-
Eine gefühlte Ewigkeit verharrte Zarra in einer Position, die ihre Schmerzen nicht zu verstärken schien. Tränen waren ihr in die Augen getreten, doch sie hielt sie zurück so gut es ging. Sie würde ihre Großmutter wieder einmal nach einer schmerzlindernden Salbe fragen müssen, doch schon jetzt schauderte sie bei dem Gedanken an den missbilligenden Blick, mit dem die alte Frau sie strafen würde. In den Augen der Älteren war es an ihrer Enkelin die Bürde des Schmerzes zu tragen und daran zu wachsen, doch Zarra war einfach nicht stark genug, um diesen Erwartungen gerecht zu werden.
Langsam erlosch das Brennen auf ihrem Rücken. Sie fand sich erneut in einer hockenden Position, ohne zu wissen, wann sie wieder gen Boden gesunken war. Vorsichtig hob sie den Schultergurt ihrer Kräutertasche an, damit derselbe Fehler nicht noch einmal passierte, und erhob sich zum zweiten Mal. Das Pochen der Narbe war erträglich und so machte sie sich langsam auf den Rückweg. Ein Blick in die Tasche offenbarte ihr die Ausbeute der kurzen Exkursion. Der Saft dieser Früchte würde sicherlich für einige Tinkturen ausreichen. Leider konnte sich die junge Frau nicht daran erinnern, wofür die Herzbeer nützlich war. Sie würde ihre Großmutter fragen müssen.
Ähnlich dem Weg gen Übungsplatz begegnete sie kaum einem anderen Menschen. Dennoch wurde sie aufgehalten, als ihr eine besonders auffällig gefärbte Libelle auffiel, die unweit von ihr über der dunklen Wasseroberfläche schwebte. Der Schmerz war mit einem Mal vergessen und das Leuchten in den Augen des Mädchens war zurückgekehrt. Es spielte keine Rolle wie oft sie die gleichen Insekten entdeckte. Jedes Mal war sie aufs Neue begeistert und studierte eingehend, wie sich die kleinen Wesen verhielten. Auf die Entfernung konnte sie leider keine Details ausmachen, lediglich den hellgrünen Körper und den langen Hinterleib, der ein Türkis wie ihre Augen mit dem Schwarz der Nacht vereinte. Zarra erkannte sie als Mosaikjungfer und versuchte sich an das letzte Mal zu erinnern, als sie dieser Art begegnet war.
Es war definitiv wärmer gewesen und die Tage waren länger, überlegte sie und ein mulmiges Gefühl keimte zusammen mit diesen Gedanken in ihr auf.
Sie streckte die Hand nach der Edellibelle aus, wie sie es schon mit dem Tausendfüßler getan hatte. Doch dieses Mal war es anders, denn das fliegende Insekt näherte sich tatsächlich neugierig der dargebotenen Sitzgelegenheit. Vermutlich spielte der Schweiß, der sich noch immer auf ihren Händen befand, eine entscheidende Rolle. Geruch und Feuchtigkeit war für viele Insekten wie eine Einladung, die die Weißhaarige durchaus ernstnahm.
Vorsichtig senkte sich der beeindruckende Flieger auf ihren Handrücken, den er vollständig der Länge nach bedeckte. Ihr war beinahe so, als würden die Komplexaugen ihren Blick erwidern, während das kleine Tier sich eine Pause vom Fliegen genehmigte. Die Tarsen kitzelten dabei ihre Haut, was sie kichern ließ.
„Du bist wunderschön“, flüsterte Zarra ihrem neuen Freund zu, „Ich würde dir ja eine Beere anbieten, aber du bist eher der Fleischfresser, hm?“, fragte sie mit einer Unschuld, die man eher bei einem Kleinkind erwartet hätte.
Die Libelle begann ihre Hand entlang zu krabbeln, rauf auf die Leinenbinden, die sie um ihre Unterarme geschlungen hatte.
„Willst du mit mir kommen? Vielleicht finden wir ein paar Mücken oder Raupen für dich.“
Zwar mochte das Mädchen die Vorstellung nicht, dass andere Insekten starben, doch mit den Jahren hatte sie gelernt, dass es der Lauf der Dinge war. Die Natur erhielt das Gleichgewicht, indem jene Tiere gefressen wurden, die sich ansonsten unkontrollierbar vermehren würden. Das wiederum würde der Flora schaden, welche auf dem Speiseplan der Beutetiere stand. Außerdem hatte sie soeben entschieden, dass die Mosaikjungfer ihr neuer Freund war und darum grämte sie sich auch nicht, wenn sie ihn etwas besser behandelte als andere Insekten.
Woher sie wusste, dass die Libelle ein Männchen war? Nun, einerseits waren die Farben der männlichen Tiere meist prägnanter, auch wenn das nicht immer zutreffend war, je nach Alter, Temperatur oder Umgebung, in der man auf sie traf. Andererseits aber spürte sie einfach, dass dieser kleine Kerl ein Männchen war, so als würde sie es auf einen Blick erkennen können. Worte, um dieses Phänomen zu beschreiben, fand Zarra keine, doch spielte es für sie auch keine Rolle.
Mittlerweile war der bunte Käfer bis auf ihren Oberarm geklettert. Immer wieder senkte er seinen Kopf, um den Schweiß aufzunehmen, der ihn mit Flüssigkeit und Salzen versorgte. Die Weißhaarige freute sich, dass es der Großlibelle scheinbar gut zu gehen schien, weshalb sie entschied ihren Weg fortzusetzen. Ihre Großmutter wartete sicher schon auf sie, auch wenn es nichts Ungewöhnliches für Zarra war, sich mehr Zeit zu lassen als nötig. Immerhin ließ sie sich sehr leicht ablenken.
Als sie sich den Wurzeln Tooshoos näherte, entschied sich ihr neuer Freund dafür, dass es an der Zeit war weiterzufliegen. Ein kurzes Zwicken, als die winzigen Krallen sich in ihre Haut drückten, war das erste Anzeichen dafür, und das vibrierende Summen der Vorder- und Hinterflügel das zweite.
„Oh“, entfuhr es dem Mädchen sichtlich enttäuscht, als sie der Mosaikjungfer nachschaute.
Einige Momente verstrichen, bis das Insekt außer Sichtweite war.
„Vielleicht sehe ich ihn nochmal wieder“, hoffte Zarra, ehe sie zwischen den Wurzeln des Riesenbaumes verschwand.
-
Während Zarra den Aufstieg im Innern Tooshoos antrat, kreisten ihre Gedanken um das seltsame Verhalten der Insekten hier im Sumpf. Es war Winterzeit. Das bedeutete, dass sich die meisten Krabbeltiere in totem Gehölz, Erdbauten oder eben in Hütten der Menschen einquartierten. Zwar war es auf Argaan selbst im Winter wärmer als auf dem Festland, doch war es trotzdem ungewöhnlich sie so häufig anzutreffen, wenn sie eigentlich in ihren Winterquartieren sein sollten.
Während sie über die möglichen Gründe sinnierte, fiel ihr gar nicht auf, dass die Narbe ihr Brennen verloren hatte. Auch der Gedanke an die Wundsalbe war verblasst. Immer noch tief in Gedanken kam sie denselben Jägern entgegen, die schon auf ihrem Weg nach draußen in ein Gespräch verwickelt waren. Doch wieder unterbrachen sie sich nicht, um sie zu grüßen. Gleichwohl unterbrach auch Zarra ihre Gedanken nicht für eine höfliche Geste.
Beinahe wäre sie an dem Raum vorbeigelaufen, den ihre Großmutter und sie bewohnten, doch der leise Gesang, mit dem sich die alte Frau beim Verarbeiten der Kräuter die Zeit versüßte, riss die Weißhaarige aus ihren Überlegungen.
„Huch“, hauchte sie atemlos, als sie ihren Fehler bemerkte und eilte zurück und hinter den Vorhang, der den Bereich zu ihrer Unterkunft abgrenzte.
„Da bin ich wieder, Oma!“, rief das Mädchen mit geröteten Wangen, aufgeregt, weil sie ihre Gedanken teilen wollte.
Wir sind die Hüter der Erinnerung, die Schöpfer der Kunst
Wir singen die Lieder, die Verse, die Sagen
Wir gewähren dir Liebe, Freude und Gunst
Wir weben die Muster, die Formen, die Farben
Wir sind die Freunde der Tiere, die Verbündeten der Pflanzen
Wir lieben die Wölfe, die Bären, die Raben
Wir schützen die Bäume, Blumen und Tanzen
Wir heilen die Kranken, die Verletzten, die Lahmen
Nerea hielt inne, als sie ihre Enkelin bemerkte und lächelte ihr entgegen.
„Sehr schön! Hast du die Beeren finden können?“, fragte sie, während sie sich die Finger an ihrer Schürze abstreifte, um den Pflanzensaft loszuwerden.
„Ja, meine ganze Tasche ist voll. Schau!“
Stolz präsentierte die kleine Kräutersammlerin die wortwörtlichen Früchte ihrer Arbeit, indem sie die Klappe ihrer Kräutertasche anhob und die leuchtenden Herzbeeren enthüllte.
„So viele!“, rief die Ältere überrascht aus.
„Ich dachte, da sie bald an den Ästen faulen würden, dass ich ein paar mehr mitbringe“, erklärte sich Zarra, die die Reaktion ihrer Oma nicht recht zu deuten wusste. Freute sie sich oder nicht?
Das faltige Gesicht wurde schließlich von einem Lächeln erhellt.
„Gut mitgedacht, Liebes! Leg sie hier auf den Tisch, dann kann ich den Saft in aller Ruhe ausdrücken. Möchtest du mir vielleicht helfen?“
„Gern! Kann ich dir dabei von der lieben Libelle erzählen, die ich auf dem Rückweg getroffen habe?“, fragte das plötzliche Energiebündel mit einem Schwall von Worten, die die alte Frau überrumpelten.
„Aber natürlich. Sprich nur bitte etwas langsamer“, bat die Kräuterfrau und hob entschleunigend die Hände.
„Ist gut!“, erwiderte die Enkelin und zog sich einen Schemel herbei, um neben ihrer Großmutter sitzen zu können.
-
Während die beiden Kräuterfrauen die Herzbeeren ausquetschten und den Saft in hölzernen Schalen auffingen, erzählte Zarra von ihrer Begegnung mit der Mosaikjungfer und wie das Insekt ihr den Arm emporgeklettert war. Nerea hörte unterdessen aufmerksam zu und lächelte über das Strahlen in den Augen ihrer Enkelin, die vor Aufregung ganz rosige Wangen bekommen hatte.
Dann jedoch wandte sich das Gespräch einer Richtung zu, die die Alte nicht hervorgesehen hatte. Ihr kleines Mädchen war über die Jahre hinweg erwachsen geworden und auch ihr Gespür für die Umwelt schien sich entwickelt zu haben. Dass ihr dazu noch aufgefallen war, dass Insekten rund um Tooshoo auftauchten, die eigentlich in ihren Winterquartieren sein sollten, freute sie dabei umso mehr.
„Ich denke, dass du recht hast, Liebes“, bestärkte Nerea die Vermutungen ihrer Enkelin, „Irgendetwas ist dort draußen im Sumpf und es ist wider der Natur. Tooshoo bietet allen Lebewesen Zuflucht, ruft sie zu sich.“
Nachdenklich blickte Zarra ihre Großmutter an. Was war dort draußen, dass das natürliche Gleichgewicht derartig stören konnte? Die Verhaltensweisen von Tieren folgten einem Muster, an welches sie sich hielten, doch dieses Muster schien gebrochen zu sein.
„Lassen wir die Druiden und Waldläufer herausfinden, was es ist, dass die natürliche Ordnung aus den Fugen bringt. Wir konzentrieren uns auf das, was wir beisteuern können“, lenkte die Kräuterkundige das Gespräch in neue Bahnen, „Erzähl mir, was du über diese Beeren weißt.“
Die unheilvollen Gedanken freudig hinter sich lassend stürzte sich die Weißhaarige auf das neue Thema.
„Wir nennen sie Herzbeer, da die winzigen Samen die Form eines Herzens haben. Aber auch Blutbeer ist ein gängiger Begriff wegen des dickflüssigen, roten Safts, der sich in den kleinen Früchten verbirgt“, rief Zarra ihr Wissen ab, was ihre Großmutter mit einem wohlwollenden Nicken bestätigte.
„Außerdem ist sie unter den Namen Gewöhnlicher Schneeball, da ihre Blüten wie weiße Kugeln aussehen, und Dampfbeere bekannt, weil ihre Wirkung Atemnot, was wir Dampf nennen, lindern kann. Weißt du auch, wofür wir die Rinde des Strauches nutzen könnten?“
Die Lernende überlegte kurz, was ihre Oma sie über andere Anwendungsarten der Herzbeer gelehrt hatte, doch schienen ihr die Erinnerungen daran aus den geistigen Fingern zu gleiten. Etwas geknickt zuckte sie mit den Schultern.
„Ich weiß, dass wir darüber gesprochen haben, aber ich erinnere mich nicht, Oma“, gab sie offen zu und schaute ihre Vorfahrin mit großen, bedauernden Augen an.
Nerea lächelte nur gutmütig und begann mit der Aufklärung. Die Rinde des Strauches konnte bei Krämpfen helfen und war insbesondere für Frauen eine effektive Möglichkeit Schmerzen während des Zyklus zu lindern. Ein weiterer Grund für den Namen Blutbeer.
Zarra nickte eifrig und war bemüht dieses Mal alles zu behalten, was sie lernte.
„Leider sind die Beeren sehr bitter, weshalb ich sie gern mit einigen Kräutern mische, die den Geschmack übertünchen. Wie etwa diese Winterminze hier“, sie deutete auf einige Blätter, die sie zuvor vom Stängel getrennt hatte, „Sie ist scharf, aber auch frisch und unterstützen die Herzbeer bei ihrer entspannenden Wirkung und sorgen ebenfalls für freie Atemwegen.“
„Das klingt nach einer wirkungsvollen Kombination“, stellte das Mädchen fest und schaute sich die Blätter der Winterminze an.
