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  1. Beiträge anzeigen #341
    Schwertmeister Avatar von Curt
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Curt ist offline
    Curt war nicht sicher, was genau die Hitze in seinem Herzen auslöste, die er in diesem Augenblick verspürte. Dass Felia ihn als die gutaussehende Gesellschaft bezeichnete? Dass sie Sandow in der Aufzählung erwähnte und damit eine tiefe Emotionalität in Curts Innerem entflammte? Oder lag es gar an dem Wein des alten Leuchtturmwärters, der deutlich stärker war als der Klosterwein? Vielleicht spielten alle Faktoren zusammen, Curt konnte sich sein glückserfülltes Lächeln jedenfalls nicht zurückhalten, ganz gleich, wie vornehm er erscheinen wollte. Felia schien ebenfalls bemüht zu sein, ihr makelloses Gesicht nicht durch Lachfalten zu entstellen. Bei ihrem glücklichen Anblick machte sich jedenfalls Erleichterung in Curts Innerem breit. Er wusste ja selbst, dass dieses Etablissement weit unter dem war, was er ihr und sich gern gönnen würde. Doch in Zeiten wie diesen konnte man sich bereits für ein Dach über dem Kopf und ein warmes Feuer im Kamin glücklich schätzen.
    „Hast du mal von dem Observatorium in Setarrif gehört? Dort kann … konnte man die Sterne selbst studieren. Ich war früher einmal dort gewesen. Ein abgelegenes Plätzchen auf einer kleineren Insel, an dem man auch die Ruhe und Abgeschiedenheit zu schätzen lernt. Ich dachte mir vielleicht, ein Leuchtturm wie dieser hier kommt jenem Ort am nächsten.“
    Er nippte an seinem Glas und spürte, wie die Wärme vom Wein, vom Feuer und von Felia und nun vollends einhüllte. Dafür baute seine Nervosität allmählich ab. Es war alles gut, gewiss so, wie von Innos selbst vorherbestimmt.
    „Keine Sorge. Ein Leuchtturmwärter werde ich ganz sicher nicht werden. Die Tätigkeit ist doch viel zu eintönig. Ich strebe zwar hoch hinaus, aber doch wohl nicht im physischen Sinne, sondern vielmehr im Geiste. Wobei man hier gewiss einen guten Blick auf die Sterne hat. Vielleicht ließe sich der Turm zu einer Sternwarte umfunktionieren. Ich wüsste jedenfalls nicht, wozu es unbedingt zweier Leuchttürme in Thorniara bedarf. Ein fähiger Seemann sollte in der Lage sein, den Hafen auch mit nur einem Licht anzusteuern.“
    Er runzelte die Stirn. Der Gedanke war gar nicht mal so abwegig. Vielleicht sollte er ihn der obersten Feuermagierin bei Gelegenheit mal unterjubeln. Es wäre gewiss ein Segen für das Verständnis der Welt, wenn sie hier mehr Sternenforschung betreiben könnten.
    Bevor er jedoch zu weit abdriften und Felias Interesse womöglich verlieren konnte, legte er eine Hand um ihre Taille und blickte ihr in die Augen. Dunkle Augen, in deren Blicken sich das Feuer spiegelte. Schlagartig war seine Nervosität wieder da.
    „Ich könnte aber auch deine Augen studieren und mein Geist würde sich nicht daran sattsehen.“
    Curt schluckte. Seine Kehle war trotz des Trinkens rau. Das musste am trockenen Rotwein liegen. Er hatte eine Vorstellung davon, was die gesellschaftliche Norm in einem Augenblick wie diesem von ihm erwartete und konnte sein bebendes Herz schon bis in die Ohren pumpen hören. Allein, es war die Überwindungskraft, die ihm trotz des Weines und aller Neugier fehlte. Doch es würde sich kein besserer Moment ergeben.

    Er bewegte seinen Kopf leicht zu ihrem.
    Dann klopfte es an der Tür.
    Ihr Essen war da.

