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Lehrling
Rhobar lauschte den Ausführungen des Meisterspions wortlos, nur hier und da nickte er zustimmend. Die Lage in Khorinis war ihm freilich längst aus den umfangreichen Berichten bekannt, die er sich von Daelon hatte anfertigen lassen. Seine Gedanken schweiften kurzzeitig ab und er erinnerte sich an seine eigene Zeit in Khorinis, erst als Gefangener der Minenkolonie, und anschließend während des großen Drachenangriffs.
Die Stadt war schon damals auf dem absteigenden Ast gewesen, und der Fall der Barriere, die Zerstörungen durch die Drachen und schließlich die Niederlage seines Vorgängers gegen die Orks hatten ihr den Todesstoß versetzt. Der Handel mit dem Festland war während der Zeit der Orkherrschaft vollkommen eingebrochen, so dass die Insel ihren Status als Umschlagplatz verlor. Da sie zudem kaum nennenswert eigene Waren produzierte – das magische Erz war ihr einziges echtes Kapital gewesen – versank die einst blühende Handelsmetropole innerhalb weniger Jahre vollkommen in der Bedeutungslosigkeit. Aber das würde sich bald wieder ändern. Zum Guten oder zum Schlechten.
Als Daelon geendet hatte, blickte Rhobar in die Runde: „Gibt es noch jemanden, der etwas dazu sagen möchte?“ Als niemand das Wort ergriff, nickte der König zufrieden und erhob sich. „Gut, dann ist es hiermit beschlossen. Großmeister, Ihr werdet persönlich dafür Sorge tragen, dass der Orden eine Truppe von ausreichender Schlagkraft nach Thorniara entsendet, so dass Lord Hagen über die Männer und Ausrüstung verfügt, um Khorinis wieder für das Reich zu sichern. Admiral, Ihr werdet die Seewege nach Argaan und von dort nach Khorinis sichern. Die Flotte muss garantierten können, dass die Nachschublinien nicht unterbrochen werden – auch nicht von den Orks, und schon gar nicht von irgendwelchen Piraten!“ Er richtete den Blick auf Daelon und schließlich auf Draconiz, der den Beratungen gelauscht hatte, ohne selbst etwas zu sagen. Gut für ihn, er wusste, wo sein Platz war… noch. „Draconiz, du wirst spätestens mit den ersten Verstärkungstruppen nach Argaan reisen, wo du Lord Hagens direktem Kommando unterstellt sein wirst. Ich erwarte, dass du dich nach Khorinis begibst und dort an vorderster Front stehst, egal welche Schwierigkeiten dir begegnen mögen. Und ich erwarte, dass ich regelmäßig und detailliert über alle Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten werde – das Botennetzwerk deines Onkels sollte dir gute Dienste erweisen. Das wäre dann alles. Die Versammlung ist hiermit beendet.“
Tak
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Vengard
Obwohl Rhobar sie nicht darum gebeten hatte, das Expeditionskorps zu begleiten, entschied sich Françoise dafür es von sich aus zu tun. Jemand musste die magische Unterstützung bereitstellen und die Geistlichkeit auf Khorinis repräsentieren. Gewiss hätte das auch ein anderer Priester aus dem hohen Rat erledigen können oder sogar ein hoher Feuermagier. Dadurch, dass die Oberste Feuermagierin es selbst tat, gab es der gesamten Expedition eine größere Bedeutsamkeit. Immerhin wollte Rhobar einen deutlichen Eindruck auf die Insel machen.
Aus diesem Grund wurde auch nicht nur ein Schiff für die Reise vorgesehen. Eine kleine Flottille von insgesamt fünf Schiffen hatte man auserkoren, um die Truppen und Vorräte nach Khorinis zu bringen. Das Leitschiff war kein anderes als die Victoria höchstselbst, das Flaggschiff des Königreiches. Noch deutlicher konnte man eine Botschaft der Rückkehr nicht senden, außer Rhobar wäre selbst nach Khorinis gereist.
Für Françoise gab es keine größeren Vorbereitungen zu treffen. Der Monolith und ihre Gerätschaften hatten die Kisten, in denen sie verstaut waren, noch nicht verlassen. Da die Reise über Argaan führte, hätte sie alles auch gleich dort lagern können. Nun wurden die großen Kisten abermals vom Tempelviertel zum Hafen transportiert und dann mit einem Kran auf die Victoria gehievt. Die vier kleineren Schiffe wurden indes mit einer Unmenge an Vorräten beladen. Wie der Schatzmeister während der Sitzung des Kronrats angemerkt hatte, wurde es eine kostspielige Angelegenheit. Denn nicht nur Khorinis sollte versorgt werden. Thorniara würde ebenfalls eine gewichtige Rolle als Zwischenhafen für alle zukünftigen Erztransporte werden. Entsprechend durfte sie ihrem khorinischen Pendant in nichts nachstehen. Hier hatte man auch aus der Vergangenheit gelernt. Während des letzten Krieges war Argaan durch die Flotten der Orks gänzlich vom myrtanischen Königreich abgeschnitten worden. Das Resultat war der Niedergang Thorniaras in Korruption und Misswirtschaft gewesen und das Aufbegehren Ethorns. Mit einer Handelslinie, die über Argaan führte, machte das Reich unmissverständlich klar, dass es dort war, um zu bleiben.
Als der Tag der Abreise gekommen war, traf sich die Oberste Feuermagierin noch einmal mit den Priestern des hohen Rates. Wie so oft, würden sie Françoise während ihrer Abwesenheit vertreten. Es fragte sich, ob ihr Amt als Hohepriesterin unter diesen Umständen überhaupt noch von Nöten war. Schließlich befand sie sich ständig auf Reisen oder war jahrelang verschollen. Das hatten die sechs Priester des Rates auch ohne Françoise gut überstanden. Und dennoch holten sie sie aus der anderen Welt zurück. Vielleicht stammte die Entscheidung der Obersten Feuermagierin, die Expedition zu begleiten, auch aus dem Versuch, den Ratsherren genau das vor Augen zu führen.
Neben Françoise schloss sich auch Gorax samt einiger Novizen der großen Reise an. Für den alten Magier war es eine Reise in die Nostalgie. Manch anderer Feuermagier hatte aus demselben Grund Interesse bekundet. Letztlich waren sie aber zu sehr auf dem Festland eingespannt, als dass sie nur der Erinnerung wegen den langen Weg auf sich nahmen. Auf Argaan, so hatte es die Oberste Feuermagierin geplant, würde sie noch einige andere Magier für die Expedition rekrutieren. Gewiss hätte Curt an der Reise zum Herkunftsort des berühmten khorinischen Weines Interesse. Und Felia würde über kurz oder lang die Priesterin aufsuchen, um ihre magischen Kenntnisse zu erweitern. Dabei etwas von der Welt zu sehen, würde ihr zweifelsohne gut tun.
Nachdem sie alle Besorgungen erledigt hatte, begab sich Françoise zum Hafen. Es herrschte immer noch reges Treiben am Kai. Fässer und Kisten wurden im Akkord an Bord der fünf Schiffe gebracht. Zudem eine kleine Herde von Kühen, Schafen und Ziegen. Es wurden tatsächlich keine Kosten gescheut. Auf der Victoria fanden in erster Linie die Soldaten Platz. Ihr Laderaum mochte zwar auch bis obenhin gefüllt sein, aber sie war immer noch ein Kriegsschiff. Im Fall der Fälle würde das Flaggschiff etwaige Angreifer abwehren, während die vier kleineren Schiffe das Weite suchten.
Schon während der Kronratssitzung hatte sich Françoise über das Alter des Großadmirals gewundert. Auch wenn sie sich dort das erste Mal persönlich gegenüber gestanden hatten, wusste die Priesterin, dass Lord Scaruder bereits seit geraumer Zeit das Oberkommando der königlichen Marine inne hatte. Dafür war er erstaunlich jung.
»Willkommen an Bord, Eminenz.«, empfing der Admiral Françoise. Obwohl Scaruder auch ein Paladin war, trug er keine der typischen Rüstungen. Statt dessen waren es ein tiefblauer Uniformrock mit goldenen Knöpfen und Schulterbändern und einem großen Zweispitz mit einer blutroten Kokarde.
»Vielen Dank. Die Vorbereitungen sind noch im vollen Gang.«, erwiderte die Priesterin und deutete auf den von Fracht und Menschen gefüllten Kai.
»In der Tat. Ich rechne damit, dass wir spätestens morgen in See stechen können.«, sagte Scaruder. »Die Quartiere für dich und deinen Anhang sind bereits eingerichtet.«
Mit einer Geste rief der Großadmiral einen niederen Offizier zu sich und instruierte ihn, Françoise den Weg zu ihrer Kajüte zu zeigen.
»Eine Sache noch.«, sagte sie an den Admiral gewandt. »Sir Lómin wird auch auf der Victoria Quartier beziehen?«
Der Gesichtsausdruck ihres Gegenübers wirkte angespannt, als hätte sie ein empfindliches Thema angesprochen.
»Ich hatte ihn für eines der anderen Schiffe eingeteilt.«, antwortete Scaruder schließlich. »Platz ist sehr kostbar an Bord eines Schiffes.«
»Ich wünsche, dass er an Bord der Victoria reist und ein Quartier in meiner Nähe bezieht.«, sagte Françoise. Es war offensichtlich, dass der Großadmiral nicht viel von Draco hielt. Wahrscheinlich hatte er von den anderen Paladinen mehr als genug Geschichten über den ehemaligen Assassinen zu hören bekommen, um sich über ihn eine deutliche Meinung zu bilden.
»Wenn du es so ausdrücklich wünschst, meinetwegen.«, sagte Scaruder.
»Ich danke dir. Ich unterweise ihn persönlich in der Paladinmagie und möchte ungern die Lektionen unterwegs aussetzen.«
»Er beherrscht unsere Magie?«, fragte der Seemann überrascht.
»Das tut er. Er ist in sehr gelehriger Schüler.«
Scaruder runzelte die Stirn. Ganz offenbar hatte Françoise ihn zum Nachdenken gebracht. Vielleicht hatte sie ihn sogar dazu bewogen, seine vorgefasste Meinung zu überdenken. Sie hoffte darauf.
»Ich werde jetzt mein Quartier inspizieren. Ich danke dir, Scaruder.«, sagte die Oberste Feuermagierin schließlich und folgte dem niederen Offizier in Richtung des Achterschiffes.
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Hafen von Vengard
»Ein einziges falsches Wort, vielleicht ein dummer Blick und er hängt dich«, Daelon erhob den Zeigefinger und drückte auf seine Brust. »Vergiss das niemals«
»Ich werde mit Hagen fertig«, entgegnete DraconiZ und schob den Zeigefinger sanft zur Seite.
»Vielleicht eher er mit dir«, meinte der Meisterspion säuerlich, signalisierte dann aber durch Seufzen, dass er seinen Widerstand einstellen würde.
»Bakaresh ist informiert?«, wechselte der Lord das Thema
»Ist es. Alenya und einige weitere wurden gerufen. Sie fahren direkt nach Khorinis«
»Gut. Ich stelle dir ebenfalls einige gute Leute zur Verfügung. Das ist deine Chance dich zu beweisen. Nutze sie und zerstreue die Zweifel«
»Ich will mein Bestes tun«, entgegnete der Klingenmeister zuversichtlich.
Sie standen innerhalb einer Seitengasse in der Nähe des Hafens und schauten auf die Prozession an Menschen die wie geschäftige Bienen alles vorbereiteten. Rhobar hatte gerufen und so geschah es. Wie die Hand Innos’ hatte der Kronrat alles in Bewegung gesetzt. Es war fast schon ein Spektakel alles so ineinandergreifend zu sehen.
»Sag mir die Wahrheit über deine Verletzung«, forderte der Paladin seinen Onkel auf.
»Alles unter Kontrolle«, meinte Daelon und verstärkte sein Lächeln noch einmal.
»Wir wissen Beide, dass es nicht so ist. Es ist mehr als nur, dass du dich nicht bewegen kannst«, meinte DraconiZ fast besorgt. Irgendwie hatte er den komischen Kauz lieber gewonnen als er gedacht hätte.
»Wenn du aus Khorinis wiederkehrst sprechen wir darüber und was aus dir wird«, versicherte der oberste Spion und legte seinem Neffen dann zwei Hände auf die Schultern. »Sieh zu, dass du den Anschluss nicht verlierst. Ich will keine Klagen hören. Unser Metier wird nicht befleckt!«
»So soll es sein«, meinte der Streiter sauertöpfisch und machte sich dann nach der Verabschiedung auf den Weg.
»Du gehst zum falschen Schiff«, rief ihm Daelon hinterher. DraconiZ schaute verwirrt zu ihm herüber. »Ihre Eminenz hat angeordnet, dass du auf die Victoria gehst«. Beide warfen sich noch ein Schmunzeln zu, dann trennten sich ihre Wege wieder.
Eine ganze Zeit später ging es los. Leinen wurden gelegt und die Segel wurden gesetzt. Ein wahrlich prachtvoller Anblick. Die Macht des myrtanischen Reiches war nun entfesselt. Irgendwie ging es auch zurück in die Heimat. Der Assassine fand Françoise an Deck, scheinbar wollte auch sie sich den Anblick nicht entgehen lassen. »Ich danke dir. Scheinbar muss ich jetzt nicht auf dem Versorgungsschiff im Stroh schlafen«, meinte er lachend. »Ich bin sicher, dass mein Bruder sich uns ebenfalls anschließt, wenn wir in Thorniara angekommen sind. Ich hoffe wir können dort noch einige Mitstreiter aquirieren«. Er schwelgte ein paar Momente in Gedanken. »Und? Hast du schon irgendwelche Übungen für mich, die wir während der langen Reise praktizieren können?«, fragte er schließlich die Gedanken verscheuchend.
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Beria
Da war man erstmals hier oben auf dem riesigen Fels der das Beriatal umfasste.
Genoss den Südwind und den Blick auf die Bucht von Trelis, sowie gen Varants Küste.
Wollte sich heute alle Beobachtungspunkte in Ruhe ansehen und einfach mal rundherum die phänomenale Aussicht auf die Welt um Beria an diesem klaren, etwas windigen Wintertag genießen und schon änderte sich alles.
Noch ehe sie die Nachricht irgendwie aus Kap Dun und der Küstenregion bekamen. Noch ehe sie überhaupt daran gedacht hatten, sie hier überhaupt zu sehen - gab es ein Wiedersehen mit der Fernanda.
Es mochte von hier oben so eine Sache sein, genau zu sehen, ob es wirklich die Fernanda war, waren die Menschen darauf nicht größer wie kleine Käfer in Nairas Augen.
Doch den einen Käfer mit dem Dreispitz und dieser Kapitänsuniform erkannte sie auf Anhieb. Die Haltung, der Gang und die Geste mit der rechten Hand. Das war Kapitän Ramos.
Ob er wusste, dass er ausgeraubt worden war? Dass jemand Informationen über ihn gefunden hatte, die er wohl verheimlichte?
Naira wusste das natürlich nicht. Einzig aber, dass Borin und Barik dort unten ganz sicher im Kerkerbereich unter Deck waren.
Zu deutlich sah man genau am Zugang zum Kerker zwei Wachen. Das war für Naira der zweite deutliche Anhaltspunkt, dass es die Fernanda sein musste.
Und als dritten Punkt gab es keine Zweifel daran, als sie den Hintern der Fernanda sah. Andere hätten wohl Achterdeck oder Heck oder sonst was dazu gesagt. Aber Naira war ein junge Frau vom Waldvolk und sagte dazu Hintern oder vielleicht auch Arsch.
Der war unverkennbar. So oft wie sie in Kap Dun daran vorbei gelaufen war, war es wie das Gesicht eines Bekannten zu erkennen.
“Und nun?”, fragte Chani. Ulik und Glen fragten sich das wohl auch.
Sie waren die Wächter hier am Beobachtungspunkt, der im Grunde aus einem großen Holzscheit für ein Alarmfeuer und einen kleinen Lager bestand.
“Machen wir sofort Bhor und Gisla Meldung. Die Fernanda segelt nach Trelis. Keine große Sache, aber wenn die beiden Baribals dort abgesetzt werden…”, sagte sie und ging schon los.
“Dann bleiben sie wohl in Myrtana.”, schlussfolgerte Chani.
“Vielleicht…vielleicht geht es aber auch nach Silden und dann gen Nordmar. Egal wie…es braucht jemanden, der das in Trelis beobachtet.”, sagte die immer noch Blonde oder mehr…noch mehr Blonde. Es war bald wieder Zeit.
Stunden später….
“Wieso darf ich nicht mit?”, klagte Naira.
“Weil es gefährlich werden könnte und Eskiel das so bestimmt hat.”, sagte Bhor.
“Und wer hat Eskiel das bestimmen lassen?”
“Er selbst. Er führt das Kommando und weiß sich in Trelis zu bewegen.”
“Ich auch, wenn du dich daran erinnerst, Bhor. Danzo geht geht doch auch mit.”, sagte sie und stemm,te die Hände in die Hüften, um ihren du-stirbst-gleich-für-mich-Blick aufzusetzen.
”Danzo ist ein Waldläufer in Ausbildung. Dir mangelt es an Waffenkenntnis und den Pfaden der Waldläufer.”, argumentierte Bhor ganz gelassen.
“Und den beiden mangelt es an der Fähigkeit der Infiltration! Eskiel kann sich nicht gut verstellen und verkleiden und Danzo…das weißt du selbst.”, sagte sie und zeigte mit dem Daumen auf sich.
“Wer sagt denn, das die Gefangenen nach Trelis kommen? Es gibt durch Torns Kommando Informationen, dass es ein großes Fort irgendwo bei Trelis gibt. Vermutlich geht es dahin und dafür braucht es Waldläufer, junge Naira.”
“Wieso bin ich das nicht? Ich werde schnell lernen, bin schlauer als Danzo und viele anderen und habe ein Auge für Details, die ihr Männer nicht habt.”
“Das Thing entscheidet. Arakos entscheidet. Die Waldläuferschaft entscheidet. So groß deine Talente sind, ist auch deine Vorstellung, dass du bereit dafür bist. Bist du aber nicht und etwas Demut wird dir noch gut tun, Naira. Danzo ist älter und hat sich schon bewiesen. Kap Dun ist keine Wildnis. Ohne dass ich irgendwas klein reden will, was du geleistet und geschafft hast. Auch du bist gut in der Wildnis, aber noch lange nicht soweit. Du wirst deine Chance bekommen. Aber nicht heute. Das bleibt mein letztes Wort!”, sagte der Baribal und blickte ernster.
Naira schnaubte auf, sah den kleinen Funken Wahrheit darin und blickte Bhor dann in die Augen. Ja, er wollte sicher selbst mit zu seinen Söhnen. Ihnen den Kopf waschen und sie da raus prügeln. Aber seine Emotionalität würde das Jagdkommando schwächen. Genauso Gisla. Und sie hatte sich wohl mit der Diskussion wieder ein Stück zurück bewegt, statt dahin wohin sie wollte.
“Schön! Dann hoffe ich, das sich bald mehr ergibt…”, knurrte sie und ging weg.
Geradewegs in Richtung Eskiel, Danzo und zwei von Berengars Leuten. Samorin und die rote Braenn.
Alles Leute die in Jagdkommandos gewirkt hatten, die auch sehr lange in der Wildnis bestanden.
Naira war in dem Moment traurig, das sie nicht dabei war und noch nicht soweit. Für sie hätte es nicht schnell genug gehen können. Sie hatte sich einen kleinen Namen verdient, aber was war das wert, wenn die Waldläuferschaft mehr davon hielt, dass man Wochenlang in der Wildnis bestand und mit dem Bogen, Speer oder dem Schwert sich behaupten konnte. So ihre eigene Sicht auf die ganze Sache.
In diesem Moment war ihr nicht klar, dass sie ihren eigenen Weg gehen musste und darin ihre Stärke liegen würde, statt zu versuchen Eskiel den schattenhaften Waldläufer oder Danzo in seiner stillen, grenzenlosen Energie hinterher zu kommen. Doch Naira war jung, ambitioniert und nach Kap Dun auch ein gutes Stück arrogant und noch mehr selbstbewusst.
Ohne was zu sagen stampfte sie an Gisla vorbei und setzte sich dann zu Chani.
“Sie wollen nicht glauben, dass ich mithalten kann. Gut, sollen sie schauen wo sie bleiben, wenn sie am Ende genau mich nicht dabei haben. Diese Braenn ist sicher gut, aber hat den Charme einer Milchmagd. Nur diesen Charme.”, meckerte Naira.
“Naira…das wird eine Spähmission. Sie kommen zurück und dann wird man sehen. Reg dich ab. Wenn sie nach Nordmar ziehen, können wir mit Unterstützung aus Duen Tymor rechnen. Und da sind wir sicher auch dabei. - Und außerdem…wenn die zwei Deppen nicht befreit werden wollen, ist die ganze Aufregung umsonst. Eskiel soll nur raus finden wohin sie kommen.”, sagte Chani.
“Sagst du! Wenn wir in Kap Dun die Gelegenheit gehabt hätten, sie da raus zu zerren, hätten wir das gemacht. Sie sind nicht ganz helle. Das sagst du selbst. Aber sie gehören zu uns. Eskiel wird zuschlagen, wenn sich die Gelegenheit bietet.”, meinte die Diebin.
“Und keiner riskiert seinen Arsch für zwei Deppen, die sich weigern werden. Erst recht nicht Eskiel. Komm mal runter, Naira. Du machst aus einer Blutfliege ein Urvieh.”
“Deine Mutter ist ein Urvieh!”, entgegnete die Dunkelhaarige und sah zu, wie das Kommando aufbrach.
