampf mit dem Tausendfuß stand. Doch der Anblick löschte all die Empfinden, welche sie zu sortieren versuchte. Das Monster kam direkt auf sie zu. Was war mit Griffin und dem Hauptmann geschehen?
Zarra wollte losrennen und bemerkte, dass auch Freiya die Gefahr entdeckt hatte. Die rote Jägerin lief bereits los, während sie sich noch nach ihrem Schützling umsah, steuerte dabei auf den verseuchten Tümpel zu, dem sie sich genähert hatte, als sie die Snapper vertreiben musste.
„Halt!“, wollte die Kleine schreien, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken.
Stattdessen erreichte sie die Frau mit einem Satz, den sie sich selbst nicht zugetraut hätte und schlang die Arme um ihre Hüften und zog sie von dem Todessee fort.
„Danke“, keuchte Freiya, doch es war eine zu früh ausgesprochene Geste, denn die wenigen Momente des Zögerns hatten dem Jagdinsekt gereicht sie einzuholen und ihnen jeglichen Ausweg zu versperren.
Die riesigen Segmente platzierten sich um die Beute des Viehs mit tausend Beinen bald schon gäbe es kein Entkommen mehr für sie. Zarras Blick war leer geworden, sie hatte nicht mehr die Kraft sich zu fürchten oder mit dem Tode abzufinden. Lediglich das Gefühl hunderter Insekten auf ihrer Haut kündete von dem Unheil, was sie bald ereilen würde.
„RUNTER!“
Ein lauter Schrei drang zu ihnen durch und so schnell wie Freiya sie mit sich runterzog, konnte das Mädchen nicht einmal realisieren, woher der Ruf erfolgt war.
Flatsch
Mit dem Geischt voran landete sie ihm schlammigen Untergrund, der Körper der Jägerin drückte sie dabei tiefer, als sie sich schützend auf sie warf.
„Bleib unten!“, beschwörte sie die Weißhaarige, die sich auf die Kälte des Matsches konzentrierte, die im Starken Kontrast zur Wärme des Körpers, der auf ihr lag, stand.
Plötzlich verschwand die Wärme und mit ihr der Druck auf ihrem Rücken, doch beides hinterließ eine Leere. Sie würde unten bleiben, sowie ihr geheißen wurde.
Geändert von Zarra (25.03.2024 um 18:18 Uhr)
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Westliche Tempelruinen, noch (später) Nachmittag - Auf den Spuren von Mr Krabbs Cousine die Mudda!
Schattenläufer. Bis jetzt hatte Kiyan nur Stiche oder Zeichnungen dieser Kreaturen gesehen und die Götter wussten, dass er eine Begegnung mit einem atmenden Vertreter dieser Spezies in Fleisch und Blut wahrscheinlich nicht überlebt hätte. Dieses grüne Biest war umso mächtiger, ein wahrer Titan unter seinesgleichen. Am Horn konnte der Jäger erkennen, dass das Monstrum schon alt sein musste, weit älter als ein Schattenläufer wohl werden konnte. Dann fragte er sich aber, wie alt diese Kreaturen überhaupt werden konnten … und am Ende wollte Kiyan die Antwort gar nicht so genau wissen.
Die Konkurrenz, hatte Ornlu der Gruppe ruhigen Tones nochmals erklärt, Champions der Wilden Jagd.
Es schien dem Jäger so, dass die Kreatur zu ihnen blickte, dass ihre Augen einen Moment lang Ornlu fixierten, als würde sie in ihm ein gleichgestelltes Raubtier sehen. Er würde nicht angreifen, das ahnte Kiyan, solange sie ihm die Beute nicht streitig machen würden. Sollten sie jedoch … der Gortharer schüttelte sich kurz, stellte sich vor, wie sie wie blutgierige Wölfe um den Kadaver streiten würden und wusste, dass sie den Kürzeren ziehen würden. Oder dass wenn sie siegen würden, der Preis dafür hoch sein würde. Sehr hoch.
Kiyan blinzelte. Wo war das Biest hin?
„Äh …“, machte er, was von Okam mit einem belustigten Schnauben beantwortet wurde. Vigo nickte in die Richtung des verschwundenen Schattenläufers.
„Mitunter beherrscht manch Champion der Wilden Jagd … naturmagische Fähigkeiten. Der Schattenläufer scheint wohl dem Auge entrinnen, sich mit der Umgebung verschmelzen zu können.“, erklärte er, was der Wolfsdruide mit einem Nicken unterstrich, ehe er wieder ein Zeichen gab, dass sie doch gefälligst ruhig sein sollten.
Etwas krachte im Unterholz, etwas schob sich über umgestürzte Bäume, durch dickes Wurzelwerk. Ein seltsam summend-zischendes Geräusch war zu hören, ehe eine Kreatur wie aus einem verdammten Albtraum auftauchte. Es war ein Insekt, in etwa so groß wie eine Hütte oder ein kleines Haus, hatte vier stachelbewehrte Beine und ein vertikal angerichtetes Maul mit Stacheln, Zähnen und Mandibeln. Auf dem Rücken thronte die Karikatur eines Schneckenhauses oder einer Muschel, ebenfalls stachelbewehrt.
„Wie wohl die Schnecke ausgesehen hat, der die Bude gehörte …“, fragte er sich noch halblaut, ehe der Schattenläufer sichtbar wurde und sich mit einem donnernden Sprung auf das Monstrum stürzte. Ornlu hob die Hand, schüttelte den Kopf. Die Prankenhiebe dröhnten geradezu, als sie auf den Panzer niedergingen. Das Insektenvieh zischte und summte aggressiv, ehe es versuchte, sich im Hals des Schattenläufers mit seinem gigantischen Maul festzubeißen. Irgendwie wusste Kiyan, dass das Ding Blut saugen konnte. Es würde verdammt nochmal zu diesem lebendig gewordenen Albtraum passen.
Ornlu gab erneut ein Zeichen. „Diese Beute überlassen wir dem Alten“, erklärte er und schaute weiterhin auf den Kampf, der langsam zu Gunsten des Schattenläufers ausfiel. Gerade riss er ein Bein aus und versuchte, das Rieseninsekt auf den Rücken zu werfen.
Kiyan entspannte sich etwas. Adanos, ein Glück, dachte er nur, ehe er sich wieder straffte. Es würde weitergehen. Irgendwann würden sie auch noch Beute … machen müssen.
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Mit einem kaum hörbaren Surren der Luft schnitt die Klinge des Hauptmanns die Luft und gut ein Dutzend der kleinen, knorrigen, zappelnden und sich ständig bewegenden Beinchen des riesigen Ungetüms, prallte dann aber mit einem klirrenden Geräusch von der dicken Außenhülle des Krabbeltiers ab, das wütend eine andere Richtung einschlug und weiterkrabbelte. Griffin lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er war der Ansicht, dass jedes Lebewesen seine Daseinsberechtigung hatte und dieses Vieh hier war keine Ausnahme davon. Aber dass es dabei so verdammt hässlich und krabbelig und widerlich sein musste, das war wirklich gänzlich unnötig.
Er hastete durch den morastigen Untergrund zu den beiden Frauen. Er half zuerst der roten Snapperin, die ihr Schwert umklammert hielt, von dem schwärzliches Etwas tropfte. »Du musst Ryu helfen.«, wies er sie knapp an und blickte dann zu Zarra, die beide Hände über den Kopf geschlagen hatte und sich zu schützen versuchte, ohne aufzublicken. Er ergriff Freiyas Unteram und sie den seinen. Doch statt beim Gruß zweiter Krieger zu bleiben drückte er Freiya an sein Herz. »Ich bin sofort wieder da. Pass auf dich auf.«, brummte er voller Sorge und lächelte ihr schief zu. »Und auf unseren Hauptmann.« Dann zwinkerte er und watete zu Zarra. Ohne ein Wort der Vorwarnung warf er sich das junge Mädchen über die Schulter und rechnete halb mit lautem Gezeter oder zumindest damit, dass sie wild um sich schlug und trat. Aber bis auf ein erschrockenes Kuchen blieb jegliche Reaktion aus.
Der Braunhaarige hastete durch das Sumpfwasser, möglichst weit weg von dem Ungetüm. Als er endlich einen ausreichend großen Abstand gefunden hatte, kletterte er eilig einen Baum hinauf und setzte Zarra auf einem ausreichend stabilen Ast ab. »Bleib hier in Sicherheit.« Er legte ihr die Hand auf den Kopf, was sie zusammenzucken ließ. »Wir müssen dem schleimigen Ungetüm Einhalt gebieten!«, verkündete er stolz und wandte sich zum Gehen.
Eine zarte Stimme in seinem Rücken verkündete kleinlaut etwas, auf das der Südländer wie angewurzelt stehen blieb. Langsam drehte er sich um. Sein Blick traf auf die funkelnden Augen der Weißhaarigen und ein Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. Zarra allerdings huschte ein erschrockener Ausdruck über die Züge.»Ich meine... ehm.« Sie senkte verschämt den Blick und verstummte augenblicklich. Der Braunhaarige bewegte sich mit winzigen Schritten ihr mit erhobenen Handflächen langsam auf das junge Mädchen zu, als wolle er sich einem verschreckten Wildtier nähern.
»Alles ist gut.« Er sprach sanft und langsam. Jede Silbe eine Versicherung, dass keine Gefahr von ihm ausging. Jedes Wort ein Versprechen, dass sie sich nicht in Gefahr befand. Doch es half nichts. Zarras Kopf versank weiter zwischen ihren abwehrend erhobenen Schultern. Griffin kniete sich hin - was angesichts der Tatsache erschwert wurde, dass sie noch immer auf einem Ast mehrere Meter über dem Boden befanden, deutlich erschwert wurde - und verrenkte sich, um sein Gesicht langsam in das Blickfeld des noch immer fest nach unten starrenden jungen Mädchens zu schieben. Er lächelte aufmunternd. Sie blickte erschrocken weg. Kein Augenkontakt also. Der ehemalige Hüter räusperte sich.
»Zarra, wenn du etwas weißt, wir könnten hier wirklich deine Hilfe gebrauchen.«, flehte er. Doch jegliche Reaktion blieb aus. Er spürte, wie sie mit sich rang.
Er ließ ihr die Zeit und setzte sich auf einen nahen Ast. Seine Füße baumelten entspannt in der Luft, während unter ihnen Rumoren zu hören waren, während Ryu und Freiya mit wachsender Verzweiflung und Erschöpfung, leider aber mit gleichbleibend wenig Erfolg, versuchten, den Angriffen des Tausendfüßlers Einhalt zu gebieten und zumindest ein wenig Schaden anzurichten.
»Ein bisschen Hilfe wäre nicht schleheeecht.«, rief Ryu von unten. »Zum Beispiel jetzt!«, setzte er brummend nach.
»Jahaaa. Jetzt warte doch mal!«, rief der Braunhaarige zurück und rollte ob der Ungeduld seines Waffenbruders mit den Augen. »Weißt du...«, seine Stimme war jetzt sanfter und ruhig. »Ich habe mal gehört, dass Tausendfüßler fünf bis zehn Herzen haben. Und jedes Herz versorgt die Füße mi-« Ein sanftes Wispern ließ ihn innehalten. Er widerstand dem Drang, den Blick zu Zarra zu wenden.
»haben... Herz.« Er versuchte die Lücken zu füllen. »Ach, tatsächlich?« Er hob erschrocken die Augenbrauen. »Dann war das wohl Unfug. Aber der Panzer ist trotzdem ganz schön hart, nicht wahr?« Im Augenwinkel sah er wie der Kopf der jungen Frau nickte. »Das liegt am...« Er lauschte. Nichts. »Am, wie heißt es noch gleich? Cham.. Cho...« »Chitin.«, korrigierte Zarra ihn leise. »So heißt der Panzer.«, ergänzte sie. Seine Miene erhellte sich. »Genau, so hieß es, danke!« Zarra lächelte schüchtern. Wieder hielt er einige Sekunden inne. »Viele Insekten haben so einen einen Panzer oder?« Die Weißhaarige nickte. »Ja. Damit schützen sie sich.« Griffin wartete geduldig. »Bei einem normalen Tausendfüßler ist der schon ziemlich dick. Bei einem Tier dieser Größe sollte der Panzer drei, vielleicht fünf Finger dick sein.« Griffin schwieg, während er aus dem Augenwinkel beobachten konnte, wie Zarra sich langsam auf dem Ast niederließ. »Eigentlich sind Hundert- und Tausendfüßler nämlich selber Jäger. Sie jagen mit Gift. Jede Art hat ihr ganz eigenes Gift. Manches lähmt, andere töten sofort, andere zersetzen den Körper.« Er ließ dann und wann ein interessiertes »Mhmm.« oder ein »Ach, wirklich?« verlauten, während das weißhaarige Mädchen mit ihren Ausführungen fortfuhr und Griffin Dinge erläuterte, von denen er nie im Leben geglaubt hatte, sie mal lernen zu müssen. Er erfuhr in den darauffolgenden Momenten, dass die Beine der Krabbler aus bis zu sieben einzelnen Segmenten bestanden - deren Namen er zwar hörte, aber gleich wieder vergaß - und in der Regel eines der Beinpaare an einer einzigen Platte, einem sogenannten Tergit, angebracht war. Diese Platten machten den gesamten Rumpf des Tiers aus und nur das erste und das letzte Segment war anders aufgebaut.
»Und die glänzen immer ein wenig so, weil sie mit einer ganz dünnen Wachsschicht überzogen sind, die ihr Körper produziert und sie vor dem Austrocknen schützt.« Der Braunhaarige schreckte auf. »Ohne dieses Wachs trocknen die Tausendfüßler also aus?«, hakte er nach. Zarra nickte. »Und glaubst du, dass das auch bei einem Tier dieser Größe funktioniert?« Wieder nickte die Weißhaarige. »Man braucht im Grunde nur ein bisschen Kieselgur.«, verkündete Zarra. »Oder Bergmehl. Ich habe sogar welches dabei.« Griffin sprang so heftig von seinem Ast auf, dass er kurz fürchtete, das weißhaarige Mädchen könne versehentlich in die Tiefe stürzen. Er vermied es, lautstark zu jubeln. Stattdessen hob er Zarra in die Höhe und wirbelte sie freudig um sich herum. Er lachte herzlich und sein ganzer Körper bebte. »Zarra, meine Liebe, du bist einfach die Beste!«, verkündete er freudig. Er drückte sie fest an sich, hielt sie kurz in die Höhe, sah sie breit grinsend an und schloss sie dann erneut fest in die Arme. Erst nach einer Weile ließ er sie wieder los, setzte ihr euphorisch einen Kuss auf die Stirn und griff dann ihre Tasche, bevor er sich lachend von dem Ast zum nächsten schwang.
»Bergmehl!«, schrie er lachend Ryu und Freiya entgegen und wackelte mit der Tasche in seiner Hand.
Geändert von Griffin (26.03.2024 um 16:41 Uhr)
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Westliche Tempelruinen, noch (später) Nachmittag - 1:0 für die Champions des Sumpfes - Kiyan + Ornlu
Ornlu war beeindruckt. Dieser Schattenläufer war mächtig. Verdammt mächtig. Mit Scundhattenläufern hatte er schon zu tun es war immer ein enormer Kraftakt gewesen, sich auf eine Ebene mit ihnen zu begeben und vor allem zu messen. Akzeptanz war bei Schattenläufern ein gewisses Glücksspiel. Immer erkannten sie den Wolfsdruiden, als den, der er in der Natur war. Seinen Ruf, wem er folgte und was er tat und vor allem getan hatte.
Da war sein wahrer Name und dieser hatte Gewicht in der Welt der Kinder der Mutter. Doch Schattenläufer waren keine ängstlichen Rehe. Sie waren den Zweiten und Dritten gleich, je älter sie waren und manchmal respektieren sie den Druiden und manchmal wollten sie Jadewolf einfach zerfleischen, um an Macht und sowas wie einen bestimmten Ruf zu kommen.
Bei Letzterem war es ein Kampf. Physisch und noch viel mehr mental auf magischer Ebene. Manchmal war dann die Flucht besser und manchmal der Kampf. Ornlu blickte zu seinem Druidenstab und betrachtete das darin verarbeitete Schattenläuferhorn. Seine Beute - auch wenn er nicht den Schattenläufer selbst, sondern seine furchterregenden Bezwinger im Hain des Hetzers mit seinen drei Sippenbrüdern vernichtet hatte.
Doch das war damals. Im Jetzt war es nicht der Druide, der mittels Magie in die Seele des Schattenläufers geblickt hatte. Es war umgekehrt und so schnell, dass er sofort wusste, dass diese Schattenläuferin mehr war, als nur die Bestie die Menschen in ihr sahen. Menschen wurden mit dem Alter manchmal etwas weiser. Zum Ende hin oft dümmer. Schattenläufer wurden nur weiser und überstiegen irgendwann einmal eine Grenze, die Menschen als selbsternannte Krone der intelligenten Schöpfung nicht überschreiten konnten. Sie war solch ein Wesen und der zweite Schattenläufer dieser Macht, den Ornlu jemals getroffen hatte.
So war es eine dezente Drohung ihr nicht in die Quere zu kommen und brav im Gebüsch weiter zu stinken, wie ein Rudel Wölfe nach dem Regen.
Ornlu hatte darauf nur wölfisch gegrinst und ihr eine gute Jagd gewünscht. Anstand musste ja einer bewahren.
Als dann ihr Kampf tobte, konnten sie sich alle ein Bild davon machen, wie brachial, intelligent und überlegen ein solcher Schattenläufer jagte und attackierte. Zurecht hatten selbst große Kriegsherren der Orks größten Respekt vor solchen Gegnern.
Erst ein Bein ausreißen, dann das Gleichgewicht dieser verdammt großen Kreatur stören und ran an den Bauch. Das war die gewählte Taktik der Bestie. Doch bei aller Überlegenheit war da dann noch etwas, was die Schattenläuferin nicht bedacht hatte oder eben doch bedacht und schnell sein musste. Dieses Zeitfenster hatte sich aber nun geschlossen.
Nicht nur, dass ihre Hauptgegnerin sich mit klebrigen Spinnenweben nun wehrte. Ihre Kinder kamen. Jene, deren Spuren sie nicht zu deuten wussten, da sie noch nie diese Insekten gesehen hatten.
Nun taten sie es und sie kamen ganz nach ihrer Mutter. Grünlich, hässlich, teils gepanzert und auf vier und sechs Beinen. Arbeiterinnen und Drohnen oder Krieger mit Stachelschwänzen.
Die Schattenläuferin wendete und stürzte sich mit dem Horn auf einen der Krieger, um ihn mit ganzer Wucht aufzuspießen und zur Seite zu rammen, bevor ihre Klauen den Chitinpanzer der Arbeiterinnen zerriss wie ein scharfes Messer ein dünnes Blatt.
Iun machte anstalten sich nun einzumischen. Nicht aus Solidarität mit der Konkurrenz, sondern vielmehr um die Situation auszunutzen. Ornlu hatte denselben Gedanken, schüttelte aber den Kopf als er sah wie ihre Konkurrenz zwar etwas einsteckte, aber klar machte wer der Predator unter all diesen Bestien war.
Als dann die Königin anstürmte wurde es brenzlig für einen Moment. Die grüne Bestie war umzingelt und stieß dann ein Brüllen aus, das mehr wie nur ein Brüllen war. Ein Schrei der für einen Moment selbst die Insektoiden stocken ließ und manch Arbeiterin flüchten ließ. Die Schattenläuferin nutzte die Lücke und entkam der Umzingelung, um sich sogleich eine flüchtende Arbeiterin zu schnappen. Kaum drehte sie sich, kamen ihr nun frontal mehrere dieser Viecher entgegen. Jetzt wurde es spannend, als sie zum Angriff ansetzen und mit dem ersten Schritt der Boden erzitterte.
Von der Seite barsten Äste und knickte ein Baum um und was man dann sah, war eine Trollfaust die auf den Panzer der Königin schlug und diese regelrecht umwarf. Der Einarmige war erschienen, klopfte sich auf die Brust und schlug mit der offenen Hand auf einen Krieger dieser krabbenartigen Wesen. Dann noch einmal, bevor er das Wesen packte und davon schleuderte.
Dann trieb er die Insekten auseinander und brüllte die Schattenläuferin an, die eine Drohne in drei Teile riss und vorbei wollte, um die Königin zu töten.
Wütend und die Luft regelrecht vibrieren lassend erklang ihr Ruf und dann wurde es für einen Augenblick still.
Der Einarmige und die grüne Bestie starrten sich an und dann drehte sie ab. Sie stürzte sich mit solcher Gier auf die Brut der Königin, dass man nicht zweifeln konnte, was für sie mehr zählte.
Der Troll indes bekam seinen fast kindlichen Willen und schlug auf die Königin ein, die sich wieder aufgebäumt hatte.
Das Vieh stürzte sich auf den Troll und Biss zu. Seine nicht in diese Welt gehörenden Zähne verhakten sich im Trollfleisch. Der Troll grollte laut auf und warf sich mit ganzem Leib auf das riesige Krabbenwesen. Das stemmte sich dagegen und beide Riesen wühlten das Erdreich auf, während die schiere Kraft förmlich in der Luft zu spüren war. Der Troll brüllte dann in einem Kraftakt auf, stieß sich von der Umklammerung ab und riss dem Insekt einen Arm aus, um das Momentum dann zu nutzen und den kippenden Panzer die richtige Richtung mit seiner geballten Trollfaust zu verpassen.
Die Königin landete wieder auf der Seite und der Troll stieg ihr auf den Panzer.
Ihr Zappeln und schrilles Rufen nach ihren Kindern brachte nun nichts mehr.
Der Troll packte ihren verhältnismäßig kleinen Kopf und zerrte mit der unbändigen Wut eines Trolls an diesem, bis ein ekelhaftes Reißen erklang und der Sieger - benetzt vom grünlichen Blut - den deformierten Kopf in die Höhe riss und seine Wut heraus brüllte.
Ihre Brut indes war wohl schon besiegt, denn die grüne Bestie hielt inne und leckte sich über ein Hinterbein, das etwas blutete.
Dann - ohne große Gesten - trennten sich die Wege der Bestien und zurück blieben die Kadaver der Insektoiden und die Menschen die Zeugen dieses Kampfes wurden.
“Wir waren nicht die einzigen Beobachter.”, meinte Ornlu und zeigte auf die Zeichen gebende Truppe von Turya.
“Schauen wir uns das mal an und tauschen uns aus.”
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Im südlichen Sumpf, später Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik, Maris und Runa
Der kurze Moment des Erfolgs, als der Lurker auf Valerions Stock gespießt wurde, verblasste jäh.
„HINTER DIR!“, tönte es zu ihnen.
Das Vieh hatte sich zugunsten einer Rippe befreit und stürmte erneut auf die beiden zu. Chala schritt dem Ansturm entgegen, da ihr Verbündeter keine Waffe führte. Wieso auch immer er sich weigerte das Breitschwert zu ziehen.
„Ua lava!“, fauchte die Aranisaani und nahm Wildkatze mit beiden Händen am Griff.
Sie führte einen schnellen Aufwärtshieb von unten aus, wobei sie das Gehilz an ihrer Hüfte entlangführte. Die Klinge fraß sich in den Oberkörper der lädierten Bestie, unten der erhobenen Klaue hindurch, die nach dem Leben der Kriegerin trachtet. Die Wucht ihres Schwungs trieb die Klinge mithilfe des gegensätzlichen Momentums beinahe durch den gesamten schmalen Brustkorb des Untoten, durchtrennte morsche Knochen und spröde Sehnen.
Der erhobene Vorderlauf sackte mittellos zu Boden und auch der Schädel des Lurkers rollte nach vor, als der Hauch des Untodes den Körper verließ.
„Warum nicht gleich so?“, wollte Glaen lautstark wissen, der mit einem Fuß auf den Überresten eines Wiesels stand.
Es war seine Stimme gewesen, die Vlaerion und sie vor der nahenden Gefahr bewahrt hatte.
„Danke für die Warnung“, antwortete Vered lediglich, während sie Wildkatze von ihrer Beute trennte.
Der Hüne nickte nur knapp.
Als sich Chala umsah, entdeckte sie, dass mittlerweile allen unheiligen Kreaturen der Garaus gemacht worden war. Ihre Verbündeten waren unterdessen zahlreicher geworden, trotz einiger Goblinleichen, die sie entdeckte.
Der Mann mit dem eingewickelten Haar stand in der Nähe von Glok, der einige tiefe Kratzspuren, aus denen dickflüssiges Blut quoll, stolz als Ehrenmale trug. Glaen schien unverletzt, so auch Liam und Eileen. Yarik hingegen hielt sich die Brust, wo seine Kleidung sich dunkel färbte.
Nicht gut, schätzte sie den Zustand des hochgewachsenen Bartträgers ein, der eine Miene zur Schau trug, die sie bei ihm nicht erwartet hätte.
Ein harter Blick, die Lippen schmal aufeinandergepresst war ihm Farbe aus dem Gesicht gewichen. Er hatte seinen Kiefer angespannt, sodass die Knochen sich unterhalb seiner Wangen abzeichneten. Der schwere Eichenstock, der seine bevorzugte Waffe zu sein schien, wies eine tiefe Kerbe auf. Sie unterdrückte ein überraschtes Pfeifen bei dem Anblick.
Ich dachte Kampfstäbe sind so hart und dick, dass sie kaum zu beschädigen sind.
Sein Gegner hatte viel Kraft aufwenden müssen, um ein solches Echo des Kampfes zu hinterlassen.
Neben dem Turbanträger waren weitere Jäger zu ihrer Truppe gestoßen. Ein Kerl, der Glaen in Körperform und -masse in nichts nachstand, jedoch einen massiven Langbogen als Waffe der Wahl führte. Pfeile hatten ihnen gegen die Horde der Untoten wenig genutzt, weshalb selbst Eileen zum Speer gegriffen hatte.
Zwischen alten Stümpfen, hinter denen sich die Bäume scharten, entdeckte sie eine Frau, die sich zu einem Hund hinabbeugte. Sie schien sich nicht an dem Kampf beteiligt zu haben, sondern aus sicherer Entfernung zugeschaut zu haben.
Ein dritter Hüne fiel ihr auf, der neben einem Mädchen stand, die sich einige Schritte hinter dem defacto Anführer ihres Kommandos hielten. Die Jugendliche war ebenfalls in Jägerskluft und hielt eine Waffe, die an ein schlankes Hackmesser erinnerte. Die Aranisaani hatte eine solche Klinge noch nie zuvor gesehen.
Liam, der Führer ihres eigenen Kommandos trat zu dem Oger und dem Einäugigen. Sie wechselten einige Worte, die Chala aus dieser Entfernung nicht verstehen konnte, weshalb sie näher an das Geschehen lief.
„Siehst du Kleine! Aus dem Rücken kommt die Kraft!“, posaunte der Riese mit dem Bogen unerwartet laut und grinste breit, während er eine seltsame Pose einnahm, die aussah, als würde er mit aller Macht versuchen sein eigenes Rückgrat zu brechen.
Die angesprochene „Kleine“ schaute ihm lächelnd entgegen. Der Helm hinderte die Dunkelhäutige unterdessen daran ihre Augen genau zu sehen, weshalb sie nicht sicher war, wie ehrlich sie es mit dem Tor meinte.
Wer bringt eine Teine mit auf diese Jagd?, wunderte sie sich noch, ehe sie in Hörweite der beiden Rädelsführer trat.
„…zwischen den Bäumen verschwunden. Eileen hat es entdeckt“, endete Liam gerade seinen Bericht.
Doch noch ehe der andere antworten konnte, mischte sich Glok ein.
„Glok zerquetschen Stachelrücken!“, verkündete er und war im Begriff die Verfolgung aufzunehmen, während er sein Musik- und Todeswerkzeug schüttelte.
Im Rücken des Ogers stand die Sonne bereits am westlichen Firmament. Nur noch wenige Stunden, ehe sie im Dunkeln tappen würden.
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Im südlichen Sumpf, später Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik, Maris und Runa
Der Kampf war vorbei, doch diese Jagd war noch nicht abgeschlossen. Die Führer der drei Jagdgruppen standen nun beieinander und berieten das weitere Vorgehen. Der Waldläufer namens Liam schien ein erfahrener Kämpfer zu sein und den kämpferischen Gepflogenheiten des Waldvolks treu zu agieren. Glok hingegen war... speziell. Maris hatte bisher noch nicht einmal gewusst, dass Oger überhaupt sprechen konnten. Wie bei Beliars Arsch war es dann dazu gekommen, dass dieser hier auf Seiten des Waldvolkes an der Wilden Jagd teilnahm? Das war verrückt - aber andererseits war nichts von alledem hier normal.
Nun galt es also, die Quelle all der untoten Biester zu beseitigen, bevor eine neue Brut ins Unleben geholt wurde. Als Glok von dem Stachelrücken sprach, dämmerte es Maris: Ricklen hatte bei seiner Ansprache am Schrein ein Bild von diesem Vieh gezeigt und auch ihre untote Brut erwähnt! Er hatte sie die Schwiegermutter genannt. Und bei der Mutter, schon das Bild war schreckenerregend gewesen! Was hatte er noch gleich über die Vettel erzählt? Schnell wie ein Snapper mit langen Klauen? Jagte allem, was sich bewegte, hinterher? Vielleicht konnten sie das zu ihrem Vorteil nutzen.
"Vielleicht ist sie zu schnell für dich, mein Großer", erwiderte er auf Gloks Bekundung, sie zerquetschen zu wollen. Dann wandte er sich vor allem an Liam. "Ricklen sagte, sie ist schnell wie ein Snapper und jagt allem, was sich bewegt, hinterher. Wenn Glok sie in die Finger bekommt, haben wir vermutlich eine gute Chance, aber das müssen wir geschickt anstellen. Wir müssen uns verteilen und sie dorthin locken, wo wir sie haben wollen. Vielleicht können wir Glok tarnen und sie so in seine Nähe bringen. Bogenschützen und Magie, um sie immer wieder hin und her zu scheuchen, damit sie keinem von uns zu nahe kommt."
Er sah zu Gloks massigem Leib auf. "Auch wenn das mit dem Tarnen herausfordernd wird."
Sie einigten sich darauf, zunächst alle Verletzten zu versorgen und zu klären, wer überhaupt noch zum Kampf bereit war. Maris kehrte zu seiner Gruppe zurück, wo Seamus ihn in Empfang nahm.
"Verletzte auf unserer Seite?", sagte Maris.
"Naja, Frank ist gerade aufgefallen, dass ihn ein Karnickel gebissen hat. Solltest mal mit ihm reden - dann muss ich es nicht mehr tun."
Maris seufzte und ging zu dem dunklen Hünen hinüber, der neben Runa auf dem Boden saß und wie ein Häufchen Elend aussah.
"Hattest du nicht gerade noch mit deiner Rückenkraft geprotzt?", fragte er. "Was ist denn los?"
"Ich fürchte", schluchzte Frank. Er schniefte zweimal und zog den Rotz durch die Nase hoch. "Ich fürchte, ihr müsst mich zurücklassen. Ich bin... ich bin..."
Heulend wie ein Baby vergrub er sein Gesicht in der Armbeuge. Maris sah zu Runa, die nur die Arme hob und den Kopf schüttelte. Dann beugte er sich zu Frank hinab und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Hey, was ist denn?"
Frank sah mit verquollenen Augen auf. "Ich bin gebissen worden!" Er stellte sein Bein vor und zog das Hosenbein hoch. An der Wade, knapp über dem Stiefelsaum, war eine kleine, blutende Wunde.
"Ja und?", brummte Maris. "Ist doch nicht wild."
"Nicht wild?", schrie Frank entsetzt. "Jetzt werde ich auch zu einem dieser Dinger! Ein verfaulter, stinkender Zombie in diesem verfaulten, stinkenden Sumpf!" Und wieder brach er in lautstarkes Klagen aus.
"Frank!", rief Maris gegen das Heulen an. "Frank!" Er verpasste dem Kerl eine Ohrfeige, die ihn wenigstens für einen Moment verstummen ließ.
"Keine Ahnung, wo du den Scheiß her hast, aber du wirst nicht zum Zombie, weil dich der Zombie-Hase angeknabbert hat! Klar?"
Frank schniefte. Dann sagte er kleinlaut: "Wirklich?"
"Ja, Mann!"
"Aber warum tut es dann so weh?"
Maris atmete einmal tief durch, dann sagte er: "Ich kann die Wunde nicht versorgen, aber ich kann den Schmerz wegnehmen, wenn du willst."
Frank presste die Lippen aufeinander und nickte stumm.
"Runa, bring mir mal eines von den breiten Blättern von der Pflanze da drüben", sagte Maris. Er schloss die Augen und konzentrierte seine Kräfte. Das lähmende Gift von Tamna Majka, um ein Vielfaches schwächer konzentriert, würde gerade genug Betäubung bieten, um noch laufen zu können, aber keinen Schmerz mehr zu verspüren. Nach und nach sammelte er mehr von der Flüssigkeit in seinem Mund, gemischt mit gewöhnlichem Speichel. Als Runa an seine seine trat und ihm das Blatt in die Hand drückte, hielt er es vor seinen Mund und leckte quer darüber. Die Flüssigkeit war klebriger als gewöhnlicher Speichel, sie haftete ausgezeichnet an den Pflanzenfasern. Maris spuckte den Rest aus seinem Mund auf das Blatt und band es dann Frank um das Bein. Der starrte ihn entgeistert an.
"Lass es drauf bis zum Ende der Rast", sagte Maris. "Du wirst keinen Schmerz mehr spüren. Und wenn wir wieder im Basislager sind, lässt du dir das ordentlich verbinden. Kann ich nen Schluck Wasser haben, bitte? Das Zeug schmeckt ekelhaft."
Eine Mundspülung später ging er zu Liams Gruppe hinüber. Er grüßte Yarik knapp, dann richtete er sich an sie alle.
"Frank und ich werden aus meiner Gruppe mit zur Schwiegermutter kommen. Die anderen Drei sichern die Umgebung - wir sind nur ein Spähtrupp und nicht für größere Kämpfe vorbereitet. Hat jemand von euch Schmerzen? Ich kann helfen."
Er schüttelte sich. Das Gift in seinem Mund hinterließ selbst jetzt noch einen ekelhaft bitteren Nachgeschmack.
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Westlichen Sümpfe, Unweit von Niradh, später Nachmittag - Kiyan, Ornlu + Turyas Kommando
“Was für ein Kackvieh.”, urteilte Turya und tart gegen den leblosen Körper der Königin. Sie war verärgert, denn sie hatte dieses Wesen erjagen wollen. Stattdessen war sie wie das Jagdkommando um Ornlu zum zuschauen verdammt gewesen. Es war maximal dämlich, sich in solch einen Kampf einzumischen, um die Beute für sich zu beanspruchen. Das wusste natürlich auch die erfahrene Waldläuferin, die lange Zeit unter Torn den Druiden und seinem Gefolge ausgebildet worden war. Ja, sogar den ganzen Tross als Jagdkommandoführerin irgendwann einmal angeführt hatte.
“Ohne uns, hätten die weit mehr Ärger gehabt. Hätten nur warten sollen, statt los zu schlagen. Schade…dann werde ich wohl mit meinen Damen ein anderes Vieh jagen gehen müssen.”, meinte Hjarti und grinste, als würde er ein wenig damit prahlen.
“Ricky, Lee und Jazzy wurden mir überlassen. Jilvie hält viel auf die Mädels. Ich bin die Anführerin und du bist ein verdammt guter Speerkämpfer, Hjarti. Versuch nicht einen Moment zu denken, dass du Ziegenbock aus Nordmar das Sagen hast.”, raunte Turya den Nordmarer an und Hjarti - obwohl ein gestandener Kerl - gehorchte, ohne dass es peinlich für ihn wirkte. Turya war eine faszinierende Frau mit Charisma und natürlicher Autorität. Ornlu sah, wie die drei jungen Jägerinnen zu ihr aufsahen und genau beobachteten, was sie machte und sagte. Als er sich die drei jungen Frauen so ansah, merkte er erst, wie die Zeit vergangen war. Ganz am Anfang hier in Schwarzwasser hatten die drei Rotzgören versucht als Bardinnen durchzustarten. Waren aber eher belächelt worden, da sie seltsamen Sprechgesang immer auf den Stegen geprobt hatten. Dann stritten sie ständig und für eine Woche war es ein ziemliches Drama, das durch das ganze Dorf ging, weil eine den beiden anderen die Freundschaft gekündigt hatte und ihre Karriere damit endete, bevor sie überhaupt begann.
Doch nun waren sie hier im Kommando der berühmten Turya, bestimmt von der ebenso berühmten Jilvie und hatten sich gemacht. Ricky war eine gute Kämpferin mit Schild und Speer geworden und die beiden anderen hatte Jilvie persönlich als Bogenschützinnen ausgebildet. Manchmal musste man halt erwachsen werden oder die Zeit einfach geschehen lassen.
Hjarti ließ es sich dann aber nicht nehmen zu erzählen, wie sie diese Viecher schon gejagt hatten. Ein halbes Dutzend hatten sie ausgeschaltet und waren der Spur der Königin und dem Gefolge gefolgt. Zu spät für die grüne Bestie und den Troll leider.
“Und wie war es?”, fragte Okam.
“Wie gegen flinke Minecrawler. Beine zerschmettern oder abschlagen und drauf. Speere kommen frontal nur schwer durch den Chitinpanzer. Aber die Seiten sind nicht schwer zu durchstoßen. Normale Pfeile kommen an den Seiten durch, aber spezielle Pfeile und ein großer Bogen wären meine Wahl gewesen. Die die auch durch Kette und Panzer durchschlagen können.”, meinte Turya und machte sich daran die Königin mit großem Jagdmesser aufzuschlitzen.
“Nur muss man sie auch treffen. Flink sind die Mistviecher. Wir wollen gleich noch an die Platten der Drohnen und schauen, ob die nützlich sind. Vielleicht kann man daraus Schilde oder Rüstungsteile machen. Die passende Farbe haben sie für die Umgebung.”, sagte Hjarti und hatte da wohl an eine Minecrawlerplattenrüstung gedacht. Nur mit diesen Platten. Ornlu nickte. Es war eine gute Idee.
Turya indes hatte übelriechendes Gedärm gerade raus gezogen und schnitt sich durch Schichten. Triumphierend hielt sie dann das hoch was sie gesucht hatte.
“So schaut mal alle her. Diese hässliche Schnecke war immer noch oder wieder trächtig.”, sagte sie und durchschnitt das Ei, um einen Insektenembyro raus zu ziehen.
“Heißt für uns, wir sollten sicher gehen, dass es nicht irgendwo Eier gibt.”, merkte Iun an und blickte direkt in die Tempelruine.
“Heißt für uns, wir schauen nach dieser Jagd danach. Wir können keine Jagdkommandos in diese Ruinen schicken, um Eier zu suchen, die es womöglich nicht gibt. Wir haben andere Ziele.”, urteilte Ornlu und erinnerte daran, dass sie größere Ziele hatten.
“Meister Torn würde dir nun was von Konsequenz erzählen.”, meinte Turya und wischte sich die Hände an Blättern ab.
“Würde er und dann mich zwingen meine eigene Priorität zu setzen in Anbetracht dessen, was für mich und meine Leute an besten ist. Dazwischen würde er sich über den tatenlosen Runak und netten Porgan aufregen und dann losziehen. Verlieren wir am Ende, sind diese Eier unsere geringste Sorge. Also folgen wir Jarvos Vorgabe - Augen auf die Beute!”, entgegnete Ornlu. Turya nickte nur mit einem leichten Lächeln. Als hätte sie den Druiden geprüft, ob er noch den Pfad des alten Druiden folgte.
“Was habt ihr nun vor, Turya?”, fragte der Druide.
“Hjarti holt sich erst einmal noch seine Platten. Danach werden wir zurück in das Basislager reisen, bevor die Nacht einbricht. Jilvie und Jarvo geben wir bescheid, was hier los war. Morgen kommen wir hier noch einmal vorbei und schauen nach dem Rechten. Ich will danach tiefer ins Zentrum. Kommt ihr mit?”, fragte die Waldläuferin.
Ornlu verneinte und meinte, dass er das Felsennest als Ziel hatte. Der Auftrag von Jarvo beinhaltete auch dorthin zu reisen und die Gebiete drumherum zu beobachten.
“Dann grüßt mir den alten Fuchs. Valgus und seine Leute hatten das auch als Ziel. Wollten aber vom Basislager eine andere Route am Rand entlang gehen. Corax Lager prüfen und dann weiter runter - soweit ich weiß. ”, sagte Turya und sah hinter Hjarti der die Aufforderung von eben wohl verstanden hatte.
“Valgus? Sehr schön. Wir werden uns mit den Füchsen gut verstehen. Bewahret, Freunde! ”, wünschte der Druide. Turyas Leute verabschiedeten sich ebenso und ihre Wege trennten sich.
“Schade… Hätte die jungen Damen gerne am Lagerfeuer etwas kennen gelernt.”, meinte Iun.
“Um was zu machen?”, fragte Okam grinsend.
“Nicht das, was du denkst.”, knurrte Iun und wollte zur Erklärung ansetzen.
“Leute… Nicht jetzt. Nichts über Weibsvolk oder sonst was, was uns nicht voran bringt.”, knurrte Ornlu am lautesten und sorgte eine ganze Weile für Ruhe, während sie Vigo folgten. Der kannte am ehesten den Weg zu Niradh - zum Felsennest.
Als sie dann das Gebiet um Niradh erreicht hatten, war die Aufgabe das Gebiet um die große Felsgruppe rundherum zu erkunden. Vigo suchte den Zugang zum Felsennest und der Rest machte seine Runde.
“Und, Kiyan? Wie geht es dir? ”, fragte der Druide, der zusammen mit dem Einäugigen die Nachhut des Vierergespanns bildete. Die Sonne stand schon tiefer, als vorhin noch bei der Tempelanlage.
“Hast du dir den Tag so vorgestellt, als du heute morgen aufgewacht bist?“
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Im südlichen Sumpf, später Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik, Maris und Runa
„Du siehst scheiße aus, Kumpel!“ Shakes wischte sein Schwert mit einem Büschel Gras sauber, bevor er es wieder in die Scheide steckte. Seine Mundwinkel waren zu jenem unmerklichen Grinsen verzogen, das normalerweise sein Markenzeichen war. Er hatte sich teilweise wie ein Berserker durch die Untoten gehackt, und das hatte seine Laune offenbar wieder gehoben.
„Danke, du auch“, antwortete Yarik abwesend. Sein Blick war in die Ferne gerichtet, in den Sumpf. Irgendwo dort zwischen den knorrigen Stämmen und verdrehten Ranken lauerte die Urheberin der Zombiehorde.
Shakes schüttelte den Kopf. „Ich meins ernst, Mann. Du solltest zusehen, dass du dich von ´nem Heiler im Lager untersuchen lässt. Sieht aus, als hätte es dich ordentlich erwischt…“
„Sind nur Kratzer“, knurrte Yarik.
„Kratzer?“, rief Shakes, „Willst du Chala beeindrucken, indem du einen auf Meister ‚Mir doch scheißegal‘ machst, oder was läuft gerade schief bei dir? Übrigens, stinken tust du auch – eigentlich bist du kaum von diesen gammligen Viechern zu unterscheiden, die wir gerade plattgemacht haben!“
Es kostete Yarik fast schon körperliche Kraft, seinen Blick vom Sumpf loszureißen und Shakes anzusehen. Mechanisch hob der die Hand und tastete seine Schläfe ab, dort, wo der Skelettkrieger ihn mit dem Panzerhandschuh erwischt hatte. Zähes, im Trockenen begriffenes Blut bedeckte seine Fingerspitzen, als er sie im Anschluss betrachtete. Erst jetzt realisierte Yarik langsam, dass seine ganze Gesichtshälfte blutverschmiert war, genau wie die Reste seines Hemdes mit Blut und Dreck durchtränkt waren. Die Schnitte brannten und ein dumpfes Pochen schien von ihnen auszugehen, aber sie waren nicht wirklich tief.
Lästig, mehr nicht.
„Wir haben wichtigeres zu tun, als im Lager herumzugammeln“, sagte Yarik brüsk und wandte sich ab, ging zurück in Richtung der Gruppe. Shakes sah ihm kopfschüttelnd hinterher.
„Wir sollten nicht zu lange warten“, wandte sich Yarik an Liam und Maris, „Solange die Spur noch frisch ist und wir die Gefolgschaft dieser… Kreatur dezimiert haben. Je tiefer sie sich in die Sümpfe zurückziehen kann, um so eher kann sie uns in einen Hinterhalt locken. Ich weiß, es wird bald dunkel, aber…“
Seine grauen Augen glänzten beinahe fiebrig. Er verzog die Lippen zu einem Zähnefletschen und umklammerte dabei den Kampfstab so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
Vernichte sie! Zerstöre sie! Finde sie… jage sie… vernichte sie!
„Wir müssen sie vernichten!“, zischte er.
Geändert von Yarik (27.03.2024 um 19:16 Uhr)
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Westlichen Sümpfe, Unweit von Niradh, später Nachmittag - Kiyan, Ornlu + Turyas Kommando
Bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte Kiyan das Waldvolk für überschaubar in seiner Größe gehalten. An einem Ort wie Tooshoo gesammelt, aber ansonsten in Gruppen, Kommandos und Verbände zersplittert, Familien, Sippen und Clans. Nun jedoch zur Wilden Jagd, kam ihm das Gefühl auf, das Waldvolk sei riesig, müsste aberhunderte Menschen umfassen. Der Sumpf schien vor Leben zu brodeln, mal abgesehen von den ganzen Bestien und Tieren, die von der Jagd wie in Ekstase versetzt wurden. Kiyan bemerkte, dass Ornlu zwar nicht im absoluten Zentrum des Ganzen stand, aber diesem schon sehr nah war. Von dem, was er in kurzen Gesprächen mit Okam gelernt hatte, war der Wolfsdruide vor siebzehn Jahren zum Waldvolk gekommen, das damals noch in einem beschaulichen Dörfchen namens Silden auf dem myrtanischen Festland gelebt hatte, wie scheinbar alle menschlichen Ortschaften entweder am Rand der Zerstörung oder unter der Fuchtel der orkischen Besatzer. Auf weitere Fragen hin, hatte er jedoch schlicht geantwortet, dass es höflicher wäre, den Druiden selber zu löchern.
Nachdem sie mit dem Kommando unter einer erfahrenen Waldläuferin namens Turya die Überreste der Insektenkönigin und ihrer Brut untersucht und festgestellt hatten, dass sich die Chitinplatten der Biester durchaus als Rüstung machen würden, waren sie weitergezogen. Der Nachmittag ging langsam in den Abend über und sie machten sich auf den Weg zu dem sogenannten Felsennest.
Als sie also liefen, ließ sich der Wolfsdruide in der Marschordnung zurückfallen, auf Kiyans Höhe, der das Schlusslicht bildete und getreu der Anordnungen immer wieder den rückwärtigen Raum in Augenschein nahm.
„Wie geht es dir?“, fragte der wild aussehende Druide, „Hast du dir den Tag so vorgestellt, als du heute Morgen aufgewacht bist?“
Der Einäugige warf dem Mann einen Seitenblick zu, ehe er kurz schnaubte, belustigt wie ungläubig. „Gestern hast du mir einen verfluchten Schmarotzer oder Geist oder … weiß Beliar was für ein Ding ausgetrieben.“, erklärte er unnötigerweise, „Nach dem Rückmarsch und der Verkündigung der Jagd konnte ich ein paar Stunden beschissen schlafen, ehe es losging. Ich …“ – er wandte den Blick ab, fast etwas beschämt – „… hatte leider, muss ich sagen, Zeit über das Nachzudenken, was ich unter dem Einfluss des Geistes … getan habe. Versteh mich nicht falsch, Jadewolf – falls ich dich so nennen darf – meine Lebensschuld dir gegenüber ist unverrückbar, ist wie in Stein gemeißelt und … ich schwöre, wenn ich der Schuld säumig werde, sollen mich alle bösen Geister holen, die gelebt haben und noch leben werden …“
Er brach erneut ab. Der Druide drängte ihn nicht. Das faszinierte Kiyan. In einem Moment wirkte der Jadewolf wie ein Traumtänzer, ein Aufschneider, ein Tunichtgut und Possenreißer, nur um ein Augenzwinkern später zu einem Gelehrten, einem Weisen und Anführer zu werden. Das war ein Mann, der mit seiner Macht und seiner Geschichte gewachsen ist. Dem Hayabusa nicht unähnlich, wie ihm schien, weshalb nur verständlich war, warum diese beiden Männer so gute Gefährten füreinander waren.
„Sagen wir einfach, dass das Blut, das ich an meinen Händen habe – egal ob vom Geist gesteuert oder nicht – noch lange brauchen wird, ehe es abgewaschen ist. Die Götter wissen’s, ob’s ein Leben dauern wird oder noch viele weitere. Ich weiß es jedenfalls nicht.“ Er seufzte, straffte sich, blickte auf und grinste. „Aber verdammte Scheiße, ich habe nicht mit sowas gerechnet, als ich wach wurde. Wilde Jagd. Dieses Insektenvieh, Trolle, Schattenläufer … ich … ach, verzeih mir meine Unwissenheit, ich bin eigentlich ein belesener Mann, habe in Gorthar studiert und verflucht viel von der Welt gesehen, Ruinen untergegangener Kulturen und derartiges … aber dem Waldvolk habe ich nichts dergleichen zugetraut. Bis jetzt war ich der Annahme, dass eure … nein, wohl eher unsere Geschichte in Silden begonnen hat, dann wieder merke ich, dass sie viel tiefer reicht, dass sie sich verzweigt wie das Wurzelwerk einer standhaften Eiche.“
Der Jäger schaute wieder zu Ornlu. „Wenn sich das Ganze beruhigt hat, wenn ich mich als Jäger in Ricklens Kommando bewiesen habe, dann wäre es mir eine Ehre, mehr über das Waldvolk zu erfahren. Unsere Geschichte. Unsere Legenden und Mythen. Ich hörte von Steinkreisen, habe als Kurier auf dem Festland ein ums andere Mal an einem gelagert, wenn ich es nicht mehr in eine Herberge geschafft habe …“
Ihm fiel das halbe Grinsen des Wolfsdruiden auf, was ihn das Gesicht verziehen ließ. „Na, vorausgesetzt ich muss dafür nicht ein weiteres Ritual im Sumpf überstehen. Das Hoch aller Dinge, was Magie angeht, war mal eine Heilung durch einen Magier in Stewark. Und dann werden hier plötzlich Geister ausgetrieben, während andere nach meinem Körper greifen wollten. Versteh mich nicht falsch, Ornlu, ich danke dir und deiner Sippe sowie dem Hauptmann für den Beistand und die Hilfe, aber … es ist eine Menge, die ein rational denkender Mensch erstmal verdauen muss.“
Er lachte, aber irgendwie klang es hohl. Er würde es noch lange verdauen müssen.
Geändert von Kiyan (27.03.2024 um 20:31 Uhr)
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Valerion atmete schwer ein und aus. Sein Körper schmerzte überall, er blutete und lag auf dem Rücken. Er wischte sich den Schlamm aus dem Gesicht, was nicht viel brachte, da er bedeckt war mit schlamm, oder irgendwelchen merkwürdigen verwesten Organen. Anscheinend hatten sie die Welle an Untoten vernichten können. Der Bärtige zog sich langsam auf die Beine, blickte auf das Schlachtfeld und die dazugekommenen Personen.
„Bei Beliars haarigem Arsch“, fluchte Valerion, nahm einen Schluck Wasser aus seinem Wasserschlauch und bemerkte, das dieser nun leer war.
„So eine verfluchte scheiße“, murmelte der Kerl.
Wahrscheinlich war der Plan nun auf die Jagd nach Großmütterchen zu gehen. Er blickte in den Himmel, wie lange würde es wohl dauern, bis die Sonne unterging?
War es schlau, danach noch im Sumpf zu sein?
Hatten die anderen Trupps auch solche Probleme oder waren sie auf andere Hindernisse gestoßen? Wie es wohl im Basislager aussah? Valerion schmunzelte kurz bei den vielen Gedanken.
Zusammen mit den neuen Leuten würden sie sicherlich eine Chance haben, aber wie viele Untote würden im Sumpf noch auf sie lauern? Der Bärtige war geschwächt und verletzt. War Yarik vielleicht auch etwas zu übermütig? Würde das vielleicht die ganze Mission gefährden, wenn sie jetzt in diesem Zustand losstürmen würden?
„Wäre es vielleicht ratsamer, etwas zu rasten? Einige von uns sind etwas angeschlagen“, meinte Valerion ruhig und schaute die anderen an.
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Im südlichen Sumpf, später Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik, Maris und Runa
Während die Anführer sich über das weitere Vorgehen berieten, hatte Chala das Messer aus dem Leib des Lurkers gezogen. Glaen hatte sie dabei skeptisch betrachtet, hielt aber den Mund, wohl um keinen weiteren Streit vom Zaun zu brechen.
Nachdem sie die stumpfe Klinge etwas in einem Büschel Gras gesäubert hatte, drückte sie das Metall zwischen ihren lederbewehrten Arm und den ersten Gänseschnabel, der noch dort steckte. Mit einem geschickten Hebel aus dem Handgelenk löste sie die Papillen aus ihrer Haut, wobei sie kurz ein Zischen ausstieß, als sie der Schmerz durchfuhr. Die zahnartigen Spitzen waren blutverschmiert. Angewidert warf sie die Erinnerung an das missgestaltete Vieh ins Brackwasser, ehe sie auch den zweiten Fremdkörper entfernte. Kleine Löcher befanden sich nun in ihrem Ärmel, was ihr die Laune nicht gerade verbesserte.
„Ist ja nicht so, als wäre die Lederkluft noch neu“, murmelte sie verdrießlich, ehe sie sich wieder der Ansammlung ihrer Verbündeten näherte.
Sie beobachtete, wie der Einäugige ein großes Blatt ableckte und es diesem Frank gab, der es um eine lächerlich kleine Wunde wickelte. Es sollte wohl gegen den Schmerz helfen.
Wie soll das bitte gehen?, fragte sich Vered, die das Ganze skeptisch betrachtete.
„Hat jemand von euch Schmerzen? Ich kann helfen“, bot der Anführer des zweiten menschlichen Kommandos an.
Auf keinen Fall würde die Aranisaani sich mit dem Speichel dieses Kerls besudeln. Ihr Arm brannte etwas, doch es war nichts, was sie nicht ertragen würde können. Yarik hingegen sah aus, als könnte er Hilfe gebrauchen. Doch ob er Schmerzen hatte, war schwer zu erkennen.
„Yarik? Willst du das Angebot nicht annehmen?“, fragte sie ihn deswegen, doch der blutverschmierte Stabkämpfer warf ihr nur einen entschlossenen Blick zu und knurrte etwas in seinen Bart, dass sie nicht verstand.
„Wir müssen sie vernichten!“, verkündete er stattdessen seine Meinung zum weiteren Vorgehen.
Chala dachte zurück an die groteske Frauengestalt, welche mit einem irren Lachen zwischen den Bäumen verschwunden war, bevor die Untoten angegriffen hatten. Wenn man dieser Vettel mehr Zeit gab, würde sie gewiss weitere Untote animieren, wenn sie nicht noch weitere in der Hinterhand hatte.
„Je länger wir warten, desto größer werden unsere Nachteile“, trug die Dunkelheutige zu der Entscheidungsfindung bei.
„Chala hat Recht“, griff Liam ihr Argument auf, „Das Tageslicht schwindet und je mehr Zeit die Alte hat, desto größer ist die Gefahr in einen Hinterhalt zu geraten.“
Einige weitere Bedenken wurden geäußert, ehe klar wurde, dass Liams gesamtes Kommando bereit war die Verfolgung aufzunehmen. Zusammen mit Frank, der nicht sonderlich glücklich über diese Entscheidung war, und seinem Anführer zählten sie neun menschliche Jäger. Glok würde als einziger der merkwürdigen Truppe aus Goblins und ihm mitkommen. Die kleinen Kerlchen würden unterdessen ihre Verletzten versorgen und auf die Rückkehr des Ogers warten. Vered glaubte auch das Wort Plok einige Male aus dem Kauderwelsch herauszuhören. Nun galt es noch herauszufinden, wie sie vorgehen sollten. Den riesenhaften Barden erfolgreich zu tarnen würde einiges an Arbeit und Ideenreichtum verlangen.
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Westlichen Sümpfe, Unweit von Niradh, später Nachmittag - Kiyan, Ornlu
“Das glaube ich…”, sagte Ornlu knapp und schwieg einen Moment. Heilen konnte er Kiyans Leiden nicht. Das könnte womöglich ein Heiler, aber das wäre der falsche Weg gewesen. Sich daraus selbst hieven und daran wachsen - das machte einen Menschen aus. Einen starken Menschen. Kiyan war jetzt kein starker Mensch. Er stand aber und war so weit reflektiert, wie er es momentan sein konnte. Mehr konnte man nicht verlangen. Treu war er nach seinen Worten und bereit, seine Schuld zu begleichen. DasAusmaß dieser Schuld kannte im Grunde nur Ornlu, denn er hatte enorme Kräfte aufgebracht, um Feywidds Kreis alleine zu schaffen und dann noch diesen Kampf oder besser List zu bieten. Wären manche Dinge anders gekommen, wäre Ornlu nun nicht hier oder nicht erholt genug, um sich gegen Mächte zu stellen, die ein gewaltiges Kaliber waren.
“...es war sehr viel für die kurze Zeit. Das hängt uns allen nach. Als es losging, sind wir los und haben nördlich Tooshoos noch nach Leuten gesucht. Dann waren wir beim Schrein und dann ging es in das Basislager. Rest kennst du. Wir freuen uns wohl alle auf eine ruhige Nacht im Felsennest.”, meinte der Druide und wollte nicht mehr lange die Tour machen. Vigo würde sicher schon warten.
“Eine kleine Geschichtsstunde bevor es ins Bett geht… - das Waldvolk wie es jetzt existiert, gibt es seit Beria der Löwin. Das war vor über tausend Jahren, als die fünf Schamanen von Khorinis wüteten. Die Welt war in Aufruhr und von überall flüchteten Naturvölker und -stämme gen Festland. Meine Sippe von Khorinis. Auch von hier kam ein Volk. Insgesamt waren es acht Sippen die sich von Beria vereinigen ließen und eine große Schlacht um eine Heimat in Myrtana dann gewannen. Seither ziehen wir geschlossen umher. Königreiche kamen und gingen, doch wir bestehen seither und sind seither auch eins.”, erklärte er und schaute zu Okam, der etwas sichtete.
“Wer ist da?”, fragte Ornlu. Es war nicht mehr lange bis Sonnenuntergang.
“Vigo und die verdammten Rotschöpfe von Valgus Graufuchs.”, sagte der Waldläufer und grinste ein wenig.
“Valgus war schon bei der letzten Wilden Jagd eine große Hilfe. Die Fuchssippe ist keine der acht Sippen, aber eine die danach irgendwann entstand. Sie sind myrtanischen Ursprungs, aber mit nach Argaan gekommen. Du erkennst sie an ihrem rot-braunen Haar. Haben irgendwie alle. Und so wie Füchse sind sie listig und geschickt. Jäger seit ihrer Gründung. Valgus wurde früher der Rote genannt, ist nun aber grau wie du sehen wirst. Seine beiden Söhne erkenne ich auch und drei weitere der Fuchssippe. - Achja und noch was. Sprech vor niemanden davon, dass wir vier die Wolfssippe sind. Es ist noch nicht soweit sich zu offenbaren, auch wenn die Leute es uns wohl ansehen. Die Wolfssippe wurde verboten und geächtet. Aber das ist eine andere Geschichte. Bis dahin schweigst du darüber und wir sind einfach nur eine Truppe wilder Kerle.”
Valgus begrüßte den Wolf freundschaftlich mit einer Umarmung und auch seine Söhne. Nicht vergessen war die Rettung der beiden damals, wo er natürlich auch seinen Beitrag leistete. Wenn er zurück dachte, war dort auch Freya dabei und so manch andere, die heute zur wilden Jagdgesellschaft gehörten. Alles hatte seine Konsequenzen und diesmal sogar Gute.
“Bewahret! Na ihr hättet auch gleich ein Schild hinstellen können, dass ihr schon da seid. Dann hätten wir euch nicht gesucht.”
“Dann hättet ihr aber das Gebiet nicht auf Gefahren abgesucht, Herr Jadewolf.”
“Ihr schuldet uns ein Festessen dafür. Lasst uns zu Niradh aufsteigen und dann reden wir, was war und sein wird, Valgus Graufuchs.”, schlug der Druide vor und alle gingen sie gemeinsam los. Das Felsennest war schon ein interessantes Versteck, wenn man so hinauf sah.
Geändert von Ornlu (28.03.2024 um 00:38 Uhr)
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Im südlichen Sumpf, später Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik, Maris
"Glok sieht blöd aus!", grunzte der gewaltige Oger unter seinem Kleid aus verheddertem Sumpftang. "Oger nicht verstecken! Oger einfach machen Matsch mit Gegnern!
"Ich finde, du gibst einen wunderschönen Baum ab, mein Freund", entgegnete Maris. "Für eine bessere Tarnung haben wir leider keine Zeit, wenn wir vor Einbruch der Dunkelheit auf den sicheren Wegen zurück sein wollen. Und im Gegenzug lassen wir dich nach getaner Heldentat eine Ballade über deine Finesse singen."
"Ja, Glok macht Lied und singt es Kisha vor. Dann kommt wieder Kisha zu Glok, ja?"
Der Oger glotzte die Fremde erwartungsfroh an. Maris runzelte die Stirn. Er hatte ihren Namen vergessen, doch Kisha war es bestimmt nicht gewesen. Aber eigentlich sollte ihn mittlerweile nichts mehr wundern. Nachdem er nun mitbekommen hatte, dass die abstruse Keule in Wahrheit tatsächlich die perverse Version einer Laute darstellen sollte und dieser Oger sich allen Ernstes als Barde sah, gab es wohl kaum eine Absurdität, die er nicht mit einem Schulterzucken hingenommen hätte.
"Folgen wir der Spur. Kannst du leise gehen, Glok?"
"Glok ist vorsichtig wie bei Schädeltanz!" Der Oger nickte voller Überzeugung.
"Äh... ja." Maris hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber er nahm es als Zustimmung. "Wir folgen der Fährte, bis wir Sichtkontakt haben. Glok postiert sich dann angriffsbereit neben einem echten Baum und hält still, während wir die Schwiegermutter flankieren. Ich locke sie mit einem Zauber in die richtige Richtung, aber der wird vielleicht nicht für den ganzen Weg reichen. Deshalb werdet ihr sie abwechselnd von links und rechts anlocken - Pfeile, Zauber, Messer, unflätige Beleidigungen, scheißegal womit! - und sie so im Zickzack näher an Glok heranführen. Wenn sie tatsächlich auf jede Bewegung anspringt, wie Ricklens Leute es ausgekundschaftet haben, kommt sie an keinen von uns nah genug heran, um zuzuschlagen, bis sie bei Glok ist und dann..!"
Maris schlug sich in die Faust.
"Falls sie doch jemanden ins Auge nimmt, nutzen wir die Bäume als Deckung, um den Krallen zu entgehen, und umkreisen sie alle zusammen."
Maris übergab Frank für den Angriff in Liams Kommando und setzte sich an die Spitze der Gruppe, die nun geführt von Eileen geradewegs in Richtung des Monsters zog. Seamus blieb mit Runa, Sana und den Goblins zurück und sicherte den Rückzugsweg auf die sicheren Pfade.
"Yarik, auf ein Wort", sagte Maris nach kurzer Zeit und ließ sich an die Seite von Ornlus Schüler zurückfallen.
"Dein Blick, den kenne ich", sagte er. "Kampfrausch. Ich war oft genug in solchen Situationen. Du willst die Schachtel unbedingt tot sehen, nicht wahr? Falls es zum offenen Kampf kommen sollte, lass es raus. Den würde ich aber gern vermeiden, wenn es geht. Denn wenn das Vieh einmal zuschlägt, war es das für irgendjemanden von uns. Wir müssen also klug vorgehen und einen kühlen Kopf bewahren - kriegst du das hin?"
"Da vorne!" Noch bevor Yarik antworten konnte, stoppte Eileen abrupt ab und zeigte ins Dickicht voraus. Völlig überwuchert von der wild gewordenen Vegetation, schälte sich dort eine verfallene Hütte aus der Wildnis. Genau von dort drang ein fernes Gemurmel hervor, das Maris beinahe das Gefühl gab, etwas verstehen zu können, doch das Gebrabbel entglitt seinem Gehör ein ums andere Mal.
"Gut. Gebt mir einen Moment, dann bringe ich mich bei Muttis Zuhause in Position. Glok, der Baum da vorne braucht Gesellschaft, finde ich." Maris sah zu Liam. "Du führst die anderen?"
Liam nickte entschlossen. Maris wandte sich ab und machte sich auf den Weg. Je näher er kam, desto mehr jagten ihm der Anblick der Hütte und der Klang des stetigen Gemurmels Schauer über den Rücken. Der Gestank von Verwesung, der dieser ganzen Gegend spätestens seit dem Gemetzel der Wiedergänger anhaftete, nahm hier dermaßen zu, dass Maris mit aller Kraft den aufkommenden Brechreiz unterdrücken musste. Er näherte sich der Hütte leicht von der Seite, um nicht zufällig aus dem Inneren heraus erspäht werden zu können, und postierte sich direkt neben der Hauswand im Gestrüpp, peinlich darauf bedacht, kein Rascheln zu verursachen. Einen Moment noch wartete er, dann hörte Maris einen einsamen Vogelruf. Das Zeichen, dass alle in Position waren.
Plötzlich war es totenstill. Das Gemurmel war verschwunden. Maris hatte das Gefühl, sich dringend umdrehen zu müssen, doch er zwang sich, fokussiert zu bleiben. Er sammelte seine Kräfte in der Rune auf einem der Tücher an seinem Arm und ließ den leuchtenden Geist einer quirligen Katze erscheinen. Sie war schneller und einfacher zu kontrollieren als ein Löwe. Mit ihr würde Maris die Monstrosität weiter in Richtung von Glok locken können.
"Katzzz...", brummte und summte die tiefe, kratzige Stimme, knorrig wie vermodertes Holz. Mit einem Schlag schoss eine gewaltige Klaue aus der Türöffnung der Hütte heraus und verfehlte den Katzengeist um Haaresbreite. Maris zuckte zusammen, doch die Katze zog die Aufmerksamkeit der Schwiegermutter ganz auf sich. Einen wieselflinken Haken schlagend, sprang sie davon. Und mit einer unfassbaren Geschwindigkeit schälte sich nun eine Schreckensgestalt aus der Hütte hervor, wie Maris sie noch nicht gesehen hatte.
Ach du Scheiße...
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Westlichen Sümpfe, Niradh, später Nachmittag - Kiyan, Ornlu + Füchse
Das Felsennest – Niradh – ragte über die Baumkronen hinaus wie das schroffe Gestein einer Felsküste aus der brodelnden Gischt. Während Kiyan es so sah, versprühte es tatsächlich ein Stück Sicherheit. An diesem Ort, mit der Wolfssippe und den Füchsen, würde sich zumindest kein Getier herantrauen, das nicht genau wusste, hier einen Sieg einfahren zu können.
Die Worte Ornlus hatten den Einäugigen ein stückweit ernüchtert. Vielleicht hatte er von dem Druiden erwartet, mit irgendeiner naturmagischen Kur zu kommen, um das Gewissen zu beruhigen. Aber das war ein Heilprozess, den nur Kiyans eigenes Wesen in Gang setzen und bewältigen konnte. Selbst der Magier Esteban – wo immer er sich auch herumtrieb – hätte mit seiner Heilmagie nicht viel bewerkstelligen können.
Erwarte kein Mitleid, erwarte keine Hilfe. Vater hat immer gesagt: Wenn du in die Grube fällst, hoffe nicht darauf, dass jemand dich dort herausholt. Krall die Hände in die Wände und klettere raus. Ein Mann, der sich selbst helfen kann, erträgt den Blick in den Spiegel eher als einer, der immer auf andere angewiesen ist. Und darauf bricht’s sich immer herunter, Junge, dass du am Ende des Tages ertragen kannst, was zurückstarrt.
Kiyan vermutete, dass der Druide nur hatte schauen wollen, wie zäh der Kerl war, dem er das Leben – und die Seele – gerettet hatte. Durch den Stoff der Tasche hindurch, fühlte Kiyans Hand das Siegel, in welches der Geist gebannt worden war. Dieses einfache Ding aus Ton war eine stetige Erinnerung daran, dass er der Hölle nur um Haaresbreite entkommen war. Und dass es eine Schuld zu begleichen gab, wie weit und tief sie auch reichen möge.
Die Begrüßung der Füchse fiel herzlich aus. Es wurde sich umarmt, gescherzt, freundschaftliche Beleidigungen ausgetauscht und von versprochenen Festmahlen geredet. Kiyan fühlte sich dabei anfangs zwar wie ein Fremdkörper, gehörte er weder zu den Wölfen und Füchsen, aber durch Leute wie Okam, aber auch einige der Füchse, die wesentlich kommunikativer waren als der Einäugige, wurde er schnell in Gespräche eingebunden.
Und all den Anstrengungen des Tages, der Geisteraustreibung, all dem, was davor zwar, zum Trotz … fühlte er sich gut. Angekommen. Zuhause. Das entlockte ihm ein Lächeln, obwohl sein Gewissen so sehr darauf lastete, dass es nur das Gewicht einer Feder brauchte, um die Mundwinkel wieder nach unten schnellen zu lassen.
Ornlus kurze Geschichtsstunde kam ihm in den Sinn. Verschiedene Sippen, geeint durch eine Frau – oder Löwin, aber sowas war bei Legenden und Druiden wahrscheinlich ein und dasselbe -, aufs Festland geführt und dort heimisch geworden. Tausend Jahre, dachte er, eine lange Zeit. Eine Zeit, in der manche Kultur entstanden und vergangen ist. Er würde Freude daran haben, mehr über die Geschichte zu erfahren. Adanos, er freute sich auf Tage, an denen er in einer Kammer sitzen und Schriftrollen oder Bücher würde lesen können, unbeschwert und in aller Ruhe.
Nur eine Sache – und da hatte sich Kiyan vorsichtshalber keine Frage erlaubt – hatte den Jäger überrascht. Ein Verbot, eine Ächtung der Wolfssippe. Kiyan hatte erwartet, dass die Leute der Sippe Ornlus einen hohen Stand hatten, alleine aufgrund der Beliebtheit des Druiden. Das um ihre Existenz als Sippe solch ein Geheimnis gemacht wurde, ließ den Gortharer einen Moment zweifeln. Nicht an der Schuld, Adanos, nein, aber daran, was sie für ihn als Teil des Waldvolks bedeuten könnte. Was, wenn die Wolfssippe als solche erkannt werden sollte? Was, wenn man gegen sie vorgehen würde? Wenn der Hauptmann, die Jäger, gezwungen wären, sie zur Strecke zu bringen?
Könntest du es, fragte er sich im Stillen, könntest du – durch die Schuld gebunden – gegen deine eigenen Leute kämpfen? Sie töten?
„Ich bete, es nie zu erfahren“, flüsterte er leise, als sie den Aufstieg zum Nest begannen.
Geändert von Kiyan (28.03.2024 um 07:31 Uhr)
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Kommandozelt, Basislager an der Jagdkommandantur, östliche Bruchwälder
Sie hatte sich doch nochmals kurz anders entschieden, nämlich, angesichts einer nach dem Hornsignal erheblich kürzeren Schlange vor der Essensausgabe, erst ihre knurrenden Mägen zu beruhigen, bevor sie das Kommandozelt aufsuchten. Es war nicht gut mit leerem Bauch strategische oder auch nur taktische Entscheidungen zu treffen.
Dennoch hatten sie sich wenig Zeit genommen, den deftigen Eintopf irgendwo im Sitzen einzunehmen, und so traten Larah und der Kapitän mit noch halbvollen Schalen durch den Eingang des Kommandozelts.
Drinnen war Jilvie allein. Auch wenn sie nie groß miteinander zu tun gehabt hatten, erinnerte Yared sich noch gut, wie sie und Ricklen damals mit Jarvo in Schwarzwasser angekommen waren. Die blonde Waldläuferin stand über einen Tisch gebeugt auf dem Karten, Notizen und Listen ausgebreitet lagen. Als die beiden das Zelt betraten, blickte sie auf.
„Bewahre.“, grüßte Larah. Der Kapitän schloss sich mit einer grüßenden Geste dem Willkommen seiner goldblonden Begleiterin an.
Jilvie musterte sie, versuchte einzuschätzen, wer da zu ihr kam. Vor allem ihn, Yared, beäugte sie kritisch und von unten bis oben. Für waldvölkische Verhältnisse mochte er als städtisch und gut gekleidet gelten. In den Städten des Myrtanischen Reiches hätte man seine Kleider eher als soldatisch genügsam, wenn nicht gar als abgenutzt eingeordnet – für einen Paladin eher ungewöhnlich. Genaugenommen war sein Gegenüber selbst nicht schlechter gekleidet. Trotzdem blieb der Kapitän mit seiner mittelschweren Militärrüstung natürlich optisch ein Fremdkörper unter den Waldläufern. Viel wichtiger für Jilvie waren aber vermutlich die Abzeichen, die seine Kleidung, wenn auch nicht prominent, zierten. Sie hatte als gebürtige Argaanerin einst selbst gegen die Myrtaner gekämpft. Kein Wunder also, dass ihm einiges an Argwohn von ihr entgegenschlug.
„Du bist Jilvie, richtig?“, ging Larah über Jilvies skeptischen Blick mit einem warmen Lächeln hinweg.
„Und ihr seid?“ Die verantwortliche für die Organisation der Jagdkommandos senkte nicht so einfach ihre Ressentiments.
„Larah“, antworte selbige knapp und hielt das Lächeln unbeeindruckt aufrecht. So leicht ließ sie nicht locker, schmunzelte der Kapitän und ergänzte: „Und ich bin Yared.“
„Der Sippenführer der Ratten?“ Jilvie Augen wurden sichtlich größer.
„Ehemaliger Sippenführer.“, korrigierte er.
Die für einen Moment verflogene Skepsis in ihren Augen kehrte größtenteils wieder.
„Und ihr habt das Mal?“
„Ich nicht. Sie hat es.“, antwortete Yared knapp.
„Er hat mich freundlicherweise von Silden hierher begleitet.“, ergänzte die goldblonde Gortharerin.
Jetzt sah Silvie noch ein Stück mehr überrascht aus. Dass der Einfluss des Herrn der Sümpfe so weit reichte, hatte sie wohl nicht gedacht. Doch auch, dass ein myrtanischer Soldat einer Waldvölklerin bei der Reise vom Festland nach Argaan half, schien ihr sichtlich ungewöhnlich – selbst wenn er mal Sippenführer gewesen war.
„Ein weiter Weg.“, sagte sie mehr zu sich selbst, als zu ihren Gästen, „Was kann ich für euch tun?“
„Man sagte uns, ich könnte mich hier für ein Jagdkommando einteilen lassen.“
Jilvies Gesicht hellte sich etwas auf. „Maris sucht noch weitere Unterstützung für seinen Spähtrupp. Er war deswegen vorhin extra nochmal hier.“
Larah sah fragend zu Yared. An ihrer Miene konnte er ablesen, was sie von ihm wissen wollte. Sie hatte diesen Maris noch nie getroffen.
Maris. Maris. Den Namen kannte er irgendwoher. Er musste nur einen Moment überlegen, bevor es ihm wieder einfiel. Dieser Maris war einer der Begleiter Ornlus gewesen war, als die Besatzung der Santorija im Auftrag der Krone die Magier nach dem Sturz des Weißauges aus Setarrif gerettet hatten. Wenn sein Erinnerungsvermögen nicht täuscht, war Maris Frau eine hochrangige Wassermagierin gewesen, die damals auch dabei gewesen war.
Wenn Ornlu diesen Maris auf eine Drachenjagd mitnahm, war er sicher ausreichend vertrauenswürdig und ein fähiger Krieger.
Yared nickte Larah aufmunternd zu.
Die warf ihm einen dankbaren Blick zu und wandte sich dann wieder an Jilvie: „Dann unterstütze ich Maris.“
„Sehr schön, da wird er sich freuen. Sie sind allerdings schon losgezogen. Nach Norden, Richtung Sumpfkrautplantage. Entweder wartest du, bis er vermutlich heute Abend wieder hier Station macht, oder du folgst ihnen, vorausgesetzt du kennst die Gegend genug. Die Zeichen kannst du?“
Larah nickte. „Die gängigsten, ja.“
„Gut.“ Jilvie wandte sich Yared zu. „Du begleitest sie? Dann trage ich dich gleich mit ein.“
Der Kapitän schüttelte nach kurzem Zögern den Kopf. Der Paladin war sich noch nicht sicher, welche Rolle ihm in dieser Angelegenheit zugedacht war. Auf jeden Fall war er nicht hier, um Larah unnötig zu bevormunden. Sie konnte für sich selbst einstehen.
„Danke, aber nein. Ich werde erst noch etwas beobachten und unser Gepäck nach Tooshoo bringen.“
„Alles klar.“ Das war eine Antwort, die Jilvie offenbar nicht so gut fand, aber sie machte auch keine Anstalten, ihn überreden zu wollen.
„Dann ziehen wir mal los. Vielen Dank.“, verabschiedete sich Larah.
„Gute Jagd! Und passt auf euch auf da draußen.“, antwortete Jilvie und wandte sich wieder ihren Unterlagen zu.
„Danke und bewahre.“, sagte Yared und verließ das Zelt.
Die Fischjägerin folgte ihm.
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Westlichen Sümpfe, Niradh, Sonnenuntergang - Kiyan, Ornlu + Füchse
Niradh war wunderbar. Ornlu würde am liebsten hier eine Burg bauen und sich als Burgherr von da bis da ausrufen. Gleichzeitig glaubte er nicht daran, dass irgendwer vom Waldvolk Steine hier hoch schleppen würde, um Ornlu eine Burg zu bauen. Ornlu war kein Steinmetz und kannte keinen Steinmetz. Nicht einmal einen dessen Bruder, der Kumpel, dessen Katze, deren Besitzerin, die Mutter ihr Nachbar sein Großvater väterlicherseits dessen Hund einen kannte, der mal erzählt hat, er hat mal einen Steinmetz getroffen. Wo waren die Kerle oder Kerlinnen in dieser Welt? Bestimmt waren wieder die Königstreuen an allem schuld. Egal welcher König nun. “Tod allen Königen!”, erschallte es in Ornlus müden Hirn.
Umgekehrt brauchte es keine hohen Mauern und Burgzinnen. Niradh wurde zwar Felesennest genannt, aber konnte auch natürliche Felsburg genannt werden. Ein schmaler Aufstieg an einer Passage wo kein Ork durchpasste. Ein ‘Burghof’ wo gerade so Platz für das fast vollständige Dutzend war und eine höhere Ebene, eine ‘Burgmauer’ ohne Zinnen, die man durch eine aufliegende Felsplatte betreten konnte, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Okam merkte an, dass so eine massive Felsplatte niemals auf natürliche Weise sich so gelegt haben hätte können. Er bekam Zustimmung von vielen Seiten, während die elf Mann und Frau ihre Nachtlager errichteten.
“Vielleicht waren es die Erbauer und konnten es nicht mehr abschließen.”, warf Valimar, Valgus älterer Sohn, ein.
“Vielleicht war es auch doch der Zufall und geschieht nur alle tausend Jahre so. Erbauer? Du meinst die, die diese ganzen Tempel errichtet haben?”, fragte Iun. Valimar nickte und half Valar, den jüngeren von Valgus Söhnen die versteckte Kiste unter der Felsplatte heraus zu ziehen.
“Was sagt Herr Jadewolf zu den Erbauern?”, fragte Valgus und sah den jungen Leuten zu, wie sie das Lager errichteten. Er rieb zog einen Stiefel aus und rieb sich den Knöchel ein wenig.
“Manches, aber nicht genug. Hier war ein Volk, das dem unseren ähnliche war und sie durften diese Insel verlassen, als sie gegen den Herrn des Sumpfes verloren hatten. Solch Wilde Jagdten gab es schon vor über tausend Jahren. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie diese Tempelanlagen errichtet haben. Architektur besteht beim Waldvolk heute aus zwei Brettern, die man anständig nebeneinander nagelt. Das müssen wir uns eingestehen. Aber früher hatten wir auch Bauten und Fähigkeiten darin zu erbauen. Unsere Steinkreise, aber auch sehr alte Relikte. Die Kavernen von Silden, die Höhlen bei den nördlichen Wasserfällen. Eine alte Ruine auf Khorinis, wo meine Ahnen vertrieben wurden. Und doch…Andrahir hat mir von einer Kammer irgendwo in den Tempelanlagen erzählt, mit der man in die Sterne blicken konnte. Eine offene Kuppel und Ringe in ihr, die sich bewegen konnten. Er fand dort auch sehr viel zerbrochenes Glas unterschiedlicher Dicke, das geschliffen war. Wir konnten uns aber nicht erklären, was der Sinn davon war. Was ich meine….Das haben wir nicht gebaut. Wir haben höchstens nur übernommen und da kommen wir einer Wahrheit näher - denke ich. Wir sind nicht die Erbauer aller Dinge, aber wir lebten damit. Meiner Ansicht nach sind die Tempelanlagen im gesamten Tooshoo-Gebiet miteinander verbunden. Waren es immer und dann legte sich der ganze Sumpf und die Wälder drüber und verschlingen sie nach und nach.”, beendete der Druide und ging dann zu den beiden Fuchsbrüdern.
“Riclen sagte, dass der Inhalt unberührt wäre. Irgendwie hat sich jemand hier bedient und etwas anderes rein gelegt. Das Flickzeug wurde benutzt und die Stoffreste wurden zerschnitten… - wer war vor uns hier?", meinte der Ältere.
“Schaut mal her…”, meinte Valgus und zeigte auf einen der Felsen, wo etwas mit Kohle hin gemalt wurde.
“Der Kochlöffel? Das ist doch das Zeichen von Onyx!”, sagte Vigo und tastete an der Kohlespur.
“Onyx ist tot. Fiel in die südliche Tempelruine, nachdem er wohl von diesem scheiß Oger erwischt wurde. Vielleicht war er vor längerer Zeit hier…”, meinte Ornlu und schüttelte den Kopf.
“Dafür find ich die Kohlespur aber ein wenig zu frisch. Regen hätte sie schon verwaschen, wenn es länger her ist.”, war Vigos Urteil. Er schürte Hoffnung. Das sah man dem Waldläufer aus der Familie Telcontar an.
“Wir haben nach Onyx gesucht. Lange und ausgiebig. Ich habe meine Späher entsandt. Wir hätten ihn gefunden, wäre er noch am Leben, Freund. Vielleicht wusste jemand nicht, dass es Onyx Zeichen ist oder hat nicht die Absicht gehabt, bewusst ein Symbol zu hinterlassen.”, sagte Ornlu und nahm dann neben Kiyan Platz. Der hatte mit Okam das Feuer gemacht. Vigo nickte lediglich etwas missmutig und nahm auch Platz. Okam indes erklärte Kiyan was es mit so Symbolen auf sich hatte. Dass Waldläufer ihr eigenes Zeichen entwerfen oder haben und es als Markierung für andere Waldläufer nutzen, um zu sagen dass sie hier waren. So war Okams Zeichen die Adlerrune des Waldvolkes, weil er als ehemaliger Adlerkrieger der Adlersippe noch immer bekannt war. Vigo hatte das Zeichen des Hauses Telcontar - zwei Runen die für Sterne und einen Baum standen und Iun, der aus Vengard stammte, die waldvölkische Rune für Turm. Ornlus Zeichen stellte das waldvölkischen Runenzeichen für Wolf dar. Das Onyx einen simplen Kochlöffel nutzte, statt eine Rune lag an Onyx selbst und dass er der alten Runen wohl nicht mächtig gewesen war.
“Er war ein verdammt guter Koch, wenn man mit ihm unterwegs war. Sowas hat man selten. - Onyx Ogerschreck. Drei Oger hat er gefällt. Bei der letzten Wilden Jagd war er schon dabei und hat zusammen mit uns das Lager verteidigt. Guter Mann. Ricklen zeigt es nicht, aber ihm geht die Sache noch näher als Jilvie. Der vierte Oger wird für Onyx sein.”, sagte Valgus und blickte in das langsam größer werdende Feuer.
“Das wird er.”, sagte der Druide unter ihnen und wartete noch einen Moment, bis alle saßen und über ihnen der Himmel schon in sein typisches Rot beim Sonnenuntergang sich wandelte.
Danach war es seine Gruppe die begann zu erzählen was sie heute gesehen hatten. Ornlu erzählte es nüchtern und ohne große Ausschweife. Teilte seine Gedanken zum Troll und der grünen Bestie. Zum Schamanen und wie die Konkurrenz vorgehen würde. Ebenso aber erzählte er allen noch einmal wie das damals war, als sie auf den dunklen Oger, die Goblins und dieses Wrooot-Wesen gestoßen waren. Wie Onyx wohl starb und wie Wrooooot wohl Macht aus Knochen - insbesondere Schädel - wohl zog. Aber auch wie sie vor wenigen Tagen die Spuren dieses Viehs mit tausend Füssen gefunden hatten und wie der übel zugerichtete Snapper aussah.
“Wir könnten uns vorwerfen lassen blind gewesen zu sein. Aber umgekehrt, kann man die tiefen Sümpfe nicht so sehr kontrollieren und wir müssen selbst in Tooshoo klar kommen. Es gibt kaum Platz und viele von uns ziehen immer noch umher. Das ist kein Vorwurf an die Füchse. Das ist immerhin euer Weg. Aber ihr wisst wie ich es meine. In Zukunft müssen wir da manches ändern und große Kraftanstrengungen auf uns nehmen.”, beendete er und blickte dann zu Valgus. Diesem lag etwas auf den Lippen, doch wollte er Ornlu wohl ausreden lassen.
“Wir hatten bei Corax Lager Kämpfe mit untoten Getier. Kamen aus der Ruine in der Nähe denke ich. Dort aber fanden wir nichts auffälliges und rein gehen wir da nicht alleine. Wurden dann von diesem Snapperrudel mit roten Schnauzen verfolgt und konnten sie dann abschütteln. Später fanden wir Spuren von diesem Vieh mit tausend Füssen. Aber alte Spuren. Er hatte gejagt Snapper gejagt und suchte dann in den Bäumen etwas. Dann gingen seine Spuren in Richtung Zentrum der Sümpfe. Aber irgendwann gab er auf und kroch wieder gen Norden. Da haben wir seine Fährte verloren. Dafür - und das wird dich interessieren und hätten wir es gewusst, wären wir der Fährte gefolgt - fanden wir eine Reihe an Bäumen. Seltsam verdreht und auf ihre Art noch rege. Sie wurden von etwas anderen vernichtet. Korrumpierte, lebendige Bäume, Jadewolf.”, sagte Valgus mit deutlichen Gesichtsausdruck.
“Wroooot! Denkt ihr er ist noch da?”
“Das nicht, aber die seltsamen Abdrücke waren deutlich. So tief und teils mit fünf Abdrücken im Boden. Nicht zuzuordnen. Wir hatten nicht an sowas gedacht. Dachten da war irgendwas, was diese Bäume platt gemacht hat. Ähnlich der Wächter bei Tooshoo nun. Bewegt euch Richtung Steinkreis. Du wirst ja wissen wo er ist. Eine Stunde vor dem Steinkreis werdet ihr von Westen kommend diese Bäume schon finden.”, meinte dann Valar, der - obwohl der Jüngere der beiden Brüder- einmal die Sippe des Valgus führen würde.
“Dann haben wir ein Ziel für morgen. Wrooot ist ein Gegner für mich und meine Leute. Was ist mit euch?”, fragte Ornlu.
“Wir ziehen weiter am Rand entlang. Jarvo wollte, dass wir runter bis zum Strand gehen und dann zurück ins Basislager. - Im Grunde einmal am kompletten Rand des Gebietes. Natürlich sollen wir jedes Kommando unterstützen. Aber du wirst unsere Hilfe nicht brauchen, Jadewolf?! Dieser Wrooot ist speziell nicht wahr?”, fragte Valgus.
“Es wäre mir eine Ehre die Füchse an meiner Seite zu wissen, aber du hast recht. Je mehr wir sind, umso schwerer ist es für mich jeden vor den wild gewordenen Bäumen zu schützen. Und was Wrooot mit Toten macht, hab ich erzählt. Nein, zieht weiter und wir werden uns wieder sehen.”, sagte der Druide und Valgus nickte. Dann blickte er zu Kiyan.
“Dich kennen wir noch nicht. Ich bin Valgus Graufuchs von den Füchsen. Wer bist du? Hast du diesen Pelz auf deinen Schultern erjagt? Erzähl uns vom Kampf.”, bat der ergraute Mann und reichte Kiyan ein Stück Brot. Die Füchse und Wölfe teilten heute ihr Essen. Brot von den Füchsen. Trockenfleisch von den Wölfen.
Geändert von Ornlu (28.03.2024 um 13:59 Uhr)
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Nördlicher Bruchwald - später Nachmittag
Dreiundzwanzig! Dreiundzwanzig verdammte Beine hatte er diesem überdimensionierten Dreckswurm aus den Tiefen des Sumpfes schon abgeschlagen! Und das Ding wand und zuckte immer noch herum wie ein wütender Aal. Der Templer atmete mit energisch auf- und ab sinkendem Brustkorb ein und aus. Freiya und er standen in einigem Abstand zueinander während sie sich auf die passende Distanz gebracht hatten, in der das gute alte Seil den Tausendfüßler im zurück hielt. Doch je mehr die Bestie tobte, riss und mit seinen Beinen daran entlang schabte, desto mehr gaben sowohl die dicken Faserstränge als auch der Baum nach, der so stoisch versuchte, den Neunhundertsiebenundsiebzigfüßler zurück zu halten. Immer wieder schnappte das Biest in die Richtung der beiden, verteilte dabei diesen widerwärtigen, dunklen Schleim der den Boden und das Brackwasser nach und nach in eine gräuliche Masse verwandelte, während das Lehrer-Schüler-Duo Griffin und Zarra den Rücken freigehalten hatte. Gerade wollte der Hüter Freiya das Zeichen für die nächste Runde geben, als auch schon Griffin aus den Baumkronen herab landete und, fast schon tänzelnd von einem Bein aufs andere mit einer Tasche ankam und schon im Auskosten des Sieges berichtete, dass er... Bergmehl dabei hatte.
Was hatte er vor? Das Ding panieren? Trotz Maske und Kopfschutz war deutlich zu erkennen, wie der Hayabusa, als die beiden hinter den nächsten Holzstamm gesprungen waren, seine Braue anhob und den Kopf leicht senkte. "Also, wir prügeln uns hier unten und du leihst dir 'nen Sack Mehl!? Erklär mir d...", wie von selbst takteten die Instinkte der beiden Hüter, ehe sie aus ihrem Versteck nach oben sprangen, gerade vorbei am klaffenden Maul des Krabbelviehs vorbei das den umgestürzten Baumstamm zweiteilte. Ein kurzer Blick verriet, dass jener Ankerbaum sich laut ächzend zu entwurzeln drohte, durch all das Gerucke. Offenbar hatte sich der Boden während all des Umkreisens und Kämpfens derart aufgelockert, dass der stille Wächter alle Mühe hatte seinen Halt zu finden. "Ha! Siehe und staune! Unser Problem wird sich gleich von selbst auflösen!", entgegnete der massivere der beiden Waffenbrüder kurzerhand, schwang sich die Tasche quer über die Schulter und begann damit, sich den Weg auf eine erhöhte Position zu suchen. Lediglich einen fassungslosen Templer zurück lassend, der im nächsten Moment pfeilschnelle Blicke in die Richtung verschoss in der zuletzt Freiya nach Luft gerangen hatte. Der Tausendfüßler wirbelte wild und tosend umher, sodass man in all dem aufwirbelnden Gemisch aus Brackwasser, Erde und generell Sumpflandschaft nur wenig klare Blicke erhaschen konnte. Offenbar hatte die Bestie erkannt, dass sie ein eher unfreiwilliges Band zwischen sich und dem Baum geknüpft hatte und tat nun alles um sich zu befreien. Die Vorahnung, Freiyas Verschwinden mit aufkommender Gefahr zu verbinden ließ einfach nicht nach. Und so sollte es im nächsten Moment auch kommen: Was auch immer die rote Snapperin geritten hatte - Sie hatte sich rüber zu dem kippenden Baum begeben um irgendetwas mit dem Seil anzustellen. Aber was? Und warum im Namen des Schläfers musste die übergroße Wanze nun auch Wind davon bekommen? Ryu atmete einmal scharf aus. -Nimm zwei mal Maß.-, rief er sich abermals in den Sinn und dann hielt er die Luft an, schloss die Augen und wandte seine ganze Konzentration auf das übergroße Insekt. Es musste doch schneller gehen, diese unsäglichen, unberechenbaren Bewegungen, Drehungen und Angriffe irgendwie zu stören. Eine Schwachstelle. Langsam öffneten sich die Augen des Wyvern wieder und für den Bruchteil einer Sekunde schien alles langsamer. Seine Instinkte arbeiteten auf Hochtouren und in Kombination mit jener alten Technik die Gor Na Jan ihn einst gelehrt hatte, fühlte er sich vollauf in der Lage, den Bewegungsapparat des Feindes zu sondieren und fast schon analytisch zu beobachten. In der Art wie dieses Wesen sich wandte. Wie es nach vorne schnellte, in Richtung des Baumes nach dem es Freiya entdeckt hatte. Und auch schon zuvor...
Es geschah automatisch. Aus einem unterbewussten Impuls heraus setzte sich der Hüter in Bewegung, die Umgebung kaum wahrnehmend und doch unter, über und um sich spürend. Der alte Templer mit der Glatze hatte die Technik damals in etwa wie folgt beschrieben: Alles auszublenden was störte. Sich auf den Feind zu konzentrieren und jede seiner Bewegungen zu erahnen und eine Antwort vorzubereiten. Die Umgebung sich selbst zu überlassen und die volle Konzentration auf das Ziel zu lenken. Sich in einen mentalen Bereich des absoluten Fokusses zu begeben. Nicht unähnlich der Lektion des Platzregens und doch so viel intensiver. Eine riskante und mächtige Technik die so im Kontrast zu der urtümlichen Kraft stand die in ihm schlummerte. Und doch hatte Ryu es über all die Jahre geschafft, beides in einen nie gekannten Einklang zu bringen: Den Geist auf den Feind zu konzentrieren und die Instinkte und Verbundenheit zur Natur taten den Rest. Ließen ihn auf außenstehendes reagieren ohne den Fokus zu verlieren. Es war ein mentaler Drahtseilakt. Ein Zustand höchster, kriegerischer Euphorie und kältester, lauernder Jägerslist.
Der Hayabusa wusste was zu tun war - Und es musste verdammt schnell vonstatten gehen! Denn so sehr Freiya sich bemüht hatte... Die Riesenwanze war auf den Baum zugeschnellt, hatte sich im Nu daran hinauf geschlungen und versucht, die rote Snapperin samt des schwankenden Baumes zu zerquetschen. Glücklicherweise hatte erstere geistesgegenwärtig gehandelt, nach einem Ast gegriffen und den größten Teil ihres Körpers vor der Quetschung des Tausendbeinigen bewahrt. Dennoch war das nicht der ganzen Freiya vergönnt: Ihr Fuß war noch irgendwo zwischen Chitinpanzer und einem der übrigen Beine eingeklemmt. Eine Situation aus der sie so nicht heraus kam. Einerseits am Ast Halt suchend, bemüht, nicht völlig den Halt zu verlieren. Andererseits im Griff des Ungetüms.
Ryu hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. War gleich einer Wildkatze über mehrere Felsen gesprungen, um sich dann mit der nächsten Liane zu ihr herüber zu schwingen und mit einem Satz auf dem Panzer bei Freiya zu landen. Ein kurzer Blick der keiner Worte bedurfte. Ein verstehendes Nicken des Rotschopfes. Mehr brauchte es nicht und sie ließ von dem Ast ab, griff stattdessen mit einem Arm um Ryus Schulter und zog ihr Schwert. Der Hüter hingegen zückte seinen etwas grobschlächtig wirkenden Jagddolch der mehr einer breiten Machete mit einem Widerhaken glich statt eines wirklichen Dolches. Sie hatten Glück: Jenes Segment welches ein Segment über dem lag, welches den Fuß Freiyas einklemmte, befand sich genau der Punkt den der Hayabusa gesucht hatte: Die goldene Mitte! Nun, wirklich golden war das Ding nicht. Im Gegenteil... Es hatte dieselbe ranzig-grüne Farbe die der Rest dieser Bestie, doch von hier etwa gingen alle Bewegungen aus. Sie war der Dreh- und Angelpunkt, quasi das Rückgrat. Und das galt es nun zu knacken. Fiddelnd und wackelig auf den eigenen Beinen rammte der Templer einige male die Spitze des Dolches gegen den Chitinpanzer in dem Versuch zwischen die Segmente zu gelangen, doch diese verdammte Dreckschicht war einfach zu glatt. Auch Freiya hatte bereits nach ihrer Waffe gegriffen. Ein Stück Schmiedekunst das eigentlich prädestiniert wäre, in genau solch eine Lücke zu kommen. Doch durch den Klammergriff und das Festhalten an ihrem Jagdgefährten war auch für sie das ganze alles andere als einfach. Und verdammt, näherte sich da gerade der Kopf des Biests von oben? Das musste schneller gehen! Und... Nach einem lauten, übermotivierten Ruf Griffins, sollte das auch gleich geschehen! Von oben landete der bullige, seines Zeichen selbst pensionierte Hüter im Nacken des Tausendfüßlers, packte ihn an den stachelartigen Hörnern und riss dessen Kopf gerade kurz vor knapp weg von Ryu und Freiya. "Dir fehlt die Würze, Freundchen!", rief er nur und pfefferte einen der Beutel aus seiner Tasche in den Rachen der Bestie die im ersten Moment nicht wusste wie ihr geschah. Ein weiterer, beherzter Griff folgte, dann landete eine weitere Hand voll im Augenbereich der Kreatur. Als hätte man ihr Glassplitter hinein geblasen, krisch diese schrillend auf und begann mit dem Schädel hin und her zu wedeln. Ein Umstand den Griffin nutzte um sich über seine beiden Jagdgefährten zu katapultieren und seinem Waffenbruder den zweiten Sack zukommen zu lassen. "Auf die Grütze damit! Und ja, ich weiß, dass Mehl kein...", doch brachen diese Worte irgendwo im Geschrei von Riesenkäfer, Baumwipfelgeraschel und dem langsam kippenden Baum völlig unter als Griffin irgendwo zwischen den Blättern verschwand.
Die Dinge überschlugen sich wirklich! Wo der beleibte Hüter gerade noch für Verwirrung und einen möglicherweise entscheidenden Vorteil gesorgt hatte, sprangen urplötzlich ein paar Snapper aus dem Unterholz und begannen damit, sich in einigen der Beine zu verbeißen und diese mit nicht weniger beeindruckender Kraft und Brutalität heraus zu reißen. Nun hatte der Fürst des Brackwassers die sprichwörtliche Qual der Wahl: Die beiden Menschen erlegen die dort an seinem edlen Panzerkleid schafften oder jene Störenfriede die eigentlich in seinem Magen landen sollten und nicht umgekehrt! Die Wahl fiel auf letztere. In einem weiteren Schrei purer Rage und einem brennenden, blendenden Film der sich auf die Augen des selbst ernannten Fürsten legte, schnappte dieser sich eine der aufmüpfigen Echsen mit dem verbliebenden Mandibel, spießte diesen kräftig in das schuppige Fleisch und beförderte diesen dann unter einem lauten Platschgeräusch ins Brackwasser. Kein schwächlicher Magenfüller sollte IHM etwas anhaben! Doch die Schmerzen die er an jedem Glied erfuhr, welches diese niederen Wesen ihm zufügten, säten Zweifel. Zweifel und noch viel mehr Wut! Wieder versuchte er sie zu schnappen, doch dies niedere Kroppzeuch schien zu lernen! Es wich aus, verbiss sich woanders und wagte es abermals seinem schönen, seinem perfekten Körper Verunstaltungen zuzufügen!
Der Hayabusa atmete durch und schüttelte ansätzig den Kopf. "Ist mir scheißegal ob es funktioniert oder nicht! Mach, Ryu!", mahnte ihn Freiya die wohl schon spürte wie absurd das ganze war, der Situation angemessen jedoch nichts außer Acht lassen wollte um ihren Fuß zu retten. Gesagt getan: Der Hüter drückte den Mehlbeutel an die Panzerkante und in einer der kurzen Schiebebewegungen auf die nächste Platte war er bereits gerissen. Der Hüter selbst zog daran und verschüttete das ganze Material ohne zu zögern. Es zischte. Es blubberte. Es verkrustete. Und der Neunhundertzweiundfünfzigfüßler krisch erneut auf, als der Templer seinen Dolch dieses mal mit wesentlich mehr Erfolg unter den Panzer rammte und zu hebeln begann. "Komm... Schon... Du... Drecksvieh!", knurrte der Waffenschmied unzufrieden wie er es sonst tat, wenn er versuchte Metall in die richtige Form zu bringen welches sich einfach nicht biegen ließ oder schon zu erkaltet war, sein Handwerkerstolz es ihm jedoch verbot, es noch einmal zu erhitzen.
Es knackte laut und ein ekelhaft, schmatzendes Geräusch drang an die Ohren der beiden Jäger heran, nachdem der Hüter noch einige male hin und her gehebelt und mit dem Widerhaken über die Kante hinweg die Platte aufgerissen hatte. Die Chance die Freiya direkt nutzte: Ein wütender Stich von oben herab durchtrennte Chitin, Nervenstränge und andere, undefinierbare Massen die dieses Ding zusammenhielten. Auch Ryu umfasste Freiyas Hand und half ihr beim hin und her hebeln. Gemeinsam würden sie das Ding schon zertrennen! Mit einem mal mal 'zerriss' schließlich der immer mehr verkrüppelte Krabbelwurm, als hätte man ein Seil unter völliger Spannung mit einer Schere durchtrennt und der erneute Absturz gen Brackwasser drohte. Was der Hayabusa noch erkannte, kurz bevor ihn eine massive Kraft von der Seite aus dem Fall riss war, wie der Regenmacher einige der der Snapper unter sich begrub.
Und natürlich war diese unaufhaltsame Macht in Form von Griffin aufgetaucht, der, mit beiden Beinen an einer Liane schwingend nach seinen Gefährten gegriffen hatte und sich nun hatte in Sicherheit fallen lassen. Noch etwas unsicher, wo nun oben und unten war, richtete sich Ryu auf und blinzelte einige male. Dann schaute er zu Freiya. Sein Blick in erster Linie durchzogen von Sorge und der Angst, vielleicht zu langsam gewesen zu sein. "Du bist Ordnung?". Sie trat vorsichtig auf, verzog dabei leicht das Gesicht. Ob nun wegen erwarteter Schmerzen oder tatsächlicher ließ sich in all der Aufregung nicht deuten, doch, erst nach einem kurzen Zögern nickte sie dann und trat etwas fester auf. "Wird schon gehen...". Der Hayabusa nickte und schaute dann zwischen beiden hin und her. "Holen wir uns jetzt den Kopf!", doch die rote Snapperin schaltete sich erneut ein. Sorge und Aufregung klangen in ihrer Stimme mit. Letztere offensichtlich ob der Situation gerade. "Was ist mit den Snappern?". Ryu begann unter seinem Mundtuch zu grinsen und schüttelte sachte den Kopf. "Sie kennen die Hackordnung".
Mit diesen kryptischen Worten ließ der Wyvern-Hüter es erst einmal auf sich beruhen, dann blickte er zwischen dem Gebüsch hin zu dem spastisch zuckenden Leib des Wenigfüßlers. Einige der Snapper hatten sich aus dem Wasser geschleppt, ein anderer lag mit einigen fiesen lila schäumenden Wunden nicht unweit des Ortes an dem sie gelandet waren. Ein anderer trieb regungslos auf dem gestauten Wasser zwischen Baum und Rieseninsekt. "Griffin, du fixierst das Ding auf dem Boden. Freiya, du hilfst mir beim Ausnehmen. Macht euch um die Snapper keine Sorgen."
Damit traten die Drei aus dem Gebüsch heraus. Ryu voran. Die Snapper, noch immer derangiert schienen vorerst mit ihrem eigenen Leidensweg zu hadern. Wie besprochen sprang Griffin von der Seite auf den nun mehr Wurm mit vielen gebrochenen Beinen statt Tausendfüßler, packte ihn an den Hörnern und ruckte dessen Kopf mit einer kräftigen Bewegung mit dem Gesicht in den Schlamm. Dann folgte der Templer und reichte Freiya die Hand. Erneut zogen beide ihre Schwerter, nickten sich zu und gruben den kalten Stahl schließlich in die freie Stelle am Nacken. Der Wurm zischte schwach und ein letztes mal in verzweifelter Wut und Frustration!
Wie konnten sie ihn, den Prinzen, den Regenmacher nur so erniedrigen!? Wie konnten mickriger Würmer ihn bezwingen!? Hatte man ihn belogen!? Hatte man ihn mit falschen Versprechungen eines Festmahles und wehrloser Beute in diese Gegend gelockt!? Diese Impertinenz! Dieser Unverfrorenheit! Dieser Affront gegen seine Hoheit! Dieser...! Doch der letzte Gedanke des Regenmachers verstummte. Das Gefühl über seinen einst prächtigen Körper, die Perfektion des Seins schwand mit einem mal. Und alles was blieb war ein Gefühl... Ein Gefühl von Hass... Ein Gefühl von Bedauern... Ein Gefühl von... Erlösung...
"Was eine Drecksarbeit mit dem Vieh!", gab Ryu schließlich zu verstehen, als der Kopf der Bestie nach einem letzten, schlackigen Geräusch vornüber zu Boden fiel. Kurz schob er seine Kopfbedeckung nach oben und fuhr sich über die Schweiß bedeckte Stirn. Sie beide, er und Freiya waren an einigen Stellen mit übel riechendem Glibber bedeckt und schauten sich mit einem 'Ist gut. Für heute Feierabend'-Blick an, während Griffin sich in der Hocke neben ihnen niederließ. "Ährm... Ich will ja nichts sagen, aber..."., er hob das Kinn in Richtung des Kopfes um den sich die zweibeinigen Echsen versammelt hatten. "Die wollen vielleicht uns nichts, dafür aber unsere Beute".
Sarkany blickte auf.
Was wollten diese Bauern? Erdreistete sich dieses flügellose Landvolk wirklich von ihm zu stehlen? Ein tiefer, knurrend rauchiger Atemzug entwich dem Hüter und er richtete sich auf, machte einen kurzen Satz vom leblosen Körper der toten Kreatur herunter und trat an die wenigen Snapper heran die noch übrig waren. Seine Augen waren weit aufgerissen. Drohend und mahnend. In einer langsamen, für die Zweibeiner nur zu gut sichtbaren Bewegung zog der Hüter langsam das Mundtuch nach unten. Leicht, einen heißen Atemzug ausstoßend atmete er aus, bleckte dabei die Zähne und hielt den Blick des offensichtlichen Rudelführers. Seine Pupillen hatten sich in diesem Augenblick geschmälert, seine Unzufriedenheit und die gleichzeitige Drohung ausgesprochen über die Dreistigkeit dieser Leichenfledderer. Sie gehörten zum Volk der Schuppenträger, doch selbst wenn sie unter ihresgleichen verdiente Veteranen waren... Sie waren nicht die Spitze. Sie waren Staub unter seinen Krallen wenn er es wollte. Und dazu würden sie auch werden. Das erkannte das Leittier in der, seinem Stand nach eher bemerkenswerten Weisheit noch bevor es zu spät war. Dieser Moment der Klarheit entlockte dem Anführer ein argwöhnisches, doch einsichtiges Gurren. Was folgte war ein barsches Fauchen und die Aufforderung an seine Kameraden, Kehrt zu machen. An einem anderen Tag! Wenn sie weniger zu fürchten hatten, würden sie kommen und holen was von ihrem nun toten Erzfeind übrig geblieben war...
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Im südlichen Sumpf, später Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik, Maris
Die Kreatur, die da aus der Hütte kam, war das mit Abstand abstoßendste, was Yarik jemals zu Gesicht bekommen hatte. Und nach einer Begegnung mit einer Horde in Verwesung begriffener Zombies wollte das durchaus etwas heißen. Ihr Körper hatte entfernte – sehr entfernte – Ähnlichkeit mit dem einer Greisin, aber auch wenn er auf den ersten Blick zerbrechlich wirkte und wie vom Alter gebeugt, straften ihre blitzschnellen, kraftvollen Bewegungen diesen Eindruck lügen. Die runzlige, mit Warzen übersäte Haut war von gräulicher Farbe, bedeckt von einer dicken, ranzigen Schmutzschicht. Das Gesicht wirkte deformiert mit schief stehenden, fauligen Reißzähnen, zwischen denen der Geifer hervortroff. Ihre Augen waren von milchig-weißer Farbe und schienen geradezu aus den Höhlen zu quellen, wie die Augen einer Wasserleiche. Die überlangen Finger der Vettel endeten in messerscharfen Krallen und auf dem Rücken hatte sie eine Reihe seltsamer, rötlich gefärbter Dornen oder Knochenauswüchse.
Sowie sie aus der Hütte trat, schwappte eine Welle so üblen Gestanks über die wartenden Jäger hinweg, dass der Verwesungsgeruch, den die Zombies verströmt hatten, dagegen beinahe als lieblicher Duft bezeichnet werden konnte. Das saure, ranzige Aroma, das die Vettel verströmte, hatte nichts natürliches mehr an sich. Es biss in der Nase wie Schwefeldunst und ließ die Augen tränen, Yarik hatte sogar den Eindruck, die üble Gestankwolke regelrecht sehen zu können – als wäre die Luft um die Vettel herum dicker und würde flimmern und wabern.
Shakes, der sich gemeinsam mit Yarik hinter einem Busch verborgen hatte, presste die Hand vor den Mund, und versuchte, den Würgereflex niederzukämpfen. Yarik selbst hingegen registrierte zwar irgendwo in seinem Bewusstsein, wie abstoßend und abscheulich die Kreatur war, der sie da gegenüberstanden, und der Gestank ließ auch seinen Magen kurz rebellieren, aber diese Gefühle waren nebensächlich gegenüber dem Hass, den er wieder empfand. Vor allem wollte er dieses Ding tot sehen, ausgelöscht, vollkommen und endgültig vernichtet. Seine Muskeln waren angespannt, die Verletzungen aus den letzten Kämpfen vergessen, kaum mehr als eine ferne Erinnerung.
Kampfrausch, hatte Maris gesagt. Aber war es das wirklich? Yarik war nicht blind vor Wut, jedenfalls kam es ihm nicht so vor. Er verspürte keineswegs den Drang, sich ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden auf die Kreatur zu stürzen und einfach auf sie einzuprügeln – er wusste, dass sie ihn in der Luft zerreißen würde. Sein Denken war klar, es war lediglich fokussiert auf dieses eine Ziel, die Vettel zu vernichten. Diesem Ziel würde er alles andere unterordnen. Und alle anderen…
Der kleine Katzengeist war inzwischen vom Dach des Hauses gesprungen und in Stück Richtung des Baumes gelaufen, gegen den sich der mit Blättern und Schlingpflanzen umwickelte Glock lehnte, um als Teil der Botanik durchzugehen. Die Katze machte einen Buckel, richtete ihren Schwanz auf und sträubte das Fell. Mit zurückgelegten Ohren stieß sie ein langgezogenes Fauchen aus.
„Katzzzz!“, zischte die Vettel und ging in die Hocke. Sie streckte eine Hand aus und neigte den Kopf zur Seite. „Mieeeez Miez Miez!“, gurrte sie plötzlich mit einer schleimigen, belegten Stimme und machte mit den Fingern eine lockende Geste, wobei sie jedoch in einer Zurschaustellung raubtierhafter Gier die Lippen zurückzog und ihr grauenhaftes Gebiss entblößte.
Der Katzengeist fauchte noch einmal und mache einen Lufthieb in Richtung der Vettel, deren Lockrufe daraufhin in ein tiefes Grollen übergingen. Mit einem Mal katapultierte sie sich mit einem gewaltigen Satz in die Luft und sprang mit ausgestreckten Klauen auf die Katze zu. Der kleine Geist konnte um Haaresbreite entwischen und die Krallen gruben sich nur in die feuchte Erde, aber die Vettel strafte ihr gebrechlich wirkendes Äußeres nun endgültig lügen, indem sie, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, auf allen Vieren, den Oberkörper dicht über dem Boden, der Katze wie ein ekelhafter Käfer hinterherkrabbelte. Und schnell war sie! Der Katzengeist rannte davon und schlug einen Haken, aber diesmal war er einen Herzschlag zu langsam. Eine Klaue der Vettel schoss blitzschnell nach vorn und wäre die Katze aus Fleisch und Blut gewesen, dann hätte sie das Tier der Länge nach aufgeschlitzt. Der Geist hingegen verpuffte in einer Wolke feinen Nebels, der sich schon einen Augenblick später in Nichts auflöste.
„Katzzz?“, zischte die Vettel und betrachtete verwundert ihre Hand, leckte mit einer langen, gelben Zunge ihre Finger ab und stieß ein wütendes Kreischen aus, als sie kein frisches Blut daran schmeckte. Zornig wie ein kleines Kind schlug sie mit der Faust auf den Boden, weicher Matsch spritzte in alle Richtungen.
Glok machte schon Anstalten, sich auf die abscheuliche Kreatur zur stürzen, aber Liam hob die Hand und schüttelte vehement den Kopf. Zum Glück bemerkte der Oger die Geste und hielt sich zu Yariks Überraschung sogar daran – die Vettel war zwar ein gutes Stück aus ihrer Hütte hervorgekommen, aber sie war noch zu weit entfernt, vor allem angesichts der Schnelligkeit und Reaktionsfähigkeit, die sie bereits zur Schau gestellt hatte. Die Strecke, die der Oger noch überwinden müsste, um sie zu erreichen, würde ihr mehr als ausreichen, um den Überraschungseffekt zunichtezumachen. Sie mussten die Vettel noch näher an Glock heranlocken…
Yarik sah auf der gegenüberliegenden Seite der kleinen Lichtung für einen kurzen Augenblick einen dunkelblonden Haarschopf im Unterholz aufblitzen, als Eileen, die offensichtlich zu derselben Einschätzung gelangt war, sich nur einen Sekundenbruchteil hinter ihrer Deckung hervorwagte, um einen Pfeil loszulassen. Das Geschoss surrte durch die Luft und traf die Vettel in die Schulter. Die dämonische Großmutter sprang überrascht in die Luft und schlug mit der Klaue reflexartig in die Richtung, aus der der Angriff gekommen war. Als sie feststellte, dass ihr Gegner nicht in ihrer Reichweite war, ging sie in die Hocke und ließ ihren Kopf reptilienartig von links nach rechts schwingen. Den Pfeil, der in ihrer Schulter steckte, ignorierte sie völlig. Er hatte allerdings die gewünschte Wirkung gehabt, die Vettel machte ein paar vorsichtige Schritte in Gloks Richtung. Dabei sog sie geräuschvoll die Luft ein, schnüffelte, bleckte die Zähne und kniff die toten Augen zusammen.
Yarik fragte sich, wie zur Hölle sie über ihren eigenen Gestank hinweg irgendetwas riechen wollte, beschloss aber, es besser nicht darauf ankommen zu lassen, dass sie die Bogenschützin am Ende noch entdeckte. Mit einer Geisterkatze konnte er zwar nicht aufwarten, aber ein einfaches Irrlicht würde hoffentlich auch ausreichen, um die Aufmerksamkeit der Vettel auf sich zu lenken.
Wenige Schritte von der Vettel entfernt ließ Yarik eine kleine, leuchtende Kugel entstehen. Die Vettel ignorierte das Licht zunächst, aber als Yarik begann, es in trägen Kreisen vor ihrem Gesicht herumschwirren zu lassen, fing sie an, danach zu schlagen, als wäre es ein lästiges Insekt. Stück für Stück lockte Yarik die Vettel näher zu Gloks, auch wenn sie weniger auf den Lichtzauber reagierte als auf den Tiergeist, den Maris ihr präsentiert hatte. Wusste sie, dass es sich um einen magischen Effekt handelte, für den jemand verantwortlich sein musste? Vielleicht, denn sie suchte nach wie vor das Unterholz am Rande der Lichtung ab, auf der sie ihre Hütte errichtet (oder einfach nur in Beschlag genommen) hatte.
Und plötzlich erstarrte sie, den Blick ihrer toten Augen genau auf Yarik geheftet. Er fluchte innerlich.
„Blitz!“, rief Yarik, als die Vettel sich zum Sprung duckte. Er konnte nur hoffen, dass seine Mitkämpfer den Warnruf kannten, denn Zeit, sich dessen zu vergewissern, hatte er nicht. Er ließ mehr und mehr magische Energie in den kleinen Lichtzauber strömen, so viel, dass die Kugel für eine Sekunde lang gleißend hell aufleuchtete und dann in einer winzigen Explosion von hunderten Funken zerstob.
Die Augen der Vettel waren offenbar nicht so tot, wie sie aussahen. Sie zischte und hob schützend einen Arm vors Gesicht, als das Blitzlicht sie blendete – es war nicht viel Zeit, die Yarik dadurch gewinnen konnte, aber gegen einen solchen Gegner war jede Sekunde kostbar. Er verschwendete keinen Augenblick und sprintete zu einem nahegelegenen Baum, hinter dem er in Deckung ging.
Die Vettel schüttelte den Kopf, ihre schmutzigen, verfilzten Haare peitschten um ihr Gesicht, und stürmte dann zu der Stelle, an der Yarik sich eben noch im Gebüsch verborgen hatte.
„Fleissssch!“, krächzte sie mit ihrer tiefen, knarzigen Stimme, „Fleischfleischfleisch!“
In dem Moment kam von der anderen Seite wieder ein Pfeil herangeschossen, der sie diesmal zwischen die Stacheln an ihrem Rücken traf. Sie fuhr herum und sprintete sofort los. Hatte sie Eileen bemerkt?
Es spielte keine Rolle. Sie war jetzt nah genug. Mit einem kraftvollen Satz und begleitet von einem lauten Kampfschrei setzte sich Glok in Bewegung. Der Oger katapultierte sich regelrecht nach vorn, riss sich dabei seine Verkleidung vom Leib und schnitt der Vettel den Weg ab, rannte sie regelrecht über den Haufen. Der Aufprall katapultierte die Vettel mehrere Meter weit durch die Luft, aber Glok ließ ihr keine Zeit. Er war mit einem Schritt bei ihr und packte sie am Bein, riss sie daran in die Höhe und drosch sie mit aller Gewalt auf den Boden. Die Vettel kreischte, aber es klang mehr nach Wut und Empörung, denn Angst oder Verzweiflung – und auf einmal wand sie sich in Gloks Griff herum und schlug ihre langen Krallen in den Arm des Ogers.
Glok brüllte, ließ aber nicht los und verpasste der Vettel einen Fausthieb gegen den Kopf, der einen Menschen zweifellos auf der Stelle getötet hätte – die Vettel aber stieß nur ein zischendes Fauchen aus und krallte weiter nach ihm, sie wand sich in Gloks Griff wie ein glitschiger Aal und ließ sich kaum von ihm fassen.
„Los, wir müssen ihm helfen!“, rief Liam, zog sein Schwert und rannte zu dem Oger, „Nicht loslassen, Dicker! Halt sie fest!“
Yarik musste man das nicht zweimal sagen. Er packte seinen Kampfstab und sprintete dem Waldläufer hinterher. Die Vettel, die gerade kopfüber an Gloks Arm hing, verrenkte ihren Hals in einem Winkel, der eigentlich nicht möglich sein sollte, so dass sie ihre neuen Gegner im Blick hatte. Dann deutete sie mit einer ihrer Klauen auf sie, leckte sich mit der eitrigen Zunge über die Lippen und sprach ein einziges, abscheuliches Wort, dass keiner menschlichen Sprache entstammen konnte. Es kam Yarik vor, als ob die Töne sich in seinem Gehörgang winden würden wie fette, fleischfressende Maden, und es kostete ihn all seine Willenskraft, um nicht innezuhalten und die Hände auf die Ohren zu pressen.
Im nächsten Augenblick erwachte der Sumpf zum Leben. Der Schlamm begann zu brodeln, als erst verrottete Hände, dann grinsende, mit ledriger Haut überzogene Schädel, knochige Schultern, Oberkörper mit freiliegenden Rippen sich aus dem Schlamm an die Oberfläche kämpften. Die Vettel hatte ihre Familie zu sich gerufen.
Und nicht nur diese. Die Hütte selbst erbebte und schien sich zu schütteln, als würde sie leben. Das morsche Holz knirschte und krachte, aber entgegen aller Logik fiel das Häuschen nicht in sich zusammen. Im Gegenteil… Es sprang auf! Mit einem lauten Schmatzen löste sich das Fundament aus dem Matsch und die Hütte stand plötzlich auf einem einzelnen, geschuppten Bein, das vage an ein Hühnerbein erinnerte, jedoch dick wie die Taille eines Mannes.
Die Vettel lachte bösartig, als die wankenden Zombies – diesmal waren es größtenteils Menschen – und sogar ihre Hütte sich zusammenrotteten. Sie lachte, weil sie spürte, wie die Eindringlinge, dieses Fleisch, langsam realisierten, womit sie es zu tun hatten. Aber für sie war es zu spät. Es würde ein Festmahl geben, und am Ende würde ihre Familie wachsen.
„Fleisch!“, gurrte die Vettel, „Fleiiiiiissssssch!“
Sie versuchte gar nicht mehr, sich aus Gloks Griff zu befreien. Stattdessen schlug sie ihre Zähne blutgierig in seinen Bizeps.
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