-
Im Innos-Kloster in Nordmar
Als er in den Raum eintrat wo sein Vater lag war es ihm, dass es deutlich kälter war als überall sonst im Kloster, eingeschlossen draußen. Doch es war keine Kälte die von Außen kam und derer er sich erwehren konnte. Dieser Kälte schien ihren Anfang in seinem Herzen selbst zu haben und sich langsam durch seinen Blutkreislauf zu winden, der ihm sämtliche Wärme zu nehmen schien. Arion sah fürchterlich aus. Es war nur einen halben Tag her, dass er ihn zuletzt gesehen hatte und doch war die Veränderung so drastisch und unnatürlich, dass er Momente lang einfach nur an der Tür stand und in das eingefallene Gesicht schaute. Er hatte den Impuls das er wohl etwas sagen sollte. Etwas beruhigendes und etwas aufmunterndes vielleicht. Etwas, dass dem alten Mann die Situation leichter machte. Aber weder wollte ihm der Gedanke in seinem Hirn erscheinen, noch wollte seine Kehle einen Ton von sich geben. Eine Träne lief seine Wange hinab als er sich bedächtig auf einen Schemel nahe des Bettes setzte in dem der Priester Innos’ nun die letzten Momente seines langen Lebens verbringen würde. Es war beiden Männern klar, dass dies nun das letzte Mal sein würde das sie miteinander sprachen. »Mein guter Junge«, brach Arion das Schweigen, was den Raum bisher wie eine unsichtbare Hand in Gefangenschaft gehalten hatte. Seine Worte nur gehaucht und so leise, dass Saraliel sich tatsächlich erst fragte, ob seine Sinne ihm nicht einen Streich gespielt hatten. »Nun geht unsere gemeinsame Reise ihrem Ende zu«, sprach er das Offensichtliche aus und nahm der Situation damit zumindest einen Teil ihres Schreckens. Etwas das man ansprechen konnte, konnte man zumindest beginnen zu bewältigen. »Sie ist sehr schön gewesen«, entgegnete der Feuermagier zu seinem Vater und ergriff seine Hand. »Ich werde niemals so dankbar sein wie jetzt, da ich weiß, dass ich noch so viel Zeit mit dir verbringen durfte. Das Schicksal war letztendlich doch noch gnädig zu uns«. Arion nickte, dann zwang er sich scheinbar mit all der Macht die ihm noch zur Verfügung stand zu einem Lächeln. »Ja das war es«, stimmte er zu. »Erzähl mir ein bisschen davon«. Saraliel schluckte. Dann begann er dem alten Mann von den bedeutsamsten Teilen ihres Abenteuers zu erzählen. Wie sie in Varant nach den Ursprüngen des Glaubens an das heilige Feuer geforscht hatten und dabei die ein oder andere Unwegsamkeit bezwungen hatten. Wie sie in das Orkland gegangen waren um die Sitten und und Bräuche der Orks besser zu verstehen – in gebührendem Abstand versteht sich – wie sie in Jahrkendar die Hinterlassenschaft des alten Volkes begutachtet hatten und all die kleinen und großen Dinge die ihnen widerfahren waren. Er lies dabei nichts aus. Auch nicht die Dinge, die Arion eigentlich noch nicht kennen sollte, von denen er aber wahrscheinlich mehr mitbekommen hatte als Saraliel lieb war. Zum Beispiel das rothaarige Mädchen in Khorinis, die mehr trinken konnte als mancher standhafte Söldner oder die Male in denen Saraliel wirklich Bockmist gebaut hatte und es nachher vor seinem Vater dann doch etwas vorteilhafter für ihn dargestellt hatte. Gelogen hatte er freilich nicht. Nur sehr wohlwollend interpretiert. Die Erheiterung schien in den Augen des alten Mannes erkennbar zu sein und so reichte es dem Hünen aus eine ganze Weile nur in Erinnerungen zu schwelgen. Solange bis er einmal aufstehen musste um sich etwas zu trinken zu holen. Seine Kehle versagte ihm doch den Dienst.
»Dein Bruder«, meinte Arion und hob schwach den Zeigefinger. Wie als würde sein Körper diese Unterhaltung ebenso wenig wie Saraliel führen wollen, quoll schwarzer Schleim aus seiner Kehle und er hustete stark. »Sollte er jemals seinen Weg zurückfinden, versuche ich Frieden zu schließen«, meinte der Schwarzhaarige tonlos. »So wie es dir versprochen habe«. Er schwieg einen Moment und setzte dann leiser und mit einem Anflug von Verzweiflung hinzu: »Auch wenn ich wahrlich keine Idee haben wie wir das bewerkstelligen könnten«. »Innos findet einen Weg«, hauchte der Sterbende dem entgegen und beendete damit dieser Diskussion. Es war schon zwecklos die Bedenken diesbezüglich zu diskutieren, als Arion noch gut bei Kräften war. Einem Sterbenden würde Saraliel jetzt nicht damit kommen, dass das was er sich sehnlichst wünsche niemals zu realisieren sein würde. Stattdessen sagte der alte Priester: »Du sollst das Schwert haben«, meinte er entschieden. »Azureath?«, meinte Saraliel. Sie hatten das Schwert als Geschenk von einem nordmarer Schmied erhalten, nachdem sie ihm aus der Klemme geholfen hatten. Waren es nicht Orks gewesen, die seine Erzvorräte beansprucht hatten? Der Magus war sich nicht mehr ganz sicher, warum sie das Schwert bekommen hatten, aber der Schmied war so versessen gewesen ihnen die Waffe zu schmieden, dass sie es kaum ablehnen hatten können. Vielleicht wollte der Nordmann sich auch so seinen Weg in Innos’ Reich sichern. Wer wusste das schon? »Das«, begann Saraliel und hätte fast artikuliert, dass er ohnehin die Waffe die letzten drei Jahre getragen hatte, weil Arion zu schwach dafür geworden war, besann sich dann aber aufgrund der Situation eines besseren und sagte: »Danke. Ich werde es als Erinnerung immer bei mir tragen«. Dann hüllte die Schwere des Schweigens zwischen den beiden gestandenen Magiern wieder den Raum ein. So als hätte der Gott des Todes nun endgültig die Gelegenheit zu Ende zu bringen, was er begonnen hatte. Der Magier des Feuers rechnete kaum noch damit, dass sein Vater irgendetwas sagen würde.
»Ich liebe dich mein Sohn und ich bin sehr stolz auf den Mann der aus dir wurde«, röchelte Arion dann doch an seinem Ende. Es dauerte noch eine Zeit, dann versagte der Atem des stolzen alten Mannes. Saraliel hielt noch immer seine Hand, auf die ein Fluss seiner Tränen regnete. Das einzige traurige Geräusch in dem Raum war das Schluchzen des Magus.
-
Im Innos-Kloster in Nordmar
Alle hatten sich im Innenhof versammelt. Das ganze Kloster schien sich mobilisiert zu haben an diesem kalten sonnigen Tag. Das Licht des Herrn Innos’ schien gnädig auf sie alle herab und schien den weiteren Weg aller hier versammelten weisen zu wollen. Saraliel stand auf einer kleinen Erhöhung und schaute auf die hölzerne Aufbahrung auf denen sie seinen Vater gelegt hatten. Er trug seine feinste Robe und hatte seine Hände vor der Brust gefaltet. Dem Auge nach erschien die Situation friedlich und feierlich. Es war Zeit Abschied zu nehmen. Ein kalter Wind wehte und zerrte sanft an den Roben der Versammelten, die allesamt schwiegen. Die Betroffenheit war greifbar. Saraliel schluckte. Er war es der die Zeremonie beginnen sollte. Er war es der den Schritt zu gehen hatte. Den Schritt zum Abschied. Es fiel ihm schwer. So schwer. Wenn er jetzt begann, dann würde ein neuer Lebensabschnitt für ihn anbrechen. Einer ohne seinen Vater an seiner Seite der ihm die letzten eineinhalb Jahrzehnte ein treuer Begleiter gewesen war. Jemand der unersetzbar sein würde. Als Freund, Zuhörer, Weggefährte, Kamerad, Kumpan und Vater. Die Kälte wurde schlimmer. Es war als würde Eis durch seine Venen peitschen. Er musste jetzt handeln. Es war unvermeidlich.