“So gefällst du mir besser. Komm wir schauen uns noch ein paar der Beobachtungspunkte an, bevor es dunkel wird.”, meinte die Magiekundige und nahm Nairas Hand.
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Fort Nemora
Endlich! Dort lag ihre Zukunft. Borin sah zufrieden zu Barik hin und nickte in die Richtung wohin der Gefangenentross zog.
Ein Fort der Myrtaner hier irgendwo ein Stück von Trelis weg lag vor ihnen. Wochen Gefangenschaft auf dem Schiff hinter ihnen. Immer noch begleiteten sie die Schiffswachen und immer noch waren auch manch Bastarde hier dabei, die mit ihnen unter Arrest waren. Das die Myrtaner jeden als Rekruten aufnahmen, sprach wohl dafür, dass an den Grenzen die Kacke am dampfen war.
Borin fand es jedoch gut. Zum einen konnten sie als Baribals sich einen Namen in Nordmar verdienen und zum anderen waren diese Bastarde einfach nur die Pufferzone zwischen ihnen und den Orks, wenn es zur Sache ging.
Borin hatte sich in all der Zeit sogar Worte zurechtgelegt, um gleich zu beweisen, was er drauf hat. Einen großen Zweihänder wollte er und eine anständige Rüstung. Dann würde er Ork für Ork zu Beliar schicken. Rücken an Rücken mit Barik und ein paar anständigen Kampfgefährten.
“Was Vater vollbrachte, werden wir übertrumpfen. Unsere Leute werden uns mit Arakos und den ganzen Veteranen vergleichen und der Name Baribal wird in den Liedern besungen.”, sagte der Hüne von zweiundzwanzig Sommern zu seinem Bruder, der zwei Jahre jünger war.
“Ich hoffe, das wird Morena zeigen, dass ich es wert bin. Bei Adanos, wie ich sie gerne jede Nacht beglücken würde. Sie würde mir Söhne schenken und gemeinsam wären wir ein starkes Paar, das bei unseren Leuten was zu melden hätte. Und Dunca? Eine Telcontar in der Familie ist immer gut. Meinst du, sie hält sich an das Versprechen, dass sie dir gab?”, fragte Barik.
“Wenn sie eine Telcontar wie ihre Mutter ist…ja. Aber weißt du…wenn wir aus Nordmar zurück sind…können wir jede haben. Sogar eine der Amazonen. Wenn auch nur für ein paar Nächte. Wir werden Helden sein, Bruder! Und das wird der Anfang der Baribal-Sippe! Unsere Legende ist der Anfang und unsere Söhne und Töchter, werden das vollbringen, wovon Großvater geträumt hat. Wovon wir träumen.”, sagte Borin entschlossen.
“Unser Bärenbanner, Macht im Thing und ein Gegengewicht zu den Snappern und Falken. Hätten wir noch Druiden die sich uns anschließen…umso besser. Vater wird es dann auch endlich einsehen!”, flüsterte Barik und ballte die Faust. Borin nickte und schwieg dann, weil sie schon beobachtet wurden. Ihr Vater Bhor hätte nach all seinen Taten für das Waldvolk schon einen Grundstein legen können, um die Familie Baribal zu mehr zu machen, als nur eine alte Familie die mit den Arkas - denen Arakos angehörte - und den in Nordmar verschollenen Ursal verwandt zu sein. Die drei Familien ergaben einst die alte Bärensippe. Jene die durch Machtkämpfe untereinander sich aufteilte und lange Zeit großen Abstand zueinander hielt. Doch die Zeiten waren anders und die vor allem machthungrigen Ursal waren seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen worden. Es war Zeit - so ihr Großvater - das Bärenbanner wieder auszurollen. Mit einem zweiköpfigen Bären, statt den einstigen Dreien.
Sie kamen an und ein großes Tor öffnete sich. Borin sah auf und war nicht überrascht, über die hohen Türme und die Palisade drumherum. Die Myrtaner hatten nunmal Angst vor der Wildnis, die um dieses Fort drumherum war.
So Borins Denke, der die Myrtaner im Grunde als Feinde sah, allerdings hier als Mittel zum Zweck. Sie brauchten Typen wie die Baribalbrüder. Davon waren Borin und Barik überzeugt. Und im Waldvolk hätte man sie niemals losziehen lassen, um in Nordmar Orks zu jagen. Keldor, ihr Ausbilder, war strikt dagegen sie dahin ziehen zu lassen und hatte damals schon gemeint, dass sie noch viel lernen müssten. Doch - so Borin - waren sie kämpferisch dem Waldläufer weder unterlegen, noch fürchteten sie die Orks oder den Tod, wenn es ihr Schicksal war.
“Weiter…”, raunte sie eine Wache am Tor an, während die Brüder über die Ordnung hier staunten. Ja, es stank furchtbar nach Menschen der Städte und nicht alles war perfekt in den Augen eines Waldvölklers. Einfach waren die Hütten und größeren Gebäude, aber so war es wohl beim Militär. Zweckmäßig, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Myrtaner verstanden es zumindest auch, ihre Gebäude ordentlich zu bauen und in wohl gleichen Abständen zu errichten. Geometrie oder sowas nannte das mal ihre Mutter, auch wenn Borin darauf nicht viel gab. Er war Krieger und solange seine Axt geometrisch korrekt seinen Gegner tötete, war alles gut.
Sie hielten vor einem Haupthaus, wo schon alles vorbereitet schien. Ein Schreiber an einem Tisch. Männer in starken Rüstungen. Ein alter Sack in einer seltsamen, ockerfarbenen Robe. Ein ganz hohes Tier in der typischen Blechrüstung und ein paar andere hochgerüstete Herren bei kräftigen Pferden, zu denen eine Frau in Reiterstiefeln und schwarzen, kurzen Haar ging und sie mit einer Verneigung begrüßte. Borin und Barik gefiel die Frau. Eine Kriegerin, die diesen besonderen Blick besaß. Vor ihr würde er gerne mal nackt im Bett salutieren.
Kapitän Ramos salutierte vor den Blechbüchsen und verneigte sich vor dem Robenträger. Er übergab dann eine Liste und einen Brief, der, nicht für sie hörbar, vom Schreiber vorgelesen wurde.
Der offensichtliche Kommandant dieses Stützpunktes las selbst und blickte dann zu den fast zwei Dutzend die sie waren. Viele vom Schiff, manche von hier in jämmerlicher Kleidung. Dann trat er vor.
“Willkommen in Fort Nemora! Ihr seid allesamt Verbrecher und wie Verbrecher es verdienen, werdet ihr im Namen Innos und des weltlichen Gerichts des myrtanischen Reiches jetzt verurteilt. Schreiber…lies die Namen vor und dann soll derjenige vortreten!”, befahl der Kommandant und stellte sich zum offensichtlichen Richter, der beim Schreiber Platz nahm.
“Kjan von Ardea. Genannt Kjan der Irre. - Angriff auf Stadtwachen, Beleidgung des Herrn, Räuberei und Raub einer Magd, die bis heute nicht gefunden wurde..”, las der Schreiber vor und zwei von Ramos Leuten schubsen den Kerl vor, den Barik und er verprügelt hatten, als der schwarze Spatz Dunca und Morena befreite. Der Irre sah immer noch übel aus, grinste und lachte aber nun wieder so dämlich.
“Irgend ein Akt der Reue oder Bekenntnis? Willst du uns sagen, wo die Magd ist?”, fragte der Kommadant. Kjan grinste nur und furzte lautstark. Der Richter sah ihn ernst an und schlug mit einem Holzhammer auf den Tisch.
“Zwei Jahre in den Minen von Nemora. Einzelhaft und Ketten an Händen und Füssen. Damit diese wilde Bestie nicht noch mehr schadet. Danach soll er in Ardea öffentlich gehängt werden. Der Nächste!”, sprach der Richter und Barik blickte verstört zu Borin. Kjal hingegen wurde weggeführt und bekam neue Kleidung
“Uns geschieht schon nichts… - haben die doch gesagt.”, sagte der Ältere.
“Gunnar von Nordmar. Öffentliche Beleidigung seiner Majestät Rhobar III. - Beleidigung ehrbarer Bürger Vengards im Vollrausch. - Widerstand gegen die Stadtwachen.”, las der Schreiber vor und der Kommandant forderte den Nordmarer auf sich zu rechtfertigen.
“Man hat mir was ins Getränk gekippt, Herr. Ich schwöre bei den Ahnen! Niemals würde ich euren König beleidigen oder eure Leute in Vengard. Das müsst ihr mir glauben! Mein Clanlord wird für mich bürgen! Ich wollte niemals auf die Statue von Rhobar kotzen.”
“Es ist DEIN König und auch DEINE Leute. Darüber wirst du in den Minen nachdenken dürfen. Ein Jahr in den Minen oder ein Treueeid auf König und Myrtana und damit verbundene militärische Dienste, für unseren ehrenhaften Nordmarer. Wähle!”, sagte der Richter und das war der Moment, auf den Borin wartete. Er stupste Barik an und meinte, dass er jetzt genau aufpassen müsse.
Der Nordmarer spuckte zu Boden und wählte den Militärdienst.
“Drei Monate Minen für diese Respektlosigkeit. Danach…sollte er überleben…in den zweijährigen Militärdienst der Verbrecher-Kompanie in Varant. Varants strafende Sonne, wird dir gut tun und dort wird dich Innos Demut vor der Weltlichkeit lehren.”, urteilte der Richter und wurde durch den Kommandanten bestätigt. Borin grinste über den Nordmarer. Er blieb sich treu. Das konnte man sagen. Für ihn und Barik stand jetzt schon fest, was sie wählen würden.
“Esram der Dieb. Taschendiebstahl am Marktplatz zu Vengard. Raubüberfall auf einen ehrenhaften Bürger der Stadt Vengard. Flucht vor dem Gesetz, bis man ihn in Faring aufgriff. Kein Widerstand.”, sagte der Schreiber auf und ein Varanter wurde vor den Richter gebracht.
“Bist du Beliaranhänger? Wo ist deine Beute?”, fragte der Kommandant.
“Ichhhh chabe mit Beliar schon lange gebrochhhen! Nur chabe ich noch nicht zu Innos gefunden. Meine Beute ist weg...geklaut chabe ich aus Chunger, Said! Ichhhh chabe nichtz mehr.”, erklärte sich der Dieb.
“Wähle - ein halbes Jahr in den Minen und den Verlust deiner rechten Hand danach oder zwei Jahre Militärdienst in der Verbrecher-Kompanie in Nordmar!”, sagte der Richter. Die Brüder nickten sich zu. Es lief doch nach Plan.
Esram wählte den Militärdienst, war aber in Borins Augen alles andere wie dafür geeignet.
“Borin und Barik von den Waldbanditen. - Überfall auf ein königliches Schiff in Kap Dun. Widerstand gegen die Stadtwachen. Ausbruchsversuch und Befreiung zweier Mitgefangener. Zugehörigkeit zu den Waldbanditen.”, sagte der Schreiber und Borin verzog das Gesicht. Das sie ihnen andichteten einen Ausbruchsversuch gestartet zu haben und die beiden Frauen dabei befreit zu haben, war nicht auf ihren Mist gewachsen - auch wenn er es gut hieß.
Doch die Wahrheit schrieben immer die Sieger - so sagte es sein Vater einmal. Das mussten sie so hinnehmen, denn die Aussage von Ramos war sicher mehr wert wie die seine.
Beide Brüder wurden mit Speeren nach vorne gebracht.
“Wir knien nicht, heh? - Auf die Knie! Oder ich richte euch direkt hin, ihr Vogelfreien!”, zischte der Kommandant. Sie waren nicht die Ersten vom Waldvolk die er traf. Das sagte sein Blick. Borin blickte zu Barik und sie nickten sich zu. Sie hatten einen Plan und tot würden sie diesen nicht umsetzen können.
“So ist brav, ihr Wilden aus den Wäldern. Und nun sagt…war es den Ärger wert in Kap Dun? Was wolltet ihr mit dem Schiff? Nach Argaan flüchten? - Ihr sollt euch sehr dumm angestellt haben. Seid ihr dumm?”, fragte dieser Arsch und Borin hätte ihn einen Kopf kürzer gemacht, wären sie nicht in dieser Situation.
“Es ging um die Frauen, Herr. Eine Frau ist in meinem Volk viel wert, denn sie schenkt Leben. Wir wollten sie befreien und sind gescheitert. Argaan war nicht unser Ziel…wir haben keine Ahnung von Schiffen, Herr.”, antwortete Borin und wartete einen Moment.
“...doch gebt mir und meinem Bruder eine Rüstung und große Waffen und wir werden in Nordmar Orks jagen! Wir werden sie das Fürchten lehren! Kämpfen können wir und in der Wildnis sind wir die Herren!”, erklärte er laut und deutlich.
Der Kommandant blickte sie irritiert an und begann dann laut zu lachen. Alle freien Myrtaner begannen laut zu lachen. Borin wollte sie erschlagen und Barik war kurz davor.
Dann hob der Kommandant die Panzerfaust und gebot Ruhe. Sein Blick ging zum amüsiert wirkenden Richter.
“Edelmütig wollten sie das Weibsvolk retten und heldenhaft Orks jagen. Sind aber schon an Stadtwachen in Kap Dun gescheitert und haben sich zwei Mal gefangen nehmen lassen. Ein Jahr in den Minen von Nemora oder zwei Jahre Militärdienst in der Verbrecher-Kompanie …in Varant, meine jungen Herren der Wildnis! Weit weg von den Orks und fern UNSERER Wälder könnt ihr euch beweisen.”, sprach der Richter.
“Wieso nicht in Nordmar, euer…Gnaden? Bitte! Gebt uns die Gelegenheit.”, sagte Barik entrüstet.
“Frech ist er auch noch. Einen Waldbanditen schickt man in die Wüste. Einen sturen Ziegenbock aus Nordmar schickt man in die Wüste. Einen verschlagenen Varanter schickt man nach Nordmar. Wieso dürft ihr euch selbst ausdenken.”, sagte der Richter mit seiner quäkenden Stimme.
“Militärdienst…”, sagte Borin knapp und Barik schüttelte nur den Kopf und sagte es ebenso. Was sollten sie zur Hölle in Varant? - Kommandant und Richter besprachen sich noch kurz.
“Damit ihr lernt zu gehorchen und zu knien, wird wie bei allen die Grundausbildung in der Mine beginnen. Eine Rasur und ein anständiger Haarschnitt, wie es sich für Rekruten des Militärs gehört, gibt es für euch zwei Barbaren sogar hiernach ohne Gegenleistung! Danach sollt ihr zwei Jahre im Militär dienen! - Die Nächsten!”, richtete der Würdenträger und Borin und Barik wurden abgeführt.
Sie bekamen dünne Hosen und ein altes Hemd, das bei beiden an der Brust ziemlich spannte und dann sollten sie sich schön hinsetzen und warten.
Währenddessen wurden dort auch andere abgeurteilt.
Borin blickte ratlos und zornig zu Boden und dann zum Kommandanten und den verdammten Seeleuten, denen sie geglaubt hatten. Waren sie wirklich so naiv gewesen? Oder wurden sie sogar verarscht?
Borin raufte sich durchs Haar und blickte zu Barik. Der heckte schon was aus, sah sich listig um und widmete Borin einen Blick, der aussagte, dass alles schon gut wäre. Er war nicht sauer auf ihn, sie waren doch beide in diese Snapperkacke getreten.
“Warten wir einen Moment.”, sagte Barik und sie schauten beide zu einen weiteren Varanter.
Ornlu
Geändert von Ornlu (08.01.2025 um 22:16 Uhr)
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Beria - Thingstätte
Naira schnitzte mit ihrem Messer an einem Stück Holz, während sie am Thingplatz mitten im alten Kiefernhain, sich mal eine Auszeit von allem gönnte.
Ja, die Zeit dafür, mal mit sich selbst klarzukommen, die Dinge neu zu betrachten und die Ziele zu justieren, fehlte irgendwie.
Immer war was los und so gern sie mittendrin, statt nur dabei war - so waren ihr die paar Stunden Ruhe von all dem auch ganz lieb gewesen.
Ja, sie hatte sogar wieder mit Zeichnungen begonnen, bis sie sich selbst sagte, dass sie noch ein paar Eindrücke oder finale Gedanken brauchte, um die Zeichnungen abzuschließen.
Sie hatte gerade die dritte, sehr grob geschnitzte Figur fertig bekommen, da hörte sie dumpfe Schritte auf den recht weichen, Kiefernnadel gesäumten Boden.
Sie drehte sich um und lächelte sanft auf.
“Bewahre! Chani sagte uns, dass du hier wärst und auf irgend einen Prinzen wartest, der dich auf dem Waldboden mal so richtig durchnimmt.”, sagte Morena kek und sah sich um. Dunca nickte ihr freundlich zu und schüttelte schon den Kopf.
“Bewahret ihr beiden. Schön euch zu sehen. Leider hat er mich versetzt und ist auf seinem Drachen davon geflogen. Silbernes Haar, edle und junge Gesichtszüge, ein Lächeln wie Adanos es nicht besser schaffen könnte, weiße Zähne und ein Körper, wie aus eurer schmutzigsten Fantasie. Ein Schwert das man zu gern anfassen würde und ein Blick der sagt - dir werden die Kiefernnadeln im Hintern nichts ausmachen, wenn wir beide durch die Hitze unserer Vereinigung den Nebel hier vertreiben. Tja…der gute Prinz hat was verpasst - oder ich.”, entgegnete sie und bemerkte, dass Dunca was dabei hatte. Morena grinste breit und musste sicher an das Schwert denken, während Dunca ihre Gedanken fast zu verheimlichen wusste.
“Die arme Chani hat wohl schon lange nicht mehr das Vergnügen gehabt, wenn sie beim Gedanken an mich von sowas fantasiert. Setzt euch. Was gibt es?”, fragte Naira.
“Wir haben was für dich. Hatten dir es ja versprochen, Naira.”, sagte Dunca ein wenig aufgeregt und wartete gar nicht darauf, dass Naira selbst in den Sack schaute. Sie zog an etwas und sorgte dafür, dass Naira große Augen machte.
Es war ein Lederharnisch aus dunklem Leder mit grauen Lederstücken als Verstärkung und Zierde.
“Was ist das? Das ist doch nicht für mich?”, fragte Naira.
“Das ist das Geschenk meiner Familie an dich. Dunor hatte die Idee und Vater und ich haben daran gearbeitet und ausgebessert, damit es passt.”, erklärte Dunca und drehte das gute Stück.
“Deswegen hattest du Maß an mir genommen? Wie…wo…wieso ging das so schnell, Dunca?”, fragte die Diebin. Gewöhnlich dauerte sowas lange, bis man genug Leder hatte und dann musste man es auch noch anpassen. Es war aber gerade mal drei Tage her.
“Wir sind eine Familie die jagt und das Leder verarbeitet. Schon immer waren das die Nimrods.
Der Harnisch hatte meiner Schwester gehört. Dina hieß sie und sie hatte diesen mit Dunor, meinem Vater und meiner Mutter hergestellt. Ich habe diesen geerbt, doch ich habe damals nichts beitragen können und verdiene diesen nicht wirklich. Du hast mir das Leben gerettet und meiner Familie weiteren Kummer erspart. Da ist es das Mindeste, dass du den Harnisch bekommst. Du wirst den Schutz brauchen, wenn du wieder von einer Irren gejagt wirst. Nicht immer entkommt man so einfach, weißt du?”, erzählte Dunca und lächelte sie aus traurigen Augen an.
“Danke… Dunca. Das ehrt und rührt mich. - Erzähl mir bitte von Dina.”
“Dina war die Älteste von uns. Hatte vor drei Sommern geheiratet und starb leider vor zwei Wintern bei der Geburt ihres Sohnes. Meister Porgan konnte nichts mehr tun. Der kleine Aethelios kommt ganz nach ihr und wächst bei seinem Vater Aethelian auf. Seine Tante Aesa kümmert sich um ihn rührend und säugt ihn und seinen Vetter Kalan. Sie sind Telcontar in Duen Tymor. Ich will sie mit Dunor im Frühling besuchen. - Dina fehlt mir. Sie hat mir und Morena so viel beigebracht. Sie fehlt uns allen.”, sagte Dunca mit Tränen im Gesicht. Naira drückte sie und Morena legte ihr die Hand auf die Schulter und sprach tröstende Worte, bis Dunca sich wieder fing.
“Ich hoffe, es ändert nichts daran und du nimmst dieses Geschenk an. Es wäre uns eine Ehre. Der Harnisch ist aus gehärtetem, dunklen Snapperleder. Haben Dina und Vater in Varant gejagt. Alles Graue ist doppelt gehärtetes Snapperleder und verstärkt den Harnisch ungemein. Du bist flexibel und gut geschützt. Na willst du ihn anprobieren?”, fragte Dunca und hielt den Harnisch hoch. Naira streckte natürlich die Arme aus und Dunca half ihr direkt rein zu schlüpfen und an der linken und rechten Seite durch Riemen stramm zu ziehen. Es war etwas steifer als gedacht, aber wirklich noch flexibel genug, dass die Rüstung Nairas Bewegungen mitmache. Naira hüpfte damit, schlug ein Rad und machte lachend einen Handstand.
“Danke! Vielen Dank! Das übertrifft wirklich alles, Dunca. Sag deiner Familie, dass ich begeistert bin.”, sagte sie und tastete noch an sich herum. Es war etwas groß, doch das lag nach Dunca daran, dass ihr noch ein passender Wams fehlte.