Sie waren hellgrün und hatten gezähnte Ränder. Wenn sie sich nicht täuschte, hatte sie einige dieser Pflanzen am Rand von Schwarzwasser wachsen sehen, doch es war ihr verboten worden, sich so weit von Tooshoo zu entfernen. Zwar war auch der Übungsplatz ein gutes Stück weit weg, doch dort sammelten sich meist viele der Waldläufer, was es deutlich sicherer machte.
„Gut, das waren alle Beeren. Der Saft wird sicher für mehrere Dosierungen reichen. Dank deines Fleißes“, komplementierte Nerea ihre Enkelin, die sie daraufhin anstrahlte, „Jetzt muss ich nur noch die Minzblätter zerstampfen, bis ich einen Brei habe, der sich mit dem dickflüssigen Saft vermischen lässt. Etwas Wasser und schon haben wir ein gutes Mittel gegen den Husten, den wir ständig aus allen Richtungen hören.“
„Wie wäre es, wenn ich das Stampfen und Mischen übernehme? Du kannst dich ein Bisschen ausruhen, Oma!“, bot Zarra mit einem Gesichtsausdruck an, der nur schwierig ein Nein zulassen würde.
„Denkst du, dass du das schaffst?“, fragte Nerea dennoch, auch wenn sie bereits innerlich das Angebot angenommen hatte.
„Natürlich! Und wenn ich nicht weiterweiß, frage ich dich einfach.“
„Also gut, ich setzte mich dann so lange aufs Bett. Der Schemel ist doch viel zu niedrig für dich und mein alter Hintern ist schon ganz platt von dem harten Stuhl.“
Wenige Augenblicke später – Zarra half ihrer Großmutter sich aufs Bett zu setzen, da ihre Gelenke vom langen Arbeiten in gebeugter Haltung ganz steif geworden waren – saß der Lehrling auf dem Platz der Meisterin und bediente sich eines Mörsers und Stößel, um die genannten Minzblätter zu zerstampfen. Schon nach wenigen Minuten bemerkte sie, dass es deutlich anstrengender war, als es bei ihrer Oma den Anschein erweckte. Ihre Finger krampften und ihr Unterarm begann zu schmerzen. Doch sie biss sich selbst in die Wange und ließ nicht nach, bis sich ein grüner Brei gebildet hatte, der schmatzende Geräusche von sich gab, wenn sie den Stößel hineindrückte.
„Schau mal Oma, ist es so richtig?“, fragte die Weißhaarige und wirbelte herum, um ihr Ergebnis zu präsentieren.
Doch eine Antwort würde sie nicht erhalten, denn die alte Frau war im Sitzen eingeschlafen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig und ihre Lippen glänzten feucht. Zarra lächelte liebevoll, stellte den Mörser auf den Tisch und erhob sich. Sorgsam legte sie ihre Großmutter auf die Seite, nahm ihre Decke und schlug sie über sie.
Ich komme auch ohne ihre Bestätigung zurecht!, entschied sie schließlich und ging zurück zum Kräutertisch.
Um sicherzugehen, dass sie es richtig machte, stieß sie einige Zeit lang noch in den Brei, der immer feiner wurde. Als sie schließlich der Meinung war, dass sie es nicht viel feiner würde bekommen können, teilte sie die grüne Masse gleichmäßig auf einige vorbereitete Tonflakons auf. Das gleiche machte sie nun mit dem Saft der Herzbeer, wobei sie vorsichtig war, nicht alles zu verwenden. Immerhin hatte sie genug für einen kleinen Vorrat gesammelt!
Schlussendlich fehlte nur noch das Wasser. Doch ein Blick auf die Eimer, in denen sie für gewöhnlich das Wasser aufbewahrten, brachten ihr sogleich eine neue Aufgabe ein. Sie würde erneut den Weg hinunter antreten müssen, um ihre Wasservorräte aufzufüllen. Leider bedeutete dies auch, dass sie mehr als einmal würde Laufen müssen.
„So ein Mist“, fluchte sie, einem Flüstern ähnlich, da sie ihre Oma nicht unabsichtlich wecken wollte.
-
Alles Murren half jedoch nicht, da nicht plötzlich jemand auftauchen würde und um ihretwillen den Weg nach unten zur Sumpflilie antreten würde. Sie holte einige Goldstücke aus dem Beutel, den sie für ihre täglichen Ausgaben verwendeten, und griff sich das halbe Dutzend Eimer, welche sie zuvor gestapelt hatte. Der wackelige Turm aus Holz versperrte ihr die Sicht, weshalb sie sich seitlich fortbewegen musste. Kurz überlegte sie nur drei der Eimer auf einmal zu tragen, doch lieber riskierte sie alles fallen zu lassen, als einmal mehr laufen zu müssen.
Entsprechend wankend trat Zarra aus ihrer Unterkunft und schaute etwas skeptisch auf die Treppe, die einen langen Abstieg versprach.
„Kein Grund in Winterstarre zu verfallen“, trieb sich die Weißhaarige selbst an und machte sich daran auf die erste Stufe zu treten.
Das dritte Mal an diesem Tag kreuzten sich ihre Wege mit denen der beiden Jäger, die ihren Tag scheinbar damit verbrachten auf der Treppe ein Gespräch über den Sinn des Lebens zu führen. Warum sonst sollten sie seit einer halben Ewigkeit noch immer hier stehen? Dieses Mal jedoch war es anders, denn der wackelige Turm lenkte die Aufmerksamkeit durchaus auf die sonst fast Unsichtbare.
„Hey Mädchen, übernimm dich nicht!“, rief ihr einer der Kerle entgegen.
Beinahe sofort lief Zarra puterrot an und verbarg ihr Gesicht hinter den Eimern, was ihr leider das bisschen Sicht, was sie ohnehin nur hatte, auch noch nahm. Derartig aufgeregt trat sie bereits beim nächsten Schritt ins Leere, sie hatte die nächste Stufe lediglich mit ihrer Hacke gestreift.
Ein erstickter Schrei entwich ihr, als sie das Gleichgewicht verlor. Die obersten zwei Eimer fielen bereits voran und markierten den Weg, den sie in den nächsten Momenten auch unfreiwillig nehmen würde.
Doch mit einem Mal ging ein Ruck durch ihren ganzen Körper, als sie von dem Jäger, der ihr eben noch zugerufen hatte, aufgefangen wurde. Er hatte scheinbar blitzschnell reagiert, als er sie hatte fallen sehen und war ihr entgegengeeilt. Durch den Aufprall mit ihm lösten sich noch zwei weitere Eimer aus dem Stapel, die die Treppe herunterstürzten.
„Keine Sorge, ich hab‘ dich!“, versuchte der Jäger sie zu beruhigen, da sie zu Schluchzen begonnen hatte.
„Dan…“, hauchte sie kaum verständlich.
Ihre Stimme blieb ihr irgendwo im Rachen stecken, denn neben dem Schrecken, der ihr in den Knochen steckte, übermannte sie immense Nervosität. Sie wollte, nein, konnte nicht mit dem Mann reden. Was sollte sie schon sagen? Er würde sie nur mit diesem Blick ansehen, diesem bedeutungsschweren Blick.
Behutsam stellte der Jäger sie wieder auf die eigenen Füße und musterte sie eingehend, was sie innerlich schrumpfen ließ.
„Scheint, als hättest du dich nicht verletzt. Wie geht’s den Füßen?“, fragte er und blickte auf ihre Stiefel.
Zarra wackelte kurz mit beiden und nickte dann, ohne dabei in das Gesicht ihres Retters zu schauen.
„Du solltest wirklich besser aufpassen. So viele Eimer auf einmal zu tragen und dann auch noch diese Treppen herunter…“, endete er den Satz und ließ das Ende bewusst offen.
„Ich weiß…“, flüsterte die Weißhaarige wie ein gescholtenes Kind.
„Vielleicht solltest du lieber jemand anderen Wasser holen lassen“, schlug er ihr vor.
„Nein!“, unterbrach sie ihn sofort, wenn auch nach wie vor ohne wirklich Kraft in der Stimme, „Ich…danke“, fügte sie dann noch hinzu, ehe sie sich an den beiden Männern vorbeischob.
Der andere hatte zwei der Eimer auffangen können und reichte sie ihr etwas widerwillig. Die letzten Eimer würde sie wohl am Fuß der Treppe finden.
-
Geknickt lief sie die Treppe weiter herunter, diesmal mehr Acht darauf gebend, wo sie ihre Füße hinsetzte. Sie konnte bereits die anderen beiden Eimer sehen und seufzte erneut schwer.
Natürlich musste mir so etwas passieren, wenn jemand in der Nähe ist, verfluchte sie ihr Pech innerlich und stieg die letzten Stufen hinab.
Sie stellte die Behälter, welche sie noch in den Armen gehalten hatte, auf den Boden und sammelte die anderen beiden ein. Wieder stapelte sie sie übereinander und nahm sie vorsichtig auf. Von hier an würde es keine Treppen mehr bis zur Sumpflilie geben, doch die Gefahr bestand, dass sie vom Steg fiel, wenn sie unachtsam wurde. Deshalb lief sie bedeutend langsamer, als sie eigentlich gewollt hätte, doch der Scham ihres Missgeschicks und der Interaktion mit dem Jäger färbten ihre Wangen noch immer rot. Auf ein weiteres solches Erlebnis konnte sie getrost verzichten. Es reichte schon, dass sie all ihren Mut würde aufbringen müssen, um von Mama Hooqua abgekochtes Wasser zu kaufen.
Glücklicherweise erreichte sie die Schenke ohne weitere peinliche Zwischenfälle. Zwar hatte sie einen großen Käfer entdeckt gehabt, den sie gern näher betrachtet hätte, doch sie konnte sich auf ihre Aufgabe fokussieren. Der Schankraum war relativ leer, was für die geschrumpfte Gemeinschaft sprach. Dennoch waren zumindest ein paar Stühle besetzt. Zarra hoffte inständig, dass sie niemand ansprechen würde, weshalb sie so leise wie möglich zur Theke lief, hinter der die Hooqua einige Krüge vorbereitete.
„Ah, hallo Zarra! Schön dich mal wieder zu Gesicht zu bekommen“, grüßte die Wirtin den neuen Gast freundlich.
Sie war eine der wenigen, die den Namen des Mädchens kannte, denn die Mama vergaß niemals einen Namen.
„Guten Tag Hooqua“, flüsterte die junge Frau fast, „Ich wollte…“
„Wie geht es deiner Oma? Sie kommt kaum noch aus dem großen Baum raus. Sicher das Alter…“, übertönte sie die Schankfrau, da sie sie wohl nicht gehört hatte.
„Oma geht es gut“, antwortete der Kräuterlehrling leise.
„Du solltest dir unbedingt angewöhnen lauter zu sprechen, Mädchen. Sonst wirst du nie gehört werden“, riet ihr Mama Hooqua und stemmte die Hände in die Hüften, „Also, was kann ich für dich tun? Wasser in die Eimer?“
„Genau, wir haben keines mehr.“
„Du willst die ganzen Behälter aber nicht alleine in euer Zimmer bringen oder? Wieso hat dir keiner dieser Tölpel geholfen? Du hättest die Treppe runterstürzen können!“, regte sich die Matrone auf wie sie es oft tat.
Während sie über die nutzlosen Schlucker und faulen Tunichtgute wetterte, nahm sie dem Mädchen die Eimer ab und begann damit sie mit Wasser zu füllen.
Während sie wartete, schaute Zarra sich verstohlen um. Sie entdeckte einige Spinnen in den Ecken und an den Dachbalken und auch einige Fliegen, die um die Teller des ein oder anderen Gasts surrten. Doch die Mama sorgte dafür, dass ihre Lilie „ungezieferfrei“ war, was der Weißhaarigen etwas missfiel. Schließlich gab es etliche Insekten, die mehr nützlich als schädlich waren, doch nicht viele Menschen wussten dies zu schätzen.
Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Hooqua richtete, schaute diese sie erwartungsvoll an.
„Ent-Entschuldung?“, fragte sie nach, da sie offensichtlich etwas verpasst hatte, was die Wirtin zu ihr gesagt hatte.
„Den Kopf wie immer in den Wolken“, kommentierte sie mit einem leisen Lächeln, „Ich habe gefragt, ob ich dir jemanden besorgen soll, der dir das Wasser hochträgt.“
„Oh, nein, das ist nicht nötig“, hauchte die Kleine und senkte beschämt den Blick.
„Bist du sicher? Du wirst mehr als einmal laufen müssen.“
In diesem Moment hätte sich Zarra am liebsten selbst geohrfeigt. Sie hätte einfach nur zwei oder drei der leeren Eimer auf einmal nehmen müssen, denn sie konnte ohnehin nicht alle gleichzeitig hochtragen. Dann wäre ihr all das auf der Treppe erspart geblieben.
„Ich weiß…“, log sie halbherzig und fummelte an der eingenähten Tasche ihres Kleides herum, „Zwölf Münzen für sechs Eimer, richtig“, fragte sie unsicher nach.
„Gib mir neun und bestell deiner Oma einen schönen Gruß. Ihre Tinktur hat meine Gelenke wieder beweglicher gemacht. Ist ganz schön anstrengend den ganzen Tag auf den Beinen zu sein und für diese Bande Menschenaffen zu sorgen, sag ich dir.“
Ihre Worte waren giftig, doch ihr Blick sprach Bände, dass sie diese Bande niemals würde missen wollen.
Zarra griff nach den Henkeln von zwei der gefüllten Eimer, nachdem sie dankend drei der Münzen wieder eingesteckt hatte.
„Ich komme dann gleich wieder“, murmelte sie zum Abschied und verließ mit eingezogenem Kopf die Sumpflilie.