  2. Beiträge anzeigen #342
    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Die Bürger ist offline

    Haus Verdistis, Reichenviertel

    »Einstiger Hauptmann… hmm!?« Für einen kurzen Moment sah Greygor tatsächlich beeindruckt aus. So viel Karriere hätte er seinem beeinträchtigten Bruder gar nicht zugetraut. Doch nun war es damit offenkundig vorbei. Grey war der Unterton, mit dem der Graf das Wort ‚einstige‘ betont hatte, nicht entgangen. Sowie auch den gezügelten Groll, den der Graf bei der Erwähnung seines Wohlwollens durchhören ließ.
    Grey setzte einen bedauernden Ausdruck auf sein Gesicht und machte eine leichte Verbeugung, um sein Feixen zu kaschieren. Nachdem er sich wieder im Griff hatte, blickte er dem alten Verdistis erneut offen ins Gesicht. »Es betrübt mich sehr dies zu hören, und ihr habt mein vollstes Verständnis, Graf. An dieser Stelle ist es wohl nur das Mindeste, wenn ich mich im Namen meiner Familie aufrichtig dafür entschuldige…« Grey trat etwas näher heran, auch wenn dieses bei dem Leibwächter ein kurzes Zucken hervorrief. Der Vogt hielt es für unhöflich, mit dem Mann weiterhin über die Weite des Raumes zu kommunizieren. Er hob beschwichtigend die Hand in seine Richtung und bleib dann dennoch in ausreichendem, respektvollem Abstand vor dem Grafen stehen. »Das konnte ich natürlich nicht wissen. Bitte sagt mir, von welcher Summe Schulden sprechen wir – sprecht ihr? Um diese Schade wieder gut zu machen, werde ich selbstverständlich versuchen für die Versäumnisse meines Bruders aufzukommen.«
    Natürlich würde er es versuchen – versuchen den Grafen glauben zu machen, dass dieser sein Geld zurückbekam. Denn am Ende war es das, was so einen Tandler ausschließlich interessierte. Zeitgleich war Greygor bewusst, dass er sicherlich nicht ausreichend Geld zur Verfügung hatte, die Schulden zu begleichen, geschweige denn, dass er eine solche Summe mit sich führte. Zwar waren die letzten Jahre auf seinem Gut hervorragend gewirtschaftet worden und nun, da der Krieg auf dem Festland nicht mehr beherrschend war, auch der Absatz der beeindruckenden Cast’schen Zelter gestiegen, dennoch war Gewinn aus den Ländereien vermutlich immer noch lächerlich gering, im Gegensatz zu dem, was hier ausstand.
    »Ich bin flexibel und offen für eure Vorschläge, daher auch sehr zuversichtlich, dass wir uns einig werden können. Da Ihr den Orden gerade ansprecht: Genau dieser ist es, der meinen Bruder in seiner bedauernswerten Stasis hält. Solange sich Redlef in Thorniara und damit unter seinem Einfluss befindet, werde ich ihm nicht helfen können. Daher ist es mein Anliegen ihn von der Insel zu hohlen und ihn der Gerichtsbarkeit des Reiches zu unterstellen. So könnten unser beider Probleme eventuell gelöst werden? Die ausstehenden Schulden werden mit dem Haus und einer angemessenen Entschädigung gedeckt und Redlef kommt mit mir nach Cast zurück. Pflegt Ihr Eure reichweitenden Kontakte auch hier zu den örtlichen Autoritäten, sodass eine solche Abwicklung möglich wird?«

    Redlef

  3. Beiträge anzeigen #343
    Burggraf zu Verdistis  Avatar von Maximus
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    Das Reichenviertel, Anwesen des Grafen

    Der Graf lehnte sich wieder zurück in seinen mit Samt gepolsterten Stuhl, als er den Ausführungen des Besuchers lauschte. Der Bruder von Redlef Cast schien zu glauben, er wüsste, wie das Spiel der hohen Herren gespielt werden würde. Doch tatsächlich hatte er keine Ahnung gehabt und reihte eine hohle Phrase an die nächste. Er glaubte, er könne sein Gegenüber mit der Aussicht auf Gold beeindrucken, wie es vielleicht bei einem einfachen Bauern funktionieren würde. Doch ein Edelmann, wie Maximus einer war, hatte mehr als genug davon.

    Eigentlich hätte der Graf seiner Leibwache schon längst befohlen, diesen Schwafler hinauszuwerfen. Doch natürlich hatte Maximus seine Gründe gehabt, ihn überhaupt ins Anwesen einzuladen. Mit einem abschätzigen Grinsen quittierte er den Redeschwall von Greygor. "Hört zu..." erwiderte er. "Ihr wäret nicht hier, wenn Ihr mir nicht von Nutzen sein könntet. Also: Ich brauche weder Euer bedeutungsloses Bedauern, noch die paar läppischen Goldmünzen, die ihr im Stande seid, aufzubringen."