“Dann warte mal ab, was du von mir bekommst. Dunca sprach es an. Nicht immer entkommt man seinen Verfolgern und dann kommt es darauf an, das man sich wehren kann. Dir fehlt es ja noch an Kenntnissen über den Speer oder ein paar Tricks mit dem Schwert, aber was ich dir schenke ist besser und flexibler!”, sagte Morena mit ein wenig Stolz und viel Selbstbewusstsein.
Sie reichte Naira ein ledernes, zusammengerolltes Bündel. Naira fragte sich nicht lange, was da drin war. Sie spürte es ja schon, als sie das Bündel in den Händen hatte.
Als sie es dann ausrollte, fluchte sie euphorisch und schüttelte den Kopf.
“Doch! Die sind alle für dich. Zieh sie mal raus!”, forderte Morena auf. Naira begann mit dem größten Objekt. Sie hob die Tomahawk-Axt und fuchtelte damit ungeübt herum.
“Pass damit auf…hilft dir in der Wildnis und später einmal gegen deine Feinde. Hab ich mal von einem Verehrer geschenkt bekommen, aber ich hab schon Drei.”
“Drei Verehrer?”, fragte Naira grinsend.
“Die auch…aber ich meine Tomahawks. Sind schon verdammt nützlich, oder? Schau dir jetzt das an!”, sagte die Schwarzhaarige und zeigte auf das kleinste Objekt, das man sich wie einen Anhänger um den Hals hängen konnte. Naira zog einen wirklich kleinen, pfeilspitzenartigen Dolch aus einem angespitzten Knochenmaterial hervor.
“Von einer Wolfsschulter. Hab ich selbst geschnitzt. Scharfkantig genug, um Fleisch und Haut zu trennen und in der Not schlitzt du damit jemandem die Kehle auf. Nicht schlecht für so ein kleines Ding, oder?”, sagte die Jägerin.
“Du bist ziemlich gut gewappnet, Morena. Hast du denn noch Waffen übrig?”, fragte Naira und deutete auf den Rest.
“Mehr wie genug. Solltest mal ihre Kammer sehen. Sie sammelt…”, sagte Dunca. Morena schürzte die Lippen und nickte stolz.
“Sammelst du durch sammeln oder ist das Beute?”
“Echte Beute mit einer Geschichte behalte ich. Solltest du auch. Manchmal will sich ja jemand rächen und dann sollte es schon die Richtige treffen, die dann neue Beute hat.”, sagte Morena mit einem Zwinkern und Naira verstand.
Es machte Morena ein wenig unheimlich. Sie liebte wohl Waffen? Und an die Waffen anderer zu kommen…
Naira griff nun die beiden verbliebenen Waffen und ahnte an den Formen und Machart der Lederscheiden, dass es waldvölkische Waffen waren.
Sie zog dann zunächst ein waldvölkisches Sax-Messer hervor. Schutzrunen waren darauf eingeschlagen und es hatte einen schönen verzierten Griff. Damit konnte man kämpfen, aber auch den Alltag meistern. Naira nickte dankend Morena zu und dieser gefiel es wohl, dass die Waffen bei Naira gut ankamen.
Das Beste kam bekanntlich zum Schluss. Sie zog die breite Klinge aus der Lederscheide und bestaunte den waldvölkischen Kampfdolch. Eine ausgeprägte Griffnase schützte die Hand und konnte einen leichte Waffe auch parieren, während die leicht gewundene Klinge scharf und der lange Dolch mit dem Holzgriff und Knauf mindestens eine halbe Elle lang war.
“Damit stichst du selbst einen Ork ab, wenn du genau richtig triffst. Ich hoffe, du weißt zu schätzen, was du da in der Hand hast.”, sagte Morena fast ein wenig ehrfürchtig vor dieser Waffe. Der Kampfdolch war kein legendäres Schwert oder dergleichen, aber es war schwer in dieser Machart zu bekommen und nicht jeder besaß sowas. Die wenigen Schmiede des Waldvolkes stellten die Messer und Dolche nicht täglich her, denn aus demselben Material konnte man zwei oder drei einfache Dolche schmieden und Erz war beim Waldvolk nunmal ein seltener Rohstoff.
“Vielen Dank, Morena. Ich tippe mal, du hast es dir aus Beutewaffen schmieden lassen?”, fragte Naira.
“Ein rostiges, schweres Kurzschwert genügte damals für deins und…” - Morena zog hinter ihrem Rücken einen Zwilling des Kampfmessers hervor - “...und meins! - Ich musste nur einen Verehrer lieb fragen, ob er mir alle Klingen nochmal schärft und die Lederscheiden erneuert. Sie gehören dir, Naira. Tränke sie im Blut deiner Feinde und erzähl mir dann die Geschichte dazu!”, sagte die Schwarzhaarige martialisch. Sie könnte einmal eine Amazone werden.
Naira lachte und versprach, jeden zu dokumentieren und es ihr zu erzählen. Dabei war Naira nicht darauf aus Menschen zu töten. Bhors Einfluss und viele Gespräche mit dem Krieger Adanos’ hatten da Naira deutlich ein paar Dinge vor Augen geführt. Und die wollte sie beherzigen, solange es möglich war.
Danach bedankte sich die Diebin noch einmal und drückte beide Frauen. Gleichzeitig kam sie sich doof vor, für die beiden nichts zu haben. Obwohl sie ihre Leben gerettet hatte.
“Und nun erzählt mir mal eure Version von der Sache in Kap Dun.”, bat sie und legte ihre neuen Waffen an. Morena und Dunca hingegen setzten sich hin und überlegten, wer beginnt.
Geändert von Naira (11.01.2025 um 09:38 Uhr)
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Beria - Thingstätte
“Zuerst einmal sind die beiden Baribals schuld!”, sagte Morena energisch.
"Ja, an allem!", fügte Dunca zu.
“Sie hatten uns in Beria Sumpfkraut angedreht und wollten uns dann beide ausführen. Borin und Dunca hatten sich schon ein paar Mal getroffen und beim letzten Beltaine…”, sagte Morena und Dunca lief erst rot an, bevor sie dann doch sehr frech grinste.
“Barik hingegen war und ist immer scharf darauf gewesen, mich aufs Eiswolffell zu werfen und einen Haufen schöner, schwarzhaariger Bärenjungen zu machen. Ich hätte ja nichts dagegen, eine Baribal zu werden und seine Direktheit ist schon was, was mir gefällt. Nur ist Barik auch ein Idiot, Rebell und Aufschneider!”, klagte Morena.
“Und Borin ist nicht besser, wenn die beiden erst einmal aufdrehen. Und da beginnt die Geschichte. Wir hatten erst einmal ihr seltsames Sumpfkraut geraucht und sind dann gegen Mittag losgezogen. Nach Ardea, weil dort eine Bauernhochzeit gefeiert wurde und jeder geladen war, der guten Willens war und was zusteuerte.”, erzählte Dunca.
“Da hatten die Baribals gut vorgesorgt. Haben einen großen Schinken und etwas Kräuterbier mitgenommen und das war unser Geschenk an das junge Paar. Die Braut war hübsch, der Bräutigam…nun, der hatte sicher ein paar gute Felder zu bieten, um die zu kriegen. Es war ein schönes Fest mit viel Tanz und Gesang. Einfache Leute und der verdammte Feuermagier hatte sich auch schnell verzogen, als die Bauern den Korn auspackten und er nicht mittrinken wollte.”
“...diese weltfremden Feuerknechte! Sind sich wohl zu fein für bodenständiges Volk! Da trinkt man mit! Verdammich!”, fluchte Naira und ließ Morena weiter erzählen.
“Ja, genau! Der würde bei unseren Festen keine Stunde überleben! Das gehört sich so bei allen Völkern! - Barik musste aber jeden, der mit mir tanzen wollte, provozieren und Borin war natürlich auch gleich mit dabei, als Dunca gefragt wurde. Sie benahmen sich wie zwei betrunkene Gockel, dabei hatte es mit den beiden bis dahin wirklich Spaß gemacht. Das die immer gleich als Duo den Starken markieren wollen...und denken, dieses Gehabe gefällt uns auch noch”, sagte Morena und schüttelte den Kopf.
“Ich wette, in der Hochzeitsnacht steht auch immer einer hinter seinem Bruder oder sie wechseln sich ab.”, lachte Naira und die beiden gleich mit. Dann erzählte Dunca weiter.
“Natürlich gab es irgendwann Ärger. Die Jungs vom Dorf lassen sich von zwei Riesen von sonst wo nichts sagen. So wechselten Beleidigungen den Besitzer, dann prügelten sie sich und dann haben sie zusammen gebechert. Männer halt. Wir tranken dann auch ordentlich mit den Jungs mit. Haben die jungen Bäuerinnen und Mägde auch und mir gefiel nicht, wie Borin von den Weibern angeguckt wurde.”, sagte Dunca. Morena erzählte dann kurz, dass sie und Borin schon über etwas mehr wie nur Spaß sprachen und sie sich das gut vorstellen kann.
“Oh, das würde Gisla gefallen. Sie wollte mich und Chani schon ihren Söhnen mal vorstellen. Gisla ist eine tolle Mutter. Ein Segen! Aber die Bären im Sack wollten wir so auch nicht und auch nicht, nach Kap Dun. Borin und Barik gehören euch.”, warf Naira ein und Morena lachte winkend ab.
“Vielleicht für ein magisches Schwert! Aber Barik hat erst einmal verschissen und ist wirklich ein Depp. Soll er doch in Nordmar Orks zählen und sich seine großen Eier abfrieren!”
“Und Borin ebenso! - Nunja! Wir
tanzten noch ein paar Mal und das Ende vom Lied war, dass wir auf dem Weg nach Tirith den falschen Weg genommen haben und vor allem die Jungs stockbesoffen waren. Wir waren auch gut dabei, aber die Baribals vertragen irgendwie nichts. Morena merkte irgendwann, dass wir um die Palisade von Kap Dun gingen und dann begann der Ärger. Die Brüder brüllten vor dem Tor, dass die Könige von Myrtana da wären und sie gefälligst aufmachen sollen. Dann pinkelten sie gegen das Tor und zeigten den Torwachen den blanken Hintern. Wir fanden es lustig, bis sie auf uns schossen. Wir ergaben uns sofort. Das Tor ging auf und ein alter Mann in Rüstung trat wütend heraus. Aber mehr so wie jemand, der einem eine Standpauke gibt. Barik musste ihn ja sofort beleidigen und Borin war noch schlimmer! So dumm!”, erzählte Dunca und ließ Morena den finalen Teil.
“Der alte Mann ließ die Armbrüste spannen und wollte die beiden erst einmal gefangen nehmen. Klar sah er ihnen an, dass sie sturzbesoffen waren. Barik aber rannte lachend los, vorbei an der Stadtwache und direkt in die Stadt. Borin war einen Schritt hinter Barik und wir standen da wie dumme Gänse. Wir wurden festgenommen und unsere zwei Helden lachten immer noch über ihre Aktion. Als sie dann sahen, dass sie uns hatten, schrie Borin laut NEIN und weckte sicher die ganze Stadt. Barik hingegen hatte besoffen eine räudige Katze gefangen und Borin kurz darauf einen Eimer, den er für einen Hund hielt. Sie wollten Geiseln tauschen und wurden ausgelacht.”
Naira musste bei der Vorstellung daran gerade aber auch lachen und Dunca meinte, dass sie Borin immer vorhalten würde, dass er sie gegen einen Eimer umtauschen wollte.
“Ach, ich habe den Kater kurz gesehen. Das wäre kein guter Tausch für Barik gewesen. Ich werde ihn für die Zeit im Kerker die Augen mit meinem Stilett ausstechen und dann braucht er an Familienplanung gar nicht mehr denken! -
Jedenfalls tickte Borin dann durch das Gelächter aus und begann Dinge umzuschmeißen, fluchen und sich eine Waffe zu suchen. Barik warf mit der Katze nach dem alten Mann und der Befahl den Zugriff, bevor beide sich wirklich bewaffnet hätten. - Tja und wir? Wir bissen und traten zu, um uns zu befreien. Ich war zwar bewaffnet, aber dann wäre ich heute nicht mehr hier.”, erzählte die Schwarzhaarige und Dunca nickte zustimmend.
“Wie ging es aus? Wieso hatten sie dann euch zuerst und die Brüder nicht?”, fragte Naira.
“Weil wir nicht weit kamen. Die schossen ihre Bolzen direkt vor unsere Füsse als Warnung und dann sollten wir uns verdammt noch mal hinlegen. Unsere zwei Helden hingegen rannten davon und sind doch tatsächlich nicht gefasst worden. Als beide dann auf dem Schiff eingekerkert wurden, konnten sich beide nicht mehr daran erinnern, wie sie entkommen sind. Glaubst du das? Oder ist da was Peinliches geschehen?”, fragte Morena.
“Ich glaube, da ist etwas verdammt peinliches passiert und sie haben die einfachste Ausrede genommen. Männer halt. Was denkt ihr, ist passiert?”, fragte Naira.
“Die beiden sind in einem Hühnerstall aufgewacht, waren eng an zwei Ziegen gekuschelt und sind einfach total verkatert nach Hause spaziert, weil es einen Wachwechsel gab. Auf halbem Weg bei Ardea wurden sie gefragt wo wir sind und da traf es sie wie ein Blitz.”, meinte Dunca und es wäre sogar glaubwürdig.
“Die beiden wurden geschnappt, versprachen aber der Wachmannschaft am Tor sehr, sehr skurrile und peinliche Dinge zu machen, wenn sie dann gehen dürften. Das traue ich den Deppen zu! - Sie schworen sich darüber nie wieder zu sprechen oder es jemanden zu verraten und dann griffen sie heldenhaft zu Dritt mit Dunor Kap Dun an. Als ob ihre Gesichter und Größe nicht wieder erkannt wurden. Ich sage es ja…Idioten. Die uns überhaupt in die Situation brachten.”, meinte Morena und Naira konnte sich zumindest auf den letzten Part wirklich einen Reim machen. Das war alles andere als schlau gewesen, nach dem Radau dort wieder aufzukreuzen und zu tun, als wäre man hier noch nie gewesen.
“Ich sage sie wissen es wirklich nicht. Sie versteckten sich auf einem Karren voll Heu, schliefen darauf ein und wachten auf halbem Weg nach Vengard wieder auf. Und weil sie sich schämen, euch nicht befreit zu haben und in derselben Nacht damals alles mögliche getan zu haben…ist es ein Geheimnis. Und dumm war es wirklich sich als Jäger ohne Beute in Kap Dun im Hafenviertel zu bewegen und die Fernanda dann zu observieren. - Sicher, dass ihr beide als Partner erwogen habt?”, fragte sie die beiden.
Dunca bejahte und hoffte, dass Borin noch weise wie sein Vater werden würde. Sonst würde sie es sich überlegen müssen. Morena meinte hingegen, dass der dumme Bär namens Barik nur eine strenge Hand bräuchte, die ihm ein Messer an die Kehle hält, wenn er wieder Blödsinn treibt. Dies könnte ihr gefallen. Genauso aber Ruhe zu haben und nicht die Mutter für ein aufmüpfiges Bärenjunges zu sein. Denn das war Barik.
Naira ahnte etwas und war gespannt, ob die drei Schicksalsweberinnen - die sie aus Nordmar kannte - es auch so sahen.
Danach beschlossen die drei Frauen Chani zu suchen und hier in Beria auf die zwei Baribals - wo auch immer sie steckten - einen zu heben. Neben noch vielen Gesprächen unter Frauen, die gut miteinander konnten.
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Beria - Kieferhain
“Woaaah…”, stöhnte Naira auf und rieb sich den Schädel. Ihr war übel, ihr Schädel brummte und sie hoffte einfach nur, dass das Frühstück und die Kräuter im Magen blieben. Sie hatte sich wie ein verwundetes Tier von Lärm und Licht zurückgezogen und versteckte sich nahe der Thingstätte.
Es hatte in der Nacht geschneit und im Tal lag noch etwas Nebel, der sich bald verziehen würde, sobald die Sonne ganz über dem Tal stand. Doch hier im alten Kiefernhain hoffte sie der Sonne und dem reflektierenden Schnee zu entkommen.
Es war ein schöner, lustiger Abend mit Chani, Morena und Dunca. Es gab honigsüßen Kräuterlikör, Fladenbrot mit Schinken und Ei, einfaches Sumpfkraut und zum Schluss hatte Chani noch Wacholderschnaps besorgt. Es war genau das was sie alle mal wieder gebraucht hatten, da waren sie sich alle einig. Doch den Preis zahlte Naira heute und vermutlich auch die anderen Mädels.
Sie trank etwas Wasser, hatte eine Decke ausgelegt und genoss die Ruhe mit geschlossenen Augen.
Ein paar Minuten ging das gut, da hörte sie unweit von sich ein Kind ein Lied pfeifen und die knatschenden Schritte im Schnee.
“Furchtbar…”, jammerte sie innerlich und hoffte es wäre bald vorbei.
Als dann endlich Ruhe war, sie einfach tief einatmete und ausatmte und begann die Stille des Waldes zu genießen, gab es ein dumpfes Geräusch. Wie wenn ein Pfeil in etwas einschlug.
Naira konnte nicht weg hören und so hörte sie das Spannen der Sehne, das Biegen des Holzes und wieder das dumpfe Geräusch. Dann knatschte der Schnee und wieder ging der Mist los.
“...elende Kackbratze…”, knurrte sie und erhob sich. Das war zu viel. Sie ging dahin wo sie das Kind vermutete und stoppte als sie den Jungen aus dem Dickicht aus beobachten konnte.
Ein laufender Meter von wohl gerade mal vier oder eher fünf Wintern. Dunkles, lockiges Haar und von der Seite eine zugegeben hübsche Nase.
Er trug eine dicke, weiße Tunika und eine braune Fellweste. Passend zu den Fellstiefel.
Sein Kurzbogen war eigentlich noch zu groß für ihn, aber irgendwie bekam er es hin die Pfeile so zu spannen, dass sie seine mitgebrachte Zielscheibe auf recht kurze Distanz auch trafen.
“Ganz gut für den Zwerg…”, urteilte sie und dachte sich, dass sie wohl schlechter treffen würde.
Sie schlich dann gekonnt hinter dem Jungen herum, näherte sich katzenhaft ihrer Beute und wartete bis er eine neue Position einnahm und den Pfeil begann zu spannen.
“Hinter dir!”, rief sie und sprang auf den Jungen zu. Der schreckte auf, drehte sich halb und fiel dann mit Pfeil und Bogen auf den Hintern.
Bernsteinfarbene, fast braun-goldene Augen hatte er und sah sie entrüstet an.
“Bewahre! Weißt du denn nicht, dass man Erwachsene in ihrer Mittagsruhe nicht stört!?”, sagte sie und kniete vor dem Jungen.
“Achja? Welcher Erwachsene schleicht…schleicht…sich in seiner Mittagsruhe denn von hinten an und erschreckt ein Kind!? Häähh?”, entgegnete er ihr und blickte wie ein fieses Wiesel.
“Du kleines Wiesel! Nicht mal grüßen tust du eine Erwachsene!! Und dann schießt du gemeingefährlich mit Pfeilen herum. Du könntest jemanden treffen, du Rotznase!”, spielte sie übertrieben. Der Junge ließ sich nicht einschüchtern.
“Und du bist ein Snappergesicht, das wie eine alte Vettel klingt! Und du stinkst aus dem Mund wie eine Ziege, die Steinwurzeln gefressen hat! Pass nur auf, mit wem du dich anlegst!”, drohte der Wicht.
“Achja?! Wer bist du denn, Herr Wiesel mit der Rotznase, der sich von einer alten Vettel-Snapperin mit Ziegenmundgeruch erschrecken lässt!?”, fragte sie und hatte Spaß an diesem Jungen oder mehr, wie er sich aufregte und trotzdem gut austeilte.
“Vilkas! Und jetzt hau ab, sonst jage ich heute noch Snapper!”, fragte er, kroch auf seinen Hintern zurück und stand auf.
“Mach doch!? Wenn du auf Leute schießt, bekommst du deinen Bogen abgenommen und dein Papa versohlt dir den Hintern, dass du nicht weißt, wo oben und unten ist.”, sagte Naira. Der Junge schien nun etwas irritiert, änderte seinen frechen Blick und war eher nachdenklich.
“Sag mir deinen Namen!”
“Naira. Wieso?”
“Ich sage…meiner Mama, dass du…gemein…bist!!!!!! Die versohlt…dir! - Den! - Hintern!”, erklärte er ihr in einer kindlichen, langsamen, lauten Art und zeigte ihr die Zunge.
“Petze! Dafür muss sie den Schwarzen Spatz erst einmal bekommen! Und sei dir sicher - dich bekomme ich dann!”, sagte sie sehr theatralisch mit einem Lächeln und erhobenen, zum Fangen bereiten Händen, damit dieser Vilkas es als Spaß verstand. Er lächelte auf und sah sie sich genau an.
“Du bist der Schwarze Spatz? Wo ist denn deine Maske? Die anderen Kinder haben erzählt, dass du immer eine Maske trägst, weil du eine riesige, spitze Nase hast…wie der Schnabel eines Spatzes. Du versteckst sie, weil du dich schämst! Aber deine Nase ist einfach hübsch…”, erklärte Vilkas und zweifelte wohl an Nairas Identität. Naira lachte herzhaft auf und bedankte sich mit einer Verbeugung für das Kompliment. “Deine Nase, ist aber auch hübsch, Vilkas..”, sagte sie, bevor sie eine Geste der Zaberei um ihr Gesicht machte und sich dann um ihre eigene Achse drehte. Wieder vor Vilkas enthüllte sie ihr Gesicht und offenbarte, dass sie leider keine spatzenschnabelhafte Nase hatte.
“Es ist Zauberei, die meine wahre Nase verbirgt. Sie ist nicht spitz, sondern eine riesige, warzige Hexennase.”, meinte Naira und Vilkas glaubte ihr natürlich nicht.
“Meine Mama kann zaubern. Aber große Nasen lässt sie nicht verschwinden. Sie sagt mir aber, dass sie mich in eine Kröte verwandelt, wenn ich nicht lieb bin.”, erzählte er von sich aus und Naira schaute interessiert auf.
“Du schaust aber nicht so aus, als wärst du der Sohn von Meisterin Noreia oder Vivin. Vielleicht von Meisterin Cecilia?”, fragte sie nach. Das hatte sie ja mal gar nicht mitbekommen. Vilkas schüttelte den Kopf.
“Ah…von einer die nur Lehrling ist? Vielleicht kennt sie ja Chani, den goldenen Pirol?”, hakte sie nach. Vilkas schüttelte abermals den Kopf und realisierte wohl, dass er darüber eigentlich nicht sprechen sollte.
“Wo ist dein Papa?”, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
“Der ist auf einer langen Reise. Es wird noch dauern, bis er zurück ist.”, erklärte das Kind ernsthafter.
“Vermisst du ihn? Hast du ihn schonmal gesehen?”, fragte Naira vorsichtig.
“Da war ich sehr klein. Wir haben immer gespielt und er hat mich immer mitgenommen. Sogar einmal in die große Stadt! Mama hat dann geschimpft, weil es gefährlich da draußen ist. Als er dann auf Reise ging, war er sehr traurig und ich auch. Und Mama auch ein wenig…aber sie sagte, dass er gehen muss.”, erzählte Vilkas weniger lebhaft wie bei anderen Themen.
“Ich glaube dein Papa vermisst dich sehr auf seiner Reise und denkt jeden Tag an dich. Und du hast eine Mama die auf dich aufpasst und jeden in eine Kröte verwandelt, der frech zu dir ist.”, sagte Naira tröstend.
“Haha! Das stimmt! Du musst aufpassen! Das macht sie mit dir! - Wo sind deine Mama und dein Papa?”, fragte der Junge.
“Sie sind leider schon bei der großen Mutter. Ich erinnere mich nicht an sie. Ich war sehr klein. Ich habe aber dafür ganz viele Mamas und Papas hier bei unseren Leuten. Hast du vom Riesen Bhor gehört? Und von der schlauen Gisla? Von Eskiel Sieben-Leben und Danzo Eisenfaust? Von der schönen Chani?”, fragte sie stolz.
“Jaaaaa….aber ich hab sie noch nicht gesehen. Denke ich zumindest…”, sagte der Kleine. Naira lächelte auf und holte ihr Zeichenbuch hervor.
“Wenn du willst, zeige ich dir ein paar Zeichnungen von ihnen. Dann erkennst du sie sicher! Du musst mir nur versprechen und dir vor allem merken, dass du zu ihnen ganz bestimmte Dinge sagst, wenn du sie siehst. Es ist ein Streich…in Ordnung?”, fragte die Diebin und Vilkas freches, schurkenhaftes Grinsen offenbarte, dass er dabei war. Sie setzten sich auf seine umgeworfene Zielscheibe und dann blätterte sie in ihrem Zeichenbuch.
Vilkas war neugierig, wie es Kinder nunmal waren und fragte zu den Bildern, die ihm gefielen, wer das sei.
Wie ein Schwamm sog er alles was Naira erzählte oder aus den Notizen vorlas auf und lehnte sich an sie, als wäre das ganz normal. Andere wiederum interessierten ihn gar nicht und er schüttelte vehement den Kopf und wollte dann selbst blättern.
“PAPA!”, sagte er dann plötzlich, als eine ältere Zeichnung von ihr hervorkam, nachdem sie Skizzen von Nordmar und ihrem Onkel gezeigt und eine Seite weiter geblättert hatte.
Sie war damals zehn Jahre alt und für ein Kind ihres Alters sehr talentiert im Zeichnen, als sie diese Zeichnung fertiggestellt hatte. So zumindest ihre Notiz auf der Rückseite. Sie hatte damals begonnen erste Skizzen zu zeichnen und nutzte ihre vielen Erinnerungen an Dinge und Menschen aus ihrer Zeit in Nordmar um zu üben.
“Der hier ist dein Vater? Sicher?”, fragte sie und war in diesem Moment über den Zufall, aber auch die Person erstaunt, die Vilkas Vater sein sollte. Natürlich konnte der Junge sich auch irren. Die Zeichnung war gut, aber kein Vergleich zu ihren Künsten heute.
“Jap! Papa hat auch sowas im Gesicht.”, erklärte Vilkas absolut sicher und machte mit den Finger eine Geste im Gesicht.
“Erstaunlich. Dann hab ich deinen Papa zwei Mal getroffen. Ich war aber damals noch ein junges Mädchen und er hat nicht viel mit mir gesprochen. Er war besorgt und suchte etwas. Hier auf der Zeichnung war er aber mal entspannt und hat mit meinem Onkel gesprochen. Nochmal…ist er wirklich dein Vater?”, fragte sie, denn das war bisher nicht bekannt. Was ungewöhnlich war im Waldvolk oder bewusst einen Grund.
“Jaaa…Mama sagt ich, habe seine Augen und ihre Schönheit.”, sagte er er stolz und zeigte auf seine Augen. Naira blickte in sie hinein und sah es jetzt auch. Ihre Erinnerungen waren vielleicht etwas her, aber es hatte einen Grund, wieso sie diesen Mann gezeichnet hatte. Er hatte sie genauso wie Vilkas jetzt gerade angeschaut. Der ganze Ausdruck in der Körpersprache war gleich.
“Wenn du magst, zeichne ich deinen Papa nochmal und schenke dir das Bild. In Ordnung?”, fragte sie und natürlich nickte der Junge voller Vorfreude.
Naira holte ihre Kohlestifte hervor und begann, unter wachsamen Blick von Vilkas zu zeichnen. Das alte Bild war die Vorlage und ihre lebendige Erinnerung daran die Kür.
Eine intensive, halbe Stunde später war die Skizze fertig. Details und Schattierungen hatte sie vor allem hinzu gefügt. Etwas wofür man mit der Zeit ein Auge bekam und auch für die Bewegung, die Lebendigkeit in einem Bild. Was brachte es perfekt zu zeichnen, wenn darin nichts Lebendiges war?
“Papa…”, sagte Vilkas freudestrahlend und bewunderte das Bild in seinen Händen.
“Das gehört jetzt…”
“Vilkas!”, donnerte eine weibliche Stimme und Naira zuckte etwas zusammen.
Sie blickte wie Vilkas hinter sich und erblickte seine Mutter.
Ihre braunen Augen strahlten Wärme und Vertrauen aus, wie es sie nur bei wenigen Menschen gab. Und zugleich war da diese Wildheit und Entschlossenheit. Stolz und Stärke, die von innen kamen und nicht durch äußere Dinge dargestellt werden mussten.
Als sie näher kam, sah Naira sogar etwas katzenhaftes an ihr und ihren Augen.
Und dann war sie sich sicher, dass sie diese Frau weder kannte noch vom ihr gehört hatte. Und doch gehörte sie ihrem Volk an.
“Du wolltest vor einer Stunde zurück sein! Was habe ich dir gesagt?”, fragte sie bestimmt.
“Das ich mich an Abmachungen halten soll…”, sagte der Junge mit gesenktem Blick.
Seine Mutter stand vor ihm und kniete ab.
Schönes lockiges Haar hatte sie und Naira sah in Vilkas sehr viel von ihr.
“Ich will nicht, dass du dich herum treibst und ich nicht weiß wo du bist. Ich habe mir Sorgen gemacht. Du weißt genau wieso du nicht herum stromern sollst. Sammel deine Sachen ein und dann gehen wir.”, sagte sie und blickte dann zu Naira.
“Bewahre! Es war meine Schuld. Ich habe Vilkas meine Zeichnungen gezeigt und dann verging die Zeit sehr schnell. Er ist sehr neugierig…und wir hatten eine gute Zeit.”, sagte die Diebin. Die Frau musterte sie, erhob sich und blickte dann Vilkas an, der ihr die Zeichnung zeigte.
Sie nahm sie in die Hand und musterte die Skizze. Anhand feinen Reaktionen in der Mimik sah Naira, dass da Liebe, Schmerz und Wut waren. Enttäuschung und Härte die da aufkam, als sie Vilkas anblickte und dann Naira. Sie gab ihr die Zeichnung zurück.
“Bewahre! Das ist eine sehr…interessante Zeichnung. Woher kennst du den Mann da auf deiner Zeichnung? Wie heißt du?”, fragte sie mit einer gewissen Energie, die Naira etwas einschüchterte.
“Danke. Ich bin Naira. Naira Flammenherz von den bunten Vögeln. Ich habe diesen Mann nur zwei Mal in meinem Leben gesehen. Da war ich sehr jung. Er hatte eine….imposante Wirkung und sein Ruf ist allen bekannt. Ist Vilkas…”, sprach sie an und dann wusste sie nicht, wie ihr geschah.
Im nächsten Moment war da Dunkelheit, Lähmung und Furcht. Sie war wie gefesselt in der Dunkelheit und und hörte etwas auf Samtpfoten um sie schleichen.
Dann trat sie vor sie. Fast Nasenspitze an Nasenspitze. Naira war wie gelähmt.
“Das Schicksal spielt seltsame Spiele, Naira. Fürchte dich nicht. Vilkas soll nur nicht hören, was ich dir zu sagen habe.”, sagte sie und wartete, bis Naira es schaffte zu nicken. Dann trat sie noch näher.
“Du weißt durch meinen Sohn, wer sein Vater ist. Solltest du es irgendwem verraten oder damit hausieren, dann ist mein Sohn in großer Gefahr. Dann sind alle in Gefahr, die dir lieb und unser Volk sind. Dann jage ich dich. Dann wird er dich jagen. Und das ist es nicht wert, Naira Flammenherz.”, flüsterte sie ihr ins Ohr und trat dann einen Schritt zurück. Sie lächelte sie aus einem pantherhaften Gesicht an.
“Wieso ist er in Gefahr…”, wimmerte sie angsterfüllt. Die Pantherfrau knurrte.
“Weil Bluuuuut…manchmal kossssstbarer isssst, wie eine ganze Heiiiimat…und die Mennnnschen… die sie bewohnen. Ssssilden fiel, weil der Feiiiind sein Bluuuuut wollte. Vilkassss hat es auch. Und nun ssssspiel mit…”, schnurrte die Panther in.
Es wurde hell und Naira befand sich wieder im Kiefernwald.
Die Frau stand vor ihr und lächelte sie an, während Vilkas sie etwas verwirrt ansah.
“Alles gut? Du wolltest was fragen, warst aber plötzlich so abwesend…”, sagte die Frau, die mehr wie nur eine Frau war.
“Ich…ich…Verzeihung. Ich habe immer noch einen Kater von gestern. Vielleicht bin ich immer noch besoffen. Ha! Deswegen rieche ich auch so aus dem Mund…Vilkas. Ist Vilkas schon bei den Kindern, die das Bogenschießen lernen? Ist das nicht sehr jung? Und wie heißt du?”, fragte Naira.
“Man nennt mich Suzuran. Ich bin Teil des Druidenzirkels von Beria. Du weißt, wie man damit umzugehen hat.” - Naira nickte und konnte es sich leibhaftig vorstellen. Sie hatte immer noch eine Gänsehaut. - “Vilkas wird von mir ausgebildet. Noch ist er zu klein für die Kindergruppe. Aber er will es lernen, dann soll es so geschehen. Man kann nicht früh genug lernen, sich zu verteidigen. Nicht wahr?”, fragte die Druidin.
“So ist es, Meisterin Suzuran.”, antwortete Naira in der älteren Rede. Sie wollte zeigen, dass sie keine dumme Göre oder ein Waschweib war. Sie wollte aber auch nicht wie die Maus vor der Katze wirken. Suzuran hatte auf ihre Art gezeigt, was ihr wichtig war und Naira verstand es, soweit sie konnte. Niemals würde sie daran schuld sein wollen, dass Vilkas etwas passiert. Die Art und Weise von Suzuran war jedoch gewöhnungsbedürftig für Naira und unnötig in dieser Aggressivität. Chani war ihr da in magischer Hinsicht weit lieber. Umgekehrt konnte sie nicht wissen, was sie wusste und wie sehr begründet diese Maßnahmen waren.
“Oh, schau an. Du sprichst sogar in der älteren Rede. Hast du von Avallan gelernt?”, fragte Suzuran und bat mit einer Geste, ihr die Zeichnung noch einmal zu geben. Dann fuhr sie mit den Fingern kurz daran vorbei und kniete zu Vilkas ab.
“Ehh..ja..hab ich…”, sagte Naira, während sie beobachtete, was die Druidin da machte.
“Mein lieber Vilkas. Schau mal genau hin. Das ist er nicht. Siehst du das Auge. Dein Vater hat doch zwei gesunde Augen. Der hier nicht.”, sagte sie und Naira konnte es nicht so recht glauben. Erst als sie selbst darauf blickte, sah sie, dass ihre Skizze am Auge des Mannes wie leicht eingebrannt wirkte und sich eine schwache Narbe von oben nach unten durch das Auge zog. Magie. Feuer? Oder hatte sie das Pergament beeinflusst? Chani wüsste es vielleicht.
Vilkas nickte traurig und besah sich die Zeichnung nochmal genauer.
Suzuran indes blickte zu Naira auf. Sie verstand.
“Ach…ist dein Vater nicht der berühmte Uthar Einauge? Der Einäugige mit der Kriegsbemalung, wie man sie aus Nordmar kennt?”, fragte oder besser log Naira. Es gefiel ihr nicht, aber sie verstand, dass Vilkas Wunsch seinen Vater zu sehen oder etwas von ihm zu haben groß war und er natürlich auch nur ein Kind war. Ein Kind, das stolz erzählen und zeigen würde was es nicht sollte, aber musste - weil es nicht anders ging. Weil es für diese Kinderseele die Welt bedeutete. Und davor hatte Suzuran wohl Sorge. Naira zerstörte gerade den Traum, die Freude, den Funken Hoffnung eines Kindes und das brach ihr das Herz. Bedeutete das, erwachsen zu sein? Zu zerstören?
Das Schicksal spielte für wahr seltsame Spiele und Naira wusste nicht, wieso Vilkas auf diese Zeichnung genau heute und durch sie stoßen sollte. Wieso sie in diese Situation kommen musste. Sie hoffte nur, dass sie nicht der Auslöser für irgendwas Schlimmes werden würde und es einfach nur ein Zufall wie beim Würfelspiel war, dass die Würfel genau so fielen.
Umgekehrt musste sie sich selbst fragen, ob diese Frau nicht einfach ein wenig sehr verrückt war und ihr Kind einfach - wie eine alte Glucke ihr Küken - schützte und Schritt auf Tritt bewachte. Kombiniert mit Magie war sie dann mehr eine Gefahr. Naira kannte diese Suzuran nicht und wusste nicht, ob sie so war oder anders oder irgendwas von beidem zusammen.
Vilkas begann zu weinen und wurde von seiner Mutter auf den Arm genommen. Suzuran gab Naira die Zeichnung zurück und beide Frauen blickten sich an.
“Es bricht mir das Herz ihn anzulügen. Weißt du das?”, sagte sie in der alten Sprache.
“Glaub mir…mir auch, Naira. Aber es muss sein, damit ich ihn beschützen kann.”, sagte Suzuran und schien den Tränen nahe.
“Wo ist er? Wieso ist er nicht bei euch?”, fragte die Diebin und fühlte mit den beiden in diesem Moment. Mit Suzuran als behütende Mutter und mit Vilkas - denn auch sie hatte als Kind solche Tränen geweint. Hoffnungen im kleinen Herzen gehabt und sich da rein gesteigert. Und dann wurden sie von Erwachsenen zerstört. Sei es die Wahrheit wie bei ihr oder die Lüge wie bei Vilkas. Und jetzt war sie selbst so jemand.
Sie hatte kein Problem bei Feinden oder manchen Erwachsenen die Lüge und Täuschung anzuwenden. Doch es hatte da immer einen Grund. Einen meistens Guten. Bei Vilkas mochte es ein vermeintlich Guter sein, doch so kurz sie ihn kannte, auch ein Grausamer.
“Weil er eine Gefahr für Vilkas und mich darstellt. Er ist wie ein Stück blutiges Fleisch und die Aasfresser und Raubtiere sind nie fern. Kriegen sie ihn nicht…dann sein Fleisch und Blut. Das ist schon passiert. Verstehst du jetzt, wieso du schweigen musst?”, fragte Suzuran in der alten Sprache. Naira nickte und fühlte sich klein in ihrem Dasein. Wenn Druiden solche Schicksale trugen, dann wollte sie, dass Chani niemals eine Druidin wird.
“Das ist schon passiert?”, fragte sie nach.
“Ja… - Er konnte sie nicht schützen. Keines seiner Kinder, die er mir allesamt verheimlicht hatte. Fünf hatte er und alle sind verschwunden. Wie damals seine Schwester. Er schwang immer große Reden davon, dass Druiden sich in Gefahr bringen, wenn sie Nachkommen haben. Der große Wolf hat Wasser gepredigt und Wein gesoffen. Den Preis haben fünf Kinder bezahlen müssen! Meinem Sohn wird das nicht passieren.”, schwor sie und klang so zornig. Alle Wärme war für einen Moment aus ihren Augen gewichen. Naira musste schlucken. Fünf Kinder…
“Und er ging? Sind seine Feinde besiegbar?”, fragte sie nach.
“Er ging, weil es das Beste war. Er ging, weil er mich bitter enttäuscht hat, mich angelogen hat und es mit uns enden musste. Er ging, weil er seinen Sohn liebt. - Seine Feinde sind vielleicht besiegbar, aber dafür muss er sie erst zu seiner Beute machen. Er wollte sie anlocken und den Spieß umdrehen. Die Höhle finden, aus der sie hervor kriechen…”, sagte sie verbittert weiterhin in ihrem Dialog in der waldvölkischen Sprache. Vilkas beruhigte sich langsam.
“Denkst du ihr werdet wieder eine Familie…wenn alles vorbei ist?”, fragte sie und wusste nicht, ob Suzuran das beantworten wollte.
“Du fragst, ob ich den Mann liebe, der mich durch so viele Höhen und Tiefen begleitet hat? Der mir half ich zu werden? Der mich rettete? Der mir meinen Sohn schenkte? Ja…das tue ich. So sehr, wie ich ihn hasse.”, sagte sie und strich Vilkas über den Kopf. Ihr Blick senkte sich.
Naira schwieg einfach für einen Moment und nickte lediglich. Sie wollte nicht tiefer bohren und sich auch nicht zu sehr einmischen. In ihr wollte etwas aufbegehren, gegen den Zwang zu schweigen. Dagegen das Vilkas der leidtragende war, weil zwei Erwachsene nicht mehr miteinander auskamen. Doch nüchtern betrachtet, ging alles tiefer, als sie sich das vorstellen konnte und wie man von außen schnell urteilte. Es stand ihr nicht zu Suzuran anzuklagen. Niemandem stand es zu.
“Ich schwöre auf mein Leben, dass du von mir nichts befürchten musst.”, sagte Naira und beobachtete wie Suzuran Vilkas wieder auf den Boden hinab ließ. Seine Nase lief und die Äuglein waren rot, aber er wirkte nicht mehr so traurig.
Die Druidin trat an Naira, nahm ihre Hände und dankte ihr mit ihrem Blick. Dann änderte sich ihre Mimik.
“Bewahre deine Eide. Bewahre die, die du liebst. Bewahre, Naira Flammenherz.”, wünschte sie und nahm Vilkas Hand.
“Bewahre, Vilkas. Du bist ein toller Schütze und nächstes Mal erschrecke ich dich wieder. Versprochen!”
“Ganz sicher nicht! Pass du auf, dass ich dich nicht erschrecke!”, versprach er ihr und lächelte auf.
“Da bin ich gespannt. Und denk an unseren Streich! - Bewahret!”, wünschte sie den beiden und verbeugte sich leicht. Diese Geschichte war perfekt dafür gedacht, um ein Theaterstück zu werden. Doch Schweigen schien hier das wahre Gold zu sein. Naira setzte sich und begann zu zeichnen.
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Fort Nemora
“Du hast es gehört… - vielleicht schaffen wir es nicht, aber wer will schon ewig Leben? Die Minen bringen einen um und eine Verbrecher-Kompanie ist nur da, um zuerst zu sterben.”, sagte Borin und hatte den Plan seines Bruders noch einmal bestärkt. Barik hatte einen Ausweg gesehen, als alle noch darauf gewartet hatten, dass auch der letzte Gefangene abgeurteilt wurde.
Man konnte natürlich sagen, dass sie einem das Leben ließen und irgendwie eine Chance gaben. Aber was war das wert, wenn es nicht frei war?
Borin machte gerade eine 180° Wende in seinen Plänen dem Militär zu dienen. Nicht so und nicht in Varant. Vom Militär hatte er einfach gesagt schon genug und das ohne die anstehende Rasur und Schneiden seiner Haare.
Ruhmreich war es nicht, was sie da getan hatten und vor allem angenommen hatten. Es war dumm…sie waren dumm gewesen.
Aber sie wären keine Baribal, wenn sie sich nicht selbst aus dem Schlamassel holen würden. Noch hatten sie keine Kontrolle über sie. Noch waren sie hier und sollten, von vier Mann bewacht, vor einer größeren Hütte warten.
Es war nur ein abgesprochener Blick zwischen Waldvölkler und Nordmarer und dann legte Borin los. Er schlug einfach auf den Nordmarer ein und trat diesen zu Boden. Es bildetet sich ein Ring und die Wachen kamen dazu, um den Kampf zu unterbinden. Im nächsten Augenblick schubste Barik eine Wache um, Borin lief an dieser vorbei und der Nordmarer kroch ebenfalls aus dem Ring, denn drei Wachen jagten gerade den zwei Brüdern hinterher.
“Sie reparieren die Palisade! Wer nicht sterben will, folgt mir da hin oder den zwei Brüdern dort hin!”, rief Gunnar der Nordmarer und spurtete los. Ihm gleich machten es allerdings nur Drei andere, was nicht so ganz die Zahl war die sich Barik vorgestellt hatte, aber es sollte reichen.
Barik rannte wie sein Bruder einfach zielgerichtet, während die Wachen Alarm schlugen und zusehen mussten, dass die drei neuen Flüchtenden nicht den Rest auch noch animierten.
Es flogen erste Pfeile und Bolzen. Einer der drei Nachzügler wurde erwischt, während die Baribal-Brüder tatsächlich schon an der Palisade waren gegen zwei noch lose platzierte Pfähle drückten und schoben. Einer löste sich erst, als noch ein Mitgefangener zu ihnen stieß und sich dagegen warf. er kroch auch als Erster einfach durch, während Borin durch seine Größe und Breite mehr Mühen hatte. Doch Barik schob seinen Bruder. Egal ob er Kratzer und blaue Flecken abbekam.
Borin kam endlich durch, da streckte er Barik schon die Hand durch, um ihn mit rauszuziehen. Der jüngere Baribal drückte sich durch, hatte ein Bein schon drüben, da hielt jemand seine Klinge an Bariks Hals.
“Mach keine Dummheiten, Großer. Deinen Bruder und den anderen hole ich mir gleich auch. Auf den Boden mit dir oder ich stech dich ab!”, zischte die Frau von vorhin und trat Barik zwischen die Beine. Der schrie auf vor Schmerz und ging tatsächlich zu Boden, ehe die Wachen dazu kamen und ihn mit Knüppeln bearbeiteten. Die Frau mit den schwarzen Haaren steckte ihr Schwert weg und hörte sich nicht einmal Borins Fluchen und Klagen an. Sie pfiff laut und gab Zeichen ihr, ihr Pferd zu bringen.
Borin indes wollte wieder rein und seinen Bruder retten, da packten ihn von hinten vier starke Hände.
“Nicht heute!”, sagte die Stimme des Pockennarbigen. Eines Waldläufers, den Borin kannte.
“Barik wird es schon schaffen. Wir riskieren jetzt aber, dass wir alle geschnappt werden. Auf nach Hyr!”, befahl der Mann der Eskiel hieß. Borin erinnerte sich.
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Beria - Thingstätte
Drei Zeichnungen. Das war das finale Ergebnis ihrer kreativen Zeit im Kiefernhain gewesen.
Zwei davon hatte sie schon fast fertig gehabt und konnte dank der letzten Nacht einfach die sprichwörtlich letzten Striche ziehen, um ihren Eindruck auf den Menschen einzufangen.
Die dritte Zeichnung widmete sie Vilkas. Nirgends machte sie sich eine Notiz oder einen Namen auf das Papier.
Ihre Gedanken und Eindrücke bildete sie stattdessen nur in der Zeichnung ab. Würde sie es mal wieder sehen, dann würde sie lächeln und zugleich traurig sein, weil Vilkas so sehr beschützt werden musste. Sie wusste nicht viel von den Angelegenheiten der Druiden. Aber wenn es Leben kostete, war es das nicht wert. Nicht so wie bei Vilkas.
Dann blättere sie zurück und betrachtete das Bild von Dunca.
Einen so herzlichen, warmen Menschen traf man nicht alle Tage und Naira grinste als sie an den letzten Abend dachte. Dunca mit ihrer liebevollen Naivität, war gestern einige Male bei so manchen Sprüchen von Chani oder Geschichten von ihnen beiden rot angelaufen oder hatte große Augen gemacht, um dann voller neugierig nachzufragen. Sie offenbarte sich aber auch als mutige Jägerin, die völlig selbstsicher mit ihrem Bogen schon so manches erlegt hatte.
Dunca wuchs sehr behütet als eine Nimrod auf und konnte Naira viel darüber erzählen, wie es in einer alten Familie mit Traditionen und Regeln so lief.
In jenen Moment konnte sie sich in sie, aber auch die Baribal Brüder hineinfühlen und nun im Nachhinein auch in Vilkas.
So frei das Waldvolk war, waren auch manche unfrei. Dunca konnte damit gut leben und war glücklich. Die Baribal Brüder indes wollten ihr Ding machen und auf ihre Art Baribal bleiben.
Bei Morenas Zeichnung hatte sie sich selbst ein wenig schwer getan, aber dann auch genau das hinbekommen, was sie wollte.
Morena war wie kalter, scharfer Stahl. Sie verbarg viele ihrer Emotionen, verbarg sie hinter einem scharfsinnigen Geist und Worten. Ihre Vorliebe für Waffen und den Kampf kam nicht von ungefähr, denn wie Naira war sie nach Silden eine Waise. Sie entstammte keiner Sippe oder alten Familie und musste von Anfang an kämpfen und beweisen, dass sie mehr war. Ein Niemand zu sein hatte im Waldvolk nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile die sich darin zeigten, dass man völlig losgelöst sein Ding durchziehen konnte. Man brauchte nur einen Plan
Ihre Freiheiten nutzte sie deswegen so wie ihren Verstand und hatte sich in kurzer Zeit ihren Platz im Waldvolk erkämpft und durch Taten, sowie Beziehungen gefestigt.
Naira konnte am Abend aber auch beobachten, dass sie zusammen mit Dunca gelöster war und deutlich mehr lachte. Dunca hingegen war freier in ihrer Art und brach eher mit familiären Konventionen.
Man konnte sagen, dass sich beide gegenseitig gut taten.
Zusammen hatten sie ihren Mut schon ein paar Mal bewiesen und würden ihren Weg gehen.
So wie Naira wollten sie auch Waldläuferinnen werden und diesem Stand angehören. Sie war schon gespannt, wer die Erste von ihnen, dies werden würde.
Naira schloss ihr Buch und ging los. Gisla erwartete sie. Es gab etwas Arbeit und danach waren ihre Haare dran. Das Blond blich allmählich aus und sie wollte ihre gewohnte dunkelbraune Farbe wieder tragen.
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Beria
Es wurde nie langweilig, wenn man dem Waldvolk angehörte. Nie!
Es war der Tag nach ihrem Treffen mit Vilkas und Suzuran. Der Tag nachdem sich ihre Haare wieder in ein Dunkelbraun verwandelt hatten und der Tag an dem die rote Braenn aus Südmyrtana gekommen war und sofort Bhor und Gisla aufgesucht hatte.
Danach verbreitete es sich wie ein Lauffeuer im waldvölkischen Dorf.
Borin von den Baribal war aus einem Fort der Myrtaner geflüchtet und sein Bruder Barik war dort gefangen. Beide Brüder waren hier bekannt und es waren nicht Wenige, die sich vor Ort den Mund trocken redeten, was man am besten macht und am besten vorgeht.
Naira pflegte bei sowas hin zu hören, aber nicht mit zu diskutieren. Ihre erste Quelle war Bhor und der war gerade mit Gisla bei Meister Porgan. Chani wartete draußen und wie Naira hoffte sie wohl auf mehr Informationen.
“Weißt du mehr?”, fragte Chani.
“Nein. Nur das, was hier umgeht. Ich habe Danzo gesucht, doch der ist wohl bei Meister Porgan dabei?”
“So ist es. Dazu Hauptfrau Ves, Berengar, Noreia und Keldor. Ich glaube wir dürfen unsere Sachen packen.”, meinte Chani und schien aufgeregt zu sein.
“Glaube ich auch. Du hast doch nicht gesagt, wir besaufen uns jeden zweiten Abend bis der Frühling kommt? Und wenn du es gedacht hast, ist es deine Schuld.”, neckte sie Naira und war selbst ein wenig aufgeregt. Diesmal würden sie Naira nicht hier in Beria lassen.
“Nicht deswegen. Aber wegen meiner Ausbildung. Ich habe erst wieder begonnen, meine Magie zu mehren und Zauber zu verbessern.”
“Dann ist es doch recht und billig, dass du mitkommst. - Sag mal, Chani…ist es hart? Also das Leben der Druiden? Wenn du eine wirst…hast du Angst davor?”, fragte Naira.
“Nein. Angst ist der falsche Begriff. Ich kann vor etwas was ich nicht vollkommen erkenne, auch nicht fürchten. Meisterin Noreia sagte mir, dass es große Schritte sind zur Druidenanwärterin und ein gewaltiger Sprung ins dunkle Wasser, wenn man in den inneren Zirkel tritt. Ich will erst einmal Anwärterin werden und lernen. Weiter denke ich nicht, Naira Flammenherz.”, meinte die Magiekundige und Naira gab sich mit dieser Antwort erst einmal zufrieden. Sie hatte schon recht damit nicht an das über-übermorgen zu denken, wenn sie noch mit dem heute genug zu kämpfen hatte. So war es doch bei ihr nicht anders.
Eine Stunde später…
Bhor und die anderen traten aus Porgans’ Höhle und hatten wohl genug miteinander beraten und entscheiden. Gisla kam dann zu ihnen und danzo stellte sich dazu.
“Wir werden noch heute nach Hyr aufbrechen. Macht euch gleich bereit.”, sagte sie.
“Das Lager von Meister Torn und seinen Leuten?”, fragte Chani etwas skeptisch.
“Ja. Ihr wart da schon?”, fragte Gisla.
“Ja. Sie sind ein wenig anders drauf als die Küstenläufer. Etwas sehr…straff organisiert.” , meinte Chani.
“Das sind sie. Aber für sie funktioniert es da und wenn ich zurückdenke, dann habe ich dort auch viel gelernt.”, meinte Naira.
“Was denn?”
“Dass der Hunger zum Leben dazu gehört und helfen kann. Dass einen ruhigen Kopf bewahren dazu gehört. Dass man manchmal hart sein muss, um sich zu behaupten. Und dass man mehr erledigen kann, wenn man schon bei Sonnenaufgang auf den Beinen ist.”, erzählte die Dunkelhaarige und dachte an den Winter, den sie in Hyr mit zwölf Sommern verbrachte, zurück. Keine einfache Zeit war es damals, aber sie war dankbar dafür, dass ihre Realität damals ordentlich durchgerüttelt wurde.
“Und ich habe dort gelernt, dass sich selbst auferlegt Entbehrungen wie weniger Schlaf oder weniger Essen blöd sind. Man muss nicht das Tagwerk von zwei Menschen erledigen. Man muss auch mal leben. Danzo wird es dort lieben und du wohl auch Naira. Ich geh dort aber ein. ”, entgegnete Chani. Danzo sah sie stutzig an.
“Wir werden dort ja nicht den Winter verbringen, du zartes Blümchen. Also los, meine Damen. Ich will meinen Ältesten sehen und ihm die Ohren lang ziehen.”, sagte Gisla und stoppte dann noch einmal.
“Naira. Nimm noch was extra mit. Du weißt was. Danzo weiß schon bescheid. In einer Stunde geht es los.”
Eine weitere Stunde später…
Da standen sie nun die fünf bunten Vögel und die rote Braenn, die sie führen würde.
Porgan stand mit der Hauptfrau Ves bei ihnen, um sie am Haupteingang zu verabschieden.
“Seid weise und handelt nicht unüberlegt. Geduld ist oft genug der richtige Weg. Torn wird euch vielleicht überzeugen wollen, direkt zu handeln. Doch es ist euer Sohn und ein Kind Berias, das da noch gefangen ist. Ruft nach uns, wenn ihr uns brauchen werdet. Das kann ich euch nur sagen. Adanos sei mit euch.”, sagte der uralte Druide.
“Hab Dank für den Rat und Proviant, Meister Porgan. Sobald wir mehr wissen, werde ich Nachricht schicken. Ich will zuerst meinen Sohn in die Arme schließen und dann wird Adanos uns den Weg zeigen, um Barik zu holen. Adanos sei mit euch, Meister.”, wünschte Bhor.
“Keldor ist mit einem Kommando auf eurer Route unterwegs. Er wartet auf euch und wird euch bis zum Gebiet um Hyr begleiten. Grüßt alle dort von uns. Viel Glück!”, wünschte Ves und dann ging es los.
Nairas Rucksack war voll gepackt und sie selbst trug mit Stolz ihren neuen Lederharnisch und ihre Waffen an sich. Es mochte sein, dass sie noch nicht so weit war, eine gefürchtete Kriegerin zu sein. Aber ihre Ausrüstung gab ihr ein gutes Gefühl.
“Dann mal los, Freunde.”, sagte Braenn und ging los.
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Fort Nemora
Kling - Kling - Kling
Erschöpft ließ Jaleel seine Spitzhacke sinken, mit der er seit einer gefühlten Ewigkeit auf eine Erzader einschlug. Es sah nicht aus, als hätte er bisher viel geleistet, doch der Steinstaub, der sein Gesicht und die schäbigen Lumpen, die er zum Anziehen bekommen hatten, sprach eine andere Sprache.
Mit vor Anstrengung zittrigen Händen griff er nach dem Wasserschlauch, den er ebenfalls bekommen hatte und setzte ihn an. Ein mickriger Tropfen benetzte seine Lippen und er stöhnte unwillkürlich auf, während er das leere Gefäß sinken ließ.
„Hier Jungchen, nimm einen Schluck von mir“, hörte er eine Stimme von schräg hinter sich.
Sie war kratzig, belegt und gehörte zu einem Mann, der beinahe schon als Greis bezeichnet werden konnte. Ledrige Haut, schütteres Haar und drahtig, wie man es nur werden konnte, wenn man jeden Tag harte Arbeit verrichten musste, ohne ausreichend Nahrung zu bekommen.
Gierig griff Jal nach dem angebotenen Wasser und trank eins, zwei, drei große Schlucke, ehe er den Schlauch absetzte und sich mit dem verschmutzten Handrücken über den Mund fuhr.
„Danke“, keuchte er und gab den Trinkschlauch zurück.
Der Alte nickte nur, schaute ihn jedoch weiterhin mit einem Blick an, der irgendwo zwischen Neugier und Bedauern schwankte.
„Du hast das hier noch nie gemacht, was?“, fragte er und deutete auf die Spitzhacke, die neben dem Sohn der Wüste auf dem Boden lag.
„Was chat mich verraten?“, fragte er säuerlich und runzelte die Stirn.
„Ach, mehrere Dinge, wenn ich ehrlich sein soll“, erwiderte der Fast-Greis schmunzelnd und ließ sich neben ihn auf den Boden nieder.
„Weißt du Jungchen, wenn du nur mit roher Gewalt auf den Stein eindrischst, dann wirst du kein Glück haben und irgendwann wird dir die Hacke um die Ohren fliegen und dann kannst du dich auf eine Strafe gefasst machen, wenn du kein Eisenerz vorweisen kannst. Wie lange hast du bekommen?“
„Fünf Jachre mit anschließender Exekution“, gab der Chronist preis.
Er sah keinen Sinn darin den anderen Gefangenen zu belügen. Was wollte er mit der Information schon anfangen? Es war wohl einfach ein Aufhänger für ein Gespräch und Jaleel nahm die Gelegenheit für eine Pause gerne an.
„Optionaler Militärdienst?“
„Nordmar“, bestätigte er.
„Warum hast du abgelehnt?“
„Ich bin kein Krieger und ich war noch nie in Nordmar.“
„Verstehe“, brummte der Alte, war jedoch offenbar noch nicht fertig, weshalb der Varanter geduldig wartete, „Nichts gegen dich, Jungchen, aber du wirst hier drin schneller sterben, als du vielleicht denkst. Du taugst nicht zum Buddler und wer seine Quote nicht erfüllt wird entsprechend bestraft. Hab schon mehr als einen Mann gesehen, der dabei den Löffel abgegeben hat.“
„Was macht es für einen Unterschied, ob ich in der Mine oder im Kampf sterbe? Am Ende ist das Ergebnis dasselbe und ich werde meine Cheimat nie wieder sechen“, erwiderte Jal verbittert.
Die letzten Wochen im Fort Nemora hatten ihm stark zugesetzt und seine sonst unverwüstliche Hoffnung hatte Risse bekommen.
„Wenn du den Militärdienst wählst, zeigen sie dir den Umgang mit einer Waffe und du bist einer von vielen. Hier unten arbeitest du nur für dich und bist für das verantwortlich, was du schürfst, oder eben auch nicht schürfst.“
„Chaben sie dir keinen Militärdienst angeboten?“
Daraufhin lachte der Alte und es war ein Geräusch, wie wenn Steine aneinander gerieben wurden.
„Ich bin zu alt und fast mein ganzes Leben lang Buddler gewesen. Hättest mich damals im Minental auf Khorinis erleben müssen! Kannst froh sein, dass du dort nicht warst. Hättest keine Woche überlebt, sag ich dir! Außerdem bin ich der Beste in dieser gottverlassenen Mine und schaffe locker das doppelte der täglichen Quote“, brüstete er sich mit seinem Können.
Einen Moment schwiegen die beiden sich an, Jal in Gedanken und der Alte fokussiert auf ihn, noch immer das Schmunzeln im Gesicht.
„Glaub mir, Jungchen, wenn du dich meldest, dass du doch den Militärdienst machen willst, wird es dir besser ergehen. Wenn du dich gut machst, ab und an auf Innos schwörst und nicht beim Training oder an der Front verreckst, dann kommst du in ein paar Jahren wieder auf freien Fuß und kannst zurück in diese heiße Sandhölle, die du Heimat nennst.“
Das gab Jaleel noch mehr zu denken und sein Blick wanderte langsam zu Boden, wo seine Spitzhacke lag, hinauf zur Eisenader, auf die er seit dem Morgengrauen einschlug. Lediglich zwei faustgroße Brocken Erz hatte er herausgeschlagen bekommen und er wusste, dass er seine Quote niemals bis zum Ende der Schicht erreichen würde. Jeden Tag wurde er von den Wachen dafür verhöhnt und bedroht und er ahnte, dass der Alte Recht hatte und sie bald andere Seiten aufziehen würden, wenn er nicht Ergebnisse lieferte.
„Also dann, denk über meine Worte nach und wenn du klug bist, dann sehe ich dich in ein paar Tagen nicht mehr hier unten in der Mine. Und denk nicht mal ans Abhauen, sonst ergeht es dir wie den armen Würsten, die kürzlich angekommen sind!“
Damit erhob sich der Alte und schlurfte gemächlich davon. Jal verfolgte ihn mit seinen Augen und staunte, als er den Haufen an Erz entdeckte, der neben dem Arbeitsplatz des Kerls lag. Er hatte seine Quote längst erfüllt, weshalb er wohl auch die Freiheit hatte, sich auf einen kleinen Plausch einzulassen. Der Varanter hingegen hätte sich keine einzige Sekunde nehmen dürfen, auch wenn es am Ende wohl keinen Unterschied machen würde.
Mit schweren Gedanken kämpfte er sich wieder auf die Beine, blickte noch einmal auf die Spitzhacke, dann auf seinen Trinkschlauch und entschied zum Wasserfass zu gehen. Sollte er wirklich darum bitten in den Militärdienst zu wechseln?
Geändert von Jaleel (21.01.2025 um 00:18 Uhr)
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Hyr im südlichen Myrtana
“Es hat sich kaum was geändert…”, dachte sich Naira, als sie endlich in Hyr eintrafen.
In Richtung Pass nach Varant waren sie durch die Wildnis nach ihren Aufbruch von Beria marschiert und hielten sich an die einfach klingende, aber schwer umzusetzende Regel gehalten. Immer gen Westen am Rand des Kalksteingebirges entlang, bis du einen weißen Fels erblickst, der wie ein Snapper ausschaut.
Den hatten sie gefunden, aber der Snapper sah eher wie ein Kuhkopf mit einem abgebrochenen Horn für Naira aus und für Chani wie ein Scavenger, der einem den Hintern zeigt und am Boden nach Futter sucht.
Wahrscheinlich sah jeder irgendwas anderes, aber wenn es ein Snapper sein sollte - sollte es halt so sein.
Die Hyr-Waldläufer empfingen sie schon und hatten die gekalkte Palisade geöffnet, damit sie den Nordeingang betreten konnten. Das Hyr-Lager war groß. Es war mehr ein Höhlensystem im weißen Fels und hatte unzählige Gänge, die für den Unwissenden einfach ein Labyrinth waren. Wer den Weg kannte, kam vom Nordeingang in ein grünes, kleines Tal, wo die Hyr-Waldläufer Schafe hielten und wo im Sommer das ganze Tal voller Blumen und Schmetterlinge war. Der Schmetterling war auch das Zeichen von Hyr, auch wenn die Hyr-Waldläufer weniger wie Schmetterlinge wirkten.
Die Waldläufer von Hyr wirkten hart und zäh. Wettergegerbt und kampferfahren. Sie gaben sich mit einem sehr einfachen Leben hier zufrieden. Ihre Wohnhöhlen waren einfach gehalten mit Schlafstätten, Fellen und Kochstellen. Im Tal gab es einen Brunnen, wenn sie sich noch daran richtig erinnerte und dort standen auch noch ein paar Zelte aus Tierhäuten, die verschieden genutzt wurden.
Es gab hier keine Blockhütten oder Krankenstationen oder sonst etwas Ansehnliches oder Praktisches wie in Beria. Mehr brauchte man aber auch nicht, um zu überleben. Das hatte Naira damals gelernt.
Vieles von hier tauschten die Menschen von Hyr mit den anderen Waldvolk-Lagern und konnten sich so auch besser bewaffnen und versorgen.
Bhor wurde von einem Waldläufer begrüßt der sich als Wasabi vorstellte und sie alle willkommen hieß. Dann führte er sie durch das Höhlensystem in eine der größeren Wohnhöhlen kurz vorm Tal.
Dort war dann auch das Kommando um Eskiel und mitten unter ihnen Borin. Sein beschämter Blick sprach Bände, als seine Eltern vor ihm standen und ihn streng anblickten.
Dann brach Bhor das Eis, indem er seinen Sohn einfach in einer bärigen Umarmung begrüßte und Adanos dankte. Gisla umarmte Borin nicht so bärig, doch wie eine Mutter die einfach froh war ihr Kind wieder zu haben.
Naira erwartete dann jedoch jeden Moment, dass Gisla ihrem Sohn eine scheuern und eine Standpauke halten würde. Doch es geschah nichts dergleichen.
Borin war ein erwachsener Mann und von seiner Mutter hier vor allen Leuten so behandelt zu werden, wäre falsch gewesen. Egal ob Sohn oder Tochter.
Zwischen den Hyr-Waldläufern trat dann ihr Anführer hervor. Alt, drahtig und trotzdem kräftig gebaut. Augen so dominant und einnehmend, dass es schwer war, nicht zu Boden zu blicken.
“Bewahre, Bhor von den Baribal. Ich heiße dich und dein Kommando in meinem Lager willkommen.”, grüßte Torn.
“Bewahre, Meister Torn! Hab Dank, dass wir hier sein dürfen und vor allem, dass du meinem Sohn und Eskiels Kommando Zuflucht gibst.”, sprach Bhor und begrüßte Torn mit einer Umarmung, die sich wohl nicht jeder trauen würde. Doch sie kannten sich auch schon länger und Bhor hatte erzählt wie sie damals, als die Orkbesatzung Myrtanas begann zu enden, in Südmyrtana gewütet hatten, um die Orks aus Trelis zu provozieren bis ihr Statthalter persönlich heraus kam.
Die Geschichte vom sagenhaften Meisterschuss von Dekker, der den Kriegsherrn Vak von einen Baum aus auf über 300 Schritte durch das Auge mitten ins Hirn schoss, konnte nur durch ihre Vorarbeit geschehen.
“Setz euch und hört euch an, was Borin zu erzählen hat. Ich habe ihm nahegelegt, für seine Torheit die Konsequenzen in Zukunft zu ziehen. Sich klar zu machen, welcher Mann er sein will. Der Narr, der kniet und sich von jedem einen Bären aufbinden lässt oder der Mann, der dem alten Namen Baribal Ehre macht. Es liegt alles bei dir, Borin von den Baribal. - Mehr habe ich später zu sagen.”, sprach der Druide und jeder hatte zugehört. Es wurde gebratenes Fleisch und gegrilltes Wurzelgemüse in Holzschalen gereicht und Torn brach das Brot mit Bhor. Wie es die alte Sitte war.
Als alle saßen, stand Borin da immer noch.
Er war in Gedanken, wollte klug und weise sprechen. Doch konnte er das? Naira sah in ihm einen jungen Bhor, der gut und mutig sein wollte. Der sich Vorwürfe machte, weil Barik nicht hier war. Der sich Gedanken darüber machte, was hier gestandene Waldläufer über seine Aktion dachten, was die bunten Vögel über ihn dachten und wie er all den Mist, den er verursacht hatte, wieder in Ordnung bringen konnte.
Torn hatte schon recht. Es gab eine Konsequenz darin, dass Borin dafür gerade stehen musste und es vor allem besser in Zukunft machte. Doch das befreite gerade nicht seinen Bruder Barik.
“Sohn. Du musst dich nicht erklären und du musst nicht sagen, welche Konsequenzen du ziehst. Das entscheidest du nur für dich.
Erzähl uns, was dieses Fort ist und was du alles dort drinnen gesehen hast. Was denkst du machen sie mit Barik und wie bist du entkommen?”, sagte Bhor mit ruhiger Stimme zu Borin und half diesem wohl ungemein.
“Das Fort liegt an einem Steinbruch. Wir waren zwei Dutzend Gefangene. Nordmarer, Varanter, Myrtaner. Wir wurden vor einem Richter und…ihren Kommandanten abgeurteilt. Barik und ich sollten für ein Jahr in die Minen oder konnten uns unsere Freiheit in einer Verbrecherkompanie für zwei Jahre erkämpfen.” - “Das wolltet ihr doch? Helden in Nordmar werden…” - “Ja. Das war unser Plan. Sie schicken jedoch Nordmarer und unser Volk nach Varant. Wo wir uns nicht auskennen. Varanter nach Nordmar.”, erklärte Borin und klang so, als würde er sich dafür schämen, so naiv gedacht zu haben.
“Verbrecherkompanie? Bessere Lämmer, die sie ganz vorne hinstellen, um abgeschlachtet zu werden.”, sagte Bhor und Eskiel fügte an:
“Und dieser Steinbruch oder Mine…das ist ein Grab. Wir haben es beobachtet. Das Reich hat die Sklaverei abgeschafft, aber die Gefangenen dort haben kein besseres Leben. Innos Licht erreicht diesen Ort nicht und wer dafür nicht gemacht ist…der geht da ein.”
Es gab Gemurmel unter den Waldvölklern. Flüche, Kopfschütteln oder Erklärungen, dass die Welt nunmal so war. Naira wollte sich moralisch nicht über die Myrtaner erheben, aber im Waldvolk hätte das Thing entschieden und eine Strafe ausgesprochen. Niemals wäre jedoch sowas wie diese Strafarbeit entschieden worden.
“Was habt ihr gewählt? Erzähl weiter, Sohn.”, sagte Gisla.
“Den Militärdienst. Denen ging es besser dort. - Dort sind viele Hütten. Nicht so wie in Beria. Alles geordnet und geregelt. Sie haben da einige Türme mit Wachposten, die Palisaden sind fast zwei Mann hoch und an manchen Stellen haben sie schon einfache Wehrgänge. Wir wären in eine große Baracke gekommen. - Als wir allesamt vor der Baracke warten sollten, hatte Barik schon einen Fluchtplan. Mit einem Nordmarer schuf er mit einer Prügelei Ablenkung und dann sind wir losgerannt. Barik hatte gesehen, dass sie Reparaturarbeiten an den Palisaden machten und die Pfähle noch nicht gesetzt waren. Wir stießen einen Pfahl um und ein Mitgefangener kroch als Erstes raus. Dann ich und dann drückte sich Barik schon durch. Leider nicht schnell genug. Eskiel hat mich zurückgezogen und half mir zu entkommen. Den anderen haben sie erwischt.”, erzählte der junge Baribal und ballte die Fäuste.
“Und du sagst, es war eine Frau mit schwarzen Haar, die ihn aufhielt und dann mit Reitern euch und den anderen im Wald gejagt hat? Noch einmal, damit es bestätigt ist. Dann können wir aus Hyr euch zu ihr was erzählen.”, sagte Torn. Borin nickte.
“Rayla Qel-Droma. Sie wird die schwarze Rayla genannt. Sie dient mit ihrer Reiterschar dort im Fort und sichert den Pass vor Banditen. Sie ist gnadenlos und sehr ehrgeizig. Gefürchtet unter Banditen. Eine gefährliche, aber auch respektable Gegnerin. Sie hat auch uns schon zwei Mal verfolgt. Ist sie vor Ort, dann ist jegliche Art von Fluchtversuch wesentlich schwieriger.”, erzählte Torn in einem Ton, der einen gewissen Respekt hervor brachte. Es verwunderte Naira nicht, dass er so klang. Torn war dafür bekannt, dass er seine Gerechtigkeit durchsetzte und die hatte keinen Platz für Banditen und Verbrecher, die einfachen Leuten schadeten. Doch auch den Myrtanern setzte er zu, jedoch nicht so wie den Orks den Erzählungen nach. Das taten sie alle in Hyr und das musste man als Gast hier beachten. Widerrede war immer erlaubt, das hatte sie damals hier gelernt. Doch die Leute umstimmen war hier schwierig und je nach Sichtweise gar nicht nötig. Die Sturheit des Waldvolkes hatte hier ihren höchsten Grad.
“Dann sollte sie besser nicht vor Ort sein, wenn wir was versuchen.”, sagte Gisla und blickte dann zu ihrem Sohn. Die Frage nach Barik stand noch aus.
“Ich weiß es nicht, Mutter. Als wir rein kamen, waren da zwei Gefangene an einem Pfahl angekettet. Sie sahen aus wie jemand, der bestraft worden war. Ich bete zu den Göttern, dass sie Barik nicht da dran gekettet haben.”, sagte Borin.
“Und ich, dass sie ihn NUR daran gekettet haben.”, erwiderte Bhor. Für einen Moment herrschte Stille. Dann erhob Torn das Wort.
“Wir können euch helfen. Wir werden aber nicht das Fort attackieren. Dafür fehlen uns die Kräfte. Ablenkung - ja. Sollte Beria mitziehen, dann ist das eine Überlegung wert. Doch missfällt es mir, dass meine Männer und Frauen für jemanden ihr Leben lassen, der dort durch Torheit hinein kam, nachdem er schon Hilfe geboten bekam. Ein Narr ist nicht die Leben von zwei Dutzend Hyr-Bewohner wert.”, sagte er scharfzüngig. Fast schon provokant. Gisla missfiel es, doch Bhor sprach, bevor sie oder jemand von ihnen was sagte.
“Deine Worte sind hart, aber wahr, Torn. Das muss man frei jeglicher Emotion so sehen. Ich würde meine Leute auch nicht zwingen jemanden zu befreien, der selbstverschuldet dort landete. Unwissen schützt nicht vor Strafe sagt man bei den Myrtanern. - Du wirst aber sicher verstehen, dass ich meinen Sohn da trotzdem rausholen will. Eure Unterstützung wäre mir wichtig und ich verlange nicht von Hyr in einen sinnlosen Kampf zu ziehen. Wir werden es so lösen, wie es die Bunten Vögel schon in Kap Dun gelöst haben. Von Hyr erhoffe ich mir zur rechten Zeit die volle Kampfkraft, um Teil eines Fluchtplans zu werden.”, sagte Bhor mit wohl bedachten Worten. Gisla und Borin hatten nun eine andere Körpersprache.
“Ihr wollt da rein und euch raus schleichen?”, fragte Torn und zog die Augenbrauen hoch.
“Wir infiltrieren das Fort, suchen Wege hinaus, manipulieren ein paar Dinge und flüchten dann. Das ist die Spezialität der Bunten Vögel.”, sagte Gisla und Naira horchte natürlich auf. Vor allem als Gisla sie ansah.
“Ich verstehe. Wer soll da rein? Doch nicht ihr alle?”, fragte Torn stutzig. Er war jemand, der die Dinge direkt anging. Natürlich kannte er auch List und Fallen. Aber er schien nicht überzeugt.
“Nur Zwei von uns, wenn sie das machen wollen. Wir zwingen niemanden und erwarten es auch nicht von euch, Danzo und Naira.”, sagte die Waldläuferin und schaut beide an.
“Ich bin dabei. Was ist der Plan.”, sagte Danzo.
“Ja, was ist der Plan. Ich mache das für euch, Gisla und Bhor.”, sagte Naira und spürte ihren Herz pochen. Für die beiden war es selbstverständlich zu helfen.
“Ich will niemanden beleidigen, aber diese zwei Küken sollen in ein Fort gelangen, dort die Flucht vorbereiten und Barik dann befreien.”, sagte Wasabi und der Blick Torns schien dasselbe zu sagen.
“Danzo ist ein junger Mann und wird sich dort behaupten. Und ich habe in Kap Dun so einiges bewiesen.”, meinte Naira.
“Hast du? Waren da auch Sträflinge, die sich an kleinen Mädchen vergehen wollten? Soldaten die eine so kleine Frau ohne Rechte nicht einfach mal überwältigt haben und sich genommen haben, was sie wollten?”, fragte Wasabi scharf. Naira verzog den Mund.
“Ich weiß mich zu verteidigen und trage das Risiko für mich! Ich habe Angst! Aber nicht die eines Hasen vor dem Wolf. Und wenn du mich noch einmal kleines Mädchen vor allen hier nennst, dann werde ich dich fragen, ob du manns genug bist mit deiner dünnen Gestalt dich zu wehren, wenn ein Myrtaner vorlieben für Knabenhintern hat.”, entgegnete sie und fixierte den Waldläufer. Wasabi wollte was erwidern, doch ließ es dann.
“Wenn Naira Flammenherz dieses Feuer auch dort zeigt, dann dürfen sich die Ausbilder warm anziehen.”, sagte Eskiel um die Situation zu entspannen.
“Und ich werde immer in ihrer Nähe sein.”, brachte Danzo noch ein und blickte zu Gisla.
“Ich auch, wenn ich als Dritter mitkommen darf!”, sagte Borin, doch der bekam direkt eine Absage durch seine Mutter.
“Du wirst noch härter bestraft und wirfst Fragen auf, die den Plan vereiteln könnten. Du bleibst bei uns und bekommst noch die Gelegenheit deinem Bruder zu helfen. Es wird riskant genug für Danzo und Naira. Es wird hart für beide, wenn sie dort erst einmal bestehen müssen. Aber Danzo ist sehr geschickt darin, aus brenzligen Situationen gut rauszukommen. Und Naira ist fähig, einen eigenen Plan zu schmieden und um mehrere Ecken zu denken und zu handeln.”, sagte Gisla und sah dann Torn an.
“Ihr müsst euch nicht rechtfertigen. Das hat Bhor schon getan. Nur ist es wie gesagt recht riskant und junge Menschen können nicht die Erfahrung haben, die jemand Älteres besitzt. Es wäre schade, um zwei junge Menschen unseres Volkes.”, sagte Torn.
“Jemand Älteres verfällt oft in alte Muster. Ich werde euch nun erzählen, was mein Plan ist, den ich seit unserem Aufbruch erdacht habe. Naira und Danzo sollen dann noch einmal entscheiden und dann könnt ihr immer noch die Dinge bemängeln, Torn. Oder aber dem Ruf von Hyr als tatkräftige Waldvölkler mit besonderen Fähigkeiten gerecht werden.”, sagte Gisla mit einem gut verpackten Seitenhieb gegen die große Skepsis im Raum und begann dann zu erzählen…
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Hyr im südlichen Myrtana
Naira packte gerade ihre Sachen zusammen. Verstaute alles fein im Rucksack und suchte Extra-Plätze für all die Dinge, die sie hier lassen würde. Und das war nicht wenig. Ihre ganzen Messer, ihre Gurte und den Lederharnisch. Ihr Zeichenbuch und sogar ihre guten Stiefel. Ja, so einigen Kram musste sie sagen, der für sie selbstverständlich war.
Was blieb, war ihr Knochenanhänger von Morena, dessen Lederband sie für einen Zopf verwendete und den Anhänger gut im dichten Zopf verbarg. Dann etwas ältere Kleidung, die sie extra auf Gislas Geheiß mitgenommen hatte. Alte Stiefel, die sie eigentlich als Reserve hatte und ein grüner Mantel, um alle Vorurteile zu bestätigen.
Borin kam in die Kammer, wo sie alle übernachtet hatten und räusperte sich. Er sah verdammt nochmal seinem Vater so ähnlich, dass Naira sich etwas schwer tat die beiden einfach zu unterscheiden.
“Was gibt es, Borin?”
“Ich wollte mit dir sprechen, Naira. Über Kap Dun.”, sagte er und schien Mühen damit zu haben, was er eigentlich sagen wollte.
“Du willst über Kap Dun sprechen? Die Situation auf dem Schiff? - Nun danke erst einmal, dass ihr den Schreier damals zusammengeschlagen habt.”, sagte sie und holte doch noch ihr Zeichenbuch hervor.
“Das hat er verdient. Er ist dort in den Minen. Pass auf dich auf. Er ist ein Frauenmörder. Ein Bastard der schlimmsten Art…”, warnte Borin und hatte was auf der Zunge, dass er aussprechen wollte.
“Ich werde aufpassen. Danke. Was willst du mir denn nun sagen? Du und dein Vater…bei manchen Dingen seid ihr wie euch sowas von gleich.”, merkte sie an und lächelte. Sie schaute genau auf Borins Mimik und seine Körpersprache. Suchte die Nuancen, die ihn von Bhor unterschieden und Borin ganz eigen waren. Machte sich schon Notizen auf die Rückseite.
“Entschuldigung!”, sagte er wie ein kleiner Junge der wusste was er getan hatte und es einsah, aber viel zu stolz war um zuzugeben, dass er sich dumm verhalten hatte.
“Für waaaaaaaass…?”, fragte Naira und zog die Augenbrauen gespielt hoch. Sie legte es bewusst darauf an, ihm alles zu entlocken. Borin knurrte innerlich wohl sehr laut.
“Dass ich mich benommen habe wie ein sturer Esel…”
“Und? Komm schon, du bist vier Sommer älter als ich. Du hast nen Bart. Du bist keine zehn mehr, Borin von den Baribal!”
“...und dich und allen anderen Zeit, Nerven, Energie gekostet habe. Und euch vor allem in eine Gefahr gebracht habe…die meiner nicht wert war…”, knurrte er und schluckte seinen Stolz herunter.
“Geht doch! Borin - du warst es wert und bist es immer noch. Barik war es wert und ist es natürlich immer noch. Deswegen machen wir doch diesen Bohei! Ich bin deine Schwester. Deine Eltern haben mich mit dreizehn Winter aufgenommen und mir geholfen groß zu werden…”
“...naja du bist ziemlich klein…”, sagte er mit verschränkten Armen. Wollte er sie necken oder war er wirklich so dumm?
“...Depp! Körperlich ist es so wie es ist. Aber du mein lieber Bruder, hättest vielleicht bei ihnen bleiben sollen. So wie ich gelernt habe mein Hirn einzuschalten, hätte es dir auch gut getan!. Bhor und Gisla sind für mich Familie und ich hab keinen Moment lang gezögert, als wir das in Kap Dun gemacht haben. Ich habe auch nicht gezögert, als Gisla gestern Abend dieses Himmelfahrtskommando vorstellte, bei dem wir ziemlich viel Glück, Kraft und Verstand brauchen werden. Ich hoffe du siehst es nicht als selbstverständlich und wirst daran denken, wenn ich am Arsch bin und Hilfe brauche. Mehr müssen wir darüber nicht diskutieren, Bruder. Weißt du was auch nicht selbstverständlich ist, Borin?”
“Dass Dunca auf dich wartet und du dir jeden Blödsinn erlauben kannst. Weißt du wie gefragt diese hübsche, herzliche Nimrod ist, Herr Baribal?”, fragte sie und schürzte die Lippen zu einem leichten Grinsen.
“Dunca? Ja…geht es ihr gut? Ich weiß. Ich werde mit ihr reden, wenn ich in Beria bin.”, sagte er. Naira schüttelte den Kopf.
“Sei froh, dass du eine kleine Schwester hast, die sich mit Dunca angefreundet hat. Dunca wird dich nicht mal mit dem Arsch angucken. Du hast sie immerhin in den Kerker gebracht. Besorge ihr ein gut durchdachtes Geschenk und entschuldige dich aufrichtig. Kein Trotz, kein sturer Bock. Einfach Borin, den sie so schätzt. Mach kein Blödsinn! Verstanden?”, sagte sie an und Borin nickte nachdenklich.
Er hatte wohl gedacht er marschiert nach Beria und die fällt ihm um den Hals.
“Hast du eine Idee? Ich bin nicht gut darin.”, brummte Borin.
Naira lächelte auf.
“Ich weiß. Gisla hat mir von deinen Geschenken an sie erzählt. Ganz ehrlich? Ein Schinken, Borin? Ich helfe dir…”, sagte sie und kramte in ihrem Rucksack herum, bis sie das Fläschchen hatte.
Sie öffnete es kurz und roch daran, bevor sie Borin daran riechen ließ.
“Ein Duftöl aus Montera. Zimt und Narde. Das passt zu ihr. Erdig, herzlich und warm. Ein Geschenk von einem Freund, dem ich geholfen habe.”, erzählte sie und reichte es Borin. Doch dann zog sie es zurück.
“Ich habe was gut bei dir, Borin von den Baribal.”
“Das hast du, kleine Schwester.”, sagte der Hüne und bekam dann das Öl.
“Das will ich doch meinen. Wie kann ich Barik am besten helfen, wenn ich drin bin?”, fragte sie und begann zu zeichnen.
“Barik klar machen, dass du die Regeln machst. Sonst wird er es auf eigene Faust versuchen. Richte Barik aus, dass es meine Schuld ist und ich das wieder gut machen werde. Er soll dir vertrauen, sonst wird er wieder mit dem Gesicht in Ripperscheiße fallen. Das hab ich nur gesehen und niemand weiß es. Damit wird er dir vertrauen, weil ich es dir gesagt habe. Das mache ich nicht, wenn es nicht so ernst wäre.”, erklärte der Baribal und hatte Naira damit schon ein Stück weiter geholfen.
Sie nickte und zog konzentriert Striche und verwischte dann etwas.
“Das wird helfen. Borin noch was…deine Eltern lieben dich und sie haben es nicht gezeigt, um stark zu sein. Aber sie hatten und haben Angst um euch. Dein Vater hat seinen Bruder verloren und wir wollen verhindern, dass du dasselbe erlebst. Halt dich an sie, mach keine eigenen Dinger und zeig allen aus welchem Holz du geschnitzt bist. Du bist nicht nur ein Baribal. Gisla ist deine Mutter und schlauer, als manch Druide. Zeig das auch.”, ermahnte sie ihn ein letztes Mal und bat Borin dann, still zu halten.