-
Mit einem leisen Klacken fiel der Holzlöffel in die Schale. Die Suppe hatte die Nordmarerin aufgelöffelt, während Maris seine höchst eloquente Rede schwang. Nun gut, weniger eloquent, als vielmehr seltsam, aber das kannte sie ja schon von ihm. Er gehört auch nach Varant und ist trotzdem hier? Was für eine hanebüchene Logik sollte das denn sein? Die Jäger blickte ihn schräg über den Tisch an und zog eine Augenbraue hoch. Dieser Maris war wirklich ein höchst eigenartiger Charakter. Erst gab er sich ganz unschuldig als Bäcker, dann als Kämpfer und jetzt steckte er mit Leuten unter einer Decke, die mit Geisterwölfen durch die Gegend hopsten?
Und… hatte er gerade 'wir' gesagt, als er von Löwen geredet hatte? Sie schüttelte den Kopf. Bei dem Nomaden war im Oberstübchen wohl so einiges verworren. Vielleicht hatte er mal ein paar Schläge zu viel auf den Hinterkopf bekommen, oder war als Kind in ein Kessel mit Nordmarer Nebelgeist gefallen.
Wenigstens sein letzter Vorschlag schien Hand und Fuß zu haben. Oder Axt und Schild, um beim Thema zu bleiben. Auf einer Plattform unterhalb des Baumes also sollten sich ein paar Kämpfer zum üben versammeln und sie sollte dort einmal ein bisschen mitmischen. Die Idee, so musste sie sagen, behagte ihr. Zwar würde sie vermutlich einiges einstecken müssen, aber die Chance, mal wieder die überschüssige Energie rauszulassen wollte sie sich nicht entgehen lassen. Und wer weiß, vielleicht konnte sie ja sogar gegen den ein oder anderen etwas ausrichten? Gegen Besoffene, so der Rat des Varanters, sollte sie kämpfen.
„Leichte Beute.“ bestätige die Jägerin und grinste. Sie stand auf und zog den Stuhl nach hinten, ehe sie sich zu Maris wandte. „Du bezahlst?“ fragte sie, ohne die Antwort abzuwarten. „Danke, bist ein Prachtkerl!“
Eine Weile später stand sie schließlich auf der Plattform, die der Varanter wohl gemeint haben musste (zumindest konnte sie keine andere finden). Ein paar Gestalten schienen hier herumzulungern. Ein paar hatten Schwerter, manche mit Schildern, zwei Äxte konnte sie sehen und ein paar Handvoll mit Speeren, die offenbar hauptsächlich für die Jagd benutzt wurden.
Nun gut, einen davon würde sie wohl hoffentlich packen können. „Jemand Lust auf ne Runde?“ fragte sie und trat näher. Ihr Blick fiel auf einen bärtigen Mann, der kaum aufrecht an der Seite stand. Sie kam näher und stellte sich vor ihn. „Was ist mit dir?“ fragte sie den Kerl, der mit strammen Silberblick an ihr vorbeistarrte.
-
Darius hob eine Braue und blickte diese Chala einmal eingängig an. War das schon wieder so eine Verflossene? Oder eine neu Fließende? Was hatte der Kerl nur, dass ständig irgendwelche Weiber nach ihm suchten? Waren das diese komischen Augen? das halbnackte Herumgerenne im Sommer? Sein Amt? Nein, daran lag es nicht. Sonst wäre er selbst wohl auch gerade in haremsartigen Zuständen versunken. Stattdessen musste er sich herumärgern mit... Nun... Sein Blick ging zu Valerion der wohl gerade auch geistige Höhenflüge erlebte, nachdem diese Vareesa und Ronja irgendetwas getuschelt und vor sich hin geschmunzelt hatten. Der ehemalige Sträfling schien Darius' klar formulierte Übung zu einer seltsamen Form des Scavanger-Sees mutieren lassen. Höchst vermutlich in der Annahme, dass die Damenwelt ihm wohl bald zu Füße liegen würde, wenn er wie einer der Jünglinge aus Thorniara in hautengen Strumpfhosen durch die Gegend sprang und Pirouetten um die eigene Achse drehte...
Diese hundsverdammten Drehungen. -Na, dir geb ich gleich...-, dachte er sich nur, während die Lippen im Gewirr seines Bartes sich sehr schmal zogen und der Veteran nur den Kopf schüttelte. Nie konnte man diese Burschen mal für einen Augenblick alleine lassen. Was folgte war ein entnervtes Schnauben, ehe seine Aufmerksamkeit wieder den Damen galt.
"'Tschuldigung. Also, keine Ahnung wann der Hauptmann wieder zurück sein wird. 'Du vertrittst mich jetzt für eine Weile!', waren seine Worte und mehr weiß ich auch nich', tut mir leid. Aber wie ich ihn kenne, macht der eh kein Auge zu in dem Wissen, nicht jeden Tag penibel die Schichtpläne kontrollieren zu können, also... Schätze, ein? Vielleicht zwei Tage dürfte er noch unterwegs sein."
Ein weiterer Blick ging durch die Runde und, zumindest in Chalas Mimik konnte er eine gewisse Form von Ernüchterung feststellen. Tja nun, er wäre nun sicher nicht ins Gebirge gerannt um den Hayabusa bei irgendwelchen wichtigen Hayabusa-Dingen zu stören oder Zeit damit zu verschwenden ihm nachzujagen. Andererseits war er der stellvertretende Hauptmann, also tat der Anführer seiner kleinen Wächtergruppe was er Macht seiner Befugnis tun konnte. "Also, wenn du solange warten möchtest, ich denke in den Besucherunterkünften im Baum ist sicher noch irgendeine Ecke frei die du nutzen kannst. Und wenn nicht und du eine Nachricht für ihn hast, geb' ich sie ihm gerne weiter."
Nun wanderten seine Augen zu Ronja und Vareesa. Erstere kannte er ja schon zu genüge. Der Wildfang der viel umher kam. Mitglied von Ricklens Trupp und eine ganz passable Bognerin. Und aus irgendeinem Grund hatte sie ihm bei einem der Samhain-Feste voller Stolz über ihre Kenntnisse über Tierkacke berichtet. Das war aber auch ein Abend gewesen! Allein wenn er daran dachte, wie Senna mit brennenden Fackeln jongliert und Gerard es geschafft hatte, siebzehn Zimtschnecken mit Puderzucker zu verdrücken ohne einen einzigen Krümel in seinen mächtigen Schnorres zu befördern! So eine Feier wäre sicher mal wieder was feines gewesen. Aber, gemessen an den Unruhen im Sumpf, den vielen Neuankömmlingen und Rückkehrern waren Feierlichkeiten auf der Liste momentan eher ganz weit unten zu finden...
Selbst ein Darius der mit diesem ganzen mysitschen Kram der Baumkronenbesucher nur leichte Berührungspunkte hatte war schnell aufgefallen, dass etwas im Argen lag. Soviele Zugvögel in Form von Mitgliedern des Waldvolkes die wieder aufgetaucht waren. Die Berichte der Jäger und Grenzwächter-Trupps waren da auch eindeutig. Und die Brunftsaison der hiesigen Fauna lag auch noch in der Ferne. Daher wäre es sicher nicht da dümmste gewesen, auch Durchreisenden einen Ort zum Rasten anzubieten. Blieb nur zu hoffen, dass es noch Plätze gab und der Baum nicht bald aus aller Rinde platzen würde. Was war nun aber eigentlich mit dieser Vareesa? Der zweite Hauptmann hatte nur ansatzweise Geschichten über sie gehört. War wohl auch irgendwie mit Ryu bekannt und eine ganz passable Bognerin gewesen. Aber von dem wenigen was man so über sie sagte, waren diese seltsamen, ungewaschenen Haarsträhnen wohl wirklich ein Indikator dafür, dass es sich um sie handelte. Und nun hatte er auch endlich mal ein Gesicht zu der Person für die Bud und Terrence seit Tagen die Lagerbestände plünderten. Aber wenn sie unbedingt in Schwarzwasser ihren Laden neueröffnen wollte, wäre Darius der letzte gewesen der sich dagegen gesträubt hätte. Einerseits würde das so den Baum um ein paar Leute entlasten, andererseits wären die zwei ewigen Wächter des Baumeinganges auch mal anderweitig beschäftigt. Und nebenbei wäre das möglicherweise ein erster Schritt, Schwarzwasser von den Sümpfen zurück zu erobern. Nicht, dass er je so ambitioniert gewesen wäre, große Terraforming-Projekte zu betreiben, aber die Patrouillen über die alten Stege und durch die Ruinen der einstigen Siedlung deuteten wirklich auf ein Armutszeugnis dessen was einst eine belebte Siedlung darstellte. Und, nunja, Thanan würde es sicherlich auch nicht schaden, einmal mehr als die Übungsplattform der Wächter oder den großen Baum zu sehen, ohne dass er gleich mit seinem alten Herren und dessen Truppe losziehen müsste.
"Und ihr beiden werkelt also fleißig an der Bognerei herum, ja? Benehmen sich Bud und Terrence auch oder werden die abseits vom Baum übermütig?", wandte er schließlich die Frage an die beiden Handwerkerinnen. Ronja holte gerade zum Wort aus, da hob ihre, bisher eher schweigsame Begleiterin nur beschwichtigend die Hand. "Die beiden sind wirklich eine gute Hilfe. Ich kenne mich mit den Wachplänen ja nicht aus, aber ich denke an ihnen sind wirklich gute Handwerker verloren gegangen. Zumindest wissen sie was sie tun und, im Gegensatz zu so manchen sind sie auch nicht aufdringlich. Das ist angenehm, wirklich. Oh und vielen Dank, dass wir auf die Lagerbestände zugreifen dürfen, Darius. Auf Dauer wird es dem Waldvolk sicher nutzen. Das Zeug mit dem einige der Jäger rumrennen grenzt ja fast schon an eine Beleidigung..."
Der alleinerziehende Vater konnte nicht anders als bestätigend zu nicken. In den letzten Jahren war die Qualität der Bewaffnung im Waldvolk wirklich gesunken. Zwar war immer noch alles auf einem Stand der solide war, aber es wirkte fast, als wären die Sternstunden der waldvölkischen Handwerkskunst am verlöschen gewesen. Trotz der Mühen der Handwerker aus dem was man hatte das meiste raus zu holen. "Nun, vielleicht ändert sich das ja noch. In jedem Fall werd' ich die Tage mal vorbei kommen und mir anschauen, was ihr da so treibt. Und ob es vielleicht sinnvoll wäre, euch dauerhaft einen Wächter abzustellen der die Gegend abläuft. Hab gehört, ihr hattet erst ein paar Probleme mit Kroppzeuch."
Dieses mal kam, oder eher nahm sich Ronja das Wort. "Nichts mit dem wir und die beiden Grobschlächter nicht fertig werden würden!", dabei spannte sie den Bizeps an und schlug sich auf eben jenen Muskeln, entschlossen grinsend. Tatsächlich steckte es ein wenig an und Darius nickte ebenso mit einem Schmunzeln im Bart. "Tja, dann macht ihr mal. Aber wenn es doch zuviel wird... Ihr wisst ja. Naja, wenn aber sonst nichts mehr ist. Ich hab hier noch einen Traumtänzer der nicht auf seinen Ausbilder hört. Also, entschuldigt mich und seid doch so freundlich und führt Chala zur Sumpflilie und zeigt ihr wo sie in den Quartieren schlafen kann. Bewahret!"
Mit diesen Worten nickte der Veteran noch einmal und wandte sich dann ab. Instinktiv griff er dabei an den Gürtel wo seine Pfeife locker steckte und seine Hand verharrte einen Moment. Dann ließ er sie seufzend sinken und trat an Valerion und Yarik heran. Nun wesentlich ernster: Stirn in tiefen Falten, Augenbrauen hochgezogen und den Kopf leicht nach vorne geneigt, als würde er seinen Schützling über seine imaginäre Brille hinweg mustern. "Hör mal, Freundchen. Erinnerst du dich an die erste Abreibung die du von mir bekommen hast? Und den Arschtritt den du für deine komischen Drehungen bekommen hast? Entweder Yarik hier war gnädig mit dir oder etwas zu langsam, aber er hätte dir bei deinen Drehungen da drei mal ins Kreuz schlagen können oder schlimmeres. Außerdem waren ausufernde Ausweichmanöver nicht Teil meiner Anweisung. Es ging um Beinarbeit, keine freie Übung. Dazu kommen wir, sobald das einigermaßen passt und wir zum Parieren übergegangen sind. Alle weitere, akrobatischen Stilblüten kannst du dir gerne überlegen und nutzen wenn wir fertig sind. Also nochmal: In einem echten Kampf hätten diese Sachen dich wohl schon in den Dreck befördert. Daher halt dich an meine Anweisungen. Du kommst noch früher oder später zu deinem Spaß."
Kopfschüttelnd machte der Wächter seinem Ärger unter einem schweren Seufzer Luft und blickte dann, wieder wesentlich entspannter zu Yarik. "Danke, dass du ihm nicht direkt die Hand gebrochen hast. Würden wir ihn nochmal zu den Heilern schicken, müsste ich mir was anhören. Wie siehts aus? Wollt ihr noch eine Runde oder hast du noch was vor? Von mir aus könnt ihr es für heute auch gut sein lassen und was essen gehen. War ja bis auf den Kram am Ende schon ganz solide."
Ryu~
-
Schwer wogen die vollen Wassereimer in ihren Händen. Die Henkel drückten sich in ihre Haut und die Schultern begannen zu schmerzen, noch ehe sie den Weg zwischen der Sumpflilie und dem Eingang zwischen den Wurzeln hinter sich gebracht hatte. Ihr grauste es bei dem Gedanken an den Aufstieg die lange Treppe empor, doch es blieb ihr keine Wahl.
Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn und ihr Gesicht lief abermals rot an, diesmal jedoch wegen der Anstrengung und nicht aufgrund von Scham. Als sie schließlich zwischen den Wurzeln des Weltenbaumes verschwand, musste sie die Last kurzzeitig absetzen. Sie atmete schwer und hielt sich die Seiten, welche zu stechen begonnen hatten. Diese Art von Arbeit lag ihr einfach nicht.
Etwas ängstlich blickte sie die Stufen empor, auf der Suche nach den beiden Jägern. Die Männer waren die letzten, denen sie jetzt begegnen wollte. Leider konnte sie von unten nicht bis zu der Stelle schauen, wo sie aufeinandergetroffen waren.
Okay Zarra, einmal noch Luft holen und dann Augen zu und durch, spornte sie sich selbst an.
Sie griff erneut nach den Eimern, schwankte ein wenig, doch biss die Zähne zusammen. Ihre Miene war ein Spiegel von Entschlossenheit, als sie den Fuß auf die erste Stufe setzte. Der lange Aufstieg begann. Der kurzfristig versiegte Schweiß trat mit voller Stärke wieder aus allen Poren. Das Kleid klebte ihr am Leib und ihr Atem ging schwer. Der Gedanke, dass es lächerlich war wegen einer so alltäglichen Tätigkeit an den Rand ihrer Konstitution zu stoßen, kam so ungebeten wie eine Blutfliege des Nachts an die Bettstatt. Dennoch zwang es sie zu einer weiteren Pause mitten auf der Treppe. Sorgfältig stellte sie die Behälter ab und setzte sich ausgelaugt dazwischen. Sie lehnte sich ermattet zurück und ließ einen kühlen Luftzug, der durch den Eingang hereinwehte, über ihr schweißnasses Gesicht wehen. Mit ihrer Hand zerrte sie an ihrem Kleid, um es von der klammen Haut zu lösen, was ein unangenehmes Ziehen an ihrer Narbe verursachte.
„Ugh. Wann hört das Ding endlich auf zu schmerzen?“
Einige Augenblicke verstrichen, ehe sie sich wieder erhob.
„Hilft ja nichts“, meinte sie nur und bereitete sich auf den Rest des Aufstiegs vor.
Sie griff nach den Eimern und setzte ihren Weg fort. Die restlichen Stufen brachte sie schließlich hinter sich und schlurfte mehr, als dass sie lief, in ihr Zimmer. Nerea schlief noch immer in ihrem Bett und wachte auch nicht auf, als Zarra die schweren Behälter abstellte. Erst, als sie auf halbem Wege hinaus war, hörte die Weißhaarige hinter sich ein Schnaufen.
„Holst du uns Wasser, Liebes?“, fragte ihre Großmutter schläfrig.
„Ja, Oma, wir hatten keins mehr für die Medizin und wir brauchen ohnehin etwas zum Trinken."
„Ist dir das nicht zu schwer? Lass mich dir helfen.“
„Nein, das ist nicht…“, begann sie, doch wurde jäh unterbrachen.
„Entschuldigung? Nerea, wir bringen das Wasser von Mama Hooqua“, drang eine männliche Stimme durch den Vorhang.
Zarra war sofort alamiert und huschte in eine Ecke, die vom Eingang nicht sofort einsehbar war. Die alte Frau schaute sie etwas skeptisch an, sagte jedoch nichts.
„Kommt herein!“, rief sie stattdessen und der Vorhang glitt zur Seite.
Im Eingang standen die beiden Jäger, welchen Zarra auf der Treppe begegnet war und sie lief erneut rot an. Der Blick des Vorderen huschte durch den Raum und fand sie in ihrer Ecke.
„Du wolltest zwar keine Hilfe, aber wir konnten nicht zulassen, dass du noch einmal fast stürzt“, erklärte er entschuldigend und stellte die Eimer neben die anderen.
„Noch einmal? Was ist passiert, Roan?“, fragte Nerea mit Schreck in der Stimme.
„Keine Sorge Nerea, es ist nichts passiert. Deine Enkelin hier hatte sich nur etwas zu viel zugemutet.“
„Davon erzählst du mir gleich, Zarra!“, entschied die Kräuterfrau mit einem Blick, der keinen Widerstand erlaubte.
Also nickte Zarra nur und senkte den Blick beschämt.
„Sei nicht so hart zu ihr“, bat Roan, „Sie hat es nur gut gemeint. Da bin ich sicher.“
Nerea schnaufte nur kurz, ehe sie den zweiten Jäger anschaute.
„Koran, bist du das?“
„Ja, Nerea, hallo“, antwortete der Zweite.
„Wie geht es Silla? Sind ihre Schmerzen besser?“, erkundigte sich die Alte nach dem Wohlbefinden der schwangeren Frau.
„Ja, deine Tinktur hat wahre Wunder bewirkt!“, grinste der jugendlich aussehende Jäger.
„Das freut mich!“, lächelte die Großmutter und stand schließlich vom Bett auf.
Auch Koran stellte die Eimer ab und schaute etwas verlegen drein, was Roan auffiel.
„Wir sind dann wieder weg. Und du, Zarra, sei etwas vorsichtiger, wenn du deiner Großmutter einen Gefallen tun willst“, ermahnte er sie freundschaftlich.
Die Weißhaarige konnte nur knapp Nicken bis die Männer aus dem Zimmer verschwunden war. Auf das Gespräch mit ihrer Oma konnte sie verzichten, doch an Flucht war nicht zu denken.
-
Steinkreis in den Tiefen Sümpfen - Morgentau
Der letzte Bissen des violetten Pilzes mit heller blauer Kappenspitze landete im Mund und wurde darin zerkaut, als würden zehn hungrige Wölfe gleichzeitig daran zerren und reißen.
Onyx hatte Energie. Und was für Energie. Eigentlich hatte sein müder Körper und Geist nur Hunger und mangels Alternativen und sehr schwerer Beine zog der Jäger die Pilze hier am Steinkreis vor. Morgentau nannte Osmo es und es war bekannt, dass die Pilze genießbar waren. Doch nach einem halben Dutzend davon ging es für den Waldläufer mit besonderem Metabolismus so richtig los.
Nichts Schlimmeres wie bei Dunkelpilzen erwartend, drehte Onyx wie ein Baby mitten in der Nacht auf und war so energiegeladen, dass er nun seit ein paar Stunden nichts anderes tat wie Blätter in den Bäumen zu zählen, Steinchen zu kleinen, farbig möglichst gleich sortierten Pyramiden zu sortieren und den Umfang des Steinkreises mit seiner Daumendicke einmal komplett abzumessen.
Er kam auf 837 Daumendicken, war sich aber sicher, dass er sich plus-minus den Faktor 1,1345 verzählt haben musste, während Zahlen, Gleichungen und geometrische Figuren an seinem inneren Auge vorbei liefen und zum Schluss im Geiste eine Explosion erfolgte die wie ein gigantischer Pilz zum Himmel aufstieg. Onyx wusste nicht, was er da gerechnet hatte, aber es konnte ganze Landstriche ausradieren. Besser war, er behielt die Formel für sich.
Dies alles geschah in einem Tempo, das bei Beamten des argaanischen Reiches zu Herzinfarkten und spontan Selbstexplosionen führen würde.
Es war ein Rausch aus ultimativem Wach sein und erhöhter Hirnaktivität, gepaart mit wenig Möglichkeiten sich körperlich zu bewegen.
Gerade wollte Onyx damit beginnen, seine Schnürsenkel am Stiefel so perfekt einzufädeln, dass sie auf eine doppelt gespaltene Haaresbreite genau gleich lang werden würden, da bemerkte er es.
Seine Hand, nein, seine Haut schimmerte und leuchtete wie das schwach lumineszierende Blau des Pilzes. Er strich darüber und konnte feststellen, dass er es wegwischen konnte. Es aber wieder auftauchte, sobald sein feuchter Atem seine Haut berührte. War das schon so die ganze Zeit?
Onyx spuckte auf seine Hand und siehe da! - Es leuchtete heller. Der Waldläufer nahm Wasser aus seinem Trinkschlauch und verrieb es in seinen Händen. Es schimmerte alles wie die Kappenspitzen des Morgentau-Pilzes bei Mondlicht.
Wie die schwach leuchtenden Erzfackeln früher.
“Hmm…”, dachte er sich und fand es für den Moment gar nicht gut. Es war im Grunde wie ein Leuchtfeuer in der Wildnis. Als Waldläufer zählte es nicht gesehen zu werden.
Onyx bewegte seine Hände hin und her, schaute sich dann andere Stellen am Körper an und befeuchtete sie. Seine Haut lumiszinierte durch seinen Schweiß und Feuchtigkeit. Das war also die Wirkung des Pilzes. - Und dieser unbeschreibliche Wachzustand.
Seine Finger betrachtend und sich über den Pilz Gedanken machend, sah er die Gestalt auf dem Findling recht spät.
Er schreckte auf, blickte genauer auf einen Findling und lachte so laut aus tiefstem, onyxschen Herzen, dass andere Tiere die Flucht ergriffen und Beliar vorwurfsvoll seine Dämonen ansah und meinte “So erzeugt man selbst bei mir Gänsehaut! Ihr Versager!”.
Adler - Onyx’ Adler mit dem onyxschen, pragmatischen Namen - war erschienen und schlug mächtig und freudig mit den Schwingen auf.
Onyx streckte den mit Stoffen umwickelten Arm aus und das Tier landete darauf.
“Du gewachsen, heh?”, fragte er glücklich und streichelte über das Gefieder. Onyx spürte die Aufregung und Freude des Adlers. Spürte aber auch sowas wie Trauer, Unsicherheit und Trotz. Das alte Band zwischen den beiden war nicht gerissen und es war ein schöner Moment für den Torgaaner zu wissen, dass es Adler gut ging. Erste Erinnerungen aus Sicht des Adlers und aus Sicht des Menschen kamen bei den jeweils anderen an, da fanden sie schon ein jähes Ende.
Die Wirkung der Pilze ließ nach und im nächsten Moment wurde Onyx unheimlich langsam im Kopf. Leichter Sabber lief den Mundwinkel hinab und als er dann etwas sagte hatte er dicke, lumineszierende Schleimfäden im Mund.
Ein Wort allein brauchte eine Ewigkeit und war das nicht schon genug, begann sich vor seinen Augen die Welt spiralförmig zu drehen und neue grelle Farben zu bekommen. Als die Welt dann sich nicht mehr drehte war Onyx Geist wieder schneller im Denken, dafür aber alles heller und farbenprächtiger als zuvor. Die Findlinge blau, das Grün der Bäume orange bis lachsfarben und das Gras am Boden schwarz-pink gesprenkelt.
Adler war nicht mehr auf Onyx Arm und stand stattdessen vor dem Waldläufer. Aber als Frau im braunen Kleid mit Adlerkopf. Streng sah Adler ihn an.
“Wieso trägst du ein Kleid?”
“Weil ich ein Weibchen bin! Wusstest du das nicht?”, sagte er oder besser sie mit einer Stimme und Betonung der Dinge, wie sie sonst nur adlige Damen am Hofe des Königs pflegten. Zumindest fand es Onyx so, denn einen König hatte er noch nie gesehen.
“Nein. Ich dachte, du bist ein Mann. Wieso kannst du sprechen und wieso verstehe ich dich?”
“Wieso kannst du sprechen und wieso verstehe ich dich, mein Lieber? Ich finde das höchst ungewöhnlich! Ausserdem bin ich doch ein wenig empört, dass du mich für ein Männchen gehalten hast. Schau doch wie schön und anmutig ich bin! Und meine großen Flügel. Da kommt keiner und keine hinterher. Ich bin die schönste Adlerin der Welt! - Sag es, Onyx!”, befahl sie, stolzierte und hob die Arme und das Haupt.
“Ja! Du bist die Schönste!”, bestätigte er und applaudiete, als sie hochflog und um den Steinkreis flog, um dann zu landen.
Gerade wollte sie was sagen, ja gar ein Geheimnis wie ihren richtigen Namen teilen, da flog über ihnen ein Schatten und im Gebüsch raschelte es.
“Rasheeda!”, fluchte Onyx als eine Snapperin mit roter Haarpracht auftauchte und ihn wie den schönsten Snapper der Welt ansah. Ihre Schuppenhaut war getigert wie die einer Hummel und sie hatte Pfeil und Bogen in den Klauen.
Oben am Himmel hingegen kreiste ein kleiner Drache mit Schwert in den Klauen und schwang es umher, als wolle er Onyx was beibringen. Auf seinem Rücken hingegen saß ein sehr großer Affe und brüllte Onyx an, als hätte er ihm etwas zu Essen geklaut. Dann klopfte er mit den Fäusten auf seine Brust und streckte dem Hünen den haarigen Affenarsch entgegen.
Adler kreischte auf und jagte erst nach der Snapperin die sich lüstern näherte und dann die Drachen - Affe Kombination am Himmel, während Onyx einfach nur verwirrt war und mit einem Stöckchen versuchte die Szenerie irgendwie zu beeinflussen.
“Was soll das?”, fragte er und der Drache grollte lediglich irgendwas zu. Dann flüchtete die Snapperin dank Adler und warf Onyx noch einen verführerischen, anschmachtenden Blick zu. Adler verfolgte sie eifersüchtig weiter, während am Himmel der Affe noch einmal etwas brüllte und dem Drachen dann wie ein General den Weg zeigte.
“Adler! Verfolg die Drei!”, wies der immer noch sehr verwirrte Waldläufer an und begann ewig lang zu gähnen. Die Welt drehte sich wieder und seine Augen schlossen sich langsam. Die Wirkung der Pilze hatte aufgehört. Adler flog davon und Onyx schlief endlich ein…
Geändert von Onyx (29.02.2024 um 11:27 Uhr)
-
„Was hast du dir dabei gedacht?“, fragte die Alte in dem Moment, wo die beiden Männer aus dem Raum getreten waren.
Zarra stand unterdessen noch immer in ihrer Ecke und wünschte sich unsichtbar machen zu können wie eine Stabheuschrecke. Sie starrte auf ihre Füße und reagiert nicht auf die Frage ihrer Großmutter.
„Was hätte ich denn machen sollen, wenn du die Treppe heruntergestürzt wärst?“, verlangte sie zu wissen, ein Zittern in ihrer Stimme, das von Wut und Sorge zeugte.
„Ich wollte nur helfen“, flüsterte die Weißhaarige, ohne den Blick zu heben.
„Das weiß ich, aber was nützt es uns, wenn du dich dabei verletzt hättest!“, brauste die Kräuterfrau auf, „Oder Schlimmeres?“
„Es ist doch nichts passiert!“, erwiderte die Jugendliche trotzig.
„Das ist nicht der Punkt, Zarra!“, fuhr Nerea sie schließlich an, als die Wut aus ihr herausbrach.
„Schrei mich nicht an!“, rief die junge Frau zurück, als sich auch in ihr Ärger aufbaute.
„Ich schreie solange, bis es in deinen sturen Kopf geht, dass du auf dich Acht geben musst! Die Tagträumerei bringt dich irgendwann noch in ernste Schwierigkeiten. Du bist zu wichtig für unsere Familie, als dass du dein Leben riskieren darfst!“
„Ich habe nur WASSER geholt, nicht gegen einen Sumpfhai gekämpft!“, erwiderte sie lauter als zuvor, Zornesröte im Gesicht, „Ich bin erwachsen, also behandel mich gefälligst auch so!“
Sie konnte es nicht mehr hören. Wichtig für die Familie zu sein war alles, was ihre Großmutter ihr immer und immer wieder einbläute. Doch wieso, weshalb, warum? Davon war nie die Rede.
„Erwachsen? Verhalte dich entsprechend und ich behandel dich auch so, du Göre!“, schimpfte Nerea.
„Fein!“, schrie Zarra schließlich und stürmte aus ihrer gemeinsamen Unterkunft.
„Komm sofort zurück! Ich war noch nicht fertig!“
Doch die Weißhaarige ignorierte die Rufe ihrer Oma, lief die Treppen herunter und dachte kurz, dass sie diesen Weg bereits viel zu häufig an einem Tag gemacht hatte. Doch sie sah nur rot, ihre Wut verbrannte alle anderen Gedanken in ihrem Kopf, die sie eventuell zur Vernunft hätten bringen können. Wenn ihre Großmutter meinte sie wie ein Kind behandeln zu müssen, würde sie ihr eben beweisen, dass sie falsch lag.
Viel zu schnell eilte sie die Stufen hinunter, doch stürzte sie dieses Mal nicht. Auf der untersten Ebene holte sie Koran und Roan ein, an denen sie wortlos vorbeirauschte. Die beiden Jäger riefen ihr etwas nach, doch sie ignorierte sie. Auch Bud und Terrence, die am Eingang Tooshoos Wache hielten schenkte sie keine Aufmerksamkeit, sondern folgte einem der geflickten Stege Richtung Süden. Sie hörte einige Rufe, die ihr folgten, etwas das sie noch nie erfahren hatte. Für gewöhnlich fiel sie zu wenig auf, doch nun, wo sie wie eine Blutfliege durch Schwarzwasser rauschte, war sie plötzlich sichtbar für die anderen.
Ihre Wut als Antrieb nutzend bahnte sie sich einen Weg, weg von ihrer Großmutter. Dummerweise hatte sie ihren Umhang vergessen und die kalte Luft kroch ihr unter die Haut, während sie immer weiterlief. Doch mit jedem Schritt schrumpfte der Zorn und sie nahm ihre Umgebung deutlicher wahr. Als sie schließlich innehielt schaute sie sich kurz um und entdeckte, dass sie nicht allzu weit entfernt vom Schrein der Mutter war. Sie musste ein gutes Stück gelaufen sein, ohne bemerkt zu haben, wohin ihre Wut sie getragen hatte.
„Es ist wirklich kalt“, murmelte sie zu sich selbst und rieb sich die Oberarme.
Doch zurückzugehen kam nicht in Frage, jedenfalls noch nicht. Also entschied sie sich einen Ort der Ruhe aufzusuchen, an dem sie ihre Gedanken würde ordnen können. Der Schrein der Mutter eignete sich hervorragend dafür.
-
Schrein der Mutter
Die Kühle der ausklingenden Winterzeit hatte ihre Wut schließlich vollständig zum Erkalten gebracht. Sie sah ein, dass sie unbedacht gehandelt hatte, doch ihre Großmutter war so streng mit ihr gewesen. Wieso konnte sie nicht einfach die gute Absicht entdecken, die in Zarras Taten lag? Nein, sie musste unbedingt darauf pochen, dass sie unbesonnen wie ein Kind war, ihre Sicherheit missachtete. Sie war siebzehn bei der Mutter! Längst keine auf Hilfe angewiesene Larve mehr, sondern ein eigenständiger Schmetterling, der sich nichts weiter wünschte als die Flügel zu strecken.
Ihre Gedanken brachten einen Funken des Zorns zurück, der sie die letzten Schritte zum Schrein begleitete. Ihre Zähne begannen unterdessen bereits zu klappern, als der erkaltete Schweiß von den vorherigen Anstrengungen des Wassertragens seinen Teil dazu beitrug.
Als der Schrein der Mutter in ihr Sichtfeld trat, atmete die Weißhaarige erleichtert auf. Die Luft hier schien klarer zu sein, als wären die Dämpfe des Sumpfes abgemildert, obwohl sie noch immer in der Luft waberten. Schwach brach die Sonne durch das dichte Blätterdach der Mangrovenbäume, die sich tief im feuchten Untergrund verwurzelt hatten. Die Zerstörung Schwarzwassers schien an diesem Ort nur ein entfernter Gedanke zu sein. Die Statue der Mutter, der schwangeren zweiköpfigen Frau, ragte ominös aus dem trüben Wasser empor, schien sich gar dem Tageslicht entgegenzustrecken. Das Zwitschern etlicher Vögel fiel Zarra erst auf, als sie bis zum Rand des Tümpels vorgedrungen war, so als hätten sie sich alle in den Ästen über der heiligen Stätte versammelt, um der dunklen Kraft, die sich ausgebreitet hatte, zu entkommen.
Die junge Frau ließ sich auf die Knie fallen, besudelte dabei ihr Kleid ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Ihre Hände strichen über die feuchte Erde und sie entdeckte Würmer und Sumpfameisen, die sich nicht an ihrer Anwesenheit störten. Einige Schritte hinter der Statue schwebten mehrere Blutfliegen wie in Trance über dem trügen Wasser, friedlich entgegen ihrer üblichen Verhaltensmuster.
Die türkisenen Augen der Weißhaarige nahmen das Gesamtbild in sich auf und ihr war, als würde sich ihr Sichtfeld spalten. Hunderte Eindrücke fluteten ihre Sinne, überwältigten sie und ließen keine klaren Gedanken zu. Sie spürte die Wut des Streits mit ihrer Großmutter. Die Enttäuschung über sich selbst ihrer Vorfahrin Kummer bereitet zu haben. Den Drang zu beweisen, dass sie mehr war als das kleine, unscheinbare Mädchen, das fast unsichtbar unter den Waldläufern und Druiden lebte. Neugierde paarte sich mit Angst vor der Vergangenheit, vor der Geschichte ihrer Herkunft und dem Vermächtnis, das sich in Form einer Libelle über ihren Rücken erstreckte. Der Wunsch ein Leben zu führen, das es zu leben wert war stieg zuletzt in ihr auf, bis das seltsame Erlebnis ein Ende zu finden schien. In Unkenntnis der Tatsache, dass es geschehen war, nahm das intensive Leuchten, welches aus ihrer Narbe brach, wieder ab.
Ihre Sicht klärte sich und vor ihr sah sie nur die Mutter, von der sie ein wohlig warmes Gefühl empfing. Die Kälte war ihr aus dem Leib gefahren und eine innere Ruhe breitete sich von ihrer Brust in ihren ganzen Körper aus. Sie griff sich dorthin, wo ihr Herz begraben lag und spürte den Puls des Lebens. Dabei entdeckte sie, dass sich dutzende Ameisen auf ihrem Arm niedergelassen hatten und einem unsichtbaren Muster folgten. Sie spürte die winzigen Füße kaum und fühlte keine Angst, dass sie ihr Gift verteilen, sie Stechen oder Beißen würden. Minuten verstrichen in denen Zarra das Treiben der Krabbler beobachtete, ehe sie ihren Arm senkte und die Insekten wieder dem feuchten Untergrund überließ.
Erneut hob sie den Blick zur Statue, suchte nach…mehr. Doch neben dem Gefühl von Heimat spürte sie nichts.
Geändert von Zarra (01.03.2024 um 14:44 Uhr)
-
Valerion atemete schwer ein und aus, Yarik war ziemlich gut und hatte ihm dies nun auch bewiesen. Der Bärtige seufzte schwer und wischte sich mit dem Arm den Schweiß aus dem Gesicht. Das Training des ganzen Tages hatte ihm ziemlich viel Kraft und Konzentration gekostet. So ein intensives Training hatte er schon lange nicht mehr gehabt und nun hatte er auch noch eine Standpauke von Darius wegen seiner komplizierten Bewegungen bekommen.
„Wird nicht wieder vorkommen, beim nächsten mal gebe ich mehr acht“, versprach ser seinem Lehrmeister.
Er würde sich wohl beim nächsten mal besser anstrengen müssen oder die Schritte nochmal trainieren, wenn nicht die halbe Gemeinschaft zuschaute. Nachdem Darius ihn quasi in den Feierabend verabschiedet hatte blickte er zu Yarik.
„Ich weis nicht was dein Plan ist, aber ich werde auf jedenfall in die Taverne gehen um mir erstmal eine Stärkung holen. Glaube das wird jetzt nötig sein“, grinste Valerion und nahm einen tiefen Schluck aus dem Wasserschlauch, dessen Inhalt sich langsam auch dem Ende zuneigte.
„Außerdem kannst du mir dann noch deine Gruselwald Geschichte erzählen, muss eh mal wissen, was hier so vor sich geht. Nicht das ich der letzte bin, der von nichts einer Ahnung hatte“, meinte Valerion und knackste kurz mit den Knochen. Die vielen Bewegungen, die Hiebe und die Anstrengung. Morgen war sicher ein Muskelkater Tag und darauf hatte der Kerl eigentlich echt keine Lust.
Immerhin hatte er so einiges gelernt und auch mal einen neuen bekannten kennengelernt. Vielleicht würde aus Yarik und dem Schwertkämpfer ja mal eine art Partnerschaft entstehen, für die kommenden Zeiten. Wer wusste das schon wirklich. Als er zur Taverne schritt, bemerkte er die vielen Blicke, die mal wieder auf ihn gerichtet waren. War ja auch kein wunder, nach den vielen Trainingskämpfen heute, würde er sicher wieder ein Gesprächsthema sein, aus dem er sich die nächsten Tage nicht befreien konnte.
Jedoch war er gespannt, ob es noch eine begegnung mit der netten Dame gab. Sicher wollte sie eine Revanche, die sie auch bekommen sollte. Solang sich nicht wieder irgendeiner einmischte, um aus dem Kampf ein jeder gegen jeden zu machen.
Sobald sein Training Früchte tragen würde, und er mit der Klinge besser umgehen konnte, würde er sich vielleicht mal im Sumpf umsehen, ob er dort etwas vorfinden konnte. Vielleicht würde er Yarik bitten, mitzukommen und wenn er Kiyan mal wieder treffen würde, könnte er diesen sicher auch mitnehmen. Er überlegte kurz, wann er seinen Reisegefährten eigentlich zuletzt gesehen hatte. Immerhin war dies schon länger her, ob der Kerl wieder weiter gereist war?
-
Aufmerksam und doch verborgen hatte Ornlu die Kämpfe am Übungsplatz beobachtet. Oben von erhöhter Ebene Tooshoos sah man manchmal mehr, wie direkt vor Ort. So konnte er sehen wie sich Yarik doch zurück gehalten hatte und diesen Klotz ruhig verdreschen hätte sollen. Schmerzen waren eine gute Lektion, um manche Dinge sein zu lassen und sich auf Wesentliches zu besinnen.
Umgekehrt verstand er nicht diese Typen die schon sowieso langsam waren und kaum Rüstung besaßen und dann auf einen Schild verzichteten. Vor allem wenn sie Nachteile in Sachen Reichweite hatten.
Aber was ging es ihn an? Er war nicht sein Schüler. Sein eigener Schüler bekäme durchaus auch noch eine Lektion oder ein paar mehr. Ornlu hatte manches von hier oben gesehen, dass noch nicht ausgereift war.
"Jadewolf...?", fragte eine bekannte Stimme hinter Ornlu.
"Es ist lange her. - Bewahret, Freunde.", sagte er, drehte sich um und grüßte die Vier.
Es waren drei sehr vertraute Menschen und einer seiner Schüler die er vom Festland hierher gelockt hatte.
Iun, Vigo und Okam trugen alle die Tätowierungen im Gesicht. Rot oder Dunkler. Markant, aber nicht zu überladen. Das Erkennungszeichen einer sehr, sehr alten Sippe. Wo er so die Tätowierungen sah, musste er an seine Zeichen denken und wie das Rot langsam ausgeblichen war. Haut die sich wandelte und erneuerte hatte nun einmal auch seine Konsequenzen bei Tätowierungen.
Der Letzte im Bunde kam aus Nordmar und war alles andere als der typische, bärenhafte Nordmarer. Er war klein. Sehr klein sogar, aber das vermochte er durch seine schiere Präsenz wett zu machen. Manche nannten ihn Kalad den Zwerg - und vielleicht hatte er Ahnen die Zwerge waren.
Doch damit täte man ihn Unrecht. In keinem Märchen waren Zwerge nämich fähig zu zaubern und Kalad war ein fähiger Schüler des Druiden gewesen. Von Runak höchstselbst entdeckt, aus Nordmar wegen Streitereien vertrieben und im Waldvolk Heimat gefunden, kreuzten sich die Wege des kleinen, lauten Mannes und Ornlus zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Oger der Kalad jagte, weil seine Falle nicht so funktioniert hatte, war gegen einen sehr mächtigen Krautatem des Druiden nicht gewappnet.
Von da an zogen sie gemeinsam durch Nordmar bis zu Bogir und zurück nach Beria. Kalad wurde von Ornlu geformt, ausgebildet und am Ende überzeugt das Festland zu verlassen.
Und so stand er da mit festem Stand, als wäre sein ganzer Körper mit der Erde verbunden und verwurzelt. Breit gebaut und doch so klein gewachsen, dass manch zehnjährige Jungen eine Fingerbreite größer waren. Ein Bart der sich wirklich sehen lassen konnte und Hände die groß wie schwere Handschuhe waren.
"Meister Jadewolf! Du schaust aus, wie das was ich heute morgen raus geschissen habe.", meinte Kalad und verneigte sich demütig.
"Herr Kalad hat also Gold und Sumpfkraut geschissen?", entgegnete der Druide.
"Wäre es nur das, Ornlu. Er ist dabei so laut, dass man meint da liegt ein Ochse mit gebrochener Hüfte im Graben. Aber das wirst du ja wissen. Bewahre, Freund.", sagte Iun und umarmte den Wolfsdruiden freundschaftlich. Vigo kam mit seiner Pfeife hinzu und grüßte ohne große Worte schulterklopfend den Weggefährten und zum Schluss kam natürlich Okam.
"Schick uns nie wieder nach Ostargaan. Da gibts kein Weibsvolk! Nur Echsen, Affen und hässliche Viecher, die aussehen wie Iuns Mutter. Bewahre, du Arsch.", sagte der Waldläufer und Kommandoführer des kleinen Trupps.
"Deswegen hab ich euch dahin geschickt. Brautschau für Okam. Es wird Zeit, dass du dich mit deinesgleichen vermehrst und ein großes Ei legst. Wird deinem Ruf als großes Arschloch nur recht, wenns da raus gedrückt wird.", frotzelte der Jäger und drückte diese nur Ornlu treue Seele die gebotenen drei Sekunden.
"Mal ehrlich. Man sieht euch an, dass ihr sehr lange unterwegs ward. Setzt euch. Wir gehen danach einen Trinken und eine anständige Mahlzeit steht euch zu. Aber nun erzählt. Wie war es und was habt ihr gefunden?", fragte der Druide das Jagdkommando, das eigentlich ihm selbst unterstand.
"Ostargaan...diese Schluchten und der Dschungel waren beschissen. Überall Gefahren und ständig hat dioch etwas verfolgt. Ganz ehrlich. Wir waren alle froh, als wir da durch waren. Gesehen haben wir nichts. In den Schluchten waren Ruinenreste und im Dschungel auch. Aber nichts was im Ansatz passte. Kalad hat auch nichts gespürt nicht wahr?", fragte Iun, während Vigo die Kapuze ins Gesicht zog und Pfeife rauchte, Okam jeder Frau hinterher sah und Kalad sich erst einmal einen passenden Stuhl besorgte.
"So ist es. Huren-Dschungel und Teufelsschluchten Dreckzeug! Mich hätte fast ein Waran gefressen!", fluchte der kleine Mann und spuckte aus.
"Vigo hat aber aufgepasst. Zum Glück. - Dann waren wir vor Setarrif. Schaut fast schon heimelig aus vom Weiten. Büsche, Gräser, Bäume. Holen sich langsam alles zurück. Rein sind wir aber nicht und auch nicht drum herum spaziert. Echsenmenschen haben wir gesehen. Ein paar haben wir mit dem Bogen erwischt, aber da waren ganz bestimmt noch mehr. So ging es über das Gebirge. Da sollten wir ja auch suchen.", erzählte Iun und überließ nun Okam das Wort. Der hatte dummerweise noch der vorbei gehenden Jilvie schöne Augen gemacht und prompt durch Ricklens Fingerzeichen erklärt bekommen, dass er Okam was ganz Großes in den Arsch schieben würde.
"Bestimmt nicht dein Schwert, kleiner Ricklen. - Phaa! Man wird ja wohl noch gucken dürfen.", klagte der einstige Adlerkrieger.
"Lass es besser, Freund. Jilvie ist verboten. Frag mal Turya. Vielleicht lässt sie dich ja ran?"
"Tu..Turya ist hier? Na dann lass mich schnell erzählen. Ich steh drauf, wenn sie mir droht meine Eier mit bloßen Händen zu zerquetschen. Damals in Beria...ohhh sie wollte den Okam."
"Laber nicht! Erzähl jetzt."
"Es war scheißkalt. - Jaja du hast uns den Rat gegeben uns darauf vorzubereiten. Aber ganz ehrlich. Unser klitzekleiner Freund ging im hohen Schnee verloren - so hoch war das. Hatten Glück die beschriebenen Höhle noch gefunden zu haben. In der Nacht kam ein Trupp mit neun Gefährten vorbei. Die waren etwas seltsam drauf und wollten zu irgend einen anderen Berg. Was weiß ich. Sind dann aber wieder abgestiegen und ganz ehrlich...ich war froh drum. Einer von denen lief auf dem Schnee, als würde er leicht wie eine Feder sein. Der hat keine Spuren hinterlassen. Das war mir nicht geheuer.", meinte der Waldläufer und holte nochmal aus, während sich kalad am klitzeklein wohl gestört fühlte.
"Okam...bleib beim Bericht. Turya wird auch nicht mehr schöner, je länger du erzählst.", meinte Jadewolf.
"Wie du meinst! Also das was wir im Gebirge absuchen sollten, haben wir abgesucht. Nichts. Kalädchen hat nichts gespürt und dann ging es über den Silberssee und Orkwald zurück hierher. Ich bin froh wieder hier zu sein. Es fühlt sich besser an.", meinte Okam und schien dieselbe Unruhe zu verspüren, wie so manch andere die Tooshoo gerufen hatte.
"Auch bei uns. Haben schon gehört und an uns gesehen. Dieses Mal, heh?", warf Iun ein, während Kalad sich mehrmals laut räusperte.
"Ja, Herr Kalad?"
"Also! Herr Okam hat etwas Wichtiges ausgelassen!"
"Ach komm! Blödsinn. Da war nichts zu sehen.", winkte Okam ab.
"Achja, du blinder Troll!? Ich habe es gesehen als wir gen Silbersee abgestiegen sind. Die Sonne schien und verschwand im rechten Moment hinter Wolken die einen Schatten auf den Silbersee warfen. - Ich hab Schatten im Wasser gesehen. Einen großen Kreis. Viel zu rund, um etwas anderes zu sein. Ich wollte da rein, aber Herr Okam meinte das wäre Blödsinn und wir müssten weiter nach Tooshoo. Hatte nur Angst vor dem Wasser so wie er stinkt!", sagte Kalad und reagierte auf Okam der Kalad den Mittelfinger zeigte.
"Wir haben danach alle dahin geschaut und nur unser Kleiner hat da einen Kreis gesehen. Weißt ja. Kinder mit Bärten haben eine große Fantasie."
Kalad wurde puterrot im Gesicht. Sprang vom Hocker und schlug mit der Faust auf den Tisch.
"Hurenbock verdammter! Leck mich doch am Arsch! Dich soll der Kahzam holen! Da war was verdammich! "
"Ich ramme dich gleich in den Boden wie einen Holzpflock, du räudiges Wiesel!"
"Wiesel!!?", schrie Kalad und fluchte dann in einen nordmarer Dialekt den keiner verstand, aber so klang als würde jedes Wort Steine und Felsen bersten lassen. Kalad warf den Hocker nach Okam und packte ihn dann. Okam reagierte prompt und packte wiederum Kalad und rang mit ihm um das Recht recht zu haben.
Kalad nutzte seine Größe aus, um Okam mit seinem wuchtigen Körper einfach von unten zu packen und vom Boden zu heben, bevor er begann sich um die eigenen Achse zu drehen.
"Elender Hund! Lass mich los!", fluchte der Größere. Kalad ließ los und warf ihn zu Boden.
"Leck mich an meinen haarigen Arsch!", zischte der kleine Mann, drehte sich und zeigte Okam wirklich den sehr haarigen Arsch. Natürlich sorgte dies für Aufsehen.
"Wenn ich Meister Jadewolf was zu erzählen habe unterbrichst du mich nicht! Wenn du mich beleidigst, dann trag die Konsequenzen du hirnloser Oger mit Dauerständer!", drohte Kalad mit erhobener Faust. Okam schaut erst zornig und begann dann zu lachen.
"Bei den drei Göttern und ihren Hurendienern. Dein Arsch ist so behaart, dass ich jetzt weiß wieso du da oben nicht erfroren bist! Helf mir auf, Herr Kalad. Und dann erzähl Ornlu nochmal was du da gesehen hast...oder auch nicht!", sagte Okam und ließ sich aufhelfen. Ornlu konnte sich nur denken, wieso es Okam so ungewöhnlich eilig hatte und der Sache nicht wie üblich nachging. Tooshoo hatte nunmal seine Macht.
"Wir müssen unbedingt noch an unserem Auftreten arbeiten, Leute. Wenn ich mit euch offziell als Jagdkommando unterwegs bin, will ich keine haarigen Ärsche sehen und auch nicht an jeder Ecke schauen ob da was zu besetigen ist.", wünschte sich Ornlu und war froh diese Deppen wieder bei sich zu haben. Hielten sie die Klappe oder benahmen sich ihres Standes entsprechend, waren allein die drei Waldläufer unheimliche Gesellen, denen man nirgendwo begegnen wollte. Mit Ornlu dazu war es, als würde einen ein Wolfsrudel anblicken.
"Kalad...beschreib mir genau...nein, mal einfach mal mit etwas Kohle auf den Boden auf, was du auf oder im See gesehen hast. Die Position könnte passen."
"Gut! Der mögliche Steinkreis liegt ungefähr da...", erzählte der klein gewachsenen Druidenlehrling und begann alles am Boden mit Kohle aufzumalen. Momente später hatte das für den Druiden alles Sinn und Potential endlich einen der zwei verschollenne Steinkreise von Argaan zu finden.
"Das werden wir uns zur passenden Zeit ansehen. Lasst uns nun in der Sumpflilie was essen gehen und dann erzähle ich euch, was hier so los ist und was das mit eurem Mal zu tun hat.", wies Ornlu an und hoffte auf etwas Anständiges zu essen bei der Hooqua.
"Wer istn die große Blonde da unten am Übungsplatz?"
"Okam...steck deinen Schwanz wieder ein. Ich habe Hunger.", kommentierte Vigo in seiner typischen Art und mit einer Betonung die eher einem König glich, wie einem einfachen Waldstreicher aus den Norden.
Geändert von Ornlu (02.03.2024 um 01:20 Uhr)
-
Eine ganze Weile verharrte Zarra auf dem morastigen Boden vor dem Schrein der Mutter, doch der Zauber, den sie wenige Momente zuvor noch gespürt hatte, schien verflogen zu sein. Noch immer spürte sie das Gewicht der Eindrücke und Gefühle auf sich, hatte Schwierigkeiten sie zu sortieren. Der Gesang der Vögel begleitete sie bei ihren Versuchen und das Surren der Blutfliegen untermalte das Konzert. Ihre Gedanken wanderten zu der gespaltenen Sicht, die sie erlebt hatte. Die unzähligen kleinen Fenster, welche ihr Einblicke in ihr eigenes Leben gewährt hatten. Es war fast so, als hätte sie durch die Augen einer Libelle geblickt, wenn sie es beschreiben müsste. Gleichwohl befremdlich und vertraut, doch vor allem desorientierend.
Sie schüttelte leicht den Kopf, um ihre Sicht zu klären. Das Ganze ließ ihr die Haare zu Berge stehen und mit einem Mal überkam sie das Gefühl, ihren Aufenthalt an dieser heiligen Stätte ausgereizt zu haben. Ein letzter Blick auf die Statue der Jungfrau verstärkte die Vermutung nur, also erhob sie sich vorsichtig. Wie lange hatte sie hier auf dem feuchten Boden gehockt? Ihr Kleid war völlig durchnässt und von Schlamm überzogen. Ihre Beine waren eingeschlafen und ein Kribbeln kroch in ihre Knie. Langsam entfernte sie sich von dem Tümpel, lief zurück in die Richtung, von wo sie vom Steg abgebogen war.
Wie aus einer anderen Welt trat sie zurück in ihre eigene. Das Gezwitscher der Vögel ließ nach und die kalte Luft fraß sich in ihr feuchtes Kleid. Sie sollte so schnell wie möglich zum Baum zurückkehren und ihre Kleidung wechseln, ehe sie sich eine Erkältung einfing.
„Die Herzbeer-Tinktur!“, entfuhr es ihr, als sie sich daran erinnerte, weshalb sie überhaupt Wasser von Mama Hooqua geholt hatte.
Schnellen Schrittes folgte sie ihren Schritten in entgegengesetzter Richtung bis sie in Buds und Terrences fragende Gesichter blickte.
„Öhm, hallo ihr beiden“, grüßte sie kleinlaut.
Scheinbar hatte ihre überstürzte Flucht zuvor die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt.
„Alles in Ordnung bei dir, Kleine?“, fragte Bud mit seiner tiefen Baritonstimme.
„Jetzt wieder“, bestätigte die Weißhaarige mit einem unsicheren Lächeln, was den beiden Wachen ein breites Grinsen entlockte.
„Dann ab rein mit dir, bevor deine Oma sich noch mehr Sorgen macht!“
Das ließ sich Zarra nicht zweimal sagen und huschte flink zwischen den Wurzeln durch ins Innere des Weltenbaums. Ehe sie sich an den Anstieg machte – langsam zerrte es an ihren Kräften – schaute sie sich verstohlen um und vergrub dann ihr Gesicht in den Händen als sie niemanden entdeckte. Sie hatte tatsächlich mit jemand anderem gesprochen, als ihrer Oma und war dabei nicht vor Scham am liebsten im Boden versunken! Ein Triumphgefühl beflügelte sie, was sie für die Treppenstufen zu nutzen gedachte.
Es glich mehr einem Hüpfen, denn Laufen, als sie die Treppe erklomm bis sie die Ebene erreicht hatte, wo sie und ihre Großmutter gemeinsam lebten. Vor dem Vorhang, der ihren Bereich abgrenzte, hielt sie jedoch inne. Ein kaum wahrnehmbares Schluchzen war zu hören. Weinte dort jemand?
„Oma?“, rief die junge Frau mit sorgenschwerer Stimme und schob den Vorhang behutsam zur Seite.
Tatsächlich saß Nerea auf ihrem Bett. Tränen rannen ihr über das Gesicht, während sie in ihren Schoss starrte.
„Oma?“, fragte Zarra erneut zaghaft.
Die alte Frau blickte erschrocken auf und wischte sich über die feuchten Wangen.
„Zarra!“, rief sie, ihre Stimme eine Mischung aus Sorge, Erleichterung und Ärger.
„Es tut mir leid, dass ich weggerannt bin“, entschuldigte sich die Enkelin reumütig, wobei sie sich nicht aus dem Türrahmen bewegte.
„Ich…“, begann die Kräuterfrau, ihre Stimme belegt, „Es tut mir auch leid, Liebes. Wollen wir in Ruhe darüber sprechen?“
„Ja, gerne.“
Das Friedensangebot annehmend trat die Weißhaarige endlich in ihr Zuhause und setzte sich neben ihre Oma auf das Bett.
-
Die Sumpflilie
"Pff, Prachtkerl am Arsch, du blöde Kuh", murrte Maris in seinen nicht vorhandenen Bart hinein, als Ylva sich gen Übungsplatz verzogen hatte. Da hatte er ihr nur mit ihrem verdammten Schweinebärmann helfen wollen, weil er eben ein netter Kerl war, und jetzt zog sie ihn ab, wo es nur ging. Gab man einmal den kleinen Finger, fraß dieses Schneehuhn die ganze Hand.
"Paps!" Runa starrte ihn vorwurfsvoll an. "Wenn ich so was gesagt hätte, müsst ich mir aber was anhören von dir!"
"Ja ja, hast ja Recht", sagte er und winkte ab. "Regt mich trotzdem auf. Ich frag mich, ob ich die nächste Lektion im Kampf mal ein wenig handfester gestalten muss, um ihr diese Dreistigkeit auszutreiben."
Runa schüttelte den Kopf. "Ylva scheint dir ja ganz schön auf die Nerven zu gehen. So fies bist du doch sonst nicht!"
"Hast du eine Ahnung, wie fies ich sein kann, Schätzelein. Ich würd nicht mehr hier sitzen, wenn ich's nicht sein könnte."
Runa lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. "Naja, ich mag sie jedenfalls. Zeigst du mir jetzt ein wenig, was es hier so zu sehen gibt und wo ich diese Gilana finde?"
"Geht gleich los", entgegnete er. "Lass mich nur noch kurz bezahlen und..."
Maris unterbrach sich, als er eine Gruppe von Frauen entdeckte, die die Sumpflilie betraten. Eine recht bunte Gruppe war das, die er da sah. Eine der Frauen sah aus, als gehörte sie eher nach Varant denn hierher in's Brackwasser. Die Zweite passte vom Bleichegrad schon eher hierher, hatte aber ziemlich seltsame Haare - war das Moos an ihren Haarspitzen? Er blinzelte und schüttelte den Kopf. Und die Dritte - die hatte er schon einmal gesehen. Ein dickes Grinsen legte sich auf Maris' Lippen.
"Ronja! Lange nicht gesehen! Wie geht's denn Freiya so? Räkelt sich immer noch auf Eiswolffellen?"
Maris lachte in sich hinein, als er an das letzte Samhain-Fest zurück dachte, an dem er teilgenommen hatte - damals, kurz bevor er mit Ornlu in die mythische Sphäre gegangen war und seine Angelegenheiten mit al-Hamza geklärt hatte. Die Waldläuferin mit dem markanten roten Haar und ihre kleine Freundin hatten sich mit Essen bestechen lassen, ihn im Dunklen auf den Baum zu lassen, und Freiya hatte so derb gezecht, dass man sich am nächsten Morgen wilde Geschichten davon erzählt hatte, sie hätte sich nackend auf Pelzen gewälzt, um die Vorlieben eines gewissen Sibur Narad aus Varant nachzufühlen.
"Setzt euch doch, ich spendier euch ein Wässerchen - bin sowieso gerade schon ausgebeutet worden, dann macht das auch keinen Unterschied mehr. Ist schon ein paar Jahre her, was? Das da ist meine Große, Runa. Sie wollte unbedingt mal den großen Baum sehen. Als sie das letzte Mal hier war, hab ich sie noch im Arm gehalten und sie wurde von Lester mit Milch von einer Hündin auf der Sumpfkrautplantage gefüttert."
"Papa!", insistierte Runa empört.
"Was denn? Ist doch so. Was macht Lester, der alte Lump, eigentlich so? Der würde sich bestimmt auch freuen, dich mal wieder zu sehen, Runa."
Just in diesem Moment öffnete sich die Tür erneut. Maris' Nackenhaare stellten sich auf, als er das wilde Pack erblickte, das da in die Taverne hereinkam. Drei abgerissene Typen, deren Gesichtstätowierungen ganz und gar keinen Zweifel ließen, zu wem sie gehörten. Ein weiterer Mann, ein Abgebrochener, der etwas an sich hatte, das ihn von den anderen Unterschied (auch abseits der offensichtlichen körperlichen Merkmale). Und schließlich der Oberköter höchstselbst, der hinterdrein eintrat und dessen Gesichtsausdruck eine tiefe Zufriedenheit ausstrahlte. Maris starrte die fünf Männer mit offenem Mund an, die keine zwei Augenblicke benötigten, um den Laden zu übernehmen.
"Ja leck mich doch am..."
Er wandte sich zu Ronja und ihren Freundinnen hinüber. "Was sind'n das für welche?"
Runa hingegen nahm die Sache in die eigene Hand und sprang auf, als sie den Druiden erblickte.
"Onkel Ornlu! Ich wusste ja gar nicht, dass noch andere aus deinem Wurf hier sind!", rief sie und lief geradewegs zu dem wilden Wolfspack hinüber.
Maris vergrub das Gesicht in den Händen. Runa war definitiv an den Wolf verloren.
-
Die Sumpflilie
"Oha! Was ist denn das für ein nettes Fräulein, Meister Jadewolf!?", fragte Kalad und stemmte die Hände in die Hüfte.
"Jadewolf...du lässt nichts...", sagte Okam und bekam gleich solch einen Blick des Druiden ab, dass er verstummte wie ein Hund der den Schwanz einzog und zurück wich.
"Das ist Runa. Ich kenn sie seit ihre wunderschöne Mutter - über die ihr keine Sprüche besser klopft - sie geboren hat." - Ornlu blickte kurz zu Maris und nickte - "Sie ist Familie."
"Bewahre, Frau Runa. Ich bin Iun von Vengard. Waldläufer des Waldvolkes und guter Freund deines Onkels seit 17 Jahren.", grüßte Iun und verneigte sich.
Kalad trat näher an Runa, sah ein wenig zu ihr auf und verneigte sich so höflich, wie man es dem kleinen Mann niemals zutrauen könnte. Auch wenn es immer wie bei einem Wildschwein aussah, da er aus Nordmar kam.
"Wunderbar! Fräulein Runa! Es ist mir eine Ehre. Man nennt mich Kalad und wagt es ja nicht Witze über meine Größe zu machen. Ich versohle euch den Hintern, selbst wenn ihr ein Zoll größer seid. Hahaha!", lachte der Druidenlehrling und schüttelte ihr die im vergelcih ziemlich kleine Hand.
"Einen Zoll? Bitte. Das sind mindesten zwei Zoll und drei Mal breiter bist du auch. - Bewahre, Runa! Ich bin Okam und viel besser wie der Rest hier. Du trinkst heute mit uns. Onkel Ornlu spendiert was hab ich gehört.", tönte Okam. Ornlu nickte lediglich, betonte aber dass es kein Alkohol gäbe. Sonst käme ein Eissturm über Tooshoo und Okam wäre der Erste der in reinen Wasser ertrinken würde.
Zuletzt kam Vigo zu Runa. Er verbeugte sich vor Runa auf solch edle weise, dass jeder ahnen konnte, dass er von höheren Geblüt sein musste.
"Bewahre, Frau Runa. Ich bin Vigo aus dem Hause Telcontar.", sagte er und nahm wieder seine stolze Haltung ein. "Mögen die Sterne immer über dir leuchten und dir den Weg weisen.", wünschte er in der alten Sprache des Waldvolkes.
"So haben wir es nun? Ich hab Hunger wie ein Wolf!", meinte Okam und sah sich nach einem Tisch um.
"Hey! Weg da!", pfiff er vier Gesellen zu und stemmte dann seine Arme auf den Tisch, wo nur noch leere Krüge waren.
"Bewahret! Verzeiht Okams Höflichkeit. Er ist ein Arsch. Hier gönnt euch noch draußen ein Bier.", regelte der Druide und sah sich nochmal etwas um. Kurzerhand wurde dann noch ein Tisch heran gerückt und Maris, wie auch die drei Damen hergewunken, während die Wolfsmeute und Runa platz nahmen. Runa schien begeistert von Vigo zu sein und lachte über Kalads Witze über Okams jämmerlichen Bart. Maris sollte neben Ornlu sitzen und sich auch anhören, was Kalad gesehen hatte. Die drei Damen kamen hinzu und Ornlu wusste gleich was Okam wieder dachte.
"Lauf nur offen in drei Fäuste, Freund. Lass es heute gut sein. Essen und Trinken gönnst du dir heute besser.", sagte ornlu in einem leisen Ton zum Waldläufer den er einst verschonte, als sie die abtrünnige Adlersippe in Okara vernichteten. Er war noch lange nicht Teil jener Sippe und sogar eingekerkert. Das hatte Okam das Leben gerettet und Ornlu brachte es den loyalsten Gefolgsmann den er sich vorstellen konnte. Auch wenn er ein Arsch war. Ornlu musterte dann die drei dazu gekommenen Damen. Die Dunkelhäutige war ihm gänzlich unbekannt und doch hatte sie etwas an sich, was deutlich für dne Druiden zu spüren war. Tooshoo hatte seine Wege die Leute hierher zu bringen.
Dann war da Ronja, die er schon öfter gesehen hatte und die Suzuran noch besser zu kennen schien.
"Vareesa! Es ist lange her. Du wirst mir sicher bald mal erzählen wo du warst.", grüßte Ornlu die einstige Schülerin.
"Bewahret! Das sind Kalad, Iun, Vigo und Okam. Mich nennt man von hier bis nach Nordmar Jadewolf. Maris und Runa stell ich auch noch kurz vor und bis auf dich, kennen wir uns ja alle irgendwie. Hast gleich Zeit dafür.", sprach der Druide und hatte nun zehn Leute an den zwei Tischen gezählt. Mama Hooqua kam hinzu.
"Was ist das denn!? Jadewolf hast du die alle mitgebracht?"
"Die kamen alle von selbst hierher. Was haben die Jäger heute mitgebracht. ich hab heute sogar Geld dabei, Mama!"
"Ein Molerat wurde geschlachtet. Lange Zeit mit Sumpfkraut, Kräutern und vor allem Buddlerfleisch gefüttert. Richtig schön fett. Soll ich eine Platte zubereiten? Mit Feuersoße oder milderer Minzsoße?"
"Das klingt doch nach einem Festessen. Stell eionfach beide Soßen hin. Dazu gebratene Kartoffeln und diese kleinen Häppchen die so schön knusprig sind."
"Blutfliegenfleisch und Sumpf-Paprika in Blutfliegenflügel gewickelt? Mit ordentlich Meersalz und Pfeffer."
"Genau! Das alles bitte! Und einen großen Krug Met, einen großen Krug Sumpfkrautbier und für Fräulein Runa frische Moleratmilch. - Bevor du fragst - heute geht alles auf meine Kosten."
"Oh bist du reich geworden. Hast du endlich geheiratet?", fragte die Hooqua und schenkte Ornlu ihr schönstes Lächeln mit ihren von Sumpfkraut kauen verfärbten Zähnen. Sie blickte kurz zu den drei Frauen und schaute nach einem Ring.
"Ich treib es schon auf. Keine Sorge. Bis man mich an die Kette nimmt, vergeht noch etwas Zeit. Danke dir.", sagte er und klopfte dann auf den Tisch. Bald standen schon die Krüge und Becher bereit. Natürlich gab es auch Wasser. Es wurde eingeschenkt und in einer Ecke begann auch endlich die Abendunterhaltung. Ein Barde stimmte seine Klampfe und rief dann laut auf. Er klatschte und gab den Rythmus vor. Dann begann er eine bekannte Melodie zu spielen und alle sangen und klatschten die ersten Tiritombas mit. Ein Frühlingslied - passend zur nahenden Zeit und fern der Sorgen die alle plagten.
Alle am Tisch des Druiden erhoben sich und stießen zusammen an.
"Auf einen schönen Abend. Mögen die Stürme die da noch kommen heute fern bleiben.", wünschte Ornlu un hob den Becher mit Met.
Geändert von Ornlu (02.03.2024 um 12:39 Uhr)
-
Die Sumpflilie
Den Weg zur Sumpflilie hätte Chala im Nachhinein noch selbst gefunden, doch da sie keine neuen Erkenntnisse von Darius erfahren hatte, war sie Ronja und Vareesa gefolgt, die sich um eine Unterkunft für sie bemühen wollten.
Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu und erst jetzt schien die kleine Bevölkerung Tooshoos aus ihren Löchern zu kommen. Nachtaktiv hätte man sie nennen können, denn wo vorher kaum eine Seele anzutreffen war, quillte der kleine Schankraum nahezu über.
Da war der hochgewachsene Mann, der bei ihrem Eintreffen Ronja begrüßt hatte. Eines seiner Augen war milchig, als wäre es blind, doch schien es dennoch fokussiert zu sein. Ein schauerlicher Anblick. Bei ihm war ein jugendliches Mädchen, die sich als seine Tochter herausstellte. Sie strahlte förmlich und hatten einen zwanglosen Charme an sich, der schwer in Worte zu fassen war. Der vermeintlich blinde Mann war unterdessen im Inbegriff den Neuankömmlingen etwas zu Trinken anzubieten, wurde aber jäh unterbrochen, als eine fünfköpfige Gruppe die Schenke betrat. Rötliche Tätowierungen zierten die Gesichter dieser Bande, deren Zusammenhörigkeit Vered nicht zu deuten wusste. Der optisch wildeste unter ihnen richtete schließlich das Wort an die anderen Gäste, schien nahezu jeden persönlich zu kennen. Jadewolf nannten ihn die anderen. Die Aranisaani konnte den Wolf-Teil durchaus nachvollziehen. Allein wie sich der Mann mit seinen ungezähmten Haaren bewegte erinnerte mehr an ein Raubtier auf der Jagd, als einen Menschen bei einem geselligen Abend.
Etwas verloren zwischen all den Leuten, die sich versammelt hatten, beobachtete sie schweigsam nach und nach jeden von ihnen. Einer der Gefährten des Jadewolfs, Okram hatten sie ihn genannt, erwiderte ungeniert ihren Blick, geizte aber auch nicht mit seiner Aufmerksamkeit, was die anderen Frauen an der großen improvisierten Tafel anging. Der Kleinste unter ihnen wollte in kein Schema passen, was Chala versuchte anzuwenden. Er war immense stämmig und doch ließ seine Größe keinen Zweifel an der Fähigkeit den Raum mit Ausstrahlung zu füllen. Wer jedoch so gar nicht zu den anderen, wilderen Gestalten passen wollte, war der Mann namens Vigo, der sich nahezu erhaben verhielt, ohne dabei jedoch ein unangenehmes Gefühl in der Dunkelhäutigen auszulösen.
Sie würde versuchen müssen alles an Informationen über diese Leute zu sammeln, die sie konnte, doch auch zu dem Sumpfkrautbier wollte sie nicht Nein sagen.
Nach so langer Zeit der Abstinenz ließ es ihren Kopf leicht werden und ein leichtes Lächeln hatte sich um die vollen Lippen gelegt.
Ihr Fuß wippte leicht zu der fröhlichen Melodie, die ein Barde angestimmt hatte. Das Essen wurde aufgetischt und der Geruch ließ Vered das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wie lange war es her, dass sie etwas anderes als hartes Brot und trockenen Käse gegessen hatte? Sie blickte sich zu Ronja um, die energetisch mit dem Halbblinden sprach und dabei so aufgeregt schien, wie bereits die gesamte kurze Zeit in der Chala sie kannte. Vareesa hingegen hielt sich ihr selbst ähnlich etwas zurück, wohl ihrer ruhigen Natur geschuldet. Als Herz der Gespräche hätte man jeden anderen am Tisch bezeichnen können, denn sie alle genossen die illustre Gesellschaft und teilten Geschichten vergangener Zeiten, um sich gegenseitig auf den neusten Stand zu bringen. Runa war in ein Gespräch mit dem kleinwüchsigen Kalad vertieft, der ihr ein ansteckendes Lachen nach dem anderen entlockte. Der Jadewolf zog die Aufmerksamkeit auf sich und der hochgewachsene Einäugige teilte seine Aufmerksamkeit über das Essen, seine Tochter und lang vermisste Gesichter auf, dass es beinahe wie ein merkwürdiger Tanz seines Nackens anmutete.
Geändert von Chala Vered (02.03.2024 um 12:31 Uhr)
-
Sumpflilie
Das war ganz genau nach Ronjas Geschmack.
All die Leute, das Essen, die Musik, einer, der sie lüstern ansah und einfach allgemein die ganze Wuseligkeit. Mit einem dicken Grinsen saß sie zwischen Vareesa und Chala und langte kräftig zu bei dem, was Mama Hooqua da auf den Tisch gezaubert hatte. Jadewolf gab einen aus, da würde sie sich nicht zweimal bitten lassen.
Neben Vareesa saßen der Typ mit den blinden Auge und dem Turban und daneben Jadewolf. Als Mama Hooqua einen Krug Bier neben sie stellte, stupste sie Chala an:
"Du kannst die Mama wegen einer Unterkunft fragen, die hat bestimmt noch ein Bett über", sagte sie schmatzend und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, bevor sie einen kräftigen Schluck Bier nahm.
Dann wandte sie sich zu dem Turbanträger und überlegte, wie er gleich nochmal geheißen hatte. Es fiel ihr nicht mehr ein.
"He, erinnert mich an Samhain damals. Da hattest du das Essen dabei und Jadewolf den tückischen Schnaps, der Freiya so zugesetzt hat. Die räkelt sich nicht mehr, zumindest nicht nackig aufm Wolfsfell. Zuletzt aber angezogen aufm Übungsplatz", sagte sie und grinste breit, besonders, als ihr einfiel, dass die Rothaarige vor Scham im Boden versinken würde, wenn sie ihre Freundin so reden hörte.
"He Jadewolf, warst ja auch ganz schön lange weg. Hab dich seit dem Samhainfest damals nicht mehr gesehen. Wo hastn Suzuran gelassen?", rief sie.
"Die hat ihm den Laufpass gegeben, nachdem sie ihn mit nem Schaf hinterm Busch erwischt hat", rief Okam plötzlich über den Tisch und grinste dreckig.
"Schaf? Ich hab gehört, es war eine feiste Moleratdame!", erwiderte Kalad.
"Kein Wunder, dass sie ihn zu Beliar gejagt hat, so einer schönen Frau setzt man keine Schafshörner auf, schäme er sich!", sprach dieser Vigo.
Jadewolf zeigte zunächst einen seltsamen Gesichtsausdruck, dann entblößte er ein wölfisches Grinsen:
"Ein wahrer Kavalier genießt und schweigt."
Ronja feixte, dann fiel ihr Blick auf Maris, der diese schräge Sippe um Ornlu böse anfunkelte.
"Wasn los? Haben die dir in dein Bier gespuckt?", fragte die Jägerin neugierig. Sowas interessierte sie immer brennend.
Maris' Gesichtszüge entspannten sich ein bisschen.
"Hm ... Wölfe und Löwen spielen einfach nicht so gerne miteinander", sagte er dann mit einem dünnen Lächeln.
Ronjas Augenbrauen gingen nach oben. Keine Ahnung, was der meinte. Sie nickte einfach, an der grundlegenden Aussage war ja nichts falsch, und griff nach dem nächsten Stück Fleisch.
"Hm ... vielleicht sollten wir Bud und Terrence was bringen?", sagte sie dann zu Vareesa.
Freiya
-
Als Yarik in Begleitung von Valerion die Tür zur Sumpflilie aufstieß, erwartete ihn ein Anblick, wie er ihn zuvor noch nie an diesem Ort gesehen hatte – die Gaststube war fast bis zum Anschlag gefüllt, dichter Sumpfkrautrauch lag in der Luft und die Gäste ließen es sich bei Moleratbraten und Sumpfbier gutgehen.
Etliche der Gesichter kannte Yarik, aber einige von ihnen waren ihm auch vollkommen unbekannt. Letzteres traf vor allem auf die Truppe gröhlender Nordmarer zu, die sich an einem der Tische versammelt hatten. Ornlu und Maris hatten an demselben Tisch Platz genommen – Yarik nickte ihnen kurz zur Begrüßung zu – und Maris‘ Tochter war wohl gerade dabei, mit den wild aussehenden Nordmännern Freundschaft zu schließen. Yarik konnte nicht anders, als kurz zu lächeln, wenn er sah, wie das aufgeweckte Mädchen die weite Welt für sich entdeckte, auch wenn der Anblick ihn jedes Mal schmerzhaft an seinen eigenen Verlust erinnerte.
„Warum ist diesem dahergelaufenen Wüstenköter vergönnt, was dir genommen wurde?“, zischte plötzlich eine Stimme in seinem Hinterkopf. Yarik verzog kurz das Gesicht. Brandon… Warum musste der verdammte Barde ausgerechnet jetzt wieder auftauchen? „Warum sollte er nicht dein Leid teilen? Ihr Hals ist dünn wie ein Strohhalm…“
„Halt endlich deine verdammte Klappe, du von allen Göttern verdammtes Stück Scheiße!“, knurrte Yarik. Allein der Gedanke daran, was Brandon vorschlug, erfüllte ihn mit Abscheu.
Oder… tat er das wirklich?
War da nicht doch irgendwo in seinem Inneren ein dunkler Stachel, geboren aus Schmerz, Neid und Missgunst…? Brandon kicherte boshaft.
„Uff! Hey, warum bleibst du auf einmal stehen?“
„Was? Äh, entschuldige, mir ist nur gerade… egal“, winkte Yarik gegenüber Valerion ab, der in ihn hineingelaufen war, „Ich brauch ein Bier.“
Er trat an den Tresen und wartete geduldig, bis Mama Hooqua die Zeit aufbringen konnte, sich mit ihm zu befassen. Valerion schien bei der Bestellung kurz zu zögern, verlangte dann aber nur nach einem Krug Wasser.
„Noch’n Bier…!“, lallte plötzlich jemand neben Yarik und fiel dabei halb über den Tresen. Yarik rollte mit den Augen. Shakes…
Er legte dem Sumpfkrautfarmer die Hand auf die Schulter und drehte ihn zu sich herum. Shakes Blick war vollkommen vom Alkohol benebelt, er war so besoffen, dass er scheinbar sogar vergessen hatte, den Krautstängel zu entzünden, der ihm im Mundwinkel hing.
„Heeeeyy Yaaaaarik…“, blubberte Shakes, „Du hass ja nich schlech gekämpft da vo-hin…“
„Richtig. Du hast die verdammte Wette verloren, Shakes, also frage ich mich, was zur Hölle du hier suchen hast!“
Shakes zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nich… bissl feiern? Schau mal, der Wolf hat sogar seine ganze Hundesippe angekarrt! Sowas sieht man nich alle Tage, Kumpel… Und die Mädels…“ Er machte eine ungeschickte Drehung und deutete in Richtung der drei jungen Frauen, die Yarik zuvor auch kurz beim Übungsplatz gesehen hatte. Plötzlich stockte Shakes.
„Momennnt mal… die kenn‘ ich doch…“, knurrte er und verzog das Gesicht, als wäre er in einen Molerathaufen getreten, „Wassur Hölle hat die hier verloren?“
Ehe Yarik ihn daran hindern konnte, stolperte Shakes auf den Platz zu, an dem die Frauen saßen. Sein Ziel war ganz offensichtlich die Dunkelhäutige, die auf Yarik wie eine Reisende wirkte.
„Du…!“, fauchte Shakes. Yarik atmete tief ein und folgte dem betrunkenen Sumpfkrautbauern. Verflucht, warum tat er sich das eigentlich an? Er war doch nicht Shakes‘ verdammter Papa!
-
Eine Stimmung war das hier, viele Stimmen beherrschten die Lautstärke der Taverne. Heute war, eine andere Stimmung als sonst aber Valerion schien die Stimmung zu genießen. Hier und da nahm er Stimmfetzen auf, die von dem Kampf der drei deuteten, einige hatten wohl gewettet und wie es aussah, hatten sie die Wette knallhart verloren, weswegen sie ihr Gold an die Gewinner übergeben mussten. Valerion schmunzelte, aber er kannte es von seinem Piraten dasein, da wurde auch auf jeden Kampf gewettet und man musste zeigen, was man draufhatte.
Nachdem Yarik ein Bier bestellte, seufzte der Bärtige, er hatte immer noch Alkohol Verbot und musste deswegen nun einen guten Schluck Wasser trinken. Zum Glück war der Alkohol Verbot bald vorbei und er konnte wieder etwas trinken. Er wollte das zwar nicht mehr so intensiv wie früher trinken, aber ab und zu würde er sich wohl einen Schluck erlauben können. Yarik hatte einer Gruppe von Leuten zugenickt. Valerion selber kannte diese Leute nicht, einige schienen ehemalige Nordmänner zu sein, der eine sah etwas, merkwürdig aus er konnte nur einen Namen heraushören: Jadewolf.
„Sieht nicht aus Wie ein Wolf, eher wie einer der gerne mal zu viel Sumpfkraut zieht und vom Schläfer visioniert“, murmelte Valerion eher zu sich und grinste kurz.
Während Valerion auf Yarik wartete, der mit diesem Besoffenen sich unterhielt, geschah es plötzlich, das Shakes aufsprang und zu einer Frau stürmte. Der Typ schien sie zu kennen aber, um ehrlich zu sein, interessierte Valerion dies nicht wirklich. Er nahm einen Schluck wasser und versuchte, mehr Gesprächsfetzen aufzunehmen. Diese Pause und das beisammen sein taten ihm gut. Bei der Jungfrau hatte er immer nur auf das nächste Opfer Ausschau gehalten, es ausgeplündert und danach eine riesen Party gefeiert, bis er entweder mit einem Kater oder neben einer Schrulle aufgewacht war, obwohl sie am Vorabend noch deutlich Hübscher aussah!
Nachdem er jedoch hier gelandet war, hatte er die Zeit damit genutzt wieder zurecht zu kommen und hatte sich weniger neue Bekanntschaften gemacht. Doch es schien, als ob es heute anders aussah. Doch Valerion wollte mehr, viel mehr und er wollte beweisen, aus welchem Holz er geschnitzt war. Er blickte zu Yarik, der plötzlich verschwunden war um sich um Shakes zu kümmern. Valerion seufzte, lehnte sich an die Theke und beobachtete das Schauspiel aus sicherer entfernung.
Geändert von Valerion (02.03.2024 um 15:05 Uhr)
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
|