»Er… er war«, begann Saraliel mit leiser Stimme und erinnerte sich dann, dass kaum Jemand ihn so hören würde. Dann lies er seine Magie in seinen Kehlkopf fließen um mit magisch verstärkter Stimme zu sagen: »Er war der beste Vater den ich mir hätte wünschen können«, sagte er erst mit stockender, dann mit fester Stimme. »Jemand mit dem ich gelacht, geweint, gehadert, gestritten, mich versöhnt, gemessen, gesprochen und gearbeitet habe. Jemand auf den man sich immer verlassen konnte und der für mich da war, auch wenn ich in meiner Jugend wenig von ihm gehabt hatte«, er machte eine kürze Pause. Er sah Rührung in den Augen der Umstehenden. »Zu meiner Trauer«, er wischte sich wieder die Tränen zur Seite. »gesellt sich das Gefühl, dass er nicht verloren ist. Er wird bei mir bleiben und er wird seinen Weg ins Reich unseres Herrn finden. Ich nehme so viel Schönes mit«. Seine Stimme brach und er brauchte einige Momente um sich wieder zu fangen. »Er wird mir und der Welt unendlich fehlen und es wird meine Aufgabe sein sein Vermächtnis hoch zu halten«. Damit endete er und ging einen Schritt zurück und zu signalisieren, dass er nichts mehr sagen würde. Die älteren Magier sagten zuerst etwas. Lobten ihren Kameraden für all die Leistungen die er erbracht hatte, für seine Treue und seine Hingabe. Seine Freundschaft und seinen Mut. Saraliel hörte allem wie in Trance zu. Weder jetzt noch später würde er sich erinnern können, was gesagt wurde. Doch es half. Half Abschied zu nehmen in dem Wissen, dass es in Ordnung war. In Ordnung loszulassen. Es würde dauern und es würde geschehen.
Als alles gesagt schien und als sich wieder Stille über das Kloster und den sonnigen Tag gelegt hatte, war es wieder an Saraliel fortzufahren. Den Körper des Vaters in Richtung des Himmels zu senden. So wie er es ihm aufgetragen hatte. So wie Arion es gewollt hatte.
»Fiat lux!«, rief der Hüne noch immer mit seiner von Magie verstärkten Stimme. Es war als würde ein Donnern durch das ganze Kloster gehen. Dann fuhr ein Ball aus purem Feuer von seiner Hand in Richtung des Leichnams seines Vaters. Dann folgten Feuerbälle von allen Seiten aus den Händen der anderen Magiebegabten die sich hier im Kreis versammelt hatten. Die Flammen schlugen hoch und das Holz knackte und knisterte. Rauch stieg auf und fast hatte Saraliel die Hoffnung, dass die Seele Arions mit dem Rauch in den Himmel steigen würde. Dort wo er Frieden bei seinem Herrn finden würde. Das Zeichen war untrüglich. Etwas endete. Etwas welches er mit unendlicher Dankbarkeit in seinem Inneren bewahren würde, bis auch den Weg gehen würde, den sein Vater jetzt gegangen war. Und es begann etwas Neues. Etwas von dem er sich kaum vorstellen konnte, was nun auf ihn zukommen würde. Nur, dass er dem Andenken an Arion, den Priester des Feuers und seinem Vater, treu bleiben würde. »Lux Triumphat!«, schrie er noch einmal mit magischer Stimme und die anderen Magier im Umkreis stimmten in den Schrei mit ein.
-
Varant - Ruinen nahe Bakaresh
"Hätte nicht gedacht, dass dich deine Schritte überhaupt nochmal hierher führen..."
Dies waren die ersten Worte, die er seit langem gehört hatte. Der erste Satz. Ein Wispern wie das Rascheln der Blätter bei einer starken Brise. Doch außer ihm war niemand in dem Ruinenfeld. Alte Mauern, von Sand und Zeit abgetragen, begraben unter Jahrzehnten des staubigen Wüstenwinds, hier und dort traurige Zerrbilder von Pflanzen und Büschen, all das begrüßte ihn bei seiner Ankunft. Vielleicht auch noch das Kratzen vereinzelter Wüstentierchen, die sich in ihrer spätabendlichen Ruhe gestört fühlten durch ihn. Er war also allein. So allein, wie man nur sein konnte.
Und doch war da diese Stimme gewesen. Kannte er sie? Hatte er sie schon einmal irgendwo vernommen, früher, als es ihm noch wichtig gewesen war, dass die Menschen von ihm wussten? Vielleicht. Irgendwas lag in dieser Stimme, eine gewisse Nuance, ein bestimmter Tonfall, etwas, dass ihm bekannt vorkam. Und gleichzeitig erschien sie ihm fremd und unbekannt. Die Worte ließen darauf schließen, dass sie sich kennen mussten. Die vertrauliche Anrede war ein erster Hinweis. Der zweite? Die Wörter selbst. Überhaupt, nochmal, nicht gedacht, all das lies nur einen Schluss zu:
Die Stimme wusste, dass er schon einmal hier gewesen war. Damals. Vor so unendlich langer Zeit, einer Zeit, die fast den Legenden entstammen musste. Äonenschwer wirkten die vergangenen Jahre, auch wenn es eigentlich nur etwas mehr als ein Jahrzehnt gewesen war. Und doch konnte er es nicht anders benennen.
Aber vielleicht war es auch besser so.
Doch zurück zu der Stimme. Der Gedanke an sie lies ihm keine Ruhe, er MUSSTE sie doch kennen! Waren es doch nicht die Worte, war es vielleicht nur die Stimme selbst? Ihre raue Art glich zwei alten Ziegeln, die jemand immer und immer wieder aneinander rieb und sie dabei langsam, aber stetig zu Staub zermahl. Sie war kratzig wie schlecht gewobene Wolle, scheuerte in seinem Kopf wie besagte Wolle auf der Haut. Dennoch war ein Unterschied deutlich zu erkennen:
Schlecht gewobene Wolle hinterlies wunde, manchmal auch blutige Stellen auf der eigenen Haut, schmerzhaft und unangenehm. Doch die Auswirkungen der Stimme waren für das bloße Auge nicht zu erkennen. Doch sie hinterlies ein ebenso wundes Gefühl, tief im inneren der eigenen Seele. Aber lag es wirklich an der Stimme, oder waren es die Worte? Möglicherweise war es aber auch das mulmige Gefühl, sie früher schon gehört zu haben?
Frustrierte Verzweiflung begann sich in ihm auszubreiten. So sehr er es auch versuchte, er konnte einfach nicht den Finger drauf legen!
Ein frustriertes Stöhnen glitt über Berashs Lippen, als er mühsam den Kopf schüttelte und einen schlurfenden Schritt nach vorne machte. Wäre wirklich jemand in der Nähe gewesen, vermutlich hätte die Person sich über die zerlumpte Gestalt gewundert, wie sie minutenlang dort stand und gedankenverloren über die Worte nachgedacht hatte, die der frühere Emir sich selbst zugemurmelt hatte. Und wenn diese fremde Person dann auch hätte in seinen Kopf schauen können, dann wäre sie sehr überrascht gewesen, dass der Mann seine eigene Stimme nicht erkannt hatte.
Aber Berash war allein. Und Götter, dass schon sehr, sehr lange.
-
Im Innos-Kloster in Nordmar
»Bist du wirklich sicher Saraliel? Es ist noch so frisch...«, sagte die gütige Seele Lianna sanft und legte eine Hand auf den Rücken des Hünen. Sie standen beide in der Stube des Feuermagiers, die von Sonnenstrahlen erhellt wurde, die sich zaghaft ihren Weg durch die beschlagenen Fenster zu bahnen schienen. Es war ungewöhnlich unordentlich in dem Raum und die Stimmung war strapaziert. Kein Wunder nach dem was vorgefallen war. Trotzig stopfte der Magus einige Schriftrollen in den Beutel, den er auf dem Weg mit sich führen würde. »Es ist entschieden«, sagte er kälter und schneidender als er es beabsichtigt hatte. Er hob Azureath vom Tisch, betrachtete die Waffe für einen Moment wehmütig und steckte sie dann entschieden an seine Seite. Das Gesicht der kleinen Frau lies sein Gemüt für einen Moment zu so etwas wie Ausgeglichenheit zurückfinden. »Verzeih mir. Ich kann es vorerst nicht ertragen hier zu sein. Die Erinnerungen hier sind zu viel«, sagte er sanft und erklärend. Noch immer brannte vor seinem inneren Auge der Leichnam seines Vaters lichterloh und seine Hoffnung flog mit den Funken und dem Rauch gen Himmel. Ob er schon angekommen war? Da wo auch immer er jetzt sein mochte? Lianna nickte verständnisvoll. »Kann ich noch etwas für dich tun?«, fragte sie hilfsbereit. Der Kriegszauberer überlegte. »Die Bücher die Vater und ich geschrieben haben und unsere Aufzeichnungen sollen der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden«, entschied er. »Der Besitz den ich nicht mitnehmen kann ebenfalls. Ich werde wahrscheinlich keine Verwendung dafür haben und bei euch ist er gut aufgehoben«. Er überlegte einen Moment und besann sich dann untypisch auf alltägliche Dinge. »Und wenn du noch etwas Proviant hättest wäre das hervorragend«. Jetzt kam der Anflug eines Lachens auf ihre Züge. »Das wird wohl gehen«.
Als er sich von seinen Ordensgeschwistern verabschiedet hatte und am Tor der eisigen Landschaft entgegen blickte wurde ihm noch einmal bewusst, dass es richtig war. Es würde nach Thornaria reisen um dort wieder am Weltgeschehen teilzunehmen. Lianna stand noch vor ihm und drückte ihn in einem Anfall an Wehmut feste. »Pass auf dich auf Sturkopf!«, mahnte sie ihn und der Magus nickte. »Sicher. So Innos’ will sehen wir uns wieder. Bis dahin bleib wie du bist«, gab er zurück und erwiderte die Umarmung. Es war schwer. Die Trennung und das Hierbleiben. Doch die Trennung fühlte sich richtig an. Dann brach er auf gen Süden, hinein in die eisigen Winde Nordmars.
-
Varant - Ruinen nahe Bakaresh
Ächzend erhob sich die ausgezehrte Gestalt von ihrer einfachen Lagerstätte, nicht mehr als ein alter, von Motten zerfressene Umhang, in die sich der Mann erschöpft gewickelt hatte. Alles an ihm wirkte verbraucht und ausgelaugt. Sein langes, weißes Haar wie sein strohiger Bart, beides war verfilzt und von Kletten durchzogen und schrie förmlich nach einer Wäsche. Oder auch eine Schere, je nachdem, wie extrem man dem ganzen entgegen gehen wollte. Die einst so edlen Gesichtszüge waren nun ausgezehrt und hager, seine Haut rot und verbrannt von der unbarmherzigen Wüstensonne. An einigen Stellen schälte sie sich schon ab.
Selbst seine Kleidung war nichts anderes als ein Sammelsurium an Flicken und Fetzen. Die dunkle Lederhose, welche er trug, wirkte abgetragen und speckig, Sein Hemd war fast steif vor Dreck und Unrat. Die einfachen Stiefel wurden wohl mehr nur von guten Wünschen und hoffnungsvollen Gebeten zusammen gehalten.
Und doch fügte die Gestalt sich damit nahtlos in ihre Umgebung ein, eine alte, heruntergekommene Hütte am Rande der großartigen Wüstenstadt Bakareshs. Das Dach, wenn man es denn so nennen wollte, wies mindestens genau so viele Löcher auf wie der Umhang des Mannes. Die einfachen Holzwände, soweit überhaupt noch vorhanden, schienen kurz vor dem Kollaps zu stehen. Und doch hatte es ihn, fast wie von Zauberhand, hierher gezogen.
Vor sehr langer Zeit, als der Mann noch Jung gewesen war, hatte er hier gelebt. Damals, als die Welt noch in Ordnung gewesen war. Als er noch Ideale gehabt hatte. Ideen, Träume, Wünsche. Es schien fast, als wäre dies ein ganz anderes Leben gewesen, wenn man die beiden Männer jetzt miteinander vergleichen würde.
Manchmal fragte sich Berash, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn er nie einen Fuß nach Varant gesetzt hätte. Wäre er in Myrtana geblieben und sich mit den Orks arrangiert? Vielleicht hätte er Anschluss unter den zahlreichen Söldnern gefunden, die sich für Gold und Nahrung an ihre orkischen Herren verkauft hatten, Männer, die nur in den Tag hinein lebten und nie weiter planten als bis zum nächsten Zahltag. Die keinen Sinn für Ehre hatten, dafür pragmatisch waren und als gerissene Kämpfer bekannt gewesen waren?
Oder was wäre gewesen, wenn er sich, heimlich natürlich, in die Armee des Königs begeben hätte? Natürlich hätte Berash niemandem von seinem Verbrechen erzählt, welches ihn aus Myrtana vertrieben hatte. Dann wäre er ein Soldat gewesen, vielleicht sogar ein Offizier? Ehrenvoll mit Schwert und Schild gewappnet und bereit, die Schwachen und Undankbaren zu beschützen. Und später dann Argaan von seinem "despotischen" König zu befreien (oder welche Ausrede Rhobars III sie auch immer dafür genutzt hatten).
Möglicherweise hätte es Berash aber auch in die Wälder gezogen. Es hatte dort viele Männer und Frauen gegeben, die sich der orkischen Besatzung nicht hatten unterordnen wollen, gleichzeitig aber auch unzufrieden mit dem schwachen König gewesen waren. Sie waren stets auf ihre Freiheit bedacht gewesen, eine verschworene Gemeinschaft von Individualisten und Unikaten. Männer und Frauen, denen es weniger um Ordnung ging, sondern mehr um das Gleichgewicht der Natur und das Gute darin.
All diese Möglichkeiten, und noch viele mehr, hätte Berash damals gehabt. Wenn sein Weg ihn nicht nach Varant beführt hätte. Doch was für ein Weg das gewesen war!
Der Alte Bund. Eine Gemeinschaft von Kämpfern, die sich nicht mit der vorherrschenden Unterordnung zufrieden gaben, verschworene Krieger und Streiter im Namen eines dunklen Gottes. Eine Antithese zu den gottesfürchtigen Streitern Innos, seinen Rittern und Paladinen. Wie das Zerrbild aus einem dunklen Spiegel, Beliar ergeben aber nicht durch irgendwelche Dogmen oder Gebote eingeschränkt.
Und diese Freiheit war es gewesen, welche den Mann zu sich gerufen hatte. Assassine, Klingenmeister, Emir... Titel, die früher eine Bedeutung hatten. Die er getragen hatte. Nach denen er gestrebt hatte. Doch jetzt?
Vergangen. Unter dem Sand der Geschichte verschüttet und begraben.
Geändert von Berash (30.05.2024 um 15:51 Uhr)
-
Varant - Ruinen nahe Bakaresh
Ächzend richtete sich die ausgezehrte Gestalt wieder auf, hielt sich den Rücken und stöhnte leise. Bei allen drei Göttern, wann war er nur so verflucht ALT geworden? Berash begab sich schlurfend wieder in den Schatten der verlassenen Hütte (die er im Geiste auch nur so nannte, weil ihm außer "abrissreifer Ruine" kein besserer Titel eingefallen war) und setzte sich auf ein paar alte Steinstufen. Beliar sei dank, die Quelle nahe seiner alten Heimstätte war nicht versiegt gewesen. Nur versandet. Etwas graben und schaufeln mit den Bloßen Händen hatte sie wieder frei legen können. Vielleicht hatte sich der dunkle Gott doch nicht ganz von ihm abgewandt...
Verstanden hätte Berash es. Schließlich war er damals weggerannt und hatte all die Menschen, welche sich auf ihn verließen, schamlos verraten. Emir hatten sie ihn genannt, Anführer des alten Bundes, Oberster unter gleichen. Und wie hatte er es den Männern und Frauen unter sich gedankt? Mit feiger Flucht und verratenem Vertrauen.
Hier saß er nun, ausgezehrt und abgeschlagen, nur noch ein billiger Abklatsch seines einst so stolzen Selbsts, am Rande der Stadt, die ihm Heimat, Sicherheit und Glauben gegeben hatte. Wie die Ruinen um Bakaresh herum traute auch Berash sich nicht näher heran. Viel zu sehr fürchtete er sich vor dem, was der einstige Emir in Bakaresh vorfinden würde. Seine letzten Erinnerungen an den Ort waren durchwoben von Bildern, welche die Stadt mit zwei Gesichtern zeigte: Straßen, in denen er einst entlang flaniert war und von Händlern gesäumt, Männer, die vollmundig exotische Früchte anpriesen, die Sinne eines Jeden mit unglaublichen Gewürzen benebelten... Schöne Bilder, angenehme Erinnerungen.
Doch gleich darauf wurden sie durch Feuer, Geschrei und dem Klirren von Schwertern ersetzt! Soldaten in den myrthanischen Farben schritten unverzagt hindurch, erschlugen jeden, der es wagte sich ihnen in den Weg zu stellen, während sie gleichzeitig Feuer legten. Feuer und Schwert... keine schönen Bilder, nur schmerzhafte Erinnerungen.
Und während Berash nun in der Ruine saß, die er einmal sein Heim genannt hatte und dem leisen Flüstern des Windes lauschte, verloren sich seine Gedanken immer mehr in dem stroboskopartigen Wechsel der Erinnerungen.
Einem Kaleidoskop gleich überlagerten sich die Bilder und gaben wilde Visionen preis: Soldaten, die Obst anboten, Händler, welche sich mordend durch Frauen und Kinder schlachteten, Feuer, welches sich die Kasbah hinauf schlängelte und um das Heiligtum Beliars hinauf zur Decke floss um dann wieder tropfend herunter zu fallen.
einer brennenden Pfütze gleich sammelte es sich davor, flackernd und trotz Tageslicht finstere Schatten werfend. Und trotz des Chaos, welches die zitternden Schatten hervorriefen, bildeten sie doch ein Muster. Zwei gekreuzte Klingen, zwei Khopesh, wie die Klingen, welche Berash einst geführt hatte. Und eine dunkle Stimme ohne Ursprung und Ende, tief und grollend wie aus dunkelster Nacht, flüsterte nur ein einziges Wort:
Komm...
Und mit einem mal befand sich Berash wieder auf den, von Sand und Zeit glattgeschliffenen, Stufen vor seiner Hütte. Blinzelnd rieb er sich die trockenen Augen. Wie lange hatte er hier gesessen und vor sich hin gestarrt? Hatte er dieses Wort wirklich vernommen, oder war es doch nur der Wind gewesen, welcher leise wispernd über sein Gesicht glitt?
-
Geldern
In einem gemächlichen Tempo näherten sie sich dem Stadttor. Zwei uniformierte Milizsoldaten hielten dort Wache und beäugten die beiden Neuankömmlinge argwöhnisch. Besonders auf die bleiche Fremdländerin hatten sie es offenbar abgesehen. Ihr Begleiter hingegen interessierte die Soldaten weniger. Als sie nahe genug waren, um die gefesselten Hände zu sehen und das königliche Wappen, reichte ein Nicken, um Wächter und Gefangenen ohne weiteres Aufsehen durch das Tor passieren zu lassen.
In der Stadt herrschte ein reges Treiben. Es musste Markttag sein, denn die breite Hauptstraße, die durch das Zentrum von Geldern von einem Tor zum anderen führte, war gesäumt von kleinen und großen Ständen. Bauern und Handwerker boten ihre Erzeugnisse feil. Nichts davon zog allerdings das Interesse der Neuankömmlinge an. Sehr zum Verdruss einiger Händler. Der Weg war bereits vorbestimmt für die beiden; direkt zur Kaserne und deren Kerker.
Wie bereits am Tor begrüßten dort wachsame Augen den Wächter und seinen Gefangenen. Ein weiteres Mal wurde das Wappen vorgezeigt und ein weiteres Mal ließ man sie passieren. Die Augen der Stadtwachen folgten der tätowierten Fremdländerin. In Myrtana sah man ihresgleichen selten, wenn überhaupt. Vorurteile und Misstrauen gehörten deshalb zur Tagesordnung.
Hinter einem massiven Schreibtisch saß ein weiterer Mann in Uniform. Er blätterte durch einen Stapel von Unterlagen, als er sich der Neuankömmlinge gewahr wurde.
»Innos zum Gruße.«, sagte er und beäugte das ungleiche Paar.
»Ich will das Kopfgeld für diesen Gefangenen kassieren.«, sagte der Wächter und zog zum dritten Mal das Wappen hervor, um sich auszuweisen. Zusätzlich der Steckbrief des Verbrechers.
»Deinesgleichen sollten wir direkt des Landes verweisen.«, meinte der Soldat, als er sich den Steckbrief besah. »Scheint alles in Ordnung zu sein. Walter? Wir haben jemanden für das Loch.«
Noch ein Milizsoldat betrat den Raum. Sein Blick fiel unmittelbar auf die Fremdländerin, dann auf seinen Kameraden am Tisch.
»Zeig unserem Gast sein neues Zuhause, ja?«
»Jawohl!«, erwiderte der Milizionär und trat an die Fremdländerin heran. Er nahm das lose Ende der Fesseln entgegen, zog unwirsch daran und setze sich mit dem Gefangenen in Richtung der Kerker in Bewegung.
»Zweihundert Münzen. Und nicht alles auf einmal versaufen.«, sprach der Mann am Tisch und holte ein Säckchen mit Geld aus einer Kassette hervor.
»Lass das meine Sorge sein.«
Unter weiteren argwöhnischen Blicken verließ die Fremdländerin schließlich die Kaserne. Entlaufende Sträflinge einzufangen, herumstreunende Orks zu jagen oder das ein oder andere Monster von Bauernhöfen zu vertreiben, war der neue Alltag für Vicious geworden. Nicht viel anders, als ihr Leben in Varant unter den Assassinen. Allerdings nahmen es die Myrtaner sehr viel genauer, wenn es um die Belohnung ging. Es gab kein Feilschen. Entweder nahm man das Kopfgeld wie es war oder man ließ es bleiben. Den Südländer, den sie gerade in die Gefangenschaft befördert hatte, musste sie bis knapp an die Grenze nach Nordmar verfolgen und dann mit ihm im Schlepptau wieder den ganzen Weg zurück. In ihren Augen hätte das durchaus einen Bonus gerechtfertigt. Nicht in Myrtana! Zumindest musste Vicious nicht nachzählen. Auch damit nahmen es die Myrtaner sehr genau.
Auf dem Weg zum Gasthaus kaufte sich die Kopfgeldjägerin ein Pfund frischer Kirschen. Eine Delikatesse, die sie erst vor kurzem für sich entdeckt hatte. Nicht alles in Myrtana war also schlecht. Im Schankraum angekommen, setzte sich die Marmo an einen Ecktisch und winkte die Kellnerin herbei.
»Einen großen Krug Wasser und eine Pfanne gebratener Bohnen.«
»Kommt sofort!«
Die wiegenden Hüften der Kellnerin zogen den Blick der Kopfgeldjägerin an. In Myrtana war in der Tat nicht alles schlecht.
-
Geldern
Ja er musste es sich eingestehen und ja es war eine sehr bittere Erkenntnis. Eine die er wahrscheinlich nicht so leicht und nicht so bald mit einer anderen Menschenseele teilen würde. Er hatte sich verlaufen. Er hätte einen Reiseführer in Anspruch nehmen sollen. Stattdessen hatte er Schnee bekommen. Schnee, Schnee und nochmal Schnee. Er hätte Abhandlungen darüber verfassen können welche trostlose Einöde Schnee aus einer Landschaft machen konnte. Elendes endloses Weiß aufgereiht und von der Natur arrangiert um ihn zu ärgern. Nun vielleicht musste man fairerweise sagen, dass sein Befinden aufgrund der vorhergegangenen Ereignisse wohl nicht so bald wieder einen Höhepunkt finden würde und Schnee würde er so bald nicht mehr sehen müssen. So viel stand jetzt schon fest.
Seine Füße schmerzten, seine Augen brannten und seine Stimmung war noch weiter am Tiefpunkt als sie es in Nordmar gewesen war. Ideale Voraussetzungen also in eine Taverne einzutreten. Eine unwirsche Handbewegung drückte die Tür zu guten Stube auf und ein Seufzen entfuhr dem Magus des Feuers, als ihn die Wärme und die Lautstärke des Schankraums empfingen. Einen Moment lang drehten sich einige Köpfe zu ihm um. Er nickte kurz gedankenversunken in die Runde und lies sich dann schwer an einem der kleinen Tische nieder, die bislang noch nicht beansprucht schienen. In der Ecke des Schankraums machte er eine ungewöhnliche Frau aus, die er mit einem kurzen Blick taxierte. Allerdings blieb ihm nicht lange um dem Eindruck zu folgen, da eine der Schankmädchen vor ihm stand. »Was darf es sein hoher Herr?«, »Hochgelehrter Herr«, korrigierte Saraliel in Gedanken, sprach es aber nicht aus. Die Ähnlichkeit reichte. »Ich nehme einen Becher Wein und etwas von den Speisen die ihr anbietet. Ich danke euch«. Das Mädchen machte so etwas wie einen Knicks, was sowohl den Magus als auch sie selbst irritierte und schlenderte dann davon. Etwas zu Essen konnte jedenfalls nicht schaden.
»Hubert!«, Saraliel schreckte aus seine meditationsähnlichen Trance auf, als er zwangsweise das Gespräch nicht unweit von seinem Platz mitbekam. Eine energische ältere Dame hatte seine Aufmerksamkeit gebunden. »Nun hör auf mich damit endlos zu nerven. Es geht nicht! Du hast sicherlich noch besseres für deinen Lebensabend vor als diesem Mist nachzutrauern. Wir haben doch alles was wir brauchen. Warum musst du nur immer so stur sein!«, redete sie sich in Rage, während dabei ihr ganzer doch recht beleibter Oberkörper vibrierte. Kurz darauf stampfte sie auf dem Boden auf. Der Mann ihr direkt gegenüber hob die Hände und versuchte scheinbar beruhigend auf sie einzuwirken, doch hatte er damit wenig Erfolg. Scheinbar war das Thema nicht neu und es hatten sich schon einige Emotionen angestaut. Der Feuermagier zog eine Augenbraue hoch, als die ältere Dame nun aufsprang und auf den Tisch donnerte, so dass Saraliel fast meinte, dass er unter der Wucht wohl zusammenbrechen müsste. Doch er – Innos sei Dank – hielt. »Hubert!«, sagte sie erneut. »Sag es! Man… Kann … aus.. Stahl… kein… Gold… machen!«. Der alte Hubert zeigte sich davon wenig beeindruckt und sagte wieder etwas, was wohl beruhigend gemeint war, allerdings sehr stur herüberkam. Jedenfalls war es die Dame leid und stapfte beleidigt davon, was deutlich zur Besserung der allgemeinen Stimmung beitrug. Ausgenommen der Stimmung von Hubert, der ziemlich angeschlagen an seine Getränk nippte.
»Ich kam kaum umhin die Unterhaltung zu bemerken«, erklärte sich der Hüne und setzte sich anstelle der Frau Hubert gegenüber, der sich etwas fassungslos dem Magier gegenüber wähnte. »Äh jaja. Also Elfriede ist manchmal nun… erm naja ihr wisst schon. Ziemlich implusiv ja. Eine gute Frau allerdings. Jaja eine sehr gute«, erklärte sich der Mann leise und der Schwarzhaarige nickte verstehen. »Nunja. In solchen Themen bin ich auch nicht unbedingt Experte«, signalisierte Saraliel Verbundenheit, kam dann allerdings schnell zum Thema, was ihn wirklich beschäftigte. »Sie ist allerdings im Unrecht. Ich habe gelesen, dass es doch geht. Metall in Gold wandeln meine ich«. Hubert zog die Augenbrauen hoch und signalisierte dem Hünen mit einem Blick weiterzusprechen. »Skandjir Ivarsdottir, ihres Zeichens Maga lumina, hat es mit ihrem alchimistischen Fähigkeiten meinen Aufzeichnungen zufolge tatsächlich geschafft zu vollbringen, wonach ihr euch so sehnt!«, verkündete Saraliel stolz und zog ein Pergament aus seiner Umhängetasche das er kurz entschlossen vor dem alten Alchimisten vor ihm ausrollte. Währenddessen kam das Schankmädchen und brachte das Essen, doch Saraliel war so in Gedanken beim Thema, dass das nur peripher wahrnahm. »Seht. Zunächst eine alchimistische Tinktur aus unter Anderem Dämonenpilz, Flammenbeere und Herrscherkraut herstellen, damit das Metall einweichen lassen, durch magisches Feuer stark erhitzen und schon erledigt!«, verkündete er, als wäre es der reinste Spaziergang. Hubert schaute sich das Pergament an und wurde gewahr, dass Skandjir zwar den Ruhm für sich beanspruchte, allerdings doch einige elementar wichtige Schritte bei der Herstellung nur grob umriss, ja nicht mal die Zutatenliste hundertprozentig genau war. »Nun mein Herr. Es ja also, es könnte ein Anhaltspunkt sein«, stimmte er halbherzig zu. »Gemeinsam mit meinen Erkenntnissen könnte es etwas werden«. »Ausgezeichnet«. Nun war es Saraliel der hart auf den Tisch klopfte. Und auch diesmal hielt er. »Gleich Morgen früh beginnen wir das Rätsel zu lösen. Ich nehme an wir können euer Labor dafür beanspruchen?«. Der alte Alchimist schaute etwas ratlos drein. »Sicher sicher. Nur würde ich es nicht unbedingt ein sehr ausgefallenes Labor nennen«, meinte er bescheiden. »Nun denn. Wir werden es schaffen! Das Mysterium soll gelöst werden!«, meinte er nun wieder in der Lautstärke die zuvor Elfriede an den Tag gelegt hatte. Hubert schaute nicht schlecht drein als Saraliel wie selbstverständlich aufsprang und in der Runde verkündete: »Wer ist willens uns zu unterstützen auf der Queste das Lebenswerk des alten Hubert zu vollenden?«
-
Geldern
Nachdem die Pfanne mit Bohnen ausgelöffelt war, fläzte sich Vicious mit ausgestreckten Beinen auf die Eckbank und beobachtete das Treiben im Gasthaus. Was in erster Linie bedeutete, dass sie dem Schankmädchen bei der Arbeit zusah. Kurzfristig war auch ein sehr adretter Barde eingekehrt. Statt Liedchen zu trällern oder Gedichte aufzusagen, verschwand er sogleich im Nebenzimmer und gab der Kopfgeldjägerin keine Chance, ihn sich näher zu besehen.
Nicht weit entfernt stritt sich ein altes Pärchen an einem Nebentisch und wurde dabei kontinuierlich lauter. Sehr zum Verdruss von Vicious. Sie hatte ihre Arbeit für heute getan und wollte ihre Ruhe haben. Unruhig tippte sie mit dem Finger auf den Tisch. Wenn das so weiterging würde sie die Pfanne rüberschmeißen. Leider bedeutete das in Myrtana, dass direkt die Stadtwache antrabte. Körperverletzung und so was. Als wenn ihre Nerven nicht verletzt werden würden.
Eine Ablenkung in Form eines Feuermagiers betrat schließlich den Schankraum. Vielleicht würde das für Ordnung sorgen. Wie Vicious schnell während ihrer Zeit in Myrtana gelernt hatte, war das einfache Volk gegenüber den Robenträgern ausgesprochen devot. Selbst Soldaten buckelten vor ihnen. Magier müsste man sein. Neee, dachte sich Vicious und ging wieder dazu über, der Kellnerin hinterher zu gucken.
Sehr zum Leidwesen der Marmo, gehörte die feiste Alte am Nebentisch nicht zur devoten Sorte und keifte trotz der Anwesenheit des Würdenträgers munter weiter. So laut inzwischen, dass Vicious trotz aller Versuche sie zu ignorieren, weite Teile des Gezeters mitbekam. Sie war sich jedoch nicht sicher, es richtig verstanden zu haben. Stahl zu Gold? Das ergab wenig Sinn. Oder vielleicht doch? Denn als die Alte endlich abhaute, setzte sich sogleich der Feuermagier zum alten Mann an den Tisch. Von so jemandem erwartete Vicious, sich nicht auf irgendwelchen Unsinn einzulassen. Von einer gewissen Neugier getrieben, setzte sich die Kopfgeldjägerin auf und lauschte heimlich den Worten des Feuermagiers.
Offenbar ging es um ein Experiment der Alchemie, eine Kunst von der Vicious genauso wenig wusste, wie vom Zaubern. Deshalb konnte sie nicht einschätzen, ob die beiden Männer nur über Hirngespinste redeten oder es um etwas reelles ging. Schließlich stand der hochgewachsene Magier mit vollem Elan vom Stuhl auf und adressierte die gesamte Schenke.
»Hier.«, rief Vicious und schnippte mit dem Finger. »Ich biete mich als Aufpasser an. Für den richtigen Preis, versteht sich.«
Etwas anderes hätte die Marmo auch nicht beizusteuern gehabt. Auch war es fraglich, ob der Feuermagier nicht einfach ein paar Paladine herbeizitierte, um für die Sicherheit des Vorhabens zu sorgen. Stand das in seiner Macht? Vicious wusste es nicht, tendierte aber zu einem Nein. Warum sonst würde der Robenträger nach Unterstützung fragen? Womöglich wollte er die Früchte der Arbeit für sich behalten? Es war Vicious auch egal. Selbst wenn das Ganze sich als völliger Humbug herausstellte, könnte sie trotzdem ein paar Goldmünzen abstauben.
-
Geldern
Einen kurzen Moment hatte der Hüne noch gewartet ob sich wohl noch Jemand wagemutiges melden würde, aber das war nicht der Fall gewesen. Er hätte fast damit rechnen müssen. Große Taten bekamen Anfangs wenig Zuspruch. Das war der Lauf der Dinge. Sie würden erst dann Zuspruch bekommen, wenn sie erfolgreich waren. Aber dann hatten sie den Ruhm bereits für sich beansprucht. Er hatte beiläufig gesagt, dass ihre Dritte im Bunde wohl gut und gerne das Ergebnis behalten könnte, so sie den erfolgreich waren, was Hubert mit deutlichstem Zähneknirschen ebenfalls bejaht hatte. Scheinbar machte er sich wohl mehr aus dem Gold als Saraliel. Was hatten nur alle damit? Der schnöde Mammon war ein notwendiges Übel. Kein Lebensziel. Der Frau schien diese Abmachung allerdings recht passend zu sein. Sie folgte Ihnen, was er als konkludentes Handeln interpretierte.
Am nächsten Morgen hatten sich die drei ungleichen Gefährten in der Stube des alten Alchimisten versammelt und eruierten ihre Möglichkeiten. Es war kein sonderlich schönes oder neues oder überhaupt in einer weise ausgefallenes Labor, aber es würde wohl seine Dienste tun. Wenn der Feuermagier den Aufzeichnungen glauben schenken konnte, wie ein Labor wohl beschaffen sein sollte, so war zumindest alles da, was er so erwartete. In diesem Moment beugten sich die beiden Männer über die Schriftrollen und die Utensilien und schrieben dann und wann mit der Feder einige Notizen auf neue Schriftrollen, um sich das Problem zunächst einmal auf abstrakter eher theoretische Art zu nähern. Zumindest damit kannte sich der Magus gut aus. Die fremdländisch anmutende Frau schritt derweil etwas durch die karge Behausung und besah sich alle die Werke die Hubert im Laufe seines Lebens zutage gefördert hatte. Für die kargen Möglichkeiten war er doch deutlich erfolgreich gewesen. »Nun..«, begann Saraliel, legte die Feder beiseite und fuhr mit dem Zeigefinger über die Bilder und Schriftzeichen die sie bislang angefertigt hatten. »Nun..«, begann der Magus, »Auch wenn es einige Ungereimheiten gibt, so bleibt zu konkludieren, dass wir uns zunächst an die Beschaffung der Materialien machen sollten. Ich denke auf theoretische Weise werden wir dem Problem nicht ganz Herr werden können«. Hubert nickte bedächtig. »Ja möglicherweise habe ich noch mehr..«, er kratzte sich am Kopf und schaute dann nachdenklich durch den Raum. »Oder ich könnte noch Alfons und Eldrik fragen..«, murmelte er weiter vor sich hin. »Ja so machen wir es«, entschied der Feuermagier frohen Mutes. »Du Hubert schaust auf Basis unserer Aufzeichnungen und des Wissens was wir bisher gesammelt haben weiter nach Anhaltspunkten. Insbesondere beim Prozess selbst. Ich lasse die Rollen von Maga Skandijr ebenfalls hier«. Er fuhr fast ehrfürchtig über die Aufzeichnungen und legte sie auf den Tisch. Dann winkte er die Dame heran. »Vorerst und nicht unbedingt abschließend brauchen wir: Flammenbeeren, Herrscherkraut, Dämonenpilze, geeigneten Stahl, wobei hier nicht ganz klar ist was geeignet ist, Flammennesseln, Horn von Schattenläufern, Goldstaub, Bernstein, magisches Feuer und pure Strahlen von Sonnenlicht«. Saraliel wurde kurz still. »Möglicherweise, aber leider nicht zwingend könnte man die letzten beiden Dinge mit Magie substituieren. Wisst ihr wo man den Rest der Ingredienzen wohl zu finden vermag?«, meinte er. Es blieb allerdings abzuwarten ob eine Substitution gelingen mochte. »Oh ich erm«, fand Saraliel seine Kontenance zurück, als ihm schlagartig bewusst wurde wie unhöflich er gewesen war. »Habe gar nicht nach eurem Namen gefragt Verehrteste«, wandte er sich an die Dame die Ihnen so bereitwillig zur Seite stand. »Ich bin Saraliel, Magier des Feuers«, sprach er das Offensichtliche aus. »Freut mich«, sagte er beschämt und reichte ihr die Hand.
-
Geldern
»Vicious. Mein Name ist Vicious.«, antwortete die Marmo auf die verspätete Vorstellung des Feuermagiers. Ganz offensichtlich gehörte er zu der schwafelnden und zerstreuten Sorte von Zauberern. Ein wenig fühlte sich Vicious sogar an die Schwarzmagier in Varant erinnert. Sie sah davon ab, diesen Vergleich laut auszusprechen. Es tat nichts zur Sache und beendete womöglich die Zusammenarbeit so unmittelbar, wie sie begonnen hatte. Wenn nicht noch schlimmeres.
»Ich bin Kopfgeldjäger, Leibwächter und noch einiges mehr.«, fuhr Vicious fort und schüttelte die Hand Saraliels. »Sieht so aus, als ob wir ein wenig Blümchen pflücken gehen. Ich rate aber davon ab, das Schattenläuferhorn von einem lebendigen Exemplar zu besorgen. Falls du es nicht mit einem Fingerschnippen explodieren lassen kannst. Was die Blumen angeht, ich bin zwar kein Experte dafür, aber sowohl im Norden als auch im Süden gibt es ausgedehnte Wälder in denen jede Menge Kraut wächst. Wohin zuerst, Maestro?«
-
Im Süden von Geldern
»Nunja Blumen würde ich nicht unbedingt sagen. Und nein Schattenläufer explodieren zu lassen liegt – vielleicht nicht für immer, aber doch momentan – außerhalb meiner Möglichkeiten«, meinte er gleichermaßen zu sich selbst wie zu Vicious. »Lasst uns zunächst nach Süden gehen, wenn es euch wohl recht ist. Ich habe nicht unbedingt mehr Bedarf an kalten Winden.«
Fast mochte er es eine freundliche Begrüßung nennen als die Natur sie am Südtor zu begrüßen begann. Es war ein schöner sonniger Tag und er hatte große Lust etwas auf Erkundung zu gehen. »Vielleicht fangen wir mit Flammenbeeren und Flammennesseln an. Sie wachsen an ähnlichen sehr sonnigen Plätzen. Sie gedeihen nur dort, wo auch viel Sonne herkommt. Dämonenpilze wären dann vielleicht das nächste. Diese gedeihen im Gegensatz dazu in Höhlen.«, er sinnierte einen Moment. »Herrscherkraut wächst tatsächlich in dem Dung mächtiger Wesen. Eine Höhle mit einem Schattenläufer, wenn auch gefährlich könnte uns drei Ingredienzen, ich zähle das Horn dazu, gleichzeitig bescheren«, dachte er laut. »Goldstaub, Stahl und Bernstein, sind auch eher tiefer in Höhlen zu finden nicht? Wobei wir vielleicht das was wir nicht finden auf einem Markt erhandeln müssten. Es ist mir völlig unklar, was das mit dem Metall auf sich haben könnte«. Wieder rieb er sich die Schläfen und dachte nach. »Naja dann mal ans Werk. Habt ihr Erfahrung hier? Sonst vielleicht dort den Berg hinauf?«, er schaute etwas missmutig. Auf seine Orientierung würde er sich nicht unbedingt verlassen. Das hatte ihm die Eskapade von Nordmar bis hier her deutlich vor Augen geführt. »Wenn ich dich wohl bitten darf die Wegekunde zu übernehmen. Ich bin nunja nicht sehr bewandert was die Naturwanderung angeht«
-
Im Gestrüpp unweit von Geldern
»Ich komme nicht von hier, aber ich kenne mich gut genug aus, um den Weg zurück zu finden. Es wird auch das beste sein, wenn ich vorangehe.«, antwortete Vicious und zog das Breitschwert vom Gürtel. Dann deutete sie dem Feuermagier an zu folgen und stieg in den Dickicht.
»Vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt: lebender Schattenläufer gleich Lebensgefahr. Mag ja sein, dass wir einen in einer Höhle hier finden. Falls der nicht tot ist, werden wir einen schönen großen Bogen darum machen.«
Mit dem Schwert schlug Vicious eine Schneise in das Gestrüpp. Die Sonne schien durch das dichte Blätterdach und ehe sie sich versahen, waren sie umringt von der Natur. Von den Stadtmauern oder gar dem Treiben in der Stadt war nichts mehr gesehen, als hätten sie niemals existiert. Ein leises Plätschern zu ihrer Linken ließ Vicious aufhorchen. Wo Wasser war, waren Tiere nicht weit.
»Augen auf, sonst rennen wir in irgendwelche Viecher rein.«, sagte sie zu Saraliel. »Was für Zauberformeln beherrscht du? Damit ich mich darauf einstellen kann, wenn mir die Funken um die Ohren fliegen.«
-
»Ja verstehe über den Schattenläufer unterhalten wir uns später«, entgegnete Saraliel gedankenversunken. Er hörte ebenfalls das Plätschern und ein eindringliches Summen in der Luft. »Feuerball, Licht, Rauchwolke..«, begann er seine Fähigkeiten aufzuzählen, als er ein Geräusch hörte, dass so absolut nicht in die Idylle passen wollte. Ein Zischen wie von einer Echse. Nur deutlich lauter. Für einen Moment war er gebannt von dem Geräusch, dann verdrängte eine visuelle Eingebung das Geräusch. In einiger Entfernung auf einer Erhöhung sah er es oder zumindest das was er dafür hielt. »Vicious! Das könnten sie sein. Wahrlich. Nesseln oder sogar die Beer«. Das letzte Wort konnte er nicht mehr aussprechen, da seine Begleiterin ihm doch recht vehement die Hand auf den Mund drückte und einen bist-du-des-Wahnsinns-fette-Beute-Blick aufsetzte.
Das Zischen kam näher, dann erkannte er ein hässliches Gesicht und eine Reihe hässlicher scharfer Zähne. »Snapper«, meinte der Hüne und lies kurz darauf einen Ball aus Feuer auf das Tier sausen. In Agonie schrie das Wesen auf. Das hatte die Situation nicht unbedingt entschärft. Ganz im Gegenteil.
-
Als Saraliel ohne den Ansatz eines Plans den Feuerball auf die Echse schleuderte, fluchte die Kopfgeldjägerin laut in ihrer Muttersprache. So schnell konnte Vicious gar nicht ihren Lederschild vom Rücksack reißen, wie aus einem brennenden Snapper plötzlich drei wurden. Zwei selbstverständlich noch nicht in Flammen! Die erste Bestie setzte zum Sprung an und landete punktgenau und mit voller Wucht auf dem Schild der Marmo. Es riss Vicious unweigerlich von den Füßen. Zusammen mit dem Snapper taumelte sie durch das Dickicht und landeten schließlich am Ufer des Bachs.
Nun hieß es schnell zu sein. Der Schild lag etwas weiter den Hang hinauf, ohne den Vicious keinen Schutz mehr gegen die Klauen des Tieres besaß. So geschwind sie konnte, sprang die Kopfgeldjägerin auf und hieb mit dem Schwert auf den Hals des Snappers ein. Das muskulöse Tier, selbst noch im Aufstehen begriffen, schnappte wild um sich. Mit Mühe und Not trieb Vicious ihre Klinge tief genug für eine tödliche Wunde.
Keuchend stand sie über dem zuckenden Körper des Tieres. Adrenalin pumpte durch die Adern der Marmo und übertünchten den Schmerz an Arm und Schulter. Es war so schnell gegangen, dass sie nicht einmal realisiert hatte, dass der Snapper einen Treffer gelandet hatte. Doch das Blut auf ihrem Ärmel gehörte ihr. Daran bestand kein Zweifel.
Vicious hörte ein lautes Fauchen den kleinen Hang hinauf. War es ein Feuerball oder die Snapper? War es überhaupt wichtig? Sie sollte rennen und den Feuermagier sich selbst überlassen. Zähneknirschend sprintete die Kopfgeldjägerin den Hang hinauf und schnappte sich dabei ihren Schild.
-
Schweißperlen sammelten sich auf der Stirn des Magus der mittels Telekinese die Zähne des Ungeheuers vor sich von sich fern hielt. Doch die Magie selbst war an seine Körperkraft gebunden und die schwand rapide. Von unten fühlte er kleine Steinchen die sich in seinen Rücken bohrten und von oben kamen die Zähne näher. Milimeter um Milimeter. Nicht mehr lange und seine Haut würde Bekanntschaft damit machen. Nicht mehr lange und …
Mit einem Satz war Vicious wieder da und beendete das Leben auch dieser Echse mit einem Schwung. Blut spritzte auf das Gesicht des Hünen und seine Arme sackten kraftlos zu Boden. Das schienen alle gewesen zu sein. Der erste hatte sich nach seiner Branderfahrung weggeschleppt und war außer Reichtweite. »Ich danke dir. Das war sehr knapp«, meinte Saraliel kurz darauf und rappelte sich auf. Der Blick den er zugeworfen bekam und der Fluch in einer ihm nicht bekannten Sprache wiesen allerdings nicht unbedingt darauf hin, dass die Streiterin das gerne gemacht hätte. Im Gegenteil: So wie sie drein schaute hätte sie wahrscheinlich nicht übel Lust bei dem Magus fortzufahren, wo sie bei den Snappern geendet hatte. Während der Magier die Hände beschwichtigend hob erkannte er die Verletzung, die im Sonnenlicht sichtbar wurde. So als würde ein Schwall aus Tränen ihren Arm herunterlaufen. »Lasst mich mal sehen«, meinte der magische Medicus und konzentrierte sich auf die Wunde. »Nicht zu tief. Das bekommen wir wieder hin«.
Einige Zeit (und einige böse Worte und Blicke) später standen sie vor den Pflanzen die sie benötigten. »Tatsächlich. Flammenbeere und Flammenkraut«. Saraliel klatschte in die Hände und hatte alsbald die Strapazen mit den Snappern wieder vergessen. Mit chirurgischen Bewegungen löste er die Pflanzen mit einem Dolch vom Boden und packte sie sorgfältig in den Beutel, den er um die Schultern geschlungen hatte. »Dann würde ich sagen sollten wir nach einer Höhle Ausschau halten! Oder meint ihr wir sollten vielleicht zunächst rasten?«, erkundigte er sich bei seiner Begleiterin.
-
»Rasten wir erst mal.«, sagte Vicious und setzte sich auf den erstbesten Felsen. Aus ihrem Rucksack holte sie eine Flasche Wasser und trank davon. »Was sollte das?«, fragte die Kopfgeldjägerin und nahm einen weiteren Schluck. In Gedanken malte sie sich aus, wie es gewesen wäre, hätten sie statt Snappern tatsächlich einen Schattenläufer gefunden. Hätte Saraliel genauso unbedacht gehandelt? Dann wären sie nun Tierfutter.
»Ich weiß nicht, wie es im Kloster abläuft. Was bestimmt auch besser ist. Hier draußen kannst du aber nicht einfach wild um dich ballern!«
Vicious blickte den Feuermagier an und schüttelte nur den Kopf.
»Was ist dein Plan, wenn wir tatsächlich auf einen Schattenläufer treffen? Außer ihn direkt anzuzünden?«
-
»Ja erm guter Punkt«, gestand der Magus durchaus widerwillig ein. Ohne Vater an seiner Seite der ihn hier und da wieder für die sehr realen Dinge des Alltags aufmerksam machte hatte er einfach den Halt verloren. Ja war einfach kopfüber in eine wirklich gefährliche Situation gestoplert. »Ich entschuldige mich bei euch. Es tut mir leid, dass ich euch in Gefahr gebracht habe. Ich denke es wird das Beste sein, wenn ihr die Gefahreneinschätzung übernehmt«, meinte der Magus etwas kleinlaut und fuhr dann mit dem Fuß über einige Grashalme. »Wenn wir also tatsächlich einem Schattenläufer begegnen sollten, dann rennen wir«, stimmte er etwas umständlich zu. Allerdings nicht ohne, dass sein Verstand direkt wieder zu rattern begann. Aber wie bei Innos würden sie dann an das Horn kommen? Und ohne Horn gab es keinen Trank. Ohne Trank konnten sie Hubert nicht helfen! Es war verflixt. Nun allerdings tot würden sie wohl auch keine dieser Dinge bewerkstelligen. Also erkannte er durchaus die Weisheit in den Worten seiner Begleiterin und würde ihr diese Dinge überlassen. »Gut gut. Jeder hat sein Spezialgebiet und ich werde dir in deines nicht mehr herein pfuschen«, konkludierte er und hakte damit gedanklich die unangenehme Situation ab.
»Nun wo wir gerade etwas rasten darf ich vielleicht ein paar Fragen stellen?«, meinte er und deutete dann Vicious ausdrucksloses Gesicht zumindest nicht als Gegenwehr. »Wo kommt ihr eigentlich her, also wenn ich fragen darf. Die Sprache die ihr sprecht habe ich noch nie gehört. Ihr scheint also nicht unbedingt von hier zu kommen«. Und er hätte auch gerne direkt gefragt ob sie eine Höhle in der Nähe wusste, aber das verkniff er sich für den Moment.
-
»Wenn wir einem Schattenläufer begegnen, dann rennen wir nicht!«, antwortete die Kopfgeldjägerin mit einem Stöhnen. Vielleicht rannte sie doch. In der Robe konnte Saraliel gewiss nicht mit ihr mithalten und mit einer Mahlzeit sollte sich ein Schattenläufer hoffentlich zufrieden geben. »Das Vieh würde uns einholen, noch bevor wir uns umgedreht haben. Die zerlegen Paladinrüstungen ohne Probleme. Also noch mal: Schattenläufer gleich tödlich. Und spar' dir das ihr und euch.«
Sie streckte die Beine von sich und kramte in ihrem Rucksack herum.
»Als wenn es dir etwas sagen würde, woher ich komme. Es ist eine winzige Inselgruppe namens Baraka, weit, weit im Süden.«
Aus den Tiefen des Rucksacks holte Vicious einen kleinen Tontopf und reichte ihn Saraliel.
»Besteht aus zwei Inseln, und ich bin von der kleineren. Sollten wir wirklich auf einen Schattenläufer treffen, schmeiß das auf das Vieh. Da ist Öl drin. Zusammen mit deinem Feuerball sollte uns das ein paar Sekunden kaufen. Das oder wir werden von einem brennenden Schattenläufer gefressen.«
Vicious zuckte mit den Schultern.
»Hör zu. Wir gehen nicht Schattenläufer jagen. Ende der Diskussion. Die Blumen können wir sammeln, aber das Horn müssen wir anderswo herbekommen.«
-
»Baraka hmm?«, meinte Saraliel dessen Neugier geweckt war. »Davon habe ich bisher noch nicht gehört. Ist sehr interessant. Vielleicht könnt ihr mir mehr davon erzählen. Vater und ich sind viel gereist und haben einiges gesehen. Leider ist das jetzt nicht mehr möglich«, er sah den brennenden Scheiterhaufen und wie die guten Wünsche mit seinem Vater in den Himmel emporstiegen. Bei Innos! Würde das Gefühl der Trauer jemals versiegen? »Meine Familie stammt mütterlicherseits aus Varant und väterlicherseits aus Myrtana«, sagte er dann um etwas zur Herkunft beizusteuern. »Sie waren ein sehr ungleiches Paar und nunja sich oft nicht sehr einig, was sie letztlich getrennt hat«. Er suchte nach ein paar Worten, aber fand keine mehr. »Ich bin jedenfalls der ziemlich Letzte der von unserer Familie übrig geblieben ist. Theoretisch gäbe es noch meinen Bruder, aber der ist lange verschwunden und ich habe kaum Hoffnung, dass ich ihn wiedersehen werde«. Er zuckte mit den Schultern.
Saraliel dachte einen Moment nach, was er erzählen sollte, dann packte ihn ein Gedanke so fest wie die Faust eines Ogers. »Wir müssen keine Schattenläufer jagen!«, presste er hervor und stand so schnell auf, dass er fast wieder hingefallen wäre. Das hätte letztlich unfreiwillig sehr komisch angemutet, wenn er in das hohe Gras gefallen wäre. »Substitution!«, verkündete er frohen Mutes. »Alchimistische Zutaten lassen sich in einem gewissen Maße durch andere ähnliche Materialien ersetzen.«. Er stapfte zu den Überresten der beiden Snapper. »Vicious! Wir brauchen nur extern liegende Knochenbestandteile von mächtigen Wesen. Das heißt, dass es die Klauen und die Zähne der Snapper auch tun sollten!« Er zog seinen Dolch und war dann bald aber wieder etwas ratlos. »Nun erm vielleicht nehmen wir einfach die ganzen Hände und das Gebiss mit. Ich habe keine Ahnung wie man eine fachgerechte Entfernung durchführt«. Das war allerdings wahrscheinlich in diesem Fall auch nicht weiter tragisch. Es ging hier ja darum das Material zu haben und nicht, dass das was sie dort bergen würden nachher schön aussah. Der alchimistische Prozess würde ohnehin verlangen, dass sie die Klauen und Zähne pulverisierten. »Wenn meine Theorie stimmt, dann könnte sich hier auch irgendwo in dem hohen Gras auch das Herrscherkraut befinden«
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
|