Sie fing sein Gesicht ein, zog neue Striche für das Haar und intensivierte die Augen. Gut sah er ja schon aus. Ein Mannsbild das Eindruck machte. Hinter dieser Fassade sammelte sich Naivität, Arroganz und große Sturheit. Aber auch eine einfühlsame Seele, wie die von Bhor - wenn Borin es denn erlaubte. Mut konnte man dem Kerl auch nicht absprechen. Und würde er den Kopf endlich mal benutzen, wäre da auch ein Ausgleich für die negativen Seiten. Sollte das mit Dunca klappen, dann wäre Borin in besten Händen. Würde Dunca ihn nicht wollen - nun Naira hatte in Gedanken nur einmal kurz gekostet, wie es wäre Borin ohne Kleidung zu inspizieren und ihm die Dummheit aus den Knochen zu jagen. Es wäre ein interessantes Projekt.
Sie biss sich kurz auf die Lippe, vollführte den finalen Strich und schaute zufrieden auf. Für eine schnelle Zeichnung von Borin hatte sie gut gezeichnet, was wohl an der Übung in den letzten Tagen lag.
Naira zeigte ihm die Zeichnung und der Hüne besah sie sich genauer.
“Das bin ich, ja?”, fragte er.
“So wie ich dich sehe, Borin. Ich sehe da Bhor und sehe da ein wenig Gisla. Ich sehe aber auch einen Mann, der einmal ein eigenes Kommando führen wird und über den es viele Geschichten an unseren Feuern geben wird. Er müsste nur den richtigen Weg einschlagen und auf Leute hören, die es gut mit ihm meinen.”, meinte sie und schloss ihr Zeichenbuch, um es im Rucksack zu verstauen.
“Auf dich hören…”, sagte er recht leise.
“Auf deine Familie und Freunde. Dafür sind wir da. So wie du auch dafür da bist. Wenn ich zurück bin, schenke ich dir das Bild. Bewahre!”, wünschte sie und war fertig für die Abreise.
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Fort Nemora - Tag 1
War es eine dumme Idee gewesen? Naira fühlte sich nicht wohl, nun da sie dieses Fort vor Augen hatte.
Es war…groß. Wirklich groß und die Palisaden recht hoch. Ganz zu schweigen von den Türmen.
Ihre kleine Waldvolkwelt schrumpfte auf ein Stückchen mehr, nun da sie schon viele Städte gesehen hatte und jetzt das Fort, das für wirkliches Militär stand.
Sie verstand Bhor einen Ticken mehr, wenn er davon sprach, dass sie mit den Myrtanern versuchen mussten auszukommen und den schlafenden Hund nicht wecken sollten. Arakos sah es wohl ähnlich und dafür war sie dankbar. Nicht auszudenken, wie ein Heißsporn wie Borin das Waldvolk ins Verderben führen würde, wenn er schon mit Beria Kap Dun hatte angreifen wollen.
Ihr ansehnlicher Waldvolk-Verband aus einen großen Jagdkommando und den Waldläufern von Hyr, war trotzdem nicht ohne. Die bunten Vögel mitsamt Samorin und der roten Braenn aus Beria waren allesamt gut gerüstet und auch die Hyr-Waldläufer mit Torn hatten sich für den Ausflug schick gemacht, um im Fall der Fälle den Plan zu ändern.
Doch der Plan sah etwas anderes vor. Naira und Danzo hatten eine Rolle zu spielen.
Bewaffnet mit angespitzten mannshohen Stöcken, die im Feuer gehärtet worden waren. Gekleidet in ihrer einfachen, alten Waldvolkkleidung und versorgt mit guten Tonflaschen, in denen Wasser war, sollten sie vor das große Tor treten, wo sie ihre bisherige Zeit so manches beobachtet hatten.
Reiter die losritten und andere, die zurückkamen. Typische Patrouillen halt.
Mit Waren voll beladene Fuhrwerke, die am Tor geprüft wurden, bevor sie hineingelassen wurden. Ein Gefangenentransport aus Varant kommend, wo die drei Gefangenen Seile um den Hals geschlungen hatten. Drei Fuhrwerke, die mit großen Steinen beladen das Fort verließen und eine Kompanie von vielleicht drei Dutzend oder mehr, die in voller Montur und einem Banner am frühen Morgen los marschierte.
Nach Eskiel waren das Rekruten, die ihre grundlegende Ausbildung abgeschlossen hatten und nun irgendwohin verlegt wurden. Wohin wusste er natürlich nicht, aber das Banner erkannte er als Feldzeichen für die Truppen aus Nordmar. Varanter sahen sie dort aber nicht aus der Ferne, was nach Eskiel einfach erklärte, dass dort auch reguläre Truppen ausgebildet wurden. Wäre wohl schön dumm nur Verbrecher dort auszubilden und zu hoffen, dass sie sich nicht zusammen tun, um eine dünne Besatzung zu massakrieren.
“Bereit?”, fragte Gisla, als das Tor wieder geöffnet wurde, weil sich ein Fuhrwerk dem Fort näherte, das auf Höhe ihres Verstecks am Waldrand nun vorbei gefahren war. Naira atmete durch und blickte gen Himmel, dann nach links zu den Leuten von Hyr und insbesondere zu Torn, der immer noch skeptisch schien, und dann nach rechts zu den bunten Vögeln und Danzo. Der nickte ihr zu und schien bereit. Ob er auch diese Anspannung wie sie selbst hatte? Wie vor einem komplizierten Theaterstück, das sie nicht geprobt hatten und viel mehr im Stile eines Improvisationstheaters aufführen würden.
Bhor und Gisla sagten nichts. Es war alles gesagt und gedankt und versichert worden, was es dazu zu sagen gab. Nun mussten Taten folgen.
Es war Danzo der seinen primitiven Speer packte und loslief. Naira eilte einen Augenblick später hinterher. Sie liefen hinter dem langsamen Fuhrwerk hinterher und sprangen dann am hinteren Ende auf. Sie hielten sich geduckt, begossen ihre Kleidung gegenseitig mit Schnaps und warteten eine gefühlte Ewigkeit auf dem ruckelnden, langsamen Ding, das von Ochsen gezogen wurde, bis sie sich allmählich dem Tor näherten. Der Moment, wo sie vom Weiten ein “HALT!” hörten, war der Moment, wo sie wohl von den Türmen aus entdeckt worden waren.
Sie sprangen ab, näherten sich dem Fuhrmann und Danzo hielt diesem den Speer an den Wanst. Naira holte eine Tonflasche hervor und nahm einen großen Schluck. Dann lallte sie irgendwas von “Los! Weiterfahren!”.
Das Fuhrwerk setzte sich in Bewegung und am Tor sammelten sich auch schon vier Mann, die die Sache genau beobachteten. Danzo stieg auf den Sitz und hielt dem Fuhrmann den Speer an die Kehle und Naira tänzelte beflügelt vom unechten Wacholderschnaps vor dem Wagen hin und begann ein Schmählied auf Rhobar zu singen. Über seine Nase und dass er sich lieber von seinen Paladinen beglücken lässt, statt Frauen zu beglücken. Ein dummes, unrhythmisches Lied das bei Betrunkenen vielleicht zum Gröhlen annimieren würde. Danzo sang dann beim Refrain mit und als sie kurz vorm Tor standen, Armbrüste auf sie gerichtet waren und ein genervt blickender wachhabender Kommandant sie in seiner Garderüstung anstarrte, begann der nächste Part.
“Halli…huallo! Seid ihr Rhobar der Drittense? Isch hab da mal ne Frage? - Kannst du mich auch von einer Verbrecherin zur Köööjnigin machen?”, grüßte Naira mit pochenden Herzen die Wachmannschaft und wandte ihre Schauspielkunst an.
“Und misch suuu einen Kööönisch?”, fragte Danzo und holte auch seine Pulle heraus, um mit Naira anzustoßen.
“Was soll dieser Scheiß? Runter vom Wagen da und weg mit euren Stöcken! Sonst habt ihr gleich einen Bolzen im Arsch.”, befahl der Gardist.
“Wat?! Du bist nicht Rübar!? Dann verpiss dich und mach den Weg frei! Steck dir deinen Bolzen da hin wo Innos seine Sonnens nicht hinscheint!”, polterte Naira und spuckte aus.
“Was seid ihr für Leute?!”, fragte einer der Wachmannschaft.
“Na Waldis! Das ist unser Ge…gee…gebiet hier. Da der Wald. Da bin ich der Kööönisch! Kööönisch Dobar! Merk es dir du verdammter Myrtaner!”, sagte Danzo und spuckte ebenso aus.
“Holt den Rübar! Er hat hier Leute von unsens! Zwei Brüders! Groß wie Bären und dumm wie ein myrtänischär Soldat! HAHAHA!”, lachte sie und drohte dann trinkend, den Fuhrmann aufzuspießen.
Es reichte dem Wachhabenden sichtlich und er befahl die Waffen zu ziehen.
“Kämpfen? Phaa! 8 gegen 2 ist mal wieder typisch! Kööjnig Donbar! Zu den Waffens!”, schrie sie und warf mit dem Speer nach den Wachen. Das Ding landete vor ihren Füssen und Gelächter kam auf, weil es keine zehn Schritte waren.
Danzo schubste den Fuhrmann vom Wagen und trieb dann die Ochsen peitschend an. Die Tiere muhten auf und setzten sich in Bewegung. Laufend wären sie mit dem schweren Karren schneller gewesen, doch auch so wichen die Wachen aus. Ein Armbrustschütze setzte an, doch Danzo warf seine Tonflasche nach diesem und sprang dann vom Wagen, um wie Naira ins Fort zu gelangen.
Er schob mit seinem Speer die Wachen an, bekam diesen prompt aus der Hand gerissen und mit dem Panzerhandschuh einen satten Hieb ins Gesicht. Naira indes warf ihre Flasche nach den Leuten die bei Danzo waren. Sie schlüpfte, klein wie sie war, dem ersten Angreifer aus den Fängen, wurde aber dann gepackt und biss einer der Wachen in den Lederhandschuh. Sie wurde überwältigt und bekam auch eine gescheuert. Blut tropfte ihr aus dem Mund und sie sah ein paar Sterne, bevor sie von einem Mann hoch gehoben wurde und alles andere als sanft den Arm hinter dem Rücken hoch gedrückt bekam. Danzo wurde zu Boden gedrückt und sein Kopf an den Haaren hochgezogen. Eine hässliche Platzwunde hatte er über dem linken Auge. Jemand hielt das Ochsengespann auf und es sammelten sich im Fort ein paar Leute um den Ort des Geschehens.
“Parle…”, lallte die Diebin. Niemand konnte was damit anfangen.
“Parleeee…ihr Barbaren! So verhandelt man unter Feinden.”, sagte sie und sorgte für Gelächter.
“Eine dumme Bewegung. Ein frecher Satz und wir hängen euch dummdreisten, Vogelfreien aus den Wäldern! - Fesseln und zu den drei Gefangenen aus Varant bringen. Der Richter und der Kommandant kriegen meinen Bericht. Dämliche Waldbanditen!”, sagte der Wachhabende und auf sehr ruppige Art und Weise wurden Naira und Danzo gefesselt und durch das Fort zu den anderen Gefangenen geführt. Es war wie Borin beschrieben hatte. Rechtecke und Symmetrie bei den ganzen Hütten.
“Die spinnen die Myrtaner…”, dachte sie und erblickte, so wie Danzo auch, am Schandstock Barik angekettet. Blutig im Gesicht und mit geschwollener Unterlippe. Aber nicht so ausgemergelt und halbtot wie der andere dort.
Er blickte zu ihnen, beobachtete sie genau, regte sich aber nicht. Naira nickte diesem für einen Bruchteil eines Augenblicks zu und hielt sich dann bedeckt. Sie wollten nicht hängen, nur hier rein.
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Fort Nemora - Tag 1
“Dein Name, Waldbanditenmädchen!”, befahl der Schreiber am Tisch. Sie stand vor der Menge an Myrtanern. Der Richter in seiner weiten Robe musterte sie gelangweilt, während der Kommandant mit verschränkten Armen da stand, sie kurz musterte und dann auf den Bericht wohl blickte.
“Kayla! Ihr habt meinen Freund am Schandstock gebunden. Lasst ihn frei! Und dann mich, seinen Bruder und meinen Bruder!”, sagte sie selbstbewusst, als ginge es gar nicht darum, dass sie gleich verurteilt wird. Der Kommandant blickte skeptisch auf und nickte dem Schreiber zu.
“Der da soll auch vortreten. Name?”, fragte der Schreiber Danzo, der nach vorne geschoben wurde.
“Kaylon! Ich bitte meine Schwester zu entschuldigen. Der Alkohol spricht noch aus ihr. Wir wollen nur die beiden Brüder holen und dann in Frieden gehen. Wir werden in den Wäldern bleiben und ihr in euren Siedlungen, Städten und Forts.”, schlug Danzo vor. Er wurde schlicht ignoriert und der Schreiber verlas die Anklageschrift.
“Gardist Mandos als wachhabender Offizier der Torwache klagt diese beiden Waldbanditen wegen folgender Dinge an: Majestätsbeleidigung, versuchte Erpressung, Geiselnahme des Fuhrmanns Gisbert, Raub des Fuhrwerks mit zwei Ochsen des Fuhrmanns Gisbert, tätlicher Angriff auf Soldaten des Reiches, Widerstand gegen die Gefangennahme, Zugehörigkeit zu den Waldbanditen Myrtanas. Um Innos Gerechtigkeit zu wahren, gibt Gardist Mandos an, dass beide volltrunken ihren Angriff gegen das Fort gewagt und niemanden verletzt haben.”
“Kniet! Oder ihr werdet direkt hingerichtet, Waldbanditenpack!”, befahl der Kommandant in seiner schweren Rüstung. Naira erschauderte bei der hörbaren Verachtung in seiner Stimme.
Naira und Danzo knieten hin. So war es abgesprochen und so hatte es Borin geraten. Manchen Stolz schluckte man runter, wenn es um die eigenen Leute ging.
Der Richter grinste süffisant und blickte kurz zum Kommandanten.
Dann hob er die Hand, um sein Urteil zu verkünden.
“Kaylon von den Waldbanditen wird für seine Dumm-Dreistigkeit irgendwas vor dem hohen Gericht einzufordern und für seine verbrecherischen Taten, zu einen Jahr in den Minen von Nemora verurteilt. Es sei denn, er beugt das Knie, um im Dienste des myrtanischen Reiches für 2 Jahre in der Verbrecher-Kompanie zu dienen!?”, sagte der Richter und Danzo beugte ohne zu zögern das Knie.
“Das ging schnell und wie schön sie knien können. - In Varant darfst du das weiter üben. Zwei Jahre Verbrecher-Kompanie in Varant. Und nun seine Schwester.”, sagte der Richter und sah Naira so an, wie manch alte Säcke junge Frauen allzu gern ansahen.
“Kayla von den Waldbanditen. Die Minen werden dir die Widerspenstigkeit austreiben. Vor allem deine Mithäftlinge, wenn sie dich Nacht für Nacht aufsuchen.”, sagte der Richter und Nairas Blick erstarrte. Meinte er das ernst?
Er verzog keine Miene und auch sonst niemand. Danzo machte einen Schritt vor. Wollte bitten, während Naira ein Stückchen blasser wurde und begann zu wimmern und sichtlich ihre Angst zu zeigen. Sie hatte wirklich Angst.
Dann lachte dieser elende Hund auf, weil er sie da hatte, wo er sie haben wollte.
“Schau an, wie schnell dieses freche Mundwerk gestopft war. Angst, Waldbanditin?”
“Ja, Herr. Lasst mich bitte als Soldatin dienen. Wie Kaylon. Bitte…”, flehte sie, roch den Braten, dass er hier Macht beweisen wollte und vergoss fast auf Kommando Tränen. Das gefiel dem Richter. Daran geilte er sich wohl auf.
“Hat das Militär überhaupt Verwendung für solche Frauen?”, fragte der Richter den Kommandanten.
“Als Soldatin oder zur Stärkung der Moral in einer Versorgungskompanie. Je nachdem, wie sie sich schlagen.”, sagte dieser Ritter, der sicher auch einmal schwor, Frauen und Kinder zu schützen. Natürlich verstand Naira diese Andeutung und war angewidert. Gleichzeitig war sie aber auch erleichtert, denn sie landete wohl nicht in der Mine.
“Herr. Ich werde so gut sein wie die schwarze Reila, die selbst mein Volk fürchtet. Ich möchte im Militär dienen. Als Soldatin!”, sagte sie ruhig und respektvoll. Teils gespielt, teils sich sicher, dass dies nicht die letzte Situation war, wo man ihr gegenüber Macht ausübte. Wasabis Befürchtungen hatten eine gewisse Wahrheit in sich. Sie würde ziemlich aufpassen müssen.
“Welch Eifer, wenn die Angst, geschändet zu werden, so präsent ist. Vielleicht sollte man das allen Weibern ihres Volkes androhen, Kommandant. Dann habt ihr Ruhe. Nun genug davon…dann soll es so sein. Kayla von den Waldbanditen. Zwei Jahre Militärdienst in der varantischen Verbrecher-Kompanie!”, lautete das Urteil des Richters der sie wieder so ansah. Dann wurde sie und Danzo zur Seite geführt und sollten sich hinsetzen. Zu den drei Varantern wurden noch zwei weitere Häftlinge in Schürferkleidung vorgeführt. Naira hatte dafür noch nicht ganz den Kopf. Sie musste erst einmal mental runterkommen und sich bewusst werden, dass sie hier unter hohem Risiko dieser Aktion zugesagt hatte.
“Danke das du hier bist.”, flüsterte sie Danzo zu. Der griff ihre Hand und drückte sie leicht.
“Ich pass auf dich auf. Schau du nur zu, dass wir hier rauskommen. Ich will nicht nach Varant.”, sagte er zu ihr und sie drückte sehr fest zurück. Ja, sie würden das hier schaffen und Barik raus bringen.
Dann blickte sie zum Schreiber, der den Namen Jaleel verlas. Ein Schürfer trat vor, der eindeutig auch ein Varanter war. Er war ein Stück älter wie sie und Danzo. Oder hatte dies die Mine mit ihm gemacht? Aufmerksam lauschte sie, was nun gesagt wurde.
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Midland - Fort Nemora
„Name“, verlangte der Richter, welcher nach der jungen Frau scheinbar weniger Interesse an Jaleel hegte.
Der Chronist brodelte innerlich. Wie konnten die Myrtaner nur so mit Frauen umgehen, noch dazu einer, die so jung war wie diese Kayla. Waldbanditin hin oder her. Besaßen sie keinen Anstand? Brüsteten sich die Ritter und Paladine nicht damit edelmütig zu sein und für die Schwachen einzustehen? Doch das war alles nur eine Farce, denn wenn es ihren Zielen diente, dann schreckten sie vor keinerlei Abscheulichkeiten zurück. Das zeigten allein die Kreuzzüge gegen Varant, sowie die ältere Geschichte des Kontinents.
„Jaleel ibn Bahir ib-“, wollte er seinen Namen nennen, doch wurde rüde unterbrochen.
„Ihr Varanter und eure Angewohnheit den ganzen Stammbaum als Namen zu tragen“, seufzte der schmierige Richter und durchsuchte seine Pergamente, „Ah, hier. Jaleel von Mora Sul. Überfälle auf Handelskarawanen entlang der Scharlachroten Straße, Mord mehrerer unschuldiger Händler und Leibwachen, Raub von Handelsgütern, Angriff auf die Soldaten Seiner Majestät König Rhobar III. beim Versuch ihn zu ergreifen und Beihilfe zur Flucht seiner Mittäter“, verlas er die Anklagepunkte, die gegen den Sohn der Wüste erhoben wurden.
Der Blick ging zum Kommandanten, der die Stirn runzelte.
„Haben wir ihn nicht schon in die Minen geschickt?“
„Haben wir, Herr. Er wurde zu fünf Jahren Minenarbeit mit anschließender Exekution verurteilt. Den Militärdienst in Nordmar hat er ausgeschlagen, als er vor einigen Tagen hier ankam. Seitdem hat er keinen einzigen Tag sein Quote erfüllt.“
Der Kommandant schnaubte verächtlich und wandte sich an den Gefangenen.
„Er hat sein Schicksal selbst gewählt, warum also wird er wieder vor mich gestellt?“
„Ich chabe mich umentschieden. Ich wähle den Militärdienst“, antwortete Jal selbst, bevor es der Richter konnte.
„Pah, hast wohl gedacht die Minenarbeit wäre einfacher, du nutzloser Mörder?“, spie der Richter aus, schwieg jedoch, als der Kommandant ihn streng beäugte.
Dem Chronisten entging dieser stille Austausch nicht und er fragte sich, wie dringend die Myrtaner Soldaten brauchten, wenn sie selbst Gefangene für ihre Kämpfe heranzogen.
„Was war das alternative Urteil?“, verlangte der Ritter zu erfahren.
„Fünf Jahre Militärdienst in Nordmar.“
„Du wirst zehn Jahre dienen, beginnend nachdem die Grundausbildung beendet ist. Keinen Tag weniger“, verkündete der Kommandant das neue Urteil.
Grob wurde er von hinten gestoßen, damit er Platz für die weiteren armen Seelen machte, die ihr Schicksal selbst wählen sollten. Zehn lange Jahre standen ihm bevor, doch es war besser, als nach fünf Jahren auf dem Richtblock zu enden, wenn er nicht schon vorher in der Mine starb, oder nicht?
Mit einem kräftigen Stoß wurde Jaleel zu Boden geschickt, direkt neben die beiden Waldbanditen, die dort saßen und darauf warteten, dass man sie in ihr neues Leben einwies, wenn man es denn als solches bezeichnen konnte.
Mühsam richtete sich der Varanter auf, spuckte kalte und feuchte Erde aus, die er beim Aufprall gefressen hatte. Sein Handrücken wischte die gröbsten Klumpen aus seinem Gesicht, verteilte dafür jedoch den Schmutz, der an seiner Haut und Kleidung haftete. Selbst mit Wasser wollte der Steinstaub nicht vollständig verschwinden und er hatte sich damit arrangieren müssen.
Mit einem Blick aus seinen hellblauen Augen mustert er die beiden jungen Menschen, die bereits als Verbrecher gebrandmarkt worden waren. Er fürchtete fast, dass sie hier drin zerbrechen würden, denn selbst nach nur einer Woche verließ ihn immer mehr der Mut. Dieser aufsteigenden Verzweiflug zum Trotz nickte er den beiden zu und setzte sich dann stumm neben sie, während das Geschwisterpaar die Hände verschlungen hatten.
Zwei weitere Gefangene später wurden sie alle aufgefordert sich zu erheben. Die Soldaten des Kommandanten führten sie grob vom Hauptplatz des Lagers fort, die geraden Pfade zwischen den Holzhütten entlang. Die zwei Nachzügler wurden gen Westen geführt, da sie sich für die Minenarbeit entschieden hatten. Jaleel, Kayla und ihr Bruder Kaylon hingegen wurden in den Norden gebracht. Dort waren jene untergebracht, die für den Kampf ausgebildet wurden. Die Gefangenen sprachen immerhin untereinander und was Jal über die Ausbildung gehört hatte, ließ ihn nicht in freudiger Erwartung zurück. Viel mehr fürchtete er, dass er die Schläge, denen er bisher entgangen war, bald täglich erdulden würde müssen.
„Wenn man euch eine Chütte gegeben habt, trefft mich bei der Essensausgabe. Vielleicht kann ich euch zumindest sagen, was ich bischer über diesen Ort weiß“, bot er den beiden Jüngeren an und nahm dafür einen kräftigen Schlag gegen die Schulter in Kauf.
„Maul halten!“
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Fort Nemora - 1. Tag
Ansehnlich war ja dieser Varanter. Großgewachsen, gut gebaut und eine Prise aus einer anderen Kultur, die sich in seinen Augen widerspiegelte.
Vielleicht hatte er eine Ur-Großmutter, die nach Varant ging oder gegangen wurde. Über Varanter gab es im Waldvolk so manch Vorurteile. Im Guten wie im Bösen. Doch der hier schien nicht zur bösen Sorte zu gehören. Auch wenn er mächtig was auf dem Kerbholz hatte, wenn sie sich recht an die Anklageschrift erinnerte.
Deswegen hatte sie auch wie Danzo Bedenken, mit diesem Kerl bei der Essensausgabe ein paar Worte zu wechseln.
Sie waren in einer vier Mann Unterkunft untergekommen. Ein Raum, eine Hütte und vier Betten auf kleinem Raum.
Robas war ein stiller, hagerer Mann und hatte eine tiefe Bitterkeit in seinen braunen Augen. Mehr als seinen Namen sagte er nicht, aber anhand seiner Hände und Statur, war er wohl ein Bauer aus Myrtana.
Der andere im Raum stellte sich als Esram vor und war etwas redseliger.
Er war in jeglicher Hinsicht ein Dieb und wohl ein Varanter oder Südländer. Etwas machte Naira bei seinem Akzent stutzig, wenn sie ihn mit dem von Jaleel verglich. Esram erzählte, kurz und knapp wie er in Faring gefasst wurde und fragte die beiden dann ob sie es am Tor waren.
“Ja…wir hatten ein wenig zu viel gebechert und wollten los, um unseren Freund Barik zu befreien. Ist der Große am Schandstock. Ich bin übriges Kayla und das ist Kaylon.”, sagte sie.
“Tochter des Waldes. Iccchh chrate euccccch kein Unsinn zu macccken.”, warnte Esram.
“Heute zumindest nicht.”, sagte Naira vielsagend und zeigte dann auf ihr Bett.
Danzo hingegen nutzte den kurzen Moment, da sie schon die schweren Stiefel hörten, um beide zu warnen, dass seine Schwester besser mit Respekt behandelt wird, da er da null Toleranz kenne. Vielleicht war dies unnötig, vielleicht aber auch angemessen. Der Moment des Kennenlernens war normal. Die Zeit hier, würde es nicht.
Die Tür wurde aufgerissen und zwei bullige Typen im Wams der hiesigen Garnison standen in der Tür.
“Draußen antreten! Sofort!”, knurrte der Kahlköpfige und hatte einen großen Knüppel in der Hand, um seine Meinung zu verstärken. Esram sprang sofort auf und bedeutete ihnen, sich ja zu beeilen.
Draußen sollten sie dann in einer Reihe antreten und los gehen. An der nächsten Hütte wurden Jaleel und Zwei weitere raus gebrüllt und zu siebt, wurden sie dann zur Essensausgabe gebracht. Dort standen schon weitere Gruppen aus bis zu acht noch-nicht Soldaten und zwei Soldaten die die Aufsicht über sie hatten.
Sie griffen auf Befehl Holzschalen und Löffel und wurden nach der Ausgabe einer schwer zu identifizierenden Pampe noch einmal zur Seite geführt. Naira hätte fast gebrochen, als sie die drei Gehängten in etwas Abstand am Galgen über der Palisade sah.
"Deserteure die das Fort vor wenigen Tagen verlassen haben. Ein billiger Fluchtversuch. Es gibt kein Entkommen merkt euch das. Sobald ihr Verbrecherpack das Fort verlasst, seid ihr tot. Und jetzt - Essen fassen! Sobald ich vor euch trete, steht ihr wieder auf und bewegt euch, als wäre Beliar hinter euch her! Verstanden!?”, knurrte der Kahlkopf.
“Verstanden!”, rief einer laut und der Rest hinterher. Der Kahlkopf schlug mit dem Knüppel auf eine Tischplatte.
“Das heißt Jawohl!”, brüllte er und alle antworteten im Gleichklang mit einen >Jawohl!<.
Erst dann ging es zum Tisch ihrer Gruppe.
Esram bedeutete ihnen sich zu beeilen, denn viel Zeit blieb nicht.
Naira probierte und verzog das Gesicht. Kaum gewürzte Pampe aus Kartoffeln, Erbsen und irgendwas, was sie nicht kannte.
“Je besser das Militär, umso schlechter das Essen “, meinte einer aus Jaleels Gruppe und probierte wohl auch zum ersten Mal dieses kulinarische Wunderwerk.
“Esst auf! Besser wird es niccchht!”, sagte Esram fast schon flüsternd.
Naira schlang einen weiteren Löffel runter und blickte dann zu Jaleel.
“Also? Was weißt du, Jaleel? Spreche ich das richtig aus?”, fragte Naira und musterte den Mann ihr gegenüber genau, während Danzo aß und alle im Auge behielt.
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Fort Nemora
Jaleel beäugte den Mann, dessen Akzent ihm merkwürdig vertraut vorkam. Allerdings konnte er nicht recht einordnen, von woher. Seine beiden eigenen Hüttengenossen, Mann und Frau, hatten sich ihm als Nohr und Amalie vorgestellt, beide aus Nordmar, soweit er beurteilen konnte.
Doch für den Moment war er auf Kayla und Kaylon konzentriert, denen er versprochen hatte zu erklären, wie die Dinge in diesem Fort abliefen. Sein Blick ruhte dabei auf der jungen Frau mit der Stupsnase, die offenbar weniger mundfaul war, als ihr Bruder.
„Jal reicht“, bot er an, damit sie seinen Namen nicht noch einmal verunstaltete und weil er sich freundlich geben wollte.
Wieso geben? Er war doch auch freundlich!
„Nicht viel, muss ich zugeben. Ich bin seit einer Woche chier und wenn ich noch länger chinter der Quote geblieben wäre, chätten sie mich auch an einen der Pfähle gebunden. Weil ich das wusste, chabe ich beobachtet. Alle sechs Stunden wechseln sie die Wachen an dem Platz mit den Schandstöcken. Essensausgabe ist zweimal täglich, Kopf unten chalten und schnell essen, sonst seid ihr chungrig den ganzen Tag. Am Schandstock bekommt man nur Wasser, einmal am Tag und bei dieser Kälte ohne warme Kleidung friert man sich den Arsch ab.“
Das Letzte war ziemlich offensichtlich, denn selbst jetzt mit einer lauwarmen Pampe, die den Magen füllte, spürte man die winterlichen Temperaturen durch die dünnen Arbeitslumpen, die man ausgehändigt bekam. Die Geschwister hatten diese offenbar noch nicht erhalten.
„Alles, was ihr chabt wird euch abgenommen und verbrannt oder, wenn es von Wert ist, dem Kommandanten übergeben“, fuhr er fort.
Das hatte er von einem anderen Schürfer erfahren, der mitbekommen hatte wie sich zwei Wachen über einen besonderen Fund bei einem Neuankömmling unterhalten hatten.
Er blickte sich verstohlen um und sah, dass das glatzköpfige Arschloch mit seinem Kameraden sprach und derbe lachte, wobei sie in Kaylas Richtung blickten. Man musste keine Lippen lesen können, um zu wissen, welcher Natur ihr Gespräch war.
„Seit ich chier bin gab es einen Fluchtversuch, da war euer Freund wohl bei und wie es geendet ist, wisst ihr ja.“
Jaleel löffelte den Rest seiner stark abgekühlten Mahlzeit aus und zwang sich das geschmacksneutrale Zeug zu schlucken.
„Zum Militärdienst kann ich noch nichts sagen, da ich bicsher in der Mine gearbeitet chabe“, schloss er.
„Ist gar nicht so schlecht, wenn man macht, was einem gesagt wird!“, mischte sich Amalie ein, die bis dato wie die anderen geschwiegen hatte.
Die hochgewachsene Rothaarige hatte ein freundliches Gesicht, konnte aber auch gute Miene zu bösem Spiel machen. Ihr Haar war auffällig kurz, ebenso das von ihrem Mann.
„Sie zeigen einem das Kämpfen und man schuftet ‘ne Menge, aber wenn man sich gut anstellt, dann hat man seine Ruhe. Innos sei Dank!“
„Ja, Innos sei Dank!“, stimmte Nohr ihr zu, wirkte jedoch weniger euphorisch dabei.
Stattdessen beäugte er die restliche Mahlzeit von Esram, der noch immer nicht fertig war.
„Aufstellen!“, bellte der Glatzkopf plötzlich direkt hinter Jaleel, was ihn zusammenfahren ließ.
Amalie war die erste, die aufsprang und sie zog dabei ihren Mann hoch. Jaleel folgte und Esram warf einen sehnsüchtigen Blick auf den kümmerlichen Rest in seiner Schale, zwang sich jedoch aufzustehen.
Der Chronist bedeutete Kayla und Kaylon mit seinen Augen schnell aufzustehen, wenn sie nicht schon die erste Nacht am Schandstock landen wollten. Aber vielleicht wollten sie das ja, um bei ihrem Freund zu sein? Der Sohn der Wüste hätte wohl etwas ähnliches getan, wenn er irgendwelche Freunde hier im Fort hätte. Doch seine Verbündeten waren entweder an einen anderen Ort gebracht worden oder ins Reich Beliars übergegangen.
Nicht alle, erinnerte er sich und zwang sich an diesem Gedanken festzuhalten.
Geändert von Jaleel (28.01.2025 um 21:10 Uhr)
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Fort Nemora
“Aufstellen!”, bellte es und Naira blickte zu Danzo. Die Frage war, ob sie schon heute die Grenzen austesten würden. Danzo aß seinen Part auf und Naira überließ ihm ihren Rest. Dann schüttelte er für heute minimal den Kopf und erhob sich.
"Bewegung!" Bewegung! Die Damen und Herren aus den Wäldern sind wohl noch betrunken!?”, brüllte der kahlköpfige Affe und stieß Danzo gegen die Schulter. Wären sie nicht hier, hätte Danzo diesem schon den Kiefer gebrochen. Da war sich Naira sicher.
So aber stellten sie sich in die Reihe und ihr Anführer befahl zu marschieren. Diese Nordmarerin war vorne weg und schien den Weg schon zu kennen, während ihr Kommandos zugebellt wurden und sie schön brav alles machte, was gesagt wurde. Nach lionks, dann rechts, dann nach links-zwo-drei-vier im Marschschritt und dann waren sie vor einer breiteren Hütter, wo drei Soldaten schon bereit standen.
“Gardist Bill meldet Gruppe 4 der Verbrecher-Kompanie nach dem Essen angetreten! Wir benötigen noch die Einkleidung von den drei Neuen, Ser!”, lauten die Worte des Kahlkopfes der Bill hieß und dabei salutiert hatte. Vor ihm rührte sich ein anderer Gardist. Älter und wohl irgendwie höher im Rang. Graues Haar und ein abschätziger Blick.
“Was für ein Haufen Scheiße. Früher hätte man sie reihum gehängt. Und jetzt duldet man Verbrecher die mit uns Seite an Seite kämpfen sollen.”, sagte der Kerl und spuckte aus. Dann zuckte er mit den Schultern und ließ sich eine Liste vom anderen geben, der sie begleitet hatte. Der war kein Gardist.
“Kayla und Kaylon. Ihr seid die, die Mandos ans Bein gepisst haben? Ha! Ein paar Spaßvögel haben wir also hier. Mandos hat es mal verdient. Und Robas…? Du da!? Alle vortreten. Migul hol Kleidung für die zwei Herren und die Dame.”, befahl dann der Gardist und scherzte mit Bill, dass Mandos wohl gar nicht mit den beiden umgehen konnte, weil sie nichts nach Protokoll machten.
“Ich hätte euch direkt einen Bolzen ins Hirn jagen lassen. Waldbanditenpack! Orkbücklinge! Verräter.”, beleidigte er Ergraute und nahm Naira ins Visier.
“Na, willst du was sagen, Kleine?”
“Nein.”, sagte sie in weiser Voraussicht. Migul kam mit Kleidung aus der Hütte und legte sie fein auf eine Bank ab.
“Umziehen!”, war der Befehl und anhand der Mimik der Fünf wusste Naira was das hieß.
Amalie nickte ihr zu. Naira wusste nicht, ob sie es befürwortete oder ihr nur helfen wollte, damit es schneller geht.
Sie gingen zu den Kleiderhaufen und Naira begutachtete ihre Kleidung. Dann kam erneut der Befehl, sich umzuziehen und sich gefälligst zu beeilen. Danzo biss die Kiefern zusammen und blickte zu ihr, während er sich schon am umziehen war. Auch Robas blickte zu ihr und hatte kein Gefallen daran, was gerade geschah.
“Wirds bald!”, zischte Bill und verlieh sich mit seinem Knüppel Nachdruck. Naira zuckte zusammen, dann begann sie mit dem Rücken zu ihnen sich oben rum zu entkleiden.
“Umdrehen! Wir müssen sehen, dass du nicht irgendwo Waffen versteckst.”, erklang die kalte Stimme des Ergrauten und Gelächter erklang. Naira drehte sich zögerlich und dann mit dem Mut der Gleichgültigkeit herum. Sollten sie doch gucken. Es sagte mehr über sie aus, als über Naira.
“Alles ausziehen und dann drehst du dich ein paar mal! Bis ich sage, du darfst dich anziehen.”, sagte der Gardist. Naira hielt inne. Eine Träne floss ihre Wange herunter und dann begann sie sich obenrum komplett frei zu machen. Je schneller sie war, umso schneller war es hoffentlich vorbei. Amalie hatte dies wohl auch schon hinter sich. Denn sie nickte ihr zu.
Sie johlten, als sie dann oben frei war. Es war demütigend und erniedrigend. In diesem Moment wollte sie alle die sie anstarrten umbringen, ihnen die Augen ausstechen und nur weg von hier. Doch sie bewahrte eine äußere Ruhe und Würde, die sie dank ihrer Schauspielkunst zeigen konnte und weiter ging, als das, was man von einer jungen Frau erwarten konnte. Sie hielt sich sehr wacker, während der Ergraute mit den Fingern auch noch auf ihre Hosen zeigte.
Im nächsten Wimpernschlag war Danzo da! Mit einem Sprung vor sie begann er sich weiter umzuziehen. Blickte die Herren finster an und bekam Flüche an den Kopf geworfen.
“Verpiss dich! Oder es setzt was!”, drohte Bill und lief auf Danzo zu. Er schlug nach diesem, doch gekonnt konnte der angehende Waldläufer ausweichen. Statt Danzo stellte sich der schon umgezogene Robas vor Naira.
“Beeil dich.”, zischte er leise und Naira zog sich ihr ‘neues’ Oberhemd an.
“Schämt ihr euch nicht? Ihr seid Myrtaner. In welcher Schrift steht, dass ihr wie die Hunde ein halbnacktes Mädchen anheulen sollt? Für dieses Myrtana hab ich nicht gekämpft. Würdet ihr das mit euren Schwestern und Töchtern machen!?”, sagte Robas.
“Nein. Aber mit einem hübschen Waldbanditenmädchen! Und Nordmarerinnen! Und Varanterinnen! All die kleinen Huren-Verbrecherinnen die es nicht anders verdienen. Mach dich ab.”, sagte der Ergraute und hatte die Hand am Schwertknauf und auch Bill schien drauf und dran zuzuschlagen.
“Und was ist mit Colovianerinnen!?”, donnerte eine weibliche Stimme von der Seite. Da stand die Schwarze Reila. In Reiterstiefeln, staubigen roten Wams und schwarzer Lederrüstung. Neben ihr der Gardist vom Tor und zwei untere Ränge. Naira schlüpfte rasch in das Hemd und zog dann auch verdeckt von Robas und Danzo die neue Hose an.
“Die halten sich besser raus! Vor allem, wenn sie mir gar nichts zu befehlen haben. Ich bin Quartiermeister.”, sagte der Gardist.
“Und ich führe die Reiterschar von Fort Nemora, Quartiermeister Stallion. Du hast gerade dem Militär Schande bereitet. Ich werde dich melden.”, sagte die Frau mit den kurzen schwarzen Haaren.
“Und dann? Soll der Kommandant sich mit einem halbnackten Waldbanditenmädchen beschäftigen, die sowieso als Kompaniehure endet? Geh weg, Pferdemädchen vor dem sich lausige Banditen fürchten.”, sagte Stallion, während Mandos Blick sich langsam verfinsterte.
“Ich bin Reila Qel-Droma. Vom Clan der Qel-Droma! Der Name sagt dir was, oder? Merk es dir, denn ich reiße damit Türen ein. Unser Kommandant könnte mir tatsächlich eine Standpauke darüber halten, dass ich ihn mit kleinen Banditenmädchen von den wichtigen Dingen ablenke. Ich melde dich deswegen einfach den Feuermagiern. Die sehen das gar nicht gern, wenn Soldaten, Kämpfer Innos’ sich auf solche Art mit Frauen beschäftigen. Die gehen dann zum Kommandanten und der sieht es noch weniger gern, wenn die hier herum schnüffeln. Und dann geht es dir an den Kragen.”, sagte Reila mit einer natürlichen Autorität, die nur wenige Frauen besaßen. Ihre hellen Augen funkelten jeden an und versprachen Taten, statt leerer Worthülsen.
“Schon gut. Halt dich zurück. Bevor mich noch ein Schwätzer des Feuers nervt. Was willst du dafür?”, fragte der Quartiermeister.
“Das entscheide nicht ich. Du da! Willst du den Vorfall melden?”, fragte Reila Naira direkt. Naira schüttelte den Kopf. Sie sagte nichts und tat daran wohl richtig. Wäre Stallion wegen ihr bestraft worden, wären andere Kameraden da, die es Naira heimzahlen würden.
“Willst wohl kein Ärger, hmm? Nun gut. Stallion. Heute hast du noch Glück. Ihr Fünf habt Glück. Hast du noch was zu sagen, Mandos?”, fragte sie und blickte Naira an.
“Wir wollen diesen Verbrecher eine zweite Chance geben, damit sie ihre Sünden sühnen und dem Reich dienen. Denkt daran. Das ist Befehl des Kommandanten. Für Innos! ”, sagte Mandos.
“Für Innos!”, sagten alle Soldaten. Dann gingen die Schwarze Reila und ihre Begleitung weiter.
“Dienen? Mit Verbrechen und einen Messer an der Kehle ihrer Ausbilder.”, sagte Stallion und spuckte aus.
“Haben jetzt alle Kleidung? Gut. Verpisst euch! Ihr habt heute Latrinendienst! Morgen wird der Kommandant die Kompanie inszipieren und offiziell in den Dienst stellen.”, verkündete Stallion und übergab an Bill.
“In die Reihe mit euch! Marsch! Marsch!”
Minuten später standen sie vor einem stinkenden Gebäude, bekamen Schaufeln und Eimer und durften sprichwörtlich Scheiße schippern und schleppen. Pausen gab es nicht und das Essen kam einem regelrecht hoch, weil es im Ansatz so roch, wie das Essen das sie vorhin gegessen hatten.
Jaleel und Naira standen am Rand und holten ihre vollen Eimer ab, danach ging es zur Grube unweit der Mine. Dort versickerte die Jauche langsam vor sich hin.
“Schau mich nicht so mitleidig an. Ich komme schon klar und war darauf vorbereitet. - Die Welt hat dunkle und helle Seiten. Gute und schlechte Menschen. - Hast du wirklich so viele Leute auf dem Gewissen?”, sagte sie auf dem gerade begonnenen Rückweg. Es würde noch an ihr nagen, aber es gab für wahr Schlimmeres und die Angst würde sie nicht beherrschen.
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