    Maximus erhob sich und griff nach einem Buch, das sich in dem großen Regal hinter seinem Schreibtisch befand. Er blätterte einige Seiten und tippte mit dem Zeigefinger auf eine markierte Stelle. Anschließend setzte er sich wieder und drehte das Buch zu Greygor hin. "Mir sind die Geschäfte Eurer Familie in Silden wohlbekannt. Ihr betreibt dort ein Gestüt, welches angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs auf dem Festland gewiss einiges abwerfen dürfte." Nebenbei blätterte Maximus in seinem Schuldenbuch, um den Eintrag zum einstigen Hauptmann zu finden.

    "Ihr möchtet, dass Redlef Cast aus der Gefangenschaft entlassen wird und ein freier Mann ist. Nun, dafür kann ich sorgen. Wie ich das mache, hat Euch nicht zu interessieren. Das Einzige, was Euch zu interessieren hat, ist, was ich dafür von Euch verlange. Vier Eurer besten Pferde. Dann sorge ich dafür, dass Redlef wieder ein freier Mann ist..." Maximus schaute auf die Stelle in seinem Schuldenbuch, an der die Höhe der ausständigen Raten vermerkt war. "Was seine Schulden allerdings betrifft..." fuhr der Graf fort. "Die sind nicht unerheblich. Sein Haus steht mir bereits zu aber ich bin bereit, gegen 18 Fässer Dunkler Paladiner, 4 Fässer Rum und 380 Pfund Rindfleisch, die rückständigen Raten als ausgeglichen zu betrachten."

    Das Schuldenbuch schließend schaute der Graf erwartungsvoll zu Greygor und fragte: "Wir sind im Geschäft?"
    Geändert von Maximus (14.02.2024 um 22:37 Uhr)

  4. Beiträge anzeigen #344
    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Die Bürger ist offline
    Läppische Goldmünzen? So mancher Mann hätte diese Worte als schwere Beleidigung auffassen können, so auch Greygor. Doch statt seinen Unmut über diese Unhöflichkeit zum Ausdruck zu bringen, lächelte er breit. Nun hatte er den Grafen da, wo er ihn haben wollte. Das Ziel seines Besuches wurde zum Greifen nahe.
    Begeisterung heischend ließ er seinen frisch an der Angel zappelnden Geschäftspartner aussprechen und nickte am Ende seines Vorschlags nachdenklich, während er sich beiläufig durch das silbergraue Haar fuhr. »Euer Angebot klingt sehr gut«, begann er langsam, die Hand am Kinn und den Blick nachdenklich abschweifend. »Und ihr habt natürlich recht, dass sich mein Gut in den letzten Jahren nach dem Krieg durchaus langsam erholt, jedoch… was Ihr verlangt, würde und schon empfindlich schröpfen.«
    Grey trat einen Schritt zurück, zog seinen Wams zurecht und atmete einmal tief durch.
    »Versteht mich nicht falsch, ich weiß, was auf dem Spiel steht, und möchte Euer einmaliges Angebot keinesfalls ausschlagen. Doch…« Natürlich war er nicht bereit diesen immensen Preis für seinen Bruder so leichtfertig zu zahlen.
    »Vielleicht also seid Ihr offen, für ein längerfristiges Angebot von dem vor allem Ihr, aber auch Cast profitieren kann, wodurch am Ende es auch wieder Euer Schaden nicht sein soll.« Grey tippte sich an sein Kinn. Er grübelte.
    »Unsere Pferde sind tatsächlich sehr edel und rittig. Ich werde drei Pferde für euch persönlich aussuchen. Vier herzugeben wäre zu viel. Die Zucht hat einen Schwerpunkt auf Qualität, nicht Quantität, verzeiht. Hier schlage ich vor, dass ich Euch zwei gut ausgebildete Wallache und einen Jährling, also ein unausgebildetes Jungtier, überlasse, welches Ihr nach Euren Bedürfnissen zurichten könnt. Sie werden Euch Freude bereiten und sind mit ihrer auffälligen roten Farbe eine Zierde für jeden Stall. Die adulten Tiere, werden zeitnah auf die Reise gehen können, der Jährling erst im Sommer, wenn mein Bruder wieder auf freiem Fuß ist.«
    Sich vergewissernd, dass sein Plan durchführbar war, warf er Jannusch einen kurzen, fragenden Blick zu. Dieser nickte bloß dezent, sodass der jung erscheinende und dennoch ergraute Mann, seinen Vorschlag fortführte: »Da ich plane mit meiner Familie zurück auf das Festland zu gehen, habe ich kein Bedarf nach einem Haus. Daher wäre es uns nur Recht, wenn Ihr die Schulden mit dem Gegenwert dieser Immobilie tilgt. Sicherlich könnt ihr es gewinnbringend…« Er führte den Satz nicht zu Ende, da er die kaum wahrnehmbare Regung in der Mimik des Grafen bemerkt hatte. Die wahrscheinlich völlig wertlose Kate, wollte er wohl nicht behalten. Da Grey das Haus nicht kannte, konnte er seinen Wert nicht einschätzen. Er handelte hier mit der Katze im Sack.
    »Nun gut, vielleicht hat so ein Häuschen hier auch Vorteile… Ich müsste es wohl mal sehen. Doch all die Waren, de ihr dafür verlangt müsste ich hier vor Ort kaufen. Zwar bauen wir in Cast auch ein gutes Bier, jedoch kein dunkles Paladiner, nur ein dunkler Schnaps wird aus Kräutern gewonnen, nicht aus Zuckerpflanzen. Das kann ich daher kurzfristig auf keinen Fall leisten. Solltet Ihr an diesen Erzeugnissen jedoch Interesse haben, wäre ich alternativ an einem Handel zu sehr entgegenkommenden Konditionen interessiert. Vielleicht können wir uns auf diesem Wege einig werden und so davon beide profitieren?«

    Redlef

  5. Beiträge anzeigen #345
    Kämpfer Avatar von Felia
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    Felia ist offline
    Mit Wangen so glühend heiß, dass Felia fürchtete, der leichte Flaum auf ihrer faltenfreien und perfekt gepflegten Gesichtshaut könne jeden Augenblick in einer Stichflamme verpuffen, tauchte Felia eilig unter Curts leicht nach vorn gebeugtem Körper weg.

    »Da ist ja auch schon das Essen!«, verkündete sie lautstark, während ihre kleinen Füßchen sie über das knarzende Holz des Leuchtturms und fort von Curt und seinen Annäherungsversuchen trugen.

    »Die Tür ist offen.«, rief sie halblaut und öffnete klappernd mehrere Schränke auf der Suche nach passendem Geschirr. Ein Unterfangen, welches, das wurde ihr schnell bewusst, wenig sinnstiftend war, wenn sie so gar nicht wusste, was Curt ihnen überhaupt für Mahl hatte zubereiten lassen. Statt sich aber davon - und ihren wild umherrasenden Gedanken an die Situation vor etwa einer halben Minute - ablenken zu lassen, belud sie ihre Arme mit einer Vielzahl von Schüsseln, Tellern, Untertassen, Gläsern und Besteck, die sie angestrengt bis zum Tisch trug, polternd fallen ließ und dann völlig ungeordnet und jedes System zu sortieren versuchte. Eine der vielen Schwierigkeiten, neben zitternden Händen und der Tatsache, dass sie sich aufgrund ihrer vollkommen kraftlosen Beine am Tisch festkrallen musste, waren dabei diese grässlichen, fürchterlich quälenden und lautstarken Gedanken, die ihr unbeirrt im Kopf herumschwirrten wie lästige Fliegen um einen frischen Haufen. Während sie einhändig Messer von Gabeln und Löffel von anderen nicht essensbezogenen Werkzeugen sortierte und dabei gänzlich überhörte, wie Curt ebenso höflich wie mühevoll, allerdings gleichermaßen erfolglos versuchte, den Essensmenschen mit einigen Münzen Trinkgeld wieder loszuwerden, kreisten ihr unablässig Dutzende unterschiedlichster Gedanken im Kopf herum. Gedanken an ihren Bruder, daran, wie er stets jeden Interessenten an Felia mit den Fäusten, bösen Blicken oder gemeinen Worten vertrieben hatte, als sie noch Kinder gewesen waren. Gedanken an ihre Zukunft im Orden. Gedanken an sich selbst im Kleinkindalter, abgegeben wie ein altes Spielzeug von Eltern, die keine Lust, kein Geld oder keine Liebe übrig hatten für ein Kind. Und nicht zuletzt auch Gedanken an die Worte der obersten Feuermagierin. Worte, die sie erst beherzigt, dann ignoriert und schließlich ganz zu vergessen versucht hatte. Worte, mit denen Françoise sie dazu ermahnt hatte, sich nicht von ihren Gefühlen leiten zu lassen. Gefühle, die Françoise als Nichtigkeiten bezeichnet und abgetan hatte. Stand es ihr wirklich zu, sich gegen den Rat, vielleicht sogar gegen die explizite Anweisung der obersten Feuermagierin zu stellen? Wer war sie, sich gegen die Weisheiten der Person zu stellen, die als Avatar ihres Herrn Innos, dem obersten aller Götter, auf dieser Erde wandelte? Wer aber war sie, sich gegen das Feuer der Liebe zu stellen, das Innos zwischen ihr und Curt entzündet hatte? Konnte falsch sein, was ihr Gott ihr gegeben hatte? Konnte falsch sein, was seine Stellvertreterin auf Erden ihr geraten hatte?

    »Felia?«
    Es war die sanfte Stimme ihres bärtigen Ordensbruders, der sie aus dem Strudel an Gedanken riss. Ihre Knöchel traten bereits weiß unter dem Messer hervor, welches sie im eisernen Klammergriff hielt. Sie ließ es auf den Tisch fallen.

    »Verzeih mir.«, sagte sie und wagte es nicht, den Blick zu heben. »Ich war wohl abgelenkt.«, sie setzte ein höfliches Lächeln auf. Sie nahm auf einem der Stühle Platz.
    »Dann lass uns essen!«

  6. Beiträge anzeigen #346
    Schwertmeister Avatar von Curt
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Curt ist offline
    „Ich habe schon mal aufgetischt“, sagte Curt und präsentierte Felia mit einem vorfreudigen Lächeln das heutige Gericht. „Der Hauptgang ist Scavengerpastete mit Nelken und Seraphis und zum Nachtisch gibt es mit einer feinen Honigglasur ummantelten Backapfel.“

    Er geleitete seine Dame an den Esstisch und hielt ihr den Stuhl. Es war das bisschen höfischer Etikette, das er in einem alten Leuchtturm an den Tag legen konnte. Ein bisschen fühlte es sich an, als wären sie Kinder, die eine Teeparty nachahmten. In diesem Augenblick konnten sie nichts an ihrer Situation ändern, aber sie konnten sich zumindest in einer schönen Vorstellung wähnen. Sah man mal von dem etwas düsteren Ambiente und den knarzenden Stühlen ab, war das doch das schönste Dinner, das er seit Langem hatte auf die Beine stellen können. Dazu trug Felias Gegenwart maßgeblich bei. Das Ringsum verlor Curt ganz schnell aus dem Blick, wenn er nur ihr in die Augen blicken konnte.
    Gleichwohl war ihm nicht entgangen, dass sie sich vor dem Auftauchen des Essenslieferanten verlegen, wenn nicht gar abwehrend verhalten hatte. Curt hätte dem Kerl im ersten Impuls am liebsten die Tür vor der Nase wieder zugeschlagen, im Nachhinein betrachtet kam er vielleicht genau zum richtigen Zeitpunkt – ehe er sich von seinen Gefühlen zu irgendetwas hinreißen ließ, das Felia vielleicht gar nicht wollte und er ganz sicher gar nicht verstand. Sie schien diese außergewöhnliche Situation noch immer zu zerdenken, während er sich längst nur noch treiben ließ. Damit war, im Vergleich zum Herangehen an die Zauberei, eine umgekehrte Dynamik entstanden.

    „Iss langsam, die Pastete ist noch sehr heiß“, riet er ihr. Es war gewiss kein schlechter Ratschlag, es nicht zu überstürzen, sonst verbrannte man sich nur die Zunge. Man musste aber gleichermaßen aufpassen, dass es einem nicht kalt wurde. Dachte er immer noch über das Essen nach?
    „Das Nelkenaroma hat eine aphrodisierende Wirkung“, erklärte er. „Manchmal benutze ich das bei den Massagen, zur Entspannung. Damit kann man seine Gedanken einfach mal schwelgen lassen. Das ist genauso wichtig, wie die Beruhigung des Körpers. Wenn du möchtest, kann ich dir das irgendwann mal zeigen.“
    Er konnte sich kaum richtig auf sein Essen konzentrieren, versuchte sich jedoch nichts anzumerken.

    „Ist denn alles in Ordnung? Du … bist recht still.“

  7. Beiträge anzeigen #347
    Lehrling Avatar von Ardan
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    Ardan ist offline
    Dumpfe Rufe drangen von Deck hinunter und das Getrampel dutzender Füße war deutlich zu vernehmen.
    „Scheint so, als würden wir jeden Moment andocken“, meinte Lukas, einer der myrtanischen Soldaten, die abgestellt worden waren um den Gefangenen im Auge zu behalten.
    „Wird auch Zeit“, erwiderte sein Kollege, Kani, der lässig gegen den Türrahmen lehnte.
    Letzterer der beiden war offensichtlich aus Varant und war im Zuge der Eroberungsfeldzüge zur Armee gekommen. Ardan schätzte ihn auf etwa Mitte dreißig, während Lukas eher seinem Alter entsprach. Die beiden waren während der gesamten Überfahrt im Wechsel an seiner Seite gewesen und erst diesen letzten Tag kurz vor der Ankunft des Schiffes, leisteten sie ihm zusammen Gesellschaft.
    „Dann könnt ihr mir ja schon die Ketten abnehmen, nicht wahr?“, fragte der junge Mann, dem die letzten Jahre Gefangenschaft anzusehen waren.
    Die Ketten, mit denen er an den Armen gefesselt war, rasselten leise, als er sich bewegte. Sie waren im Boden des Laderaums verankert und ließen es nicht zu, dass sich der Sträfling mehr als zwei Schritte vom Fleck bewegen konnte. Die Nächte hatte er in den unbequemsten Positionen verbringen müssen und sein Essen hatte er stets im Sitzen zu sich nehmen müssen, da er im Stand nicht seinen Mund erreichte.

    „Immer langsam, Junge“, raunze Kani desinteressiert, „Du wirst so lange in Ketten bleiben bis die Stadtwache Thorniaras dich übernimmt. Und zwar hier, im Frachtraum. Also sei still bis wir dich los sind.“
    Die Stimme des Wärters hatte einen knurrenden Unterton und auch wenn sein Blick eher abwesend wirkte, war er doch jemand, der sich ans Protokoll hielt. Etwas, was Ardan zu schätzen wusste, denn es zeugte von Respekt vor dem Codex der myrtanischen Armee.
    „Du bist ein guter Soldat, Kani“, lobte der Gefangene ausgerechnet seinen Wärter, der nur die Augen verdrehte.
    „Und du bist einer der merkwürdigsten Kerle, die mir je untergekommen sind“, gab er zurück.
    Die Unfreundlichkeit, die er damit übermitteln wollte, ließ den Kopisten jedoch kalt. Im Kerker der Hauptstadt war er viel Schlimmerem ausgesetzt gewesen. Etliche Blutergüsse zeugten von den Misshandlungen, die er von Wärtern und Insassen gleichermaßen hatte erdulden müssen. Dagegen waren diese beiden Männer Vorzeigesoldaten.
    „Ich bin sicher, dass Innos euch eines Tages entlohnen wird“, vermittelte er seinen Dank, den die beiden nicht nachvollziehen konnten.
    „Jetzt hör schon auf zu Schwafeln!“, fuhr Kani ihn an, woraufhin der Blondschopf Folge leistete.

    Die Geräusche von Deck wurden leiser, nachdem ein gellender Ruf selbst bis in den Frachtraum drang.
    „Klarmachen zum Anlegen!“
    Kapitän Loras hatte sich zu Anfang der Überfahrt vorgestellt, doch seitdem hatte Ardan ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Verständlich, hatte er doch eine Crew zu führen.
    Ein Ruck ging durch den gesamten Kahn, der den Gefangenen beinahe zu Boden schickte. Selbst Lukas geriet kurz ins Straucheln, fing sich jedoch rechtzeitig ab. Kani grinste nur verhohlen, war er diese Manöver schon längst gewöhnt.
    „Wir haben Landgang, sobald wir den Kerl übergeben haben. Sind wohl mindestens für zwei Tage hier in der Stadt“, begann der Varanter ein neues Gespräch mit seinem Kollegen, „Irgendwelche Pläne für die kurze Verschnaufpause?“
    „Nun, es ist mein erstes Mal hier in Thorniara. Ich denke, ich werde mir die Stadt anschauen, etwas erkunden und herausfinden, wie die hier stationierten Soldaten ihren Tag verbringen“, antwortete Lukas nach kurzem Überlegen.
    „Du willst dich mit der Arbeit beschäftigen, während du auf einer tropischen Insel bist? Nichts für Ungut, aber das klingt nach vergeudeten Potential.“
    „Findest du? Was hast du denn vor?"
    „Naja, zum einen habe ich meiner Frau ein Souvenir versprochen, etwas, das auf dem Festland nur schwierig zu bekommen ist. Zum anderen hat man nicht oft die Chance die exotischen Damen einer Insel zu bestaunen, nicht wahr?“, lachte Kani laut.
    „Aber deine Frau…“, setzte Lukas an, der jedoch sogleich unterbrochen wurde.
    „…ist weit weg. Außerdem hole ich mir lediglich Appetit. Gegessen wird bekanntlich Zuhause.“

    Bevor das seltsame Gespräch weitergeführt werden konnte, waren Schritte auf der Treppe zu hören, die in den Laderaum führten.
    „Hier entlang, wie üblich“, hörte man Kapitän Loras‘ Stimme, der den Geräuschen zufolge von mindestens zwei weiteren Personen begleitet wurde.
    Als der Kapitän in Ardans Sichtfeld trat, hatte dieser eine finstere Miene aufgesetzt. Es lag eine Aufgabe vor ihm, der er wenig Freude abgewann. Doch Befehle waren Befehle.
    „Den Schlüssel“, wies er Kani an, der mit einem überzeugten „Aye“ salutierte und den Eisenring hervorholte, der den Schlüssel für die Ketten des Gefangenen beherbergte.
    Loras, ein hochgewachsener Mann mit grauem Haar und weißem Vollbart trat einen Schritt näher an den Sträfling heran.
    „Keine plötzlichen Bewegungen, Junge!“, wies er Ardan an, der bloß nickte.
    Die beiden Soldaten, welchen er übergeben werden sollte, hielten ihre Speere bereit. Eine Vorsichtsmaßnahme, die aus der Sicht des Gefangenen unnötig war. Wo sollte er schon hin? Er war auf einer ihm fremden Insel, im Bauch eines Schiffes, dessen Besatzung geschulte Soldaten der myrtanischen Armee war. Und er? Er war lediglich ein junger Kopist, der im Namen seines Gottes gehandelt hatte und von Bürokraten, deren Glaube nur so weit reichte wie er ihnen Einfluss verschaffte, ins Verlies geworfen worden war. Sein Weg in die Freiheit lag nicht in der Flucht, sondern im Gebet und dem Vertrauen darauf, dass er Absolution erfahren würde.

  8. Beiträge anzeigen #348
    Lehrling Avatar von Ardan
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    Ardan ist offline
    Rasselnd fielen die schweren Ketten zu Boden, die während der Überfahrt Ardans Handgelenke fixiert hatten. Diese rieb sich der junge Mann nun vorsichtig. Die Haut war gereizt und wund, rohes Fleisch war an einigen Stellen zu sehen.
    Der Kapitän wandte sich um und gab seinem Soldaten den Schlüssel zurück.
    „Sobald der Gefangene verschwunden ist, könnt ihr mit dem Entladen der Fracht beginnen“, wies Loras sie an und stapfte dann nach einem bejahenden „Aye“ der beiden Wärter wieder an Deck.
    Unterdessen taxierten die beiden thorniarischen Milizionäre den Kopisten, der sich nicht vom Fleck gerührt hatte.
    „Gib mir deine Hände“, befahl einer von ihnen, was dem Sträfling eine finstere Miene ins Gesicht brannte.
    Gerade erst hatte er seine Handgelenke frischer Luft aussetzen können, da wurden sie wieder angekettet? Trotz des Missmuts, den er empfand, bot er seine Arme an, die sogleich mit einer deutlich kürzeren Kette mit Bandeisenhälften gefesselt wurden.
    „Folge mir und verhalt dich ruhig!“

    Mit diesen Worten stiefelte einer seiner neuen Wärter voran, während der andere ihm einen Schubs gab, um klar zu machen, dass er nicht trödeln sollte. Der Blondschopf suchte ein letztes Mal die Blicke von Lukas und Kani.
    „Innos leite euch“, verabschiedete er sich von den beiden, bevor er aus dem Laderaum geschoben wurde.
    Hinter sich hörte er nur noch wie Kani unzufrieden mit der Zunge schnalzte.
    Als sie an Deck traten musste Ardan die Augen vor der Helligkeit des Tageslichts verschließen. Während der ganzen Reise hatte er lediglich das Licht einiger Laternen gesehen und so war selbst die hinter Wolken verborgene Sonne ein Quell wahrer Schmerzen für ihn. Dennoch lächelte er, denn das Licht war die Domäne seines Herrn.

    Ardan Hsia, verurteilter Brandstifter und Mörder stand nun mehr am Deck des Schiffes, welches ihn fortgebracht hatte. Fort von den Gefahren, denen er im Kerker Vengards ausgesetzt gewesen war. Fort von seinen alten Glaubensmitgliedern, die er mit seinen Taten verdammt hatte. Fort von seinem Vater, der ihn nach seiner Tat verstoßen hatte. Fort von seiner Heimat. Fort von den Anschuldigungen, die gegen ihn erhoben wurden?
    Er schüttelte leicht die Ketten, die seine Arme einschränkten, so als wolle er ihre Stabilität prüfen.
    Nein, das Urteil gegen ihn hatte auch hier auf dem fernen Argaan Bestand. Doch er gab nicht auf! Innos würde ihn erhören, ihm die Absolution gewähren, denn er hatte nichts Falsches getan. Morgrad von Beliars Anhängern zu befreien war ein glorreiches Ansinnen und eben diesem war Ardan nachgekommen.
    „Hör auf zu Träumen und beweg dich!“
    Ein grober Schlag, wohl mit dem stumpfen Ende des Speeres, zwang den Kopisten nach vorn zu stolpern. Seine Augen hatten sich langsam an das Tageslicht gewöhnt und so konnte er dem breiten Rücken des Wärters folgen, der den Weg vorgab. Die Crewmitglieder, welche noch über das Deck eilten, warfen ihm abwertende Blicke zu, die er jedoch zu ignorieren gelernt hatte.

    Am Kopf der Passerelle schaut sich der junge Straftäter noch einmal um.
    „Innos ist der Erlöser aller Sünder. Wer sich ihm bekennt, wird mit seiner Gnade erlöst werden. Wer sich ihm verweigert, wird mit seiner Schuld beladen werden.“
    Mit diesen Worten verließ er das Schiff und übergab sich den Gesetzen Thorniaras. Das Hafenviertel breitete sich vor ihm aus und seine durchdringenden Augen sogen die Szenerie in sich auf. Viele der Crewmitglieder waren bereits dabei die Fracht von Bord zu bringen. Zu seiner Linken konnte Ardan den Kapitän sehen, der wohl im Gespräch mit dem Hafenmeister vertieft war, der eine Liste überprüfte. Seeleute liefen zielstrebig umher und einige Fischer bereiteten ihre Boote vor oder waren mit Netzflickerei beschäftigt.
    „Schluss mit dem Touristengetue“, raunte ihn derselbe Soldat wie zuvor an und schob ihn weiter.

    Ohne eine Wahl zu haben, folgte der Häftling dem einen Wärter, während er den Atem des anderen förmlich im Nacken spürte. Doch das vorgegebene Tempo konnte den jungen Mann nicht davon abhalten all die neuen Eindrücke in sich aufzunehmen. In diesem Moment vergaß er beinahe die Handschellen, denn ein Anflug von Abenteuer machte sich in ihm breit.
    „Innos, Herr meines Schicksals, ich danke dir für diese Chance“, murmelte Ardan leise voller Ehrfurcht, als sein Blick auf das Tempelviertel viel, welches sich nun zu seiner Linken offenbarte.
    Der Vorhof war mäßