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Im südlichen Sumpf, früher Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik
Yarik war sich für einen Moment nicht sicher, was schlimmer war – der ‚Gesang‘ des Ogers oder die Horde an untoten Viechern (und teilweise mutierten untoten Viechern…), die sich mit eindeutiger Absicht auf sie zubewegte. Eileens Pfeil traf so untrüglich wie eh und je, aber der ekelhaft aufgeblähte Hase, der von dem Geschoss durchbohrt wurde, zeigte keinerlei Reaktion und kroch (denn zum Hüpfen war sein halb verrotteter Körper offensichtlich nicht mehr in der Lage) einfach weiter in ihre Richtung. Liam und Shakes richteten mit ihren Pfeilen genauso wenig aus, so dass Liam das einzig richtige tat, indem er anwies, keine weitere Munition zu verschwenden, sondern sich für den Nahkampf bereit zu machen, wobei er sich beschützend vor seiner Tochter aufbaute, die mit ihrem Speer bereitstand, an ihm vorbeizustechen.
Während Yarik sich mit einem kurzen Blick zu Chala vergewisserte, dass alles in Ordnung war und die Waldläufer sich auf den Angriff der Zombiehorde vorbereiteten, hatte Glok weniger Geduld. Er hob sein ‚Instrument‘ in die Höhe und stieß ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, das von den Goblins erwidert wurde.
„GLOK ZERMAAAAATSCHEEEEEN!“, verkündete der Oger und rannte los. Mit wenigen Sätzen hatte er den kleinen Wasserlauf durchquert, der die Inseln der Lebenden und der Untoten voneinander trennte, und stürzte sich ohne das Geringste Zögern mitten in die Zombiehorde. Seine Laute war offenbar multifunktional, denn Glok setzte das schwere Instrument ein, um damit etwas, das im Leben wohl mal ein Lurker gewesen sein mochte, mit einem gewaltigen Abwärtshieb in einen Fleck schmieriger Paste zu verwandeln – ganz getreu seiner Ankündigung. Einen der Hasen packte er und zerdrückte ihn einfach in seiner Faust, so dass faulige Körpersäfte und verflüssigtes Gewebe zwischen seinen Fingern hervorquollen, was Glok jedoch nicht im Geringsten zu stören schien.
Der Oger war nun ganz in seinem Element. Seine Kampfweise entbehrte jeglicher Technik und Raffinesse, sie war eine einzige Zurschaustellung roher, brutaler Kraft und der schlichten Freude an der Zerstörung. Er riss Gliedmaßen aus, schlug mit seiner Laute Schädel ein, zerquetschte verrottendes Fleisch und ließ morsche Knochen brechen, und die ganze Zeit lachte er oder gab grässliche Geräusche von sich, die er vielleicht für ein fröhliches Liedchen halten mochte.
Wenn es sich bei ihren Feinden nicht um Untote gehandelt hätte, dann wären Gloks erster Ansturm und die folgende Orgie der Zerstörung wahrscheinlich schon genug gewesen, die Moral der gegnerischen Truppe zu brechen und sie Hals über Kopf in die Flucht zu schlagen. Die Zombies allerdings kannten keine derartigen Bedenken. Ihre ausdruckslosen, toten Augen blieben starr auf ihre Beute geheftet – die Lebenden. Ob ihnen Gliedmaßen fehlten oder auch eine ganze Körperhälfte – es machte ihnen nichts aus. Sie kannten weder Schmerz noch Angst und kämpften bis zur völligen Zerstörung.
Glok hatte inzwischen beschlossen, dass der größte Brocken der feindlichen Horde ihm gehören sollte. Mit weit ausholenden Schlägen seiner Laute räumte er kleinere Gegner einfach bei Seite, während er auf das gewaltige Faultier zu stapfte, das gut und gern so groß war wie er selbst.
„DU!“, rief er aus voller Kehle, „DU GROSSER STINKIE! BOSS VON STINKIES, JA? GLOK DICH ZERMATSCHEN!“
Der Oger stemmte die Hände in die Hüften und schien auf eine Erwiderung auf seine Herausforderung zu warten, die natürlich nie kam. Das Faultier drehte seinen Kopf träge in Gloks Richtung, fauliger Geifer tropfte aus seinem Maul. Mit einem Mal schoss eine seiner gekrümmten Klauen vor – viel schneller, als irgendjemand erwartet hätte – und Glok schrie überrascht auf, als die dreckverkrusteten Krallen eine tiefe Wunde in seine Schulter rissen. Das bisher fröhliche Gesicht des Ogers verzog sich zu einer Grimasse der Wut und mit einem ohrenbetäubenden Kampfschrei stürzte er sich auf das Faultier.
Während die beiden Kolosse miteinander rangen, entbrannte um sie herum die Schlacht ihres Fußvolkes. Gloks Goblins – die damit deutlich mehr Mut bewiesen, als Yarik ihnen jemals zugetraut hätte – überquerten ihrerseits den Wasserlauf und stellten sich der Zombiehorde zum Kampf. Allein konnte ein Goblin zwar nicht viel gegen die meisten der Untoten ausrichten, aber ihre übliche Taktik, sich gemeinsam auf einen einzelnen Gegner zu stürzen, funktionierte auch hier. Yarik beobachtete fünf Goblins dabei, wie sie einem Snapper in fortgeschrittenem Verwesungsstadium einfach beide Beine ausrissen, bevor sie den Schädel des sich hilflos am Boden windenden Untoten in Gemeinschaftsarbeit einschlugen.
Aber die Goblins waren nicht Glok. Obwohl sie immer wieder Zombies zu Fall brachten, mussten auch sie bald erste Verluste einstecken. Einer der widerlich aufgeblähten Hasen bewies plötzlich, dass er doch noch springen konnte, und schlug seine langen, gelben Nagezähne einem der Goblins in den Hals. Der Goblin kreischte entsetzt und stieß das zuckende Ding von sich, aber es war zu spät – in einer regelrechten Fontaine spritzte das Blut aus seiner zerfetzten Halsschlagader, und der Goblin brach nach ein paar taumelnden Schritten zusammen.
An einer anderen Stelle bäumte sich die fette Raupe auf und ließ sich auf einen der Goblins fallen. Ihre hakengleichen Vorderfüße schlugen sich in das Fleisch der armen Kreatur und hoben sie hoch. Der Goblin schrie vor Schmerz und Angst, aber nicht lange – die schwarzen Mandibeln der Raube schlossen sich um seinen Kopf und begleitet von einem widerlichen Knirschen und Knacken barst der Schädel des Goblins und seine Schreie verstummten. Die Raupe fuhr fort damit, den Leib ihres Opfers zu verspeisen, bis nach kaum einer Minute nichts mehr von dem Goblin übrig war.
Die Menschen standen noch auf ihrem Teil der Insel und zögerten.
„Sehen wir zu, dass wir wegkommen, solange die da miteinander beschäftigt sind!“, schlug Chala vor. Es war die sichere, die vernünftige Idee.
Aber war es auch die richtige?
Einen Moment lang schwiegen alle (selbst Valerion, von dem die Gans mittlerweile abgelassen hatte, um sich ernstzunehmenderen Gegnern in Form der Untoten zu widmen), bis Yarik den Kopf schüttelte.
Der Anblick der Tiere, die tot sein sollten, es aber nicht waren, stieß ihn auf eine Art ab, die mit bloßem Ekel angesichts der verrotteten Leiber nicht mehr zu erklären war. Es war eine deutlich profundere Abscheu, die ihn erfüllte, eine Wut, die sich in ihm aufbaute, Wut darüber, wie falsch, wie durch und durch verkehrt es war, wenn die Toten ihrer Ruhe beraubt wurden. Wenn der Kreislauf des Lebens auf diese Art brutal und rücksichtslos unterbrochen wurde. Es war ein so grundsätzlicher Affront gegen alles, was ihm heilig war (seit wann?, fragte er sich kurz, aber dieser Gedanke blitzte nur eine Sekunde lang in seinem Bewusstsein auf und wurde gleich darauf von einer Welle des Zorns davongetragen), dass er nicht tatenlos danebenstehen würde. Und es war ihm völlig egal, wer seine Verbündeten in diesem Kampf waren.
Yarik packte seinen Kampfstab fest mit beiden Händen und fletschte die Zähne, seine sonst so ruhige, nachdenkliche Miene war zu einer Grimasse der Wut und des Abscheus verzerrt.
„Weglaufen?“, knurrte er, „Nein. Was auch immer ihr tut – ich werde nicht zulassen, dass diese… Dinger weiter die Welt mit ihrer Existenz beschmutzen!“ Damit stapfte er los in Richtung des Getümmels.
Liam sah Yarik hinterher, dann zuckte er kurz mit den Schultern. „Tja, ihr habt ihn gehört – machen wir die untoten Mistviecher platt!“ Er warf den anderen jeweils noch einen kurzen Blick zu, und einen längeren seiner Tochter. „Aber seid vorsichtig!“
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Valerion seufzte genervt, als er mit der Gans einen erbitterten Kampf führte, um diesen blöden Stock zu bekommen.
Eigentlich hatte er erst gedacht, die Goblins und der Oger wären zu Feinde geworden, aber anscheinend waren sie doch auf der Seite der Menschen und auch sogar teil der Jagd. Valerion hörte zum Glück, nur was da hinten los war, und sah es nicht. Eher war er ja beschäftigt gewesen mit der Hausgans, diese wollte den Stock nicht loslassen, so als ob sie eine eigene Waffe wollte oder brauchte. Für was auch immer. Schließlich zog er kräftig, um seinen Stock wieder zu bekommen und konnte schließlich, kurz nach hinten schauen um zu sehen das der Oger nach Chala gegriffen hatte und sie nun heiraten wollte.
Er lachte kurz auf, als er jedoch dann Yarik´s panisches Gesicht sah und ebenfalls dem Blick folgte.
Eine Meute an untoten Tieren stand da herum, manche sahen anders aus, als ob sie nochmals gewachsen waren oder sich körperlich verändert hatten. Bissig sahen sie aus, einige waren kleine sowie großer und die Größten sahen einfach nur aus als ob sie eine Illusion waren, aber sie waren real und standen direkt vor der Gruppe. Valerion und die Gans staunten nicht schlecht, als sie die gewaltige Gans sahen mit verschiedenen Köpfen.
Die Gans stürmte dann aber zusammen mit den Goblins in den Kampf. Doch gerade als Valerion ebenfalls in den Kampf ziehen wollte, bekam er grässliche Ohrenschmerzen. Der verdammte Oger hatte angefangen, zu singen, da er immer noch glaubte, Chala wäre Kisha.
„Verdammte Kisha .... wo auch immer du bist, du solltest hier sein“; murmelte er genervt, zog den Stock zum Angriff und donnerte diesen gegen einen angreifenden Vogel, dieser schien wohl schon tot zu sein, immerhin fehlte ihm schon der halbe Körper, wie das Teil noch fliegen konnte war echt ein Rätsel aber als es gegen den nächsten Baum klatschte hinterließ es einen großen Blutfleck.
Er hatte jedoch keine Zeit sich um die anderen zu kümmern, da es da noch einen weiteren Gegner gab, auf den der bärtige Wächter ruhig hätte verzichten können. Gänse ... nicht nur eine, nein mehrere Köpfe überragten den Körper und watschelten schnatternd auf ihn zu. Wieso immer Gänse ... seit er damals mit 10 von einer garstigen Gans gebissen wurde, hatte er diese Viecher gehasst und machte, einen großen bogen, um diese Tiere.
Der erste Kopf stieß langsam auf ihn zu, Valerion wollte gerade mit seinem Ast zuschlagen, als er plötzlich bemerkt hatte, dass dieser nicht mehr da war. Er wurde abgelenkt und ein anderer Kopf hatte den verdammten Stock geklaut. Der angreifende Kopf schnappte frech nach seinem Arm und drückte feste zu.
„VERDAMMTER HURENBOCK“, schrie Valerio auf, zog seinen Dolch und rammte diesen in den Schädel des Kopfes. Mit einem qualvollen schrei fiel der erste Kopf leblos zur Seite und schwang nun immer wieder durch die Gegend.
„HA hab ich dich er....“ da bekam er einen dicken Schlag mit seinem eigenen Stock ab, alles wurde Schwarz um ihn herum und er sackte zu Boden.
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Westliche Tempelruinen, Nachmittag - Auf den Spuren von Mr Krabbs Cousine die Mudda
Westliche Tempelruinen
Mit einem Satz war er auf der Mauer und sah dann hinab auf die Anlage. So wirklich konnte er sich nicht vorstellen, dass hier einmal eine Hochkultur gelebt hatte, die Tooshoo und Naturgeister verehrt hatte. Wie waren sie und wie groß waren die Unterschiedliche zu seinem Volk? Hatten sie ihnen so viel voraus gehabt, wenn man allein die fünf Tempelruinen im Sumpf betrachtete oder hatten sie selbst nur die Tempel übernommen, weil vor ihnen noch ein Volk da war? Es waren Fragen, die etwas für Gelehrte mit Abenteuergeist war. Die vor allem auf sich aufpassen konnten.
Ornlu war auf eine andere Art ein Gelehrter, der weit weniger in Büchern und entschieden mehr im Leben suchte. So wie hier auf der Fährte zu einen neuen Geheimnis.
Sein Jagdkommando hatte Spuren gefunden, die sie nicht kannten. Für sie war es eine Gruppe aus Insekten die teils kleiner wie Minecrawler waren, dann aber auch weit schwerer mit einem langen Schwanz dessen Dornen am Ende immer wieder Kratzspuren am Boden und Gehölz hinterlassen hatten.
Und natürlich gab es eine Königin. Keiner konnte sich vorstellen, dass es noch etwas Größeres davon gab. Ein so schwerer Brocken, dass sie teils im lockeren und feuchten Boden versunken war und mühevoll nur heraus kam. Anhand dieser Spur konnte sich die Gruppe ein Bild davon machen, wie groß das Untier war.
Ornlu gab sein Zeichen und alle kletterten dann ebenso die Mauer hinauf.
“Vielleicht doch eine Minecrawlerkönigin? Habt ihr schon mal eine gesehen.”, warf Iun flüsternd hinein.
Keine konnte bestätigen. Okam schüttelte energisch den Kopf.
“Ornlu und ich haben uns ganz am Anfang unserer gemeinsamen Abenteuer durch einen Minecrawlerbau durchgeschlagen. Am Ende waren wir voll von Minecrawlerscheiße. Vergesse es nie wieder. Ich weiß wie sie sich bewegen, wo sie sich bewegen und wie ihre Spuren ausschauen. Man sieht den Unterschied erst, wenn man sich ihren Gang gemerkt hat und die Spuren dann vergleicht. Die Spuren hier verlaufen in einem anderen Takt. Schwer zu erkennen, aber ein Experte sieht das. Ausserdem verlassen diese weißen Drecksviecher nicht ihren Bau und krabbeln an der Oberfläche herum. Noch weniger ihre eierlegende Königin. Die ist soll so riesig sein, dass die durch normale Minenschächte nicht durch passt.”
“Dann ist es eine Prinzessin mit Hofstaat.”, meinte Iun nicht ganz ernst. Wollte aber an seiner These fest halten.
“Klar! Ein Bursche aus Vengard wie du, träumt sicher davon von einer Prinzessin an seinen empfindlichsten Stellen berührt zu werden und ihr Hofnarr zu werden. Iun - vertrau mir. Das sind keine Crawler.”, knurrte Okam und schwieg wie auch Iun, als Ornlu langsam die Mauer hinab hangelte und sich in geduckter Haltung zur nächsten Mauer und um die Ecke bewegte. Alle folgten und folgten dann weiter, als der Druide sich zielgerichtet entlang an Mauern und Vegetation fortbewegte.
Erst als sie sich quasi im Halbkreis um die Tempelruine bewegt hatten hielt er und blickte zum Hauptgebäude. Das war zwar nicht halb zerfallen und der Eingang nur kriechend zu betreten. Dafür aber war da ein gewaltiger Deckeneinsturz seitlich des Gebäudes und war durch eine umgestürzte Säule erst entstanden.
Womöglich befanden sie sich selbst hier auf dünnem Boden.
Der Druide musste nichts erklären und gab vor, die Waffen bereit zu halten. Wie Wölfe näherten sie sich ihrem unbekannten Ziel. Lauschten, blickten sich um und stoppten immer wieder bis sie am Rand waren.
Vigo zeigte auf den flächig angekratzten, hellen Stein und die dazu gehörige Spur. Da unten waren diese Viecher zu erwarten. Ornlu machte vorsichtige Schritte zurück und dann gleich mehrere hinter eine Mauer.
“Es wäre heldenhaft, jetzt da runter zu steigen und Hallo zu sagen. Salz und Brot mitzubringen und die neuen Nachbarn willkommen zu heißen. Ich habe aber mein Salz vergessen und habe böse Absichten. Wir überlegen uns ein, zwei Fallen - suchen uns einen schönen Punkt für unsere Pfeile, überlegen uns wo unsere Speere den größten Nutzen bei den Mauern haben und markieren die Mauern für schnelle Fluchtwege. Wir warten auf die Beute und wenn es länger dauert, soll es mir recht sein. Dann sind unsere Leute vielleicht auch schon da.”, gab der Druide vor und sie begannen, während Kiyan und Vigo mit drei Augen über alles wachten.
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Im südlichen Sumpf, früher Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik
Überstimmt folgte Chala den Goblins, Yarik und Valerion durch das knietiefe Wasser. Sie zog Wildkatze, die wohl beste Wahl, die ihr derzeit zur Verfügung stand. Ihre Messer würden an den untoten Körpern nicht viel ausrichten. Nachdem sie gesehen hatte, wie viel diese Tierwesen einstecken konnten, war sie sich dessen sicher. Noch ehe sie die andere Seite des Laufes erreicht hatte, sprang ihr einer der Hasen entgegen, die scharfen Krallen ausgefahren. Beinahe das komplette Fell fehlte am Leib des Nagetier und eine tiefe Wunde knapp hinterm Nacken ließ den Kopf im Sprung hin- und herschwanken, was den Anschein von Tollwut machte.
Nicht in der Lage in dem brackigen Wasser und schlammigem Boden auszuweichen, zog Vered ihre Klinge hoch, um den Schwung des Hasen zu kontern. Doch sie war einen Moment zu früh, weshalb sie den von Pusteln übersäten Körper des Nagers nur schwach streifte.
Platsch
Die Aranisaani stieß ihren Atem zwischen gepressten Lippen hindurch, als sie mit Glück feststellte, dass es gereicht hatte, um sich vor einem direkten Aufprall zu schützen. Das untote Wesen war nun jedoch völlig Unterwasser und sie konnte durch den aufgewirbelten Schlamm nicht genau erkennen wo es war. Eilig stakste sie weiter vor, zog bei jedem Schritt die Knie bis zum Bauch. Brackige Flüssigkeit spritzte in alle Richtungen bis sie endlich das andere Ufer erreichte. Nur wenige Fuß waren es von der Insel gewesen, doch bereits jetzt fühlte sie sich ausgelaugt von den Strapazen. Ihre Kondition war über die Jahre nicht besser geworden.
Sie beobachtet die aufgewühlte Wasseroberfläche, suchte nach dem Monster, das ihr an die Gurgel hatte springen wollen. Seitlich stand sie, sodass sie schnell reagieren konnte, sollte ein weiteres Vieh an der Reihe aus Goblins, Valerion, Yarik und Glaen vorbeihuschen können. Doch es tat sich nichts.
„Valerion!“, rief Liam plötzlich laut, „Hilf ihm Chala!“
Ohne zu zögern, sich blind darauf verlassend, dass die Bogenschützen ihren Rücken decken würden, drehte sie sich zum Kampfgeschehen um, und sah gerade noch, wie der Astschwinger einen Dolch in den Kopf einer vielköpfigen Gans stieß.
Wo ist sein Ast, schoss es Chala in dem Moment durch den Kopf, als besagter Ast gegen Valerions Kopf schoss und er umfiel wie ein nasser Sack.
Das Flatsch seines Aufpralls ging in einem ohrenbetäubenden Schrei Gloks unter. Doch die Dunkelhäutige ließ sich nicht davon ablenken, stürmte mit nach hinten gehaltener Waffe auf ihren Verbündeten zu, den Ort knapp über dem Boden.
Bevor das mutierte Federvieh den am Boden Liegenden mit seinen scharfen Schnäbeln malträtieren konnte, war die Kriegerin da und ließ Wildkatze wie eine Kralle vorschnellen. Das scharfe Schwert durchtrennte das Gewebe zwei weiterer Hälse. Der Angriff wurde durch Vered Schwung für den Moment abgewehrt. Die Köpfe fielen leblos herab, landeten neben Valerion, der das Bewusstsein verloren hatte. „Besiegt…von einer Kusi?“, fluchte Chala laut, ehe sie ihr Schwert aus der nun erhöhten Position dich zu ihrem Körper zurückzog, um der wildgewordene Federhydra keine Gelegenheit zu geben sich für die verlorenen Köpfe zu rächen.
„Glaen!“, schrie sie, auch wenn sie den Hünen nicht sehen konnte, „Pack dir Valerion, bevor dieses Mistvieh an mir vorbeikommt!“
Sie wollte ihn selbst vom Kampffeld ziehen, doch mit dem wildgewordenen Geschnatter der untoten Gans vor ihr, sah sie keine Möglichkeit. Sie hatte sich vor den leblosen Körper Valerions positioniert und wich dem nächsten Schnabelhagel mit einem Seitenschritt aus wie sie ihn vor all den Jahren von Dennik gelernt hatte. Mit der linken Hand griff sie nach einem ihrer eigenen Messer an ihrer Hüfte, wollte die Chancen mit vier Köpfen gegen zwei Waffen etwas ausgleichen. Bisher hatte sie nicht oft auf diese Art des Kampfes zurückgegriffen, da ihr einfach die Übung fehlte. Doch gegen einen Gegner, der nicht über Strategie nachdachte, würde die zusätzliche Klinge nicht schaden. Für den Moment jedoch erkannte sie keine Gelegenheit für einen Angriff, den sie nicht mit zumindest einigen Bissen würde bezahlen müssen. Sie bleckte die Zähne und spie ein frustriertes Knurren aus.
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Westliche Tempelruinen, Nachmittag - Auf den Spuren von Mr Krabbs Cousine die Mudda
Der Jäger rieb sich in einem Moment der Ruhe und des Rastens die Augen, während er dem Wolfsdruiden Ornlu und seiner Sippe folgte, den bekannten Gesichtern vom Ritual des Vortages. Letztlich waren dem Einäugigen nur einige kurze Stunden des Schlafes vergönnt gewesen, ehe der Waldläufer Okam – der lauteste und scheinbar lebenslustigste der Sippe – ihn geweckt hatte, um ihm zu erklären: Glückwunsch, Einauge, du schuldest dem Jadewolf eine Lebensschuld. Es ist Wilde Jagd und rate, mit wem du einen Ausflug machen darfst!
Also hatte Kiyan mehr oder minder keine Wahl gehabt, sich seine Sachen geschnappt und war Okam zum Rest der Sippe gefolgt. Der Druide hatte ihn mit einem kurzen Nicken begrüßt, wobei es mehr schien, als hätte er einfach nur seine Anwesenheit zur Kenntnis genommen. Seine ihm verschworenen Waldläufer waren da schon etwas offener, allen voran Okam. Dieser hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Kiyan während der Märsche zu erklären, was überhaupt passierte, was von ihm im Verbund mit der Gruppe erwartet wurde und wie er sich in einem Kampf zu verhalten und positionieren habe.
Die Eindrücke, die Kiyan in den Stunden gewann, kämpften mit dem, was er bisher vom Waldvolk gesehen und aufgrund dessen erwartet hatte. Schon seine Sicht auf die Druiden hatte sich fundamental geändert. Bis jetzt waren sie entweder Mythengestalten oder einfache Leute gewesen, die zufällig der Heilkunst mächtig waren. Aber nicht … der Jäger unterdrückte ein Frösteln, als er an die Macht Ornlus dachte. Das Ritual, seine Geistergestalt ... was war dafür erforderlich? Wie konnte ein Mensch so mächtig werden? Und was hat er dafür geopfert? Große Macht geht immer mit Opfern einher. Selbst der Hayabusa hat seinen Preis gezahlt, als er die Macht des Wyvern erhielt …
„Alles in Ordnung, Adlerauge?“, fragte Vigo, nachdem Ornlu sie bei den westlichen Tempelruinen zur Wache eingeteilt hatte, damit der Druide und der Rest seiner Sippe Fallen und andere Gemeinheiten für überwüchsige Ungeziefer planen konnten. Der Speerkämpfer blickte kurz zu dem Waldläufer und hob die Schultern.
„Wenig Schlaf, die Nachwirkungen vom Ritual … dann diese Wilde Jagd …“ Unwillkürlich blickte der Jäger auf seinen Arm, dort, wo die Hexe ihn kurz vor ihrem Tod gepackt hatte. Dieses Mal war immer noch da. Er spürte es wie eine Verbrennung. In und um Tooshoo hatte er es nicht gespürt, hier, weiter weg vom Baum … schien es zu ziehen und zu stechen, als würde dort immer wieder besonders kratziger Stoff darüber gezogen.
„Aber ich bin froh, euch begleiten zu können. Das Basislager oder der Baum … zu viel Trubel, zu viel … Lärm.“ Er schüttelte den Kopf. „Und abgesehen davon, schulde ich ihm ja auch etwas.“, schloss er und deutete mit dem Speer in Richtung des Druiden.
Vigo lächelte schmal. „Das tust du. Vergiss es nicht und wir haben kein Problem. Solltest du jedoch daran denken –„
„Keine Sorge“, unterbrach Kiyan den Waldläufer und maß ihn mit einem kalten Blick. „Ich werde es nicht vergessen.“
Und damit wandte er sich wieder um und verfluchte wieder einmal alle Götter, Dämonen und Geister, dass ihm das rechte Auge fehlte. Er würde sich verflucht nochmal an die veränderte Wahrnehmung gewöhnen müssen.
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Basislager an der Jagdkommandantur, östliche Bruchwälder
Ein Weltenriss also. Das erklärte viel von dem, was hier vor sich ging.
Doch irgendwie schien es der Herr der Sümpfe mit außerordentlichen fristlosen Kündigungen zu haben. Yared erinnerte sich nur zu gut daran, wie die Rattensippe damals über Nacht den Räumungsbescheid erhalten hatte, weil Garagh die Nase I’nadhors nicht gepasst hatte – auch wenn der einstige Sippenführer inzwischen sehr gut nachvollziehen konnte, warum man die Ratte nicht bei sich dulden wollte. Aber um dieses Problem hatte er sich ja bereits vor Jahren selbst gekümmert. Nicht, dass er da auf irgendetwas stolz war, es war nur gut, dass I’nadhor nicht mehr unter ihnen weilte.
„Kirschsaft? Hört sich doch ganz hervorragend an“, nahm der Kapitän die für die nicht allzu ferne Zukunft ausgesprochene Einladung freudig entgegen, „Vielleicht kann man ja hier auch etwas Stewarker Apfelsaft organisieren. In den Genuss bin ich schon lange nicht mehr gekommen.“ Auch Larah nickte erfreut und zustimmend.
Bevor Yared noch weiter auf die Vorzüge Stewarker Landwirtschaftsprodukte eingehen konnte, platzte ein Wächter außer Puste in die kleine Gesellschaft.
„Wie ich sehe, werdet ihr dringend gebraucht. Dann wollen wir euch nicht weiter von der Jagd abhalten. Bewahret, Innos‘ Segen und eine gute Jagd, euch.“, schloss der Paladin.
„Wir gehen mal zu Jilvie. Bewahret, bis wir uns wiedersehen.“, bestätigte auch die blonde Gortharerin ihren gemeinsamen Willen das und schenkte ihren neuen Bekanntschaften ein aufmunterndes Lächeln zum Abschied. Sie alle wussten nicht, wie dieses Wiedersehen aussehen mochte und ob es hier oder in anderen Sphären stattfinden würde, doch Yared konnte allen umstehenden Ansehen, dass sie alle wie er auf den bestmöglichen Ausgang der Wilden Jagd hofften und setzten und darauf, dass sie bald bei Saft und Bier den gemeinsamen Sieg feiern würden. Doch es sprach keiner aus. Sie waren alle alt und erfahren genug, nicht blauäugig in die Zukunft zu sehen.
Im Gehen nochmal kurz die Hand zum Gruß an Freiya, Griffin und Ryu erhoben wandte sich Larah gen Kommandozelt. Yared tat es ihr gleich und folgte ihr.
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Im südlichen Sumpf, Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik
Yarik war noch nie zuvor in seinem Leben einem Untoten begegnet. Und doch – der Anblick der reanimierten Leichen, dieser halb verwesten Körper, die sich nicht bewegen sollten und es doch taten, dieser toten Augen, in denen dennoch etwas wie eine höllische Gier schimmerte, ein unstillbarer Hunger nach dem Fleisch der Lebenden – dieser Anblick erfüllte ihn nicht mit Grauen, Angst oder Ekel.
Er erfüllte ihn mit Zorn und mit Hass.
Das Gefühl war so rein, so allumfassend, es füllte sein ganzes Denken, leitete sein Handeln, ließ ihn weder zaudern noch zögern. Wie ein Instinkt, der ihm angeboren war. Es war der eine und einzige Wunsch, der ihn antrieb – die untoten Abscheulichkeiten zu vernichten und damit den richtigen Lauf der Dinge wiederherzustellen.
Selbst der Chor der Geisterstimmen in seinem Kopf hatte sich diesem einen Ziel verschworen, ihre Worte trieben Yarik vorwärts und ermutigten ihn.
Vernichte sie! Zerstöre sie! Sie sollten nicht sein! Sie dürften nicht sein! Vernichte sie! Vernichte sie…!
Sie alle stimmten ein in den Singsang. Seine Familie – Emma, seine Frau; Harth, Erinc, Jesper und Lysbeth, seine Kinder; die Knechte Pete und Marten; Irina, die Magd. Aber auch Fanny, die junge Schankmaid aus Stewark, die er nicht vor der Klinge des Serienmörders Brandon hatte retten können. Arzu aus Varant, die hatte Schwarzmagierin werden wollen, bevor sie in den Sümpfen wohl ihr Ende gefunden haben musste. Und sogar Brandon selbst… Yariks größter Fluch. Brandon, sein zeitweiliger Reisegefährte – der Barde, der die Locken der von ihm ermordeten Mädchen gesammelt hatte. Selbst er stimmte mit ein, seine kräftige, geschulte Sängerstimme verlieh dem Chor der Toten einen melodischen Klang.
Vernichte sie! Zerstöre sie! Der Tod muss respektiert werden! Sie dürfen nicht sein! Vernichte sie!
Und Yarik tat genau das.
Noch bevor er durch das Wasser gewatet war und den ersten Untoten erreicht hatte, wirbelte er bereits seinen Kampfstab durch die Luft und baute so den nötigen Schwung auf, damit bereits der erste Treffer sein maximales Potenzial an zerstörerischer Kraft entfalten konnte. Yarik war nicht wählerisch mit seinem Opfer. Wie es der Zufall wollte, kam ein großer, zweibeiniger Vogel auf ihn zu getorkelt, in dessen Brustkorb die Rippen freilagen und der ein Bein nachzog, weil nur noch an einigen Fleischfetzen hing. Der untote Scavenger öffnete den Schnabel, als wollte er ein bedrohliches Krächzen ausstoßen, aber seine längst verrotteten Stimmbänder brachten keinen Ton mehr zu Stande. Nicht, dass Yarik sich hätte beeindrucken lassen, wenn es anders gewesen wäre. Ohne auch nur in der Bewegung innezuhalten, ließ er das stahlverstärkte Ende seines Kampfstabes seitlich gegen den Kopf des Scavengers krachen. Der Schädel des großen Laufvogels platzte unter dem wuchtigen Hieb wie eine reife Melone und verspritzte eine widerlich stinkende Suppe, bei der es sich wohl um die verflüssigten Reste seines Gehirns handeln mochte.
Noch bevor der nun endgültig tote Scavenger in sich zusammengesackt war, ging Yarik bereits auf den nächsten Zombie los und deckte einen Lurker mit einem Hagel von Schlägen ein. Es knirschte und knackte, als die Vorderbeine brachen. Derart verkrüppelt kroch der Lurker zwar noch immer auf Yarik zu und schnappte nach ihm, aber der rammte seinen Kampfstab senkrecht auf den Kopf des Tieres und beendete damit seine unnatürliche Existenz, um sich gleich darauf dem nächsten Zombie zu widmen…
Yarik bewegte sich fast wie in Trance. Es war kein berserkerhafter Kampfrausch, in den er verfallen war, vielmehr ein Zustand, in dem er den Eindruck hatte, klarer zu sehen als sonst. Als würde alles um ihn herum wie verzögert ablaufen. Er konnte die Bewegungen seiner Gegner vorausahnen und seine Schläge fanden ihr Ziel mit fast schlafwandlerischer Sicherheit. Der Kampfstab kam kaum zum Stillstand. Yarik wirbelte ihn herum, dass er rauschend durch die Luft fuhr, brach Knochen, schlug Schädel ein.
Ab und an wandte er sich um und sah nach den anderen, aber eigentlich nur, um sicherzustellen, dass sie noch da waren. Er sah Chala gegen die monströse mehrköpfige Gans kämpfen, während Glaen den offenbar bewusstlosen Valerion in Sicherheit brachte. Yarik hatte nicht gesehen, was passiert war, aber die Situation schien trotz allem unter Kontrolle zu sein. Shakes trennte gerade einer untoten Riesenechse mit zwei, drei brutalen Schwerthieben den Kopf vom Rumpf – es tat ihm offenbar gut, endlich ein Ventil für seinen angestauten Frust zu haben –, Liam und Eileen kämpften als ein eingespieltes Team: Die Tochter hielt mit ihrem Speer die Zombies auf Abstand, so dass ihr Vater sich jeweils auf ein Ziel konzentrieren konnte, das er dann gekonnt mit dem Schwert auseinandernahm.
Glok war nach wie vor mit dem fauligen Riesen-Riesenfaultier beschäftigt. Er hatte der Kreatur seine Laute über den Kopf gezogen, so dass diese wie ein Reif um den Hals des untoten Monstrums hing, an dem Glock es gepackt hielt, während er mit der anderen Faust wieder und wieder auf es einschlug. Einer der Arme des Faultiers war an mehreren Stellen gebrochen und schlackerte nur noch nutzlos herum, mit der anderen Klaue jedoch riss es blutige Striemen in Gloks Rücken und Schultern, was den Oger aber nur zu noch größerer Wut anzustacheln schien. Derart ineinander verschlungen führten die Kolosse fast so etwas wie einen Tanz auf – einen Tanz der Gewalt, dem man besser nicht zu nahekam, wenn man nicht zufällig selbst zermatscht werden wollte…
Und zwischen allen wuselten noch die Goblins herum. Sie taten ihr Bestes, um mit den Zombies fertig zu werden, aber sie hatten weder die körperlichen Voraussetzungen, noch verfügten sie über die Waffen, um effektiv gegen die zähen und erbarmungslosen Untoten vorgehen zu können. Yarik sah einen Goblin, der mit seinem Speer – nichts weiter als einem krummen, an einem Ende notdürftig zugespitztem Stock – nach einem reanimierten Snapper stach, aber die Jagdechse schnappte die Waffe des Goblins und riss sie ihm aus den Händen. Der Goblin fiel auf den Rücken und der Snapper war sofort über ihm, das Maul voller scharfer Reißzähne weit aufgerissen. In letzter Sekunde sprang Yarik nach vorn und vollführte mit dem Kampfstab einen Stoß wie mit einem Speer, indem er dem Snapper das Ende der Waffe in die Flanke rammte. Es reichte, um den Snapper ein wenig aus dem Gleichgewicht zu bringen, so dass seine Kiefer eine Haaresbreite vor der Nase des Goblins zusammenklappten, statt ihm das Gesicht abzureißen.
Der Snapper machte einen Schritt zur Seite und seine milchigen, toten Augen fixierten den Angreifer, ein dumpfes, schleimiges Grollen entfuhr seiner mit Flüssigkeit gefüllten Kehle. Yarik packte den Kampfstab wieder mit beiden Händen und machte sich bereit. Der Snapper zögerte nicht und sprang auf ihn zu. Die Echse war, verglichen mit vielen der anderen Zombies, noch in einem relativ guten Zustand und bewegte sich entsprechend schneller und kraftvoller. Trotzdem hatte Yarik den Angriff kommen sehen, er machte einen Seitwärtsschritt und ließ erst das eine Ende seines Stabes gegen die Schläfe der Bestie krachen, um dann direkt mit einem Aufwärtshieb mit dem anderen Stabende gegen ihren Unterkiefer nachzusetzen. Der Snapper verlor zwei Zähne, aber nicht, wie Yarik gehofft hatte, die Balance. Er nutzte den weichen Untergrund, um sich kraftvoll abzustoßen und herumzuwirbeln, wobei er nach Yariks Kampfstab schnappte und ihn auch zu fassen bekam. Der Snapper riss an der Waffe, aber Yarik war nicht bereit, sie ihm zu überlassen. Kurzzeitig zogen beide Kontrahenten sich gegenseitig hin und her, dann rammte Yarik mehrfach sein Knie von unten gegen den Kiefer des Snappers – eine Taktik, die gegen einen lebenden Gegner vielleicht Wirkung gezeigt hätte, nicht aber gegen den vollkommen schmerzunempfindlichen Untoten.
Dafür gelang es dem Snapper, Yarik zu überraschen, indem er plötzlich nach vorn sprang und ihm einen Kopfstoß verpasste. Yarik taumelte und stürzte rücklings zu Boden. Der Snapper ließ den Stab los und wollte zubeißen, gerade so konnte Yarik ihn mit beiden Füßen zurückstoßen. Aber der Untote ließ nicht locker, kam direkt wieder heran – und knickte plötzlich mit einem Bein ein, stürzte zur Seite, wo er sich wand und versuchte, wieder auf die Füße zu kommen. Yarik wusste nicht, was passiert war, aber er verschwendete keine Zeit – er rappelte sich auf, packte den Kampfstab mit beiden Händen an einem Ende und ließ ihn mit aller Kraft auf den Schädel des noch immer am Boden liegenden Snappers herunterfahren. Er hörte das mittlerweile bekannte, befriedigende Geräusch berstender Knochen, aber der Snapper war so leicht nicht kleinzukriegen. Obwohl seine Schnauze durch den Treffer deformiert war, versuchte er noch immer, nach Yarik zu beißen. Ein zweiter und dritter Überkopfhieb mit dem Kampfstab setzten dem ein Ende.
Schwer atmend hielt Yarik einen Moment inne. Ein Goblin neben ihm reckte jubelnd eine kleine Faust in die Höhe und grinste ihn breit an. Yarik brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass es der Goblin war, der beinahe von dem Snapper zerfleischt worden wäre – und der sich für die Rettung revanchiert hatte, indem er dem untoten Raubtier seinen Speer ins Knie gerammt und es damit zu Fall gebracht hatte. Yarik nickte ihm knapp zu, ohne sich ein kurzes Grinsen angesichts der Absurdität ihrer Situation verkneifen zu können: „Gut gemacht, Kumpel!“
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Entspannt hatte der Südländer es sich auf dem kalten Boden bequem gemacht und gedankenabwesend der Unterhaltung gelauscht, während welcher er sich mit der Zunge genüsslich die letzten Reste seines obstigen Imbisses zwischen den Zähnen herausgepult hatte. Jegliche Entspannung wich jedoch, als ein schwer atmender und in die Jahre gekommener Wächter die Unterhaltung jäh unterbrochen und auf eine Ausreißerin hingewiesen hatte. Zarra, das Mädchen mit den leuchtend türkisfarbenen Augen, hatte sich offenbar zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt aus der Sicherheit Tooshoos entfernt.
»Wo?«, entfuhr es Griffin, noch bevor Ryu etwas anderes entgegnen konnte. Der alte Wächter blickte reichlich verwirrt auf den massiven Südländer, der sich schneller auf die Beine gekämpft hatte, als man ob seiner Leibesfülle hätte vermuten können. Er ergriff die Schultern des verdatterten Mannes und drückte leicht zu, während er sich zu ihm herabbeugte. »Wo, Mann! Wo?« Er war selbst überrascht über die Intensität, mit der er die Frage an den älteren Herren richtete, aber für Formalitäten und Höflichkeiten war Zeit, wenn alle Einwohner sicher waren.
»Ehm.« Der Wächter atmete tief und rang nach Luft. Griffin vermochte es gerade so, genug Geduld aufzubringen, ihn nicht zu schütteln. »Drüben.« Er drehte seinen Körper und rang nach Luft. »Bei den Stegen, nicht unw-«
»Danke!« Der ehemalige Hüter entließ den älteren Mann aus seinem Klammergriff und setzte sich umgehend in Bewegung. Über die Stege zu rennen erschien keine sinnvolle Vorgehensweise. Bereits nach wenigen Schritten war aber ein Vorankommen kaum mehr möglich. Seit Beginn von was auch immer hier begonnen hatte, tummelte sich beinahe das gesamte Waldvolk auf den den Wegen und Stegen, rüstete sich, half, versorgte oder tat irgendetwas anderes. Kurzentschlossen setzte er also einen Fuß auf einen der Handläufe und beförderte seinen massigen Körper auf die Dächer der nahestehenden Häuser. Er rannte, sprang, hangelte und schwang über die Köpfe des Waldvolkes hinweg und eilte zu der Stelle, auf welche der namenlose Wächter gedeutet hatte. Das Herz in seiner Brust trommelte wild und Erinnerungen an eine schmerzhafte Vergangenheit ließen ihn innerlich erschaudern, als er sich ein letztes Mal abdrückte und mit einem lautstarken Pflompf im Brackwasser landete.
Heute war definitiv nicht der richtige Tag dafür, ein weiteres Mal ein Kind des Waldvolkes zu verlieren!
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Basislager, früher Nachmittag
Freiya war gedanklich noch bei dem von Yared angepriesenen stewarker Apfelsaft gewesen, als ihre Gedanken jäh unterbrochen wurden. Keuchend berichtete ein Wächter, dass die junge Rimbe in den Sumpf gelaufen wäre und Freiya brauchte einen Augenblick, um den Namen zuordnen zu können. Doch dann fiel es ihr ein: Das war Zarra!
Griffin reagierte sofort und mit einer Schnelligkeit, als wäre Odo hinter ihm her. Sie konnte Yared gerade noch ein höfliches „Bewahre!“ erwidern, und musste zusehen, dass sie hinterherkam.
Bewahret, Innos‘ Segen und eine gute Jagd hatte Yared gesagt. Ein Gruß, der sie aufhorchen ließ. Ein kurzes Aufflackern eines warmen Gefühls waberte durch ihren Geist. Wie lange war es her, dass sie gehört hatte, wie jemand den Namen des Gottes in einer wohlgemeinten Grußformel verwendete, statt in einem deftigen Fluch? Das kam überraschend für sie und wäre Zeit gewesen, oh ja, wäre sie da gewesen, hätte Freiya dem Gefühl nachgegeben und in ihrem Geist gesucht, hätte sich einmal mehr dem schwarzen Meer in ihrem Kopf gewidmet und vielleicht sogar das Gespräch mit Yared gesucht. Aber sie hatte keine Zeit. Griffin ließ ihr keine Zeit. Der Sumpf ließ ihr keine Zeit. Und schon drängte sich auch die Sorge um das zarte Wesen mit den schönen Augen unangenehm in Freiyas Gedankenwelt. Also, nichts wie hinterher!
Sie begann hinter Ryu loszulaufen, der ebenfalls die Beine in die Hand genommen hatte. Dabei wäre Freiya fast stehen geblieben um zu Staunen, was für eine Schnelligkeit und Gewandheit Griffin an den Tag legte. Seine Reaktion zeugte davon, dass es ihm wichtig sein musste. Also verschnellerte sie ihre Schritte noch einmal. Sie musste beim Rennen gut auf den Untergrund achten, denn trotz ihres Unterrichts bei Ryu konnte sie sich noch nicht derart behände in die obere Etage des Sumpfes begeben wie Griffin, und Handläufe, Geländer, Äste oder sogar morsche Dächer sicher überwinden, als wären es kleine Stöcke und Felsen, die man wie ein Kind überhüpfte.
So lange die Stege noch gut waren, nutzte sie die Bretter, musste wie immer Acht geben, nicht auszurutschen oder an morschen Stellen hängen zu bleiben. Hin und wieder flogen Insekten in ihren Weg, die sie mit einer Handbewegung zur Seite zu wischen versuchte, wenn es nötig war. An einem Steg lag ein Holzstamm, der eine Abkürzung versprach und Ryu, der vor ihr rannte, nutzte das Holz, um den Abstand zu seinem bärtigem Freund zu verringern. Freiya tippelte hinterher, da sie sicher sein konnte, dass der Stamm sie aushielt.
Mit einem Sprung kam sie auf ein Steg zurück und sah, wie Griffin etwas weiter im Brackwasser landete. Er stemmte die Arme in die Hüfte und spähte durch die Bäume. Freiya, die noch nicht so erpicht auf nasse Füße war, nutzte einen Felsen in seiner Nähe und blieb darauf stehen, um sich umzusehen.
„Oi, hier!“ kam es da auch schon von Ryu.
Mit schmatzenden Schritten bewegte Griffin sich zu seinem Freund und Freiya hüpfte auf ein paar trockenen Stellen zu ihnen herüber.
Ryu deutete auf Spuren im Schlamm. Das waren eindeutig frische Stiefelabdrücke.
„Hauptmann!“, rief plötzlich eine Stimme. Die drei Jäger drehten sich um. Nicht weit von ihnen auf dem Steg stand eine ältere Frau mit einem Korb mit Stoffballen in der Hand.
„Seid ihr auf der Suche nach Nereas Enkelin?“, rief sie ihnen zu.
Bevor Ryu etwas erwidern konnte, richtete Griffin sich auf:
„Hast du sie gesehen, Mütterchen? Wo ist sie hin?“
Die Alte zeigte mit dem Finger Richtung Norden: „Dorthin ist sie verschwunden.“
„Wie lange ist das her?“, wollte Ryu wissen.
Die Alte zuckte mit den Schultern.
„Nicht allzu lange, hab den Wächter gleich zu Euch geschickt“, erwiderte sie.
„Wenn wir Glück haben, ist sie noch nicht so weit gekommen“, sagte Freiya mit dem Blick auf das unwegsame Gelände vor ihnen. Sie hoffte es zumindest und versuchte gleichzeitig die Sorge zu verdrängen, dem Mädchen könnte schon etwas zugestoßen sein.
Ryu erhob sich: „Folgen wir ihren Spuren, aber bleibt wachsam!“
Freiya nickte, dass sie verstanden hatte: An Ricklens Beschreibung der Wesen, die hier ihr Unwesen trieben, brauchte sie nicht erinnert zu werden.
Geändert von Freiya (23.03.2024 um 08:55 Uhr)
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Im südlichen Sumpf, Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik
Yarik schnaufte kurz durch, aber viel Zeit, sich auszuruhen, blieb ihm nicht. Die Schlacht war noch längst nicht entschieden. Auch wenn etliche Untote bereits ihren wohlverdienten endgültigen Tod gefunden hatten, krochen, wankten und schlurften noch so einige weitere durch das feuchte Gras, und so überprüfte er kurz den Zustand seines Kampfstabes – die Zähne des Snappers hatten ein paar Abdrücke im Holz hinterlassen, aber nichts, was die Waffe unbrauchbar machen oder ihn großartig behindern würde – und machte sich dann auf die Suche nach dem nächsten Gegner.
Vernichte sie… zerstöre sie…
Sein Blick fiel auf die fette Riesenraupe und er knirschte unwillkürlich mit den Zähnen vor Abscheu. Eine Raupe sollte klein und weich und knuffig und pelzig sein, sich an Blättern gütlich tun und irgendwann zu einem Schmetterling heranreifen, und nicht ein Ungetüm, das größer war als ein ausgewachsener Mann, aufgedunsen und stinkende Faulgase verströmend, bewaffnet mit messerscharfen Haken an den Füßen und von der Gier nach lebendigem Fleisch statt saftigem Grünzeug angetrieben. Wer auch immer dafür verantwortlich war, ein harmloses Naturwesen in eine derart monströse Abscheulichkeit zu verwandeln, musste viel Zeit gehabt haben – oder über große Macht verfügen. Schlimmstenfalls beides.
Die Raupe war umringt von einer Schar Goblins, die mit ihren Speeren und Keulen auf sie einstachen und -prügelten. Das untote Rieseninsekt zeigte sich davon jedoch praktisch unbeeindruckt. Obwohl sein Leib an zahlreichen Stellen Stichwunden aufwies, aus denen ekelhaft stinkende Verwesungsflüssigkeiten sickerten, nahm die Raupe davon keine Notiz. Noch ineffektiver waren die Keulen, deren Hiebe einfach an dem zähen, elastischen Leib abprallten, ohne den geringsten Schaden zu verursachen. Die Raupe hingegen richtete immer wieder ihren Vorderleib auf, spreizte die brutalen Klauenfüße und schoss dann auf einen der Goblins herab, die sie umringten. Die kleinen Kerle waren zwar wachsam und konnten den meisten Attacken ausweichen, aber hin und wieder war einer von ihnen doch zu langsam und fand ein unschönes Ende.
Yarik beschloss, dass diese Verhöhnung der Natur lange genug den Sumpf mit ihrer Anwesenheit entweiht hatte, und stapfte entschlossen auf die Riesenraupe zu. Just in diesem Moment gelang es der Raupe, einen Goblin zu fangen. Der Goblin kreischte schrill, als die Hakenklauen sich in sein Fleisch bohrten. Wild zappelnd und um sich schlagend versuchte er, sich aus der Umklammerung zu befreien, aber ohne Erfolg. Schon öffneten sich die schwarzen Mandibeln der Raupe, um ihre Beute zu verspeisen – lebendig oder nicht…
Der Goblin, der Yarik gegen den Snapper geholfen hatte, war noch immer an seiner Seite und zog nun panisch an Yariks Hosenbein, wobei er auf seinen in Not geratenen Cousin deutete und schnatternde Geräusche von sich gab, die Yarik nicht verstehen musste, um ihre Bedeutung zu erfassen. Er war allerdings noch zu weit weg von der Raupe, um dem Goblin zu Hilfe eilen zu können.
Aber vielleicht musste er ja gar nicht in der unmittelbaren Nähe sein…
Kurzerhand blieb Yarik einen Augenblick stehen, was den ihn begleitenden Goblin irritierte, so dass er nun erst recht an Yariks Hose zerrte. Der aber achtete nicht darauf, sondern hob eine Hand und konzentrierte sich auf einen großen, moosüberwachsenen Stein, der auf dem Schlachtfeld nahe der Raupe lag. Er hoffte, dass die Kraft, die er mit seiner Magie ausüben konnte, reichen würde…
Der Stein wackelte kurz, und einen Moment befürchtete Yarik, dass er sich überschätzt hätte – das wäre das Todesurteil für den gefangenen Goblin, denn für einen zweiten Versuch würde keine Zeit bleiben –, aber dann löste sich der Felsbrocken mit einem schmatzenden Geräusch aus dem nassen Untergrund und schoss in die Höhe. Gerade, als die Raupe zum Biss ansetzte, lenkte Yarik den Stein genau zwischen ihre Mandibeln. Knirschend schlossen sich die Kauwerkzeuge um den Felsen statt um den Leib des Opfers.
Die Raupe schien den Unterschied zunächst nicht zu bemerken und versuchte, den Stein zu zerbeißen. Damit hatten sie etwas Zeit gewonnen, aber der Goblin war immer noch in ihren Klauen gefangen. Yarik legte die letzten Meter im Sprint zurück und überlegte dabei, wie er den Goblin aus der Umklammerung des Rieseninsekts befreien konnte. Vielleicht konnte sein Kampfstab ihm hierbei von Nutzen sein. Als er die Raupe erreicht hatte, schob er die Waffe kurzerhand unter ihre Klauenfüße und verwendete sie anschließend als Hebel, um die fiesen Hakenkrallen aufzubiegen. Die Kraft, die er dafür aufwenden musste, war erheblich, und Yarik befürchtete schon, dass er seinen Kampfstab durchbrechen würde, aber die Waffe erwies sich als gut gearbeitet und stabil, so dass es ihm schließlich gelang, genügen Druck auszuüben, dass sich die Klauen der Raupe auf einer Seite lösten. Einige Goblins kamen zu Hilfe und gemeinsam gelang es ihnen, ihren in Bedrängnis geratenen Cousin aus den Fängen des Insekts zu befreien.
Der Jubel, den die Goblins anstimmten, als sie es geschafft hatten, ihren Kameraden verletzt, aber lebendig vor der Zombieraupe zu retten, währte jedoch nur kurz. Denn die Raupe ließ nun den Stein fallen, bäumte sich wieder auf und spreizte ihre Fangklauen, bereit, erneut zuzuschlagen. Die Goblins stoben auseinander und auch Yarik sprang einen Schritt zurück. Keine Sekunde zu früh, denn er war es, den das untote Monstrum sich als sein nächstes Opfer ausgesucht hatte. Mit einem dumpfen Pflatsch kam die Raupe vor ihm herunter und grub ihre Klauen in die weiche Erde. Yarik nutzte die Gelegenheit, um ihr einen kraftvollen Hieb zu versetzten, aber wie die Keulen der Goblins, prallte auch sein Kampfstab wirkungslos von dem zähen, elastischen Körper ab, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Während die Raupe sich wieder aufrichtete, schlug und stieß Yarik noch ein paar Mal zu, aber mit demselben Ergebnis. Er presste einen Fluch zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. So formidabel der Kampfstab als Waffe auch sein mochte – manchmal war er einfach nicht das richtige Werkzeug für den Job. So in diesem Fall.
Die Raupe schlug erneut zu, eine ihrer Fangkrallen erwischte den Ärmel von Yariks Tunika und riss ein gutes Stück davon ab. Yarik fluchte erneut – das war knapp gewesen, zu knapp! Aber wie konnte er der Raupe beikommen? Er ließ den Kampfstab fallen und zog stattdessen sein Jagdmesser aus dem Gürtel. Stumpfe Gewalt würde ihn nicht weiterbringen – schneidende vielleicht schon…
Während sich die Raupe wieder aufrichtete, schlug Yarik mit dem Messer zu. Sie scharfe Klinge glitt durch das verwesende Fleisch wie durch warmes Streichfett und hinterließ eine tiefe, weit auseinanderklaffenden Wunde, aus der lange verrottetes, verflüssigtes Gewebe austrat. Trotzdem zeigte die Raupe keinerlei Reaktion und Yarik hatte sich ihr gefährlich nähern müssen, um sie mit dem Messer erwischen zu können. Er konnte sich zwar noch rechtzeitig in Sicherheit bringen, um ihrem nächsten Angriff zu entgehen, aber es war wieder deutlich knapper, als ihm lieb gewesen wäre. Lange würde er dieses Spiel nicht durchhalten – er musste sich irgendwie gänzlich aus der Reichweite der Fangklauen begeben, und das Monster dabei trotzdem attackieren können…
Ohne lange darüber nachzudenken, schwang sich Yarik auf den Rücken der Raupe, die sich gerade wieder aufrichten wollte. Ihr aufgeblähter Körper war ekelhaft schleimig sowie irgendwie kalt und warm zugleich, und es fühlte sich an, als würde er auf einem mit Wasser gefüllten Sack sitzen. Yarik verzog angewidert das Gesicht, ließ sich aber nicht abschrecken – während er den linken Arm um den Körper der Raupe schlang, um sich festzuhalten, rammte er mit der Rechten das Messer bis zum Heft in die verwesende Masse. Die scharfe Klinge machte kurzen Prozess mit der glibberig-ledrigen Haut des Untoten und Yarik zog das Messer vom Kopfende der Raupe längs ihren Körper entlang, öffnete einen immer länger und größer werdenden Spalt, aus dem bald nicht nur Leichenflüssigkeit und die verwesten Überreste von Eingeweiden herausquollen, sondern auch die Überreste der Opfer der Raupe, der Goblins, die es nicht geschafft hatte – zerfetzte Stücke blutigen Fleisches und zermalmter Knochen. Der Gestank war derart überwältigend, dass Yarik Tränen in die Augen traten, sein Sichtfeld verschwamm und er nicht anders konnte, als sich noch während der Aktion zu übergeben. Sein Magen weigerte sich schlicht, auch nur einen Brocken Nahrung noch einen Augenblick länger bei sich zu behalten.
Dennoch ließ er nicht los. Die Raupe bäumte sich auf und wand sich hin und her, und diesmal reagierte sie auf den Schaden, der ihr zugefügt wurde. Sie versuchte, Yarik abzuwerfen oder ihren Kopf so weit nach hinten zu biegen, dass sie ihn erreichen konnte, was ihr jedoch nicht gelang. Yarik hatte die Finger seiner Linken tief in ihr weiches, fauliges Fleisch versenkt, krallte sich regelrecht an ihr fest, während er mit seinem Messer methodisch den aufgeblähten Leib aufschlitzte. Die Goblins machten sich inzwischen ebenfalls an der Raupe zu schaffen. Wo Wundränder auseinanderklafften, rissen sie daran, um den Schaden noch zu vergrößern, oder stocherten mit ihren Speeren tief in Inneren des Monsters herum.
Langsam, aber sicher wurden die Bewegungen der Raupe schwächer, unkontrollierter, erratischer. Zwar weigerte sich ihr untotes Leben beharrlich, den zerfetzten Körper zu verlassen, aber mit zunehmenden Schäden büßte er mehr und mehr an Funktionalität ein. Irgendwann war die Raupe kaum noch in der Lage, sich aufzurichten, ihre Mandibeln klappten kraftlos auf und zu und ihre Fangbeine scharrten harmlos über den Boden.
Yarik ließ sich von dem zuckenden Leib fallen, halb betäubt von dem unglaublichen Verwesungsgestank, und kroch auf allen Vieren davon. Er überließ es den Goblins, die inzwischen wehrlose Raupe endgültig in Stücke zu reißen, während er würgend und hustend versuchte, den beißenden Verwesungsgeruch aus der Nase zu bekommen. Er schüttelte den Kopf, rappelte sich auf und schleppte sich zu seinem Kampfstab, der ihm nun als Stütze gerade recht kam. Erstmals seit Beginn des Kampfes war für ihn der Drang, sich auf die Untoten zu stürzen, schwächer als ein anderes Bedürfnis – das, sich ins Wasser zu werfen und sich die widerliche, faulige Suppe vom Körper zu waschen…
Kurzerhand taumelte Yarik in Richtung des Gewässers. Doch bevor er das ihm unvergleichlich sauber erscheinende Brackwasser erreicht hatte, stellte sich ihm jemand in den Weg.
Nein, nicht jemand – etwas…
Ein weiterer Untoter. Aber diesmal war es kein Tier, sondern es handelte sich um die Überreste eines Menschen. Eines Kriegers. Er musste vor langer Zeit schon im Sumpf ums Leben gekommen sein, vor Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten. Von seinem Körper war nicht mehr übrig als die blanken, von Algen und Pilzen grün-schwarz verfärbten Knochen. An dem Skelett hing ein vom Rost starres und bröckelndes Kettenhemd, aber der Brustpanzer, den es darüber trug, war zwar ebenfalls rostbraun und mit Moos bedeckt, wirkte aber noch vergleichsweise stabil, ebenso wie der Helm, die Panzerhandschuhe und die Beinschienen.
Das Skelett neigte kurz den Kopf, als es sich Yarik in den Weg stellte, als ob es ihn begrüßen oder herausfordern wollte. In seinen leeren Augenhöhlen glomm unheiliges, kaltes Feuer, und Yarik kam es vor, als ob es ihn irgendwie mit seinem Blick fixieren würde, obwohl es keine Augen besaß. Der Skelettkrieger nahm einen stabilen, schulterbreiten Stand ein und hob ein schartiges Zweihandschwert.
Das Bad würde wohl warten müssen. Yarik schüttelte kurz den Kopf, um die letzte Benommenheit loszuwerden, und kniff die Augen zusammen. Er packte seinen Kampfstab mit beiden Händen und ging in eine lauernde, leicht geduckte Ausgangsposition…
Vernichte ihn!, kreischten die Stimmen.
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Nördlicher Bruchwald, Nachmittag
„Eine Libelle!“, rief sie viel zu laut und schlug sich sogleich die Hände vor den Mund.
Stocksteif wartete sie, ob ihr Ausbruch etwas oder jemanden aufgeschreckt hatte. Sie zählte ihre eigenen Herzschläge, die immer lauter in ihren Ohren wurden, bis sie das Blut in ihren Adern rauschen hörte.
Das blaue Schimmern, welches sich als Libelle entpuppte, verschwand flink hinter einer Gruppe sehr alter Bäume.
So groß!, schwärmte Zarra innerlich und tatsächlich war das Fluginsekt viel größer als jedes seiner Art gewesen, das sie bisher gesehen hatte.
Durch die Entfernung konnte sie nicht bestimmen wie groß genau, doch es hatte eher die Größe einer Blutfliege, denn einer Libelle gehabt, vielleicht einen Fuß zwischen dem einen Flügelende und dem anderen. Dabei schimmerte der ganze Körper bläulich im Schein der nachmittäglichen Sonne, ehe sie einmal mehr aus dem Sichtfeld der Weißhaarigen entschwunden war.
Warte!, dachte die Jugendliche nur und rannte los, nicht sicher ob sie nur der Libelle folgen oder den Ursprung der Insektenumsiedlung finden wollte.
Etwas ungeschickt sprang sie über Wurzeln und umging Mulden im Boden, darauf bedacht nicht hinzufallen. Ihre Kapuze fiel ihr vom Kopf, wodurch ihr helles Haar hinter ihr herflog. Der lose Zopf löste sich dabei. Nach jedem Baum, den sie hinter sich ließ, glaubte sie die Libelle einholen zu können, doch je weiter sie rannte, desto weniger schien dieser Gedanke wahrscheinlich.
Ihr Fuß schrappte knapp über eine Wurzel, die weiter aus dem Bogen ragte, als sie eingeschätzt hatte. Sie geriet ins Straucheln und fiel beinahe zu Boden, konnte sich aber an den Stamm einer jungen Erle klammern, die direkt neben dem riesenhaften Baum wuchs, dessen Wurzel sie gestreift hatte.
Mit zitternden Knien ließ sie sich an der rauen Rinde hinuntergleiten, bis sie auf dem Waldboden hockte. Ihr Atem ging schwer, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und plötzlich übermannte sie ein Geruch, der ihr die Galle in den Rachen trieb und zum Würgen brachte.
Was ist DAS denn?, dachte sie entsetzt, traute sich nicht zu sprechen aus Angst sich übergeben zu müssen.
Der Gestank erinnerte sie entfernt an den Geruch des Waldes, den sie zuvor wahrgenommen hatte, doch irgendwie verzerrt, die fehlende Komponente, die sie nicht hatte identifizieren können. Faulige Eier und der Geruch der Titanenwurz würden selbst zusammen nicht eine solch widerwärtigen Note erzeugen.
Panik baute sich in ihr auf, als sie sich umschaute, um die Quelle des Geruchs auszumachen. Alles sah so aus wie zuvor. Ewig hohe Erlen und Zypressen, mooriger Untergrund, laubbedeckte Tümpel, aber keine Insekten mehr. Oder doch?
Gute hundert Schritte von ihr entfernt schwebte eine Sumpfgasdrohne, viel höher, als diese gefährlichen Vettern der Blutfliege es gewöhnlich taten. Das tiefe Brummen ihrer schmalen Flügelpaare war aus der Entfernung nur schwach zu vernehmen.
Was macht sie da?, fragte sich Zarra verwundert, schlich dabei in der Hocke etwas zurück zu dem Stamm des großen Baumes hinter ihr, während sie sich eine Hand vor Nase und Mund hielt, um den Gestank etwas abzumildern.
Tatsächlich sah es so aus, als würde die Drohne dort auf etwas warten.
Oder beobachtet sie vielleicht etwas?
Just in diesem Moment ging ein einziger Ruck durch den Boden des Bruchwaldes. Ein gigantischer Körper sprang aus einem Wasserloch, welches von Laub und Geäst verdeckt worden war. Wasser und kompostierte Pflanzenteilte spritzte in alle Richtungen, unzählige Beine zuckten in der Luft, als die brachiale Gestalt eines massiven Tausendfüßlers aus einem perfekten Versteck hervorstieß. Der wuchtige Körper schlang sich um den fliegenden Störenfried und zog ihn hinab ins Wasser. Doch noch ehe die Sumpfgasdrohne die Oberfläche berührte, stieß sie wegen des Drucks des segmentierten Klammergriffs ihr tödliches Gas aus. Grünliche Schaden waberten knapp über dem Tümpel, von dem das Jägerinsekt zugeschlagen hatte.
In dem Moment, als der Riesentausendfüßler sich gezeigt hatte, hätte Zarra beinahe das Bewusstsein verloren. Der üble Geruch von zuvor intensivierte sich und dieses Mal konnte sie weder Galle noch Mageninhalt zurückhalten. Das Brennen der Magensäure in ihrem Mund bewahrte sie vor der Ohnmacht, während sie beobachtete, wie die Drohne zwischen zwei tödlichen Mandibeln zerfetzt wurde. Kein klarer Gedanke formte sich in ihrem Kopf, obwohl sie wohl das größte Insekt vor sich hatte, was sie jemals gesehen hatte. Allein der Fluchtinstinkt beherrschte sie und sie rannte los. Rannte den Weg zurück, den sie gekommen war, immerzu der drohenden Gefahr, begleitet von dem übelkeitserregenden Gestank, gewahr. Sie wagte keinen Blick nach hinten, doch das Trampeln tausender Gliederfüße verriet ihr alles, was sie wissen musste. Wenn sie auch nur einen Moment innehielt, könnte das ihr Ende bedeuten.
Wieder wich sich Geäst, rutschigem Moos und tückischen Löchern im Waldboden aus, während sie die Bäume um sie herum nur schemenhaft wahrnahm. Jegliche Gedanken an die blaue Libelle waren wie weggeblasen. Der reine Überlebensinstinkt trieb sie an.
Sie stürzte.
Ihr Fuß war auf einen, im Unterholz verborgenen, Stein getroffen, der sie aus dem Tritt brachte. Ein Dutzend Schritte lang kämpfte sie darum das Gleichgewicht wiederzuerlangen, ihre Arme ruderten durch die Luft. Doch schlussendlich zwang ihr Oberkörper sie nach vorn auf den kalten, feuchten Grund. Zweige und Kiesel peitschten ihr Gesicht, bis sie regungslos liegenblieb. Das unheilvolle Klackern des insektoiden Jägers war noch immer in einiger Entfernung zu hören.
Zarra richtete den Kopf auf, spuckte Erde und Laub aus, ihr Gesicht verschmiert und blutig. Verschwommen nahm sie ihre Umgebung wahr bis sich ihr Sichtfeld unerwartet spaltete. Genau wie vor wenigen Tagen, als sie am Schrein der Mutter gekniet hatte, öffneten sich ihre hunderte von Fenstern, durch die sie blicken konnte. Die neuen Reize fluteten ihre Wahrnehmung, überforderten sie und trieben erneut die Galle in ihre Mundhöhle.
Sie schloss die Augen.
LAUF WEITER, dröhnte mit einem Mal eine Stimme in ihrem Kopf, die so machtvoll war, dass ihre Nase zu bluten begann, LAUF WEITER UND SIEH!
Ohnmächtig sich gegen den Befehl zur Wehr zu setzen, riss das Mädchen die Augen auf. Wieder hagelten unzähligen Eindrücke auf sie ein, doch sie hielt stand. Es war, als könnte sie ihre gesamte Umgebung sehen. Jeden Baum, der um sie herumstand, jedes kleine Insekt, was zu spät die Flucht ergriffen hatte. Auch den Tausendfuß entdeckte sie, der auf sie zu rasselte, begleitet vom Geräusch des Platzregens und dem Odem des Todes. Selbst ihren eigenen Rücken konnte sie teilweise erkennen und dann endlich verstand sie.
Jene blaue Libelle, welcher sie nachgelaufen war, hatte sich auf ihr niedergelassen, genau dort wo auch ihre Narbe, verborgen unter ihrem Umhang, ruhte.
LAUF!
Erneut forderte die Stimme sie auf, zwang sie auf die Beine und in ein neuerliches Rennen um ihr eigenes Leben. Die Flügel der Libelle schlugen mit solcher Geschwindigkeit, dass nur ein Klackern zu hören war. Beinahe fühlte es sich an, als würde es sie anschieben, doch im nächsten Augenblick löste sich die Jungfer von ihr. Mit dem Verschwinden der blauen Schönheit, kehrte auch ihre gewohnte Sicht zurück.
Lauf weiter!, trieb sie sich nun selbst an, während sie Blut, Schweiß und Tränen aus ihren überstrapazierten Augen zu verbannen suchte.
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Im südlichen Sumpf, Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik
„Das darf nicht wahr sein!“, fauchte Chala zornig, als sie einem erneuten Stakkato der übrigen vier Schnäbel auswich.
Erst hatte sie sich darüber belustigt, dass Valerion von einer Hausgans in die Mangel genommen wurde und jetzt musste sie sich selbst gegen eine Abart eben jener abmühen. Wut hatte sich in ihre Bewegungen geschlichen, ließ ihre Vorstöße waghalsiger und verwegener werden.
Ein weiter horizontaler Hieb, der ihren Körper völlig ungeschützt ließ und sie dazu zwang ihren Arm viel zu weit durchzustrecken, hielt den nächsten wilden Angriff des Mutanten auf. Würde sie gegen etwas anderes kämpfen als einen vom Leben zurückgelassenen Fehler der Natur, etwas das mehr Finesse besaß, hätte sie längst den Preis für ihre verlorene Kontrolle bezahlt. Durch den weiten Schwinger brachte sie sich in eine Position, wo das Wurfmesser in ihrer Linken keinerlei nutzen brachte. Die rechte Schulter war der Gans zugewandt, die sich in diesem Moment aufrichtete und bedrohlich zu Schnattern begann. Angriffslustig watschelte die Kreatur auf sie zu, flatterte dabei erratisch mit den Flügeln. Die leeren Augenhöhlen ließen keine Vermutung zu, worauf es das Vieh abgesehen hatte, weshalb Vered ihre unglückliche Lage mit einem Satz nach vorn, zur linken Flanke ihres Gegners verbessern wollte. Doch ihre fehlplatzierten Füße hinderten sie an einem sauberen Sprung, weshalb sie sich als Oper der Flügelprügel wiederfand.
Garstige Federn schlugen ihr ins Gesicht, wehten den Geruch der Verwesung in ihre Nase, sodass sie für einen Moment die Augen schloss.
Das Momentum der Gans hatte sie an ihr vorbeigetrieben, dorthin, wo Valerion Momente zuvor noch gelegen hatte. Alarmiert suchte die Aranisaani den Boden vor dem Untoten ab, doch da war niemand. Glaen war im Begriff den Bewusstlosen durch den Wasserlauf zu tragen, fort von der Gefahrenzone.
Grimmig und zufrieden, dass der Hüne ihren Hilferuf ernst genommen hatte, konzentrierte sich die dunkle Kriegerin nun völlig auf ihren Gegenüber. Sie beugte die Knie und suchte nach dem ersten Anzeichen, dass das Federvieh einen erneuten Versuch startete, ihr die Schnäbel in die Haut zu rammen. Kämpfe, die um sie herum tobten, nahm sie nicht mehr wahr, sie spürte den ledernen Griff Wildkatzes in ihrer Rechten und das abgegriffene Holz des ihr sehr vertrauten Messers in der Rechten.
Neuerliches Schnattern war zu hören, als die Gans wieder auf sie zustürmte. Der leblose Kopf schwang hilflos über ihren Rücken, zusammen mit den Hälsen, welche Vered enthauptet hatte. Auszuweichen hatte bisher keinen Fortschritt gezeigt, also änderte sie ihre Taktik. Sie machte sich bereit für den Aufprall, hielt ihr Schwert diagonal nach vorn gerichtet. Der Ort berührte beinahe den Boden, das Gehilz hielt sie dabei auf Hüfthöhe. Ihr Messer war außer Sicht für die Gans, doch das machte für das untote Tier ohnehin keinen Unterschied.
Gack, GACK, echoten die Köpfe einander nach, als sie im Inbegriff waren ihr Zielt zu erreichen.
Chala zog Wildkatze empor, durchtrennte einen weiteren Hals wie die Kralle einer Katze den Schwanz einer Maus. Schnell drehte sie die Hüfte, brachte ihr Messer hervor und stieß es von unten durch einen weiteren Kopf, der leblos zur Seite glitt. Die übrigen zwei waffenfähigen Schnäbel fraßen sich jedoch in den Schwertarm der Aranisaani, trieben die scharfen Hornpapillen in das dicke Leder.
Die Kriegerin hatte damit gerechnet, zog das Messer aus seinem jüngsten Opfer und hieb immer wieder auf die Stelle, wo das Hirn eines solchen Vogels sein sollte. Eine Gelbliche Substanz quoll aus dem zerstörten Schädel hervor, ehe sie sich auch dem zweiten und letzten widmete.
„Leaga, e tiga!“, spie Vered, als sie die noch immer fest um ihren Arm geschlossenen Schnäbel der endgültig toten Gans von ihrem Arm zu lösen versuchte.
Die zahnartigen Lamellen hatten sich in dem bearbeiteten Leder verfangen und sie hatte weder Zeit noch die Geduld sich jetzt darum zu kümmern. Kurzerhand nahm sie den Griff ihres Messers, der von der widerwärtigen Masse verschont geblieben war, in den Mund. Der Geruch, der ihr von der Klinge aus in die Nase stieg war überwältigend, doch das musste sie für den Moment ertragen.
Sie wechselte die Schwerthand und trennte vorsichtig die Schnäbel von den daran hängenden Köpfen, wodurch der gesamte Körper des Federviehs zu Boden sackte. Für den Moment würde sie damit leben müssen, dass sie die Mäuler einer untoten Mutation an ihrem Unterarm hatte, denn sie wollte nicht versuchen sie offen zu hebeln. Es fühlte sich an, als würden die Papillen bis in ihre Haut gedrungen sein.
Sie blickte sich um, doch eine heranschnellende Klaue ließ ihr keine Zeit sich ein Bild der Gesamtsituation zu machen. Reflexartig sprang sie zur Seite, entging damit nur knapp den Krallen einer Kreatur, die wohl mal ein Lurker gewesen war.
„Agaga“, fluchte die Aranisaani und machte sich auf einen weiteren Tanz gefasst.
Geändert von Chala Vered (23.03.2024 um 23:11 Uhr)
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Westliche Tempelruinen, noch Nachmittag - Auf den Spuren von Mr Krabbs Cousine die Mudda!
Vorbereitung war alles. So konnte man fünf Prozent des Lebens eine Richtung geben, um den restlichen Prozenten - mit Überlebenswillen und der Fähigkeit intuitiv und spontan handeln zu können - entgegen zu treten. Glück gehörte natürlich auch dazu. Aber darauf setzte man nicht, weil dann Glück auch der Gegenseite gehören konnte. Das war immerhin Adanos’ Sphäre.
“Turya lässt sich Zeit.”, dachte sich Ornlu und blickte zuerst nach links zu Okam und Kiyan, die sich mit Speeren bewaffnet bereit hielten.
Über den Einäugigen hatte sich der Druide so manche Gedanken gemacht. Was war es doch für ein Zufall, dass gerade der Geist von Lugdrub ihn beherrscht hatte. Wie seltsam die Wege des Schicksals sich kreuzten, trennten und an einem anderen Punkt des Lebens sich wieder trafen. Damals war Lugdrub auf gewisse Art ein Freund, einer der half und Ornlu gegenüber offen war. Natürlich machte es der Schamane damals nicht aus Nächstenliebe. Auch er sah wohl damals einen Nutzen darin. Aber auch etwas Besonderes. Ein Mensch der es schaffte ein Ulumulu aus eigener Kraft zu erjagen war wohl in all den letzten Jahrzehnten einmalig gewesen und würde es wohl bleiben. Ornlu hatte gar sogar schon darüber nachgedacht, die Nordlande als freier Mensch zu bereisen und dort viele Dinge zu erfahren. Doch dafür musste erst die Zeit kommen.
Was Kiyan wohl gerade fühlte, so verlassen vom Geist des Schamanen? Würde er nun zerbrechen oder wieder wachsen?
Viele Dinge waren Ornlu noch nicht ganz klar im Zusammenhang mit diesem ungewollten Bündnis. Das würde ein Gespräch vielleicht verraten oder aber auch nicht. Zeit brauchte der Einäugige definitiv. Die sollte er bekommen, falls er nicht gefressen werden würde.
Vigo hatte bestätigt, dass Kiyan nicht vergessen würde in welcher Schuld er stand und Ornlu genauso wenig. Wenn er sich machte und von Ricklen ausgebildet werden würde, dann konnte er sehr nützlich für den Druiden werden.
Bis dahin aber sollte er besser überleben. Ornlu wollte wissen, wer dieser zähe Kerl war, der so einen Geist mitsamt Schmarotzer so lange getrotzt hatte.
Der Druide blickte kurz nach rechts, wo Iun und Vigo ihre Pfeile schon bereit hielten und von erhöhter Position auch das Zeichen geben würden.
Bis zur Dämmerung - da erwarteten sie ihre Beute - war es noch ein Stück und so blieb noch mehr Zeit zum Gedanken sammeln und wieder los lassen.
Ornlu wollte gerade einen piepsenden Vogel nach Wroc fragen - der Rabe war seit dem Chaos verschwunden - da zuckten Vigo und Iun zusammen und blickten nervös in die Richtung, von wo die Beute heraus kommen sollte.
Nein, sie blickten zu etwas dahinter. War das Turyas Kommando?
Der Druide spürte Momente später, dass es was anderes war. Etwas Großes, dass in der Lage war mit den Schatten, aber auch der Umgebung zu verschmelzen. Etwas was den Chamäleon Zauber beherrschte und nur zu sehen war, wenn es sich langsam bewegte.
“Die grüne Bestie…”, murmelte der Wolfsdruide und sah wie die anderen, wie sich der gewaltige Schattenläufer so wie sie ebenso positionierte. Das würde interessant werden, wenn ihre Beute kam. Aus sorgsamer Vorbereitung wurde nun aus der Situation das Beste machen.
Ornlu gab Zeichen ruhig zu bleiben und zu beobachten.
“Turya renn bitte nicht direkt in den Schattenläufer hinein…”, dachte sich Ornlu und machte sich selbst für den Fall bereit.
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Im südlichen Sumpf, Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik
„Wach auf bursche“, ertönte es, worauf ein Hieb folgte und der Bursche aufschreckte. Er schaute sich schlaftrunken um, lag auf einem Heuboden und vor ihm stand ein mit einem Stock bewaffneter Kerl.
„Ich hab dir gesagt, du sollst auf die Gänse acht geben, nicht das du dir einen Faulen machen sollst, ich sollte dir noch mehr Hiebe verpassen, für deine Unverschämtheit“, rief der Bauer wütend und zog den jungen Valerion am Kragen hoch.
„Mach dich los jetzt und fang die Gänse wieder ein, bevor ich dir Beine mache, Typisch gesocks, euch kann man doch eh für nichts gebrauchen“; er gab Valerion einen tritt und dieser flog gegen einen Wasserkübel und sah sein Gesicht. Was war da los? Er sah so jung aus? Diese Erinnerung kam ihn bekannt vor, er musste nun ungefähr fünfzehn Winter alt sein, in ein paar Monaten würde er sechzehn werden und dann wegen Diebstahls in das Minental kommen.
Als er den Stall verließ, sah er sich um und wusste, wo er war. Das musste in Bauernhof kurz vor der Hafenstadt Khorinis gewesen sein, dort hatte er ab und zu ehrlich gearbeitet, wenn er in der Stadt nichts klauen konnte. Wieso war er hier?
Er war doch eigentlich ganz woanders gewesen, in einem Kampf. Er war viel Älter gewesen und seine Leute brauchten seine Hilfe.
„VERDAMMT! WACH AUF VALERION“, hörte er eine Frauenstimme aus der ferne rufen, doch als er sich umsah, konnte er niemanden ausmachen.
Schnatter.
Er drehte sich um und da stand eine Gans, blickte ihn skeptisch an, drehte den Hals um und war damit beschäftigt, sich das Federkleid zurechtzumachen. Der junge Valerion schüttelte den Kopf und machte sich an die Arbeit, die anderen vier Gänse zu suchen, bevor der Bauer ihm wieder mit Prügel nachsetzte.
Er hoffte, die Gänse waren nicht in Richtung der Berge gelaufen, sonst würde es lange dauern, diese Mistviecher wieder einzufangen.
Nur zu dumm, das er sich aktuell in der Stadt nicht blicken lassen konnte, dummerweise hatte er einen Adelsmann beklauen wollen, wurde erwischt, aber konnte sich gerade noch aus dem Staub machen. Nun musste er warten, bis dieser Adelsfatzke wieder abreiste.
„HE FATZKE! BRING MIR DEN HAMMER“, er drehte sich blitzschnell um, und beobachtete zwei Knechte die gerade dabei waren die Windmühle zu reparieren. Der Fatzke war bekannt in der Stadt und den umliegenden Höfen als Eigenbrötler, sprach kaum was und saß auch sonst in der Taverne immer abseits aller anderen. Der Fatzke blickte den Knecht verachtlich an, so als würde er ihn am liebsten den Hals umdrehen.
Die Szene änderte sich und Valerion stand etwas oberhalb des Gebirges. Eine Gans schnatterte fröhlich und zupfte Gras aus dem Boden.
„He komm wieder mit“, rief Valerion genervt, langsam wurde es Dunkel und es war die letzte Gans, die er zurückbringen musste.
„VERDAMMT SCHÖNLING WACH ENDLICH AUF“; schrie eine Männerstimme und Valerion drehte sich wieder um, sah aber niemanden. Als er sich zur Gans umdrehte, schreckte er zurück. Sie hatte vier Köpfe, war um einiges größer und watschte langsam bedrohlich auf ihn zu.
Valerion wollte wegrennen, aber an seinen Füßen hatten sich verweste Hasen festgehangen und ließen ihn nicht los. Er konnte nichts tun, als die vier bedrohlichen Schnäbel auf ihn zustießen und ihn entweder auseinanderreisen oder zerfetzen würden.
„BEIM VERUNZTEN JADEWOLF“, schrie Valerion und schreckte aus seiner Ohnmacht auf. Alles um ihn herum drehte sich, er musste sich kurz fangen, wo war er? Er sah nur Kämpfe, nahm den Geruch von Verwesung und Tod war.
„WILLKOMMEN ZURÜCK“, schrie der Axtkämpfer.
„JETZT HILF UNS VERDAMMT“, fügte er hinzu und stürmte zurück in den Kampf.
„Ich brauch ein verdammtes Bier“, antwortete Valerion, rieb sich den Kopf und erhob sich.
„Und meinen verfickten stock“ ....
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Basislager des Waldvolkes am ehemaligen Jägerturm, Nachmittag
"Na, das wird ja auch Zeit", brummte Seamus, als Maris am Fuß des Jägerturms zu der wartenden Gruppe stieß. "Wenn ich das Geseier von unserem kräftigen Freund da drüben noch länger ertragen muss, ohne weglaufen zu können, muss ich mir leider die Ohren abreißen. Wo ist denn jetzt die Verstärkung?"
"Reinfall", murrte Maris. "Alles, die noch da sind, machen entweder in Koordination oder Versorgung. Hab Jilvie nochmal Bescheid gegeben, dass ich gern noch ein Augenpaar mehr hätte. Sie hat gemeint, sie sieht, was sie tun kann, aber wir sollen nicht drauf hoffen, dass wir mehr werden."
"Schöne Scheiße."
Maris klopfte seinem Freund mit der Faust gegen die Brust. "Hör auf, so vor meiner Tochter zu fluchen."
"Entschuldige, Mann. Vor Kämpfen werd ich nervös und kann nicht anders. Sag's nicht Aaliyah, ja?"
Runa sah ihren Onkel mit einem schrägen Lächeln an und formte ihre Lippen zu einem tonlosen 'Ist schon in Ordnung.'
"Nein, ist nicht in Ordnung", sagte Maris. Dann hob er die Stimme und sah sich in der kleinen Runde um. "Also hergehört, Leute: wir brechen auf Richtung Norden. An der Plantage vorbei in Richtung Molerat-Gehege. Wege sichern, mögliche Bedrohungen ausspähen und den Rest mit Zeichen warnen. Sana kennt sich am besten hier aus, also geht sie mit... wie heißt der Kerl denn?"
"Hund", antwortete die Frau mit den traurigen Augen knapp.
"Äh, ja. Sie geht mit Hund voran. Seamus sichert unseren Rücken. Für heute nehmen wir die ursprünglich befestigten Wege zum Gehege und schlagen dann dort unser Lager auf. Morgen ziehen wir am Fuß der Berge entlang zurück und arbeiten uns dann vorsichtig in die Sümpfe dazwischen vor. Denkt daran: das Ganze nennt sich zwar Wilde Jagd, aber wir sind ein Spähtrupp. Wir bleiben vorsichtig und gehen Ärger aus dem Weg, wenn es sich vermeiden lässt. Sind alle so weit?"
Frank, Seamus und Runa kleckerten nacheinander mit einer Zustimmung heraus. Sana schwieg sich weiter aus, was Maris als Zustimmung ansah.
"Na dann los."
Als sie das Lager verließen, ertönte plötzlich ein Horn direkt neben Maris' Ohr, dass der Nomade erschrocken zur Seite sprang und sich ein kurzes Fauchen nicht verkneifen konnte. Frank hielt doch tatsächlich eines dieser Dinger in den Händen und linste stolz zu ihm herab. "Na, das war gar nicht so schlecht, oder?"
"Was zum Henker, Frank?"
"Na, die anderen haben das doch auch alle gemacht, da sollten wir uns doch auch entsprechend abmelden, oder?"
"Die anderen haben zur Jagd geblasen. Wir spähen. Leise." Maris seufzte. "Falls du das denn kannst."
Die Enttäuschung war dem großen Mann unschwer anzusehen, als er das Horn sinken ließ. "Na gut, dann eben leise."
Ihre kleine Gruppe bewegte sich zunächst in lockerer Formation, solange sie auf den Pfaden wandelten, auf denen sich die anderen Trupps zuvor ebenfalls bewegt hatten. Erst wenn sie an der Sumpfkrautplantage vorbei gegangen waren, würden sie ihr Tempo verlangsamen und ihre Umgebung genauer ins Auge fassen.
"Habt ihr euch die Zeichen angeschaut, die wir verwenden, um Botschaften für andere zu hinterlassen?", fragte Maris seine Tochter, die ernsten Blickes neben ihm ließ und mit ihrer Rechten beständig den Knauf der Falcata knetete. Sie brauchte einen Moment, bevor sie überrascht aufsah.
"Hmm? Oh, ja, Onkel Seamus hat es mir erklärt. Ein kleiner Kreis mit einem Richtungspfeil daran zeigt an, in welche Richtung es zu einem Lager geht. Ein Dreieck heißt, dass es nicht sicher ist, und je mehr Striche wir in das Dreieck zeichnen, desto gefährlicher ist es dort."
Maris nickte. "Gut. Das sind auch schon die Zeichen, die wir im Moment in erster Linie brauchen werden. Nichts Weltbewegendes, ganz einfache Symbole. Aber sie helfen jedem, der nach uns kommt, die Umgebung richtig einzuschätzen. Wir tragen also eine ordentliche Verantwortung - wenn wir eine Gefahr übersehen und die Gegend falsch einschätzen, sterben vielleicht Leute."
Runas nicken war abrupt und knapp, ihre Lippen aufeinander gepresst. "Mh-hmm. Werd's mir merken."
Maris legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. "Keine Sorge, du machst das gut. Ich bin stolz darauf, wie ernst du die Sache nimmst. Lass uns einfach die Augen offen halten und unseren Teil beitragen, dann wird das ohne Probleme laufen."
"Keine Sorge, Kleine. Frank hier wird auf dich aufpassen", brummte der dunkelhäutige Riese wohlwollend und schlug sich auf die Brust, die nun immerhin nicht mehr in leuchtend rotes Samt gehüllt, sondern mit Dreck abgedunkelt worden war. "Mit dem hier schieß ich alles zu Klump, was dich auch nur schief anguckt!"
Frank hob seinen Langbogen - ein massives Werkzeug des Todes, dessen Anblick allein Maris Respekt abverlangte. Wenn Frank dieses Monstrum von einem Bogen tatsächlich spannen und zielsicher schießen konnte, war er vielleicht doch zu etwas nütze.
"Weißt du, ich komme eigentlich aus der Gegend um Stewark. Da gibt es ein Gasthaus, das heißt 'Zur Gespaltenen Jungfrau'. Normalerweise bin ich dort und halte die Gegend sicher, helfe beim Handel mit der Frau Murdra und so. Und in einem unserer geheimen Schmugglerverstecke in den Hügeln, da gibt es einen herrlichen Platz zum Zielschießen. Du müsstest mich mal sehen, ha! Keine Angst, dir passiert garantiert nichts!"
Maris hielt sich eine Hand vor das Gesicht. Fraglich, ob sie es bis zur Molerat-Farm schaffen würden, bevor Frank sie alle zu Tode gequatscht hatte. Das konnte ein laaanger Nachmittag werden...
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Nördlicher Bruchwald, Nachmittag
-Griffin...-, dachte Ryu während sein Weg intuitiv über Stock und Stein, Wurzeln und durch den Schlamm führte. -Behalte einen klaren Kopf.-. Der Hüter nutzte den nächsten Felsen um abzuspringen, drei Schritte entlang des nächsten, breiteren Baumes zu machen, diret zur nächsten Liane zu springen und zu einem der höher gelegenen Äste zu schwingen. Geistesgegenwärtig ließ er darauf den Natur geschenkten Seilersatz zu Freiya schwingen die so direkt ohne den Verlust ihres Momentums hinterher kommen konnte, während der Templer schon zum nächsten Ast sprang. Immer wieder tauchte der Moment des gebrochenen, von Schuld zerfressenen Mannes auf den er in seiner Kommandantur in den Arm geschlossen hatte. Seine Worte über jenes Mädchen das er beim Angriff auf Setarrif verlor. Das er vergeblich zu schützen versucht hatte. Offensichtlich schien sein Waffenbruder etwas mit dieser Zarra zu verbinden. Ein altes Band dessen Ende bisher unter den Trümmern der Last seiner eigens aufgeladenen Schuld lag. Ein Band, welches Zarre offensichtlich vor nicht allzu langer zeit wieder aufgenommen und an dem sie gezogen hatte. Ein sanfter, liebevoller Zug der jedoch derartige Vibrationen erzeugte, dass Griffin zu einer Form aufblühen ließ die selbst der Hayabusa ihm in seinem aktuellen Zustand noch nicht zugetraut hatte.
Der Hüter hatte ja hier und da schon von dem jungen Mädchen mit den schneeweißen Haaren gehört, sie auch das ein oder andere mal in Schwarzwasser gesehen. Das so lebensfrohe Lebensbündel und Mündel der alten Nerea. Ein freundliches, altes Mütterchen das wohl auch sehr gute Beziehungen zu Mama Hooqua pflegte. Dennoch hatte der Hüter es immer tunlichst vermieden die beiden zu stören, wenn sie in der Küche der Sumpflilie längere Gespräche führten. Schon oft hatten das irgendwelche leichtsinnigen Anwärter der Wächter getan und... Nun... Man sprach nicht darüber was dann geschah. Der Hayabusa war sich sicher, dass die beiden Frauen irgendeinen Hexenzirkel oder dergleichen anführten! Aber welcher der ergrauten, femininen Eminenzen Tooshoos konnte man keine Zugehörigkeit zu dieser gruseligen Organisation nachsagen?
Aber unabhängig von ihrer Verwandtschaft zu den Hexen Tooshoos: Zarra benötigte die Hilfe ihrer Leute! Und die sollte sie bekommen!
Die Wyvern-Augen hafteten sich wieder an Griffin der dieses mal eindeutig den Weg vorgab. Ob er Fährte aufgenommen hatte? Seinem Waffenbruder war Zarras Note nicht bekannt, doch war es ohnehin schwer, die Menschen vom Waldvolk in den Tiefen der Sümpfe ausfindig zu machen. Der Morast, die Bäume und unzähligen Pflanzen erschwerten es ungemein im Zusammenspiel mit tierischen Ausdünstungen und anderen Quellen, seine Ziele rein am Geruch ausfindig zu machen. Andererseits schien der Südländer sich in seinem Tun ganz von seinem Instinkt leiten zu lassen. Ähnlich wie der Templer es selbst im Gebirge getan hatte, kurz bevor die anderen aufgetaucht waren. Er kannte diesen Zustand völliger, von den Sinnen bestimmter Hingabe. Die gefährliche Schwelle zwischen Bestie und Mensch die ein jeder Hüter zu beschreiten meistern musste um nicht als wildes Tier in Menschenform zu enden. Zu gut kannte er ihn... Aber das Vertrauen in Griffin war groß genug damit er selbst mit eiskaltem Kalkül und Konzentration an die Sache herangehen konnte. Und er versuchte abzuschätzen, was wohl in dem Mann vorgehen musste der so viele erlebt haben musste. Alleine, ohne Stärkung im Rücken. Seine Reaktion beim Erfahren von Zarras Verschwinden... Sein Handeln... Dem gefallenen Hüter war eine Chance gegeben worden die er ohne zu zögern ergriffen hatte. Eine Möglichkeit seine Verfehlungen zu richten. Und verdammt, Ryu würde ihn dabei mit aller Macht dabei unterstützen!
Griffin hielt mit einem mal inne, stieß nur ein "Scheiße, was ist das!?" hervor, als er kurz auf die breite Schneise nieder getrampelten Unterholzes deutete die sich durch den morastigen Boden zog. Ryu, der Freiya erneut geholfen hatte ihr Momentum zu halten und sie zu sich auf den nächsten Felsen hinauf zog blickte in die Richtung in die sein Freund deutete. Selbst mit dem Mundschutz konnte er nun deutlich wahrnehmen, was das für ein Geruch in der Luft war. Er erinnerte ihn an etwas... Dieser beißende, faulige Gestank... Nicht so schwefelartig wie zuletzte im Gebirge, sondern eher... Säuerlich... Stickig... Als hätte man uralte Exkremente ausgegraben, sie mit ranzigem Fleisch und Staub zu einer dickflüssigen, klebrigen Substanz vermischt. "Minecrawler.", gab der Templer schließlich von sich. Aber... Welcher Crawler zog solche Spuren durch die Erde? Nun schaltete sich Freiya ein. Elegant und den steilen Felsen hinab rutschend kam die rote Snapperin auf dem Boden auf und machte einige schnelle Schritte zu der Spur hin. "Kann nicht sein! Seht mal in welchen kurzen Abständen die Beine den Boden eingedrückt haben. Ich hab zwar noch nie einen gesehen, aber ich kenne die Geschichten. Vier Beine, Reißzangen und hart im Nehmen.", gab sie ihr Jagdwissen preis.
Nun folgten auch die zwei Hüter, jeder auf seine eigene Art landend und mit einem prüfenden Blick auf die Schneise. Kurz tunkte der Schwertmeister seinen Finger in die Chitin artige Substanz die sich durch die Schneise zog und verrieb sie zwischen den Fingern. "... Hängt von der Region ab. Meistens vier bis sechs plus die vorderen die sie mehr wie arme nutzen. Manchmal sind Zangen dran...", ergänzte der Templer schließlich und wischte sich diese widerwärtige Substanz zwischen ein paar herab gefallenen Blättern ab. "Gemessen an Odo könnte das hier auch eine neue Art Mutation sein... Der Gestank verrät das Biest.". Auch Griffin beäugte die Spuren unruhig und fuhr sich unruhig durchs Haar während er auf und ab ging in dem Versuch seiner inneren Unruhe Herr zu werden und einen fackundigen Rat abzugeben. "Für mich sieht das eher aus wie Spuren von einem Tausendfüßler... Dieses... Wie hatte Ricklen das Ding genannt?"
Freiya ergänzte: "Tausend... Beiniges... Snapperfress... Regen... Ding?"
Tatsächlich. In all der Aufregung mit Ricklen und dem überstürzten Aufbruch hatte der Hayabusa völlig die Liste an Monstern vergessen, welche dieses Großmaul zuvor noch vorgetragen hatte. Und wenn er so an die Abbildung zurück dachte, sah das Ding tatsächlich einem missgestalteten Minecrawler mehr als ähnlich. Handelte es sich möglicherweise um eine Mischung aus Krieger und Königin? Letztere hatte der Templer selbst nie zu Gesicht bekommen, doch er kannte die Geschichten seiner Kaste zu genüge. Einst hatten sie das Sekret dieser Biester gesammelt, was ihnen eine gewisse Expertise in der Jagd darauf vermittelte die der Hüter über die Jahre hinweg 'studiert' hatte. Nun, zumindest konnte er darüber in einigen alten Aufzeichnungen seines alten Lehrmeisters nachlesen. Wie sehr wünschte er sich nun Gor Na Jan zurück... Aber er war nun einmal nicht mehr zugegen.
Just in diesem Moment tönte ein schriller Schrei durch den Bruchwald. Es waren keine Worte nötig, nicht einmal ein stummes Nicken oder eine Geste der Verständnis. Das Dreiergespann setzte sich unmittelbar in Bewegung und folgte gehetzt der Richtung aus der sie den unverkennbaren Notruf vernommen hatten. "Griffin, hör mir zu!", begann Ryu im Sprint. "Die Ketten sind ab, aber denk mit dem Herzen, nicht dem Instinkt, hörst du!? Zarra hat oberste Priorität!". Griffin entgegnete nur ein trotziges aber verstehend geknurrtes "Musst du mir nicht extra sagen!", doch verstanden beide, dass die Gewissheit über die Selbstkontrolle in solchen Momenten von essenzieller Bedeutung war. "Freiya!", nun ging das Kommando an die erwähnte, während der Hüter das obligatorische Seil um seine Taille löste und ihr zuwarf. "Sieh zu, dass du das Scheißvieh mit der Schlinge fängst! Ist vor geknotet. Wenn sie sitzt, bind' ich das Ding an den nächsten Baum!". Freiya nickte, was im Auf und Ab des Sprints eher unterging. "Verstanden! Schon eine Idee wie wir die Platten umgehen sollen?"
"Wir improvisieren. Wenn das Ding wirklich ein Crawler ist, müssen wir an den Bauch ran!"
Nur einige Momente später...
Der Fürst der tausend Beine toste durch den matschigen Boden und ließ seine tausend Boten des Verschlingens lautstark von seiner Ankunft, vom süßen Triumph einer weiteren Speise künden! Es würde den Genuss des kleinen Wesens in vollen Zügen genießen. Würde sich an Leid und Geschrei laben, welches die massiven Mandibel am Ende, wenn es anfangen sollte, langweilig zu werden mit einem genüsslichen Knacken beenden würde. Gierig, getrieben von Mordlust und Hunger überbrückte der neue, dominierende Prädator der nördlichen Sümpfe die Distanz zwischen sich und seiner Beute. Schneller und schneller! Das Festessen lag nahe und er wollte nicht auch nur einen Augenblick länger warten! Nur noch ein wenig... Ein Stück... Der Duft von Blut und Verzweiflung war so betörend! Nur noch die Zangen öffnen. Das zarte Fleisch war gleich... Hölzern!? Welche Impertinenz!?
Griffin war wie ein massiver Fels zwischen dem heranschnellenden Scheißvieh und Zarra gelandet. Über seinen massigen Schultern den abgebrochenen Stamm eines Baumes, den er mit einem kräftigen Stoß zwischen die Mandibel gerammt und damit das ganze Vorhaben dieser Bestie zum Stocken gebracht. Gleich einer Schockwelle eines Seiles das man am Ende ruckartig anhob und fallen ließ, zog sich diese Bewegung durch den langen Körper des Wesens dem nicht gewahr war, was da gerade geschehen war. Nur um im nächsten Moment das einschneidende Gefühl eines Seiles um sein Ende zu spüren und mit einem weiteren, massiven Ruck unter einem lauten Schrei der Anstrengung drei Meter verführerischer Nähe zur Beute zu verlieren.
Griffin, der mit dem Rücken zu Zarra stand grinste was fast schon an Irrsinn grenzte. Selbst von seiner Position am Baum konnte Ryu erkennen, dass es im Inneren seines Freundes tobte und die Aussicht, dem Scheißvieh mit den tausend Beinen ordentlich ins Müsli gepisst zu haben schien er voll auszukosten. Gut. Sollte er seinen Spaß haben. Inzwischen kam Freiya zu ihrem Lehrmeister, packte wie selbstverständlich mit am Seil dessen Ende sich der Templer, wie schon einmal um den Arm gewickelt hatte und warf ihm dabei einen herausfordernden Blick zu. "Dieses mal wird dich niemand in ein dunkles Loch ziehen, Herr Hauptmann!". Benannter nickte nur und grinste schief unter seinem Mundtuch. Dann nickte er und riss mit einem weiteren Ruck am Seil, was dieses und den gesamten Baum um den es gespannt war lauthals zum Ächzen brachte.
"Bringen sie euch Grünschnäbeln heute nicht mehr bei, dass man nicht alleine im Sumpf spazieren geht?". Griffin grinste in >seiner< Art kurz über die Schulter gen Zarra, ließ mit einer langsamen Bewegung seines Kopfes zwei mal den Nacken knacken und wandte sich dann wieder dem Scheißvieh zu. "Halt den Kopf unten. Das könnte gleich hässlich werden."
Das Biest wollte erneut auf den bärigen Südländer zuschnellen, das Maul klaffend geöffnet und mit klackernden Mandibeln und Beinen. Aber irgendwie... Fehlte es da um knapp einen halben Meter. Das Lehrer-Schüler-Duo hatte es geschafft, das Seil um den Baum zu spannen, zu verknoten und sich direkt danach daran gemacht über die niedrigen Äste zu Griffin aufzuschließen. Dieser stand indessen kokett in den stinkenden Schlund der Bestie grinsend da und begann laut zu lachen. Dann traf der erste Hammer von oben herab: Der Templer stürzte sich mit einem erneuten, lauten Kampfschrei und geballter Faust nach unten und donnerte den überdimensionierten Tausendfüßler in den brackigen Boden, ehe er zur Seite ab rollte und erneut im Unterholz verschwand. Der nächste Angriff würde erfolgen. Freiya indessen agierte wie im flüssigen Wechsel. Wo Ryu verschwand, tauchte sie direkt aus den Baumkronen auf, warf Griffin seinen Speer zuwarf und landete in einer eleganten Rolle neben Zarra. "Schnell! Weg von dem Ding!"
Nun war es an Griffin. Aus seiner Position heraus konnte Ryu erkennen, dass sein Waffenbruder wohl kaum mehr an sich halten konnte. Sein weicher 'Mantel' stand unter so starker Anspannung der darunter liegenden Muskeln, dass der Südläner in seiner lauernden Haltung in der er den Speer herum wirbelte wie ein brachiales Massiv aus roher Kraft und Zerstörungswut aussah. Und verdammt... Ihn, den anderen Hüter so zu sehen, stimmte den Hayabusa in dieser Situation unglaublich glücklich!
Geändert von Ryu Hayabusa (24.03.2024 um 04:55 Uhr)
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Jaaa!, brüllte etwas in ihm.
Es war etwas Animalisches, etwas Instinktives, etwas Uraltes, das sich in seinem Inneren regte und ihn dazu trieb, den Zweikampf mit diesem riesigen Feind einzugehen. Einen Kampf, an dessen Ende ein klarer Gewinner stehen und Futter für den Verlierer sein würde. Das Gesetz der Natur, das seit Äonen galt.
Ekstatisch und voller Vorfreude wirbelte er den Speer, der sich in diesen Augenblicken so vertraut anfühlte, in seinen Händen herum. Er spürte die feine Maserung des bearbeiteten Holzes an seinen Fingern, während er die Waffe schneller und schneller drehen ließ. Hinter im Gluckse und Platschte das modrige Sumpfwasser, während die beiden Frauen sich von den zwei Kämpfern entfernten. Sollten sie. Er grinste und legte den Kopf schief. Den Blick einzig auf den Feind vor sich fixiert. Wartend. Lauernd. Bereit.
Der riesige Tausendfüßler warf seinen Körper umher und klackerte dabei wild mit seinen Mandibeln. Die winzigen Augen des übergroßen Insekts waren fest auf den Kontrahenten fixiert, der ihm das Mahl versagt hatte. Dutzende Füße erhoben sich zappelnd und strampelnd in die Höhe, als das Tier sich aufrichtete und in seinem Wahn das Seil zum reißen brachte. Mit einem Beben, welches das modrige Sumpfwasser umherspritzen ließ, senkte sich der eben noch hoch erhobene Teil des wulstigen Körpers nach unten. Mit einem großen Ausfallschritt nach vorn ließ Griffin den Speer ein letztes Mal um seinen Körper kreisen und hieb die stumpfe Seite des dünnen Holzes gegen die chitingepanzerten Beinchen des Ungetüms, die knackend nachgaben. Zwei, drei, vier der kleinen Beine knickten wie die jungen Äste eines alten Baums nach innen und ein wütendes, vielleicht schmerzerfülltes Klackern entfuhr seinem Kontrahenten. Doch mehr als das vermochte der Angriff gegen das vielbeinige Wesen nicht auszurichten. Ganz im Gegenteil zum Zustand der behelfsmäßigen Waffe, die durch den groben und ungeübten Einsatz zersplitterte.
Die übrigen Beinchen des Riesenviehs setzten sich langsam in Bewegung und schoben den massiven Körper unaufhaltsam nach vorn.
Jeder Instinkt in seinem Körper befahl ihm, sich zu ducken, beiseite zu springen und den gierigen Mandibeln des riesigen Insekts zu entkommen, aber der letzte Funken Verstand, der ihm im Kampfesrausch geblieben war, erinnerte ihn daran, dass Freiya und Zarra hinter ihm durch das wadenhohe Sumpfwasser wateten und einem Angriff von hinten nichts entgegenzusetzen hatten.
Die meckernde Stimme eines hellblonden Mädchens drang wortlos an seinen vernebelten Verstand.
Mit der Wucht eines umfallenden Baums grub der Tausendfüßler sich durch das Wasser nach vorn, die Mandibeln klackerten aneinander und waren bereit, seine Beute zu greifen. Sumpfwasser spritzte in alle Richtungen, als der Körper des Tieres auf Griffin traf. Die Pranken des Südländers schlossen sich fest um die Mandibeln. Schmerz zuckte durch seinen gesamten Körper, als er durch den herannahenden Feind mühelos durch das sumpfige Wasser nach hinten geschoben wurde. Aber seine Hände klammerten sich fest um die Mundwerkzeuge des übergroßen Insekts.
Ein weiteres Mal landete der Hauptmann auf dem Körper des Ungetüms, diesmal mit dem Schwert fest in der Hand. Wie ein lautloser Blitz fuhr die Klinge des Hüters herunter und grub sich bis zur Hälfte in eines der Mundwerkzeuge. Griffin stemmte wie auf ein unausgesprochenes Signal hin einen Fuß gegen die Mundöffnung des Biests. Er sah, wie sich die Muskeln des Hayabusa spannten und er mit der gesamten Kraft seines Körpers die Klinge tiefer in das Kauwerkzeug trieb, bis es mit einem dumpfen Platschen im Sumpfwasser landete.
Mit der Kraft der Verzweiflung und einer Mischung aus Wut und Schmerz brüllte das Tier auf, warf sich wild umher und damit den Hayabusa von sich. Der Südländer konnte sich mit einem beherzten Sprung ins schlammige Nass gerade noch vor dem tosenden Körper des Ungetüms retten.
Geändert von Griffin (24.03.2024 um 12:01 Uhr)
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Im südlichen Sumpf, Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik
Ihr Arm schmerzte. Die verfluchten Gänseschnäbel schränkten ihre Beweglichkeit ein, doch es fand sich keine Zeit diesen Umstand zu ändern. Gerade war Chala eher damit beschäftigt den von Algen und Schlamm überzogenen Klauen des Lurkers auszuweichen, die nach ihrem Fleisch lechzten. Sie hatte versucht die wilden Angriffe mit Wildkatze zu kontern, doch die Wucht, die noch immer hinter den rottenden Vorderläufen des froschartigen Reptils steckte, hatte ihr die Klinge beinahe aus der Hand geschlagen.
Dem gerade ausgewichenen Hieb ließ sie zwecks ihrer Position das Messer in ihrer Linken vorschnellen. Es drang tief in das von Verwesung schwache Fleisch des Lurkers ein. Dunkle Flüssigkeit trat aus der Wunde, angesammelte Gase entwichen, die ihr den Atem raubten. Doch ansonsten zeigte das Monster keinerlei Reaktion. Ein gurgelndes Knurren ausstoßend wandte es sich ihr wieder zu und machte einen Satz, mit dem die Aranisaani nicht gerechnet hatte.
Sie riss das Schwert hoch, welches sich in die Brust der Kreatur bohrte, doch es war zwecklos damit die Masse des Sumpfbewohners aufhalten zu wollen. Viel mehr sorgte es dafür, dass sie nicht die Zeit hatte aus dem Weg zu springen. Stattdessen wurde sie unter dem Gewicht begraben. Sie landete weich auf dem Rücken im morastigen Boden, sank sogar einige Handbreit ein. Ihr wurde der eigene Schwertgriff in den Magen gedrückt und eine abgrundtief hässliche Fratze tauchte vor ihrem Gesicht auf.
Der Lurker riss das Maul auf, entblößte seine scharfen Zähne und eine abgefaulte Zunge, die nutzlos in seinem Rachen hin und her flatterte, während er dem Zorn der Untoten mit einem einzigen Schrei ein Ventil verschaffte. Der Geruch, der ihr aus dem Schlund entgegen strömte, trieb Tränen in die Augen der Dunkelhäutigen und mit einem eigenen Schrei hob sie den linken Arm, der nicht vom Körper des Monsters eingequetscht wurde, und hieb mit dem in ihrer Hand befindlichen Messer in den Schädel des Lurkers. Sie hatte auf den Kieferknochen gezielt, doch die Spitze der kurzen Klinge glitt an dem noch immer überraschend harten Knochen ab, durchstieß nur mehr der Schuppen und des Fleisches. Ein Ruck ging durch den Kopf des Monsters, was ihren Griff um das Messer löste. Doch zumindest gewann sie einen entscheidenden Augenblick Zeit, den sie nutzte, um dem tödlichen Biss auszuweichen, der unweigerlich folgte. Der mächtige Kiefer schnappte knapp neben ihrem Ohr zu, bekam nur Schlamm zu fassen. Just in diesem Moment ging ein heftiger Ruck durch die Körper der Kontrahenten, als sich etwas Schweres und Wuchtiges gegen sie warf.
Das untote Biest wurde zur Seite gezwungen, Wildkatze entkam der Umarmung des toten Fleisches mit einem satten Geräusch, besudelt von Säften der Verwesung. Ihr Retter stellte sich als Valerion heraus, der wohl wieder unter den Lebenden weilte. Er hatte sich mit seinem ganzen Körper gegen das Monster geworfen und Chala so aus einer brenzligen Lage geholfen.
„Danke“, stieß sie knapp aus, während sie sich wieder auf die Beine kämpfte.
Sie flickte ihr Schwert schwungvoll gen Boden, um den Gröbsten Schmutz von der Klinge zu entfernen, doch die Substanz war dickflüssig und klebrig.
„Ugh“.
Vered schaute zu Valerion herüber, der sich erneut einen Ast gesucht hatte.
„Wieso nutzt du nicht einfach dein Breitschwert?“, wollte sie wissen, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Lurker richten musste, der sich aufgerappelt hatte und nun zwei Feinden gegenüberstand. Das Messer steckte noch immer in seinem Schädel, schien ihn jedoch in keiner Weise zu behindern.
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Im südlichen Sumpf, Nachmittag - Chala, Valerion, Yarik
„Wer auch immer du warst, was auch immer du jetzt bist und wer auch immer dich geschaffen hat – für dich ist kein Platz auf dieser Welt!“
Yarik grollte die Worte wie ein wildes Tier, das seinen Erzrivalen anknurrt. Es war keine Drohung – es war ein Versprechen. Ein Versprechen an den Gegner, ihn vollkommen und ohne jede Zurückhaltung auszulöschen. Der Hass war wieder da, er füllte ihn vollkommen aus, verlieh ihm einen totalen, unverrückbaren Fokus. Er kannte nur noch dieses eine Ziel. Nichts anderes zählte.
Vernichte ihn!
Der Kampfstab schoss durch die Luft und traf auf die Klinge des Skelettkriegers. Yarik verschwendete keinen Gedanken daran, wie es sein konnte, dass der Untote eine perfekte Parade hinlegte, so völlig anders als die geistlosen, allerhöchstens von letzten Resten ihres Instinktes gesteuerten Zombies zuvor. Das Wie und Warum interessierten ihn nicht. Sein Körper funktionierte wie eine Maschine, rief wie automatisch die Bewegungen ab, die er in hartem Training in den vergangenen Wochen einstudiert hatte.
Eine Reihe von Folgeangriffen prasselte auf das Skelett ein. Yarik machte bestmöglichen Gebrauch von der Tatsache, dass er mit beiden Enden seines Stabes gleichermaßen zuschlagen konnte, um die Verteidigung seines Gegners zu umgehen. Der Skelettkrieger wehrte sich verbissen, aber Yarik hatte den Vorteil größerer Geschwindigkeit und Flexibilität, so dass er immer wieder Lücken in der Defensive des Untoten fand und die stahlverstärkten Enden des Kampfstabes ein ums andere Mal scheppernd auf den rostigen Panzer trafen. Sie hinterließen dabei sichtbare Beulen, aber das Metall war zwar vom Alter gezeichnet, erwies sich jedoch als widerstandsfähiger, als Yarik vermutet hätte.
Der Skelettkrieger war in die Defensive gedrängt, stand aber längst noch nicht mit dem sprichwörtlichen Rücken zur Wand. Seine Bewegungen waren schnell und zielgerichtet, mit einer geradezu mechanischen Präzision, und es gelang ihm, schwere Wirkungstreffer zu vermeiden. Immer wieder prallte Yariks Kampfstab von der schartigen, aber keineswegs brüchigen Klinge des Untoten ab.
Schließlich gelang es dem Skelett, eine Attacke mit der Parierstange abzufangen und direkt zu einem Konter überzugehen – ein schneller Stich, der Yarik beinahe das Leben gekostet hätte. In letzter Sekunde konnte er seinen Körper zur Seite drehen, aber der Skelettkrieger setzte beim Zurückziehen seiner Waffe mit einem zwar nicht sehr kraftvollen, dafür aber schnellen Hieb nach, dem Yarik nicht mehr ausweichen konnte. Er stieß scharf die Luft zwischen den Zähnen hindurch, als die Klinge sein Wams kurz unterhalb der Brust aufriss und einen blutenden Schnitt hinterließ, revanchierte sich allerdings sogleich, indem er seinen Stab über dem Kopf herumwirbelte und eines der Enden gegen den Helm des Skeletts krachen ließ.
Ein lebender Gegner wäre allein durch die Wucht des Aufpralls wahrscheinlich zumindest für kurze Zeit benommen gewesen, aber der Untote machte nur einen Schritt zur Seite, um die Balance zu wahren, und griff sofort wieder an. Yarik parierte und schlug das Schwert zur Seite, das Skelett aber, statt sich gegen die Bewegung zu stemmen, nahm den Schwung aus der Parade mit, ließ seine Klinge einmal herumwirbeln und schlug direkt erneut zu. Im letzten Moment konnte Yarik seinen Kampfstab hochreißen, um den Hieb abzuwehren, aber die Klinge hinterließ eine unangenehm tiefe Kerbe im Holz…
Der Kampf zwischen Yarik und dem untoten Krieger wogte hin und her, ohne dass einer von ihnen wirklich die Oberhand gewann. Yarik konnte zwar deutlich mehr Treffer landen, aber keiner davon zeigte irgendeinen ernsthaften Effekt, wogegen der Schnitt über seinen Brustkorb und ein weiterer, wenn auch kleinerer Schnitt in seiner Schulter, den er später einstecken musste, ihn zwar nicht direkt außer Gefecht setzten, aber auf Dauer doch seine Konzentration störten und ihn Kraft kosteten.
Und je länger der Kampf dauerte, umso deutlicher zeigte sich ein weiterer Vorteil, den der Untote gegenüber seinem lebenden Gegner besaß: Er wurde nicht müde.
Trotz des unbändigen Hasses und der kalten Wut, die ihn antrieben, begann Yarik, die einsetzende Erschöpfung zu spüren. Seine Arme wurden schwerer und seine Beine träger, seine Reaktionen wurden langsamer, seine Schläge weniger präzise. Der Skelettkrieger hingegen kämpfte mit genau derselben technischen Perfektion und uhrwerkartigen Genauigkeit wie seit Beginn ihres Duells, und er würde dieses Tempo noch Stunden, Tage, ach was – Wochen durchhalten können, ohne jemals auch nur einen Deut langsamer oder schwächer zu werden. Yarik kämpfte also auch gegen die Zeit…
Da sein Versuch, den Skelettkrieger durch ein offensives Vorgehen mit schnellen Attacken möglichst rasch zu überwältigen, nicht funktioniert hatte, musste Yarik nach einer anderen Strategie suchen. Er begann, sich ein wenig zurückzunehmen und defensiver zu kämpfen, um Energie zu sparen. Zugleich beobachtete er seinen Gegner, analysierte dessen Bewegungsmuster und Techniken in der Hoffnung, eine Schwäche ausmachen zu können, die er für einen entscheidenden Angriff nutzen konnte. Eines der Hauptprobleme war die verdammte Rüstung – sie bewahrte den Untoten davor, dass seine Knochen unter Yariks Treffern brachen. Aber was konnte er dagegen tun?
Yarik dachte an seine Ausbildung bei Ornlu zurück. Der Kampf gegen schwer gepanzerte Gegner war etwas, das sie nur theoretisch abgehandelt hatten – im Waldvolk gab es nun mal nicht sonderliche viele Paladine mit Vollplattenharnisch. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als zu versuchen, die Theorie trotz mangelndem Training in die Praxis umzusetzen. Und die Theorie lautete: In die Nahdistanz gehen, den Kampfstab als Hebel einsetzen, den Gegner zu Fall bringen, ihn mit Messer oder Dolch erledigen…
Yarik wartete auf eine günstige Gelegenheit, und als der Skelettkrieger mit einem Überkopfschlag angriff, stieß er das Schwert mit dem Kampfstab zur Seite und machte zugleich einen Schritt auf seinen Gegner zu. Kurzerhand rammte er dem Skelett den Ellenbogen gegen das heruntergeklappte Visier – den Schmerz, der ihm dabei durch den Arm schoss, ignorierte er – und nutzte den kurzen Moment der Ablenkung, um den Kampfstab zwischen die Beine des Skeletts zu fädeln. Ein Seitwärtsschritt und etwas Druck, mehr war nicht nötig, um den Untoten – der mangels Fleisches und Muskeln deutlich leichter war als sein Kontrahent – von den Füßen zu reißen. Scheppernd ging der Skelettkrieger zu Boden, ließ sich aber nicht aus dem Konzept bringen, sondern richtete direkt die Schwertspitze auf Yarik. Beinahe wäre es Yariks Ende gewesen, als er sich auf den Untoten fallen lassen wollte, um ihn am Boden festzupinnen – eine Sekunde früher, und er hätte sich selbst auf dem Schwert gepfählt. So konnte er sich jedoch noch gerade so zur Seite fallen lassen, was allerdings dazu führte, dass er nicht wie beabsichtigt auf seinem Gegner zu liegen kam, sondern neben ihm.
Das Skelett machte sofort Anstalten, wieder auf die Füße zu kommen, aber Yarik packte es an der Schulter und riss es wieder zu Boden, wobei er mit dem Fuß nach dem Schwert des Untoten trat und die Waffe damit zumindest für ein paar Augenblicke außer Bedrohungsreichweite brachte. Mit der freien Hand zog er sein Jagdmesser und rollte sich jetzt auf das Skelett, das jedoch sein nun nutzloses Schwert fallengelassen hatte und Yarik mit einem brutalen Hieb seiner gepanzerten Faust gegen die Schläfe willkommen hieß. Eine Galaxie glühender Sterne explodierte vor Yariks Augen und einen Moment fühlte er sich fast schwerelos, konnte aber aus reinem Reflex heraus einen zweiten Hieb mit der Schulter abblocken und hämmerte seinerseits den Knauf seines Jagdmessers blindlings gegen den Helm seines Gegners.
Der Skelettkrieger bekam Yariks Haarschopf zu fassen und riss daran. Der Schmerz trieb Yarik die Tränen in die Augen, aber er weigerte sich, nachzugeben und den sich windenden Untoten loszulassen. Stattdessen packte Yarik ihn unterhalb seines Visiers, bog den Helm nach hinten, so dass er das Messer unter dem Kinn hindurchschieben konnte, als wollte er seinem Gegner die Kehle aufschlitzen, und durchtrennte den Helmriemen. Mit einem Ruck riss er den Helm vom Schädel des Untoten.
Als der Helm scheppernd gegen den Stamm eines Mangrovenbaumes prallte und dann irgendwo zwischen den Wurzeln verschwand, starrte Yarik voller Hass und Verachtung auf den grinsenden Totenkopf. Das geisterhafte Leuchten in den Augenhöhlen flackerte leicht, und Yarik wurde das Gefühl nicht los, dass der Untote ihm gegenüber denselben Hass hegte…
Plötzlich konnte der Skelettkrieger eines seiner Beine befreien und rammte Yarik sogleich das Knie in die Flanke, wobei er ihm gleichzeitig wieder an den Haaren zog und sich zur Seite rollte. Diesmal gelang es ihm, Yarik abzuwerfen. Er schlug noch einmal mit der Faust zu, wobei er auf die Schulterverletzung zielte, was einen Speer glühender Schmerzen durch Yariks Arm trieb. Yarik presste einen Fluch zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor und versuchte, seinen Gegner noch einmal zu packen, aber der Untote war bereits außerhalb seiner Reichweite und dabei, sich aufzurappeln.
Yarik versuchte ebenfalls, auf die Füße zu kommen, aber er wusste instinktiv, dass er zu langsam war. Der Skelettkrieger bückte sich bereits nach seinem Schwert und es würde ihn nur eine einzige Bewegung kosten, um Yarik die Klinge in die Brust zu bohren oder ihm den Kopf abzuschlagen…
„Nein!“, knurrte Yarik und ballte die leere Hand zur Faust. Er dachte nicht einmal mehr darüber nach, was er tat – die Magie durchströmte ihn ganz von selbst, schlang sich um das Schwert des Untoten und zog es fort, gerade, als der Skelettkrieger danach greifen wollte. Yarik ließ das Schwert durch die Luft wirbeln und zog es zu sich heran. Er packte den Griff mit beiden Händen – die Form und die Gewichtsverteilung waren ihm vollkommen ungewohnt, aber das war ihm gerade egal. Er sprang auf und schwang den Zweihänder in einem unschönen, aber kraftvollen Seitwärtshieb. Der Skelettkrieger wirkte beinahe überrascht – er riss die Arme hoch wie ein Boxer, der eine Gerade abwehren wollte, und stemmte sich gegen den Aufprall. Mit einem ohrenbetäubenden Scheppern krachte die Klinge auf die Armschienen der Rüstung. Das war zu viel für den von Alter und Rost gezeichneten Waffenstahl – das Schwert brach kurz hinter der Parierstange ab, die Klinge segelte noch ein Stück durch die Luft und verschwand dann mit einem leisen Platschen in einem Tümpel.
Yarik verschwendete keine Sekunde. Achtlos warf er den nun nutzlosen Griff bei Seite und verpasste dem Skelettkrieger einen Tritt gegen den Brustkorb. Der Untote taumelte ein paar Schritt zurück, bevor er sich wieder fangen konnte, was Yarik genug Zeit gab, um zu seinem Kampfstab zu sprinten und die Waffe aufzuheben.
Die aufgeplatzten Lippen zu einem blutigen Grinsen verziehend, ließ er den Eichenstecken in den Händen herumwirbeln. Der Skelettkrieger nahm eine geduckte Kampfhaltung ein und hob die Fäuste…
Yarik machte einen Ausfallschritt und stieß mit dem Kampfstab zu. Das verstärkte Ende glitt zwischen den abwehrbereit erhobenen Armen des Skeletts hindurch und traf es mitten auf die Stirn. Der morsche Schädel zerbarst wie ein Porzellankrug, der auf einem Marmorboden aufprallte. Einen kurzen Augenblick behielt der Rest des skelettierten Körpers seine Integrität noch bei, doch dann versagte die Magie, die den toten Abenteurer zu seinem neuen, unheiligen Leben erweckt hatte, und das Skelett fiel einfach scheppernd in sich zusammen.
Yarik spuckte einen blutigen Schleimklumpen auf die Überreste und trat dann achtlos über sie hinweg, um wieder zu den anderen aufzuschließen.
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Nördlicher Bruchwald - später Nachmittag
Wieso?
Wieso ausgerechnet dieses Vieh? Von all den Kreaturen, auf die Ricklen sie eingeschworen hatte, trafen sie ausgerechnet auf dieses Monster, bei dem Freiya sich allein schon von der Beschreibung gedacht hatte, eben genau auf jenes mitnichten treffen zu wollen. Und hier waren sie und es war entsetzlicher als sie es sich vorgestellt hatte.
Einzig und allein Griffins Willen, Zarra zu beschützen und sie heil wieder nach Tooshoo zu bringen und natürlich auch Ryus Abgeklärtheit und Sicherheit bringende Ruhe ließen sie nicht schreiend umdrehen, sondern sie wie damals im Gebirge in eine Art Kampfmodus verfallen, bei dem sie vor allem funktionierte. Sie musste es. Für die Jagd. Für ihr Zuhause. Für Griffin und Ryu. Für Zarra.
Mit dem Tuch um ihr Gesicht geschlungen, um den widerwärtigem Gestank des Monsters wenigstens etwas zu entgehen – liebend gern hätte sie den Lavendel so dazwischen geklemmt, wie die Felsnattern es ihnen ihm Gebirge gezeigt hatten, allein fehlte die Zeit dafür – hatte sie den Arm um Zarra gelegt und in geduckter Haltung schlugen sich beide ins nächstbeste Gebüsch. Freiya musterte das Mädchen, das neben ihr hockte. Sie war dreckig und blutverschmiert. Sie musste schlimme Augenblicke hinter sich haben.
„Geht es dir einigermaßen gut?“, fragte sie.
Zarras Blick war zunächst noch auf das Kampfgeschehen gerichtet, dann aber sah sie zu Freiya. Sie nickte, auch wenn ihre Augen etwas anderes sagen wollten. Freiya versuchte ihr zuversichtlich zuzunicken.
„Gut, das wird schon … irgendwie … Wir sollten aufpassen, dass wir dem Hauptmann und Griffin erstmal nicht in die Quere kommen“, sagte die Rothaarige mit einem Blick zu den beiden kämpfenden Jägern. Hoffentlich hatten die beiden eine Handhabe gegen dieses Monstrum. Auch wenn es im Moment ganz danach aussah, das Blatt konnte sich schnell wenden. Das hatte sie im Kampf gegen Odo zu deutlich gemerkt.
Nicht weit von ihnen landete etwas im Brackwasser: Es war das abscheuliche Kauwerkzeug der Bestie. Freiya verfolgte noch den Kampf und sah, wie der monströse Tausendfüßer vor Schmerzen aufzubrüllen schien, doch dann zupfte es an ihrem Ärmel. Mit einen grünlichen Gesichtsausdruck deutete Zarra auf die Stelle, wo eben noch das Kauwerkzeug reingefallen war. Sofort verwandelte sich dort das Wasser von der üblichen Dreckbrühe in eine graue, dickflüssige Pampe des Todes. Eine erneute Blase des widerlichen Gestankes stieg auf und Freiya musste dagegen ankämpfen, nicht davon übermannt zu werden. Dann vernahm sie aber plötzlich ein Knacken, mehrere Geräusche im Unterholz und ein seltsames gutturales Knurren. Mit einem Mal tauchten da mehrere Snapper zwischen den Büschen auf, wahrscheinlich angelockt von dem Kampf. Und sie alle hatten eine merkwürdige Färbung um die Schnauze. Freiya kannte diese Gruppe, sie hatte mal von ihnen gehört. Ein Rudel, das angeblich schon immer in den Tiefen des Sumpfes gejagt hatte. Nichts an ihnen wirkte korrumpiert. Die Rothaarige kniff die Augen zusammen. Was wollten sie hier? Da fielen ihr zwei Dinge ein: Ricklen hatte gesagt, dass dieses Ding mit den tausend Füßen eine Vorliebe für Snapper hatte. Und hatte sie dieses Rudel nicht am Schrein gesehen? Das waren die Anderen! Sie waren gekommen, um den Snapperfresser zu jagen!
Augenblicklich schnellte Freiya in die Höhe und sprang den Snappern entgegen.
„Verschwindet!“, schrie sie.
Die Snapper gurgelten und kamen ihr näher, wollten sie einkreisen. Sie hatten wirklich üble Visagen. Freiya zog ihr Schwert und hielt es weit von sich, um die Viecher auf Abstand zu halten.
„Hier jagt nur eine Rote Snapperin mit ihrem Rudel“, rief sie ihnen zornig entgegen. Mit einer wilden Entschlossenheit ging sie den Tieren entgegen. „Das ist unsere Beute! VERZIEHT EUCH!“
Es waren die Worte einer Frau, die sich ihr Zuhause nicht streitig lassen machen würde. Das Rudel reagierte mit einem Knurren und sie fletschte ihrerseits die Zähne. Und tatsächlich! Es schien zu wirken! Sie zogen sich zurück.
„Ab in den Sumpf mit euch, jagt woanders!“, rief sie ihnen hinterher und verspürte einen kurzen kleinen Triumph. Doch da war mit einem Mal das Geräusch eines nahenden Platzregens. Über hunderte hässliche, stinkende Beine rannten über den sumpfigen Boden, genau in ihre Richtung. Wo Griffin und Ryu in diesem Moment waren, wusste sie nicht.
Freiya wollte loslaufen, doch in dem Moment schlang jemand seine Arme um sie: Es war Zarra gewesen, die sich an die Rothaarige drückte! Verwirrt blickte sie zu der jungen Frau runter, doch dann erkannte sie, was Zarras Beweggründe gewesen waren: Sie stand genau vor dem Tümpel, der durch die vergifteten Kauwerkzeuge des Monstrums zu einer tödlichen Falle geworden waren. Ein Schritt in diese Richtung, und es wäre wohl um die Rothaarige geschehen gewesen.
„Danke“, keuchte Freiya. Dann legte sie den Arm um Zarra, um sie von dem tödlichen Weiher wegzuziehen, doch das hieß genau in die Richtung des Tausendfüßers.
Ist scheiß schnell, waren Ricklens Worte gewesen und genau das war es. Schon im nächsten Augenblick hatte das Vieh sich vor ihnen aufgetürmt und legte seinen panzerbewährten Körper um die zwei Frauen. Freiya, die im Augenwinkel noch Griffin gesehen hatte, drängte sich vor Zarra, doch sie musste schnell einsehen, dass sie in wenigen Augenblicken wahrscheinlich zerquetscht wären. Gegen die Platten des Tausendfüßers hatten sie keine Chance. Freiyas Gehirn raste, als von oben aus den Bäumen die Rettung kam:
„RUNTER!“
Ryus Stimme war noch nicht einmal verhallt, als Freiya zu Boden ging, Zarra mit sich zog und die junge Frau mit den türkisblauen Augen unter sich begrub. Im nächsten Augenblick krabbelten hunderte Beine über sie. Freiyas Schrei ging in Zarras schlammbesetzen Mantelstoff unter. Das war mit Abstand das schlimmste Gefühl, das sie je erlebt hatte! Sie wollte am liebsten aufspringen und weglaufen, allein der massige Körper des Vieh ließ es nicht zu. Nach wenigen Augenblicken war es zum Glück vorbei, keuchend rollte Freiya sich von Zarra runter, die den Kopf mit einem Schmatzen aus dem Schlamm zog. Doch die Gefahr war nicht gebannt!
Die Rote Snapperin rollte sich auf den Rücken und über ihnen baute sich der Tausendfüßer auf, einem schwankenden Turm gleich, finster und bedrohlich. Aus seinem Maul tropfte Flüssigkeit auf den Boden neben ihnen und wenn sie dort auftraf, gab es ein Zischen und ein Dampfen.
Das war die Möglichkeit. Nur eine Chance, die so wahrscheinlich nie wiederkam.
Mit einer Seitwärtsrolle war Freiya an dem Bauch des Ungetüms dran und stach mit dem Schwert tief hinein. Ein Zornesschrei ging durch den Tausendfüßer, seine Beine zappelten in Wellen, dann richtete er den Blick nach unten und stürzte in blinder Wut zu Boden, direkt auf die zu.
Doch Freiya sah, wie etwas aufblitzte, das nicht zu dem Ungetüm gehörte …
Geändert von Freiya (25.03.2024 um 01:27 Uhr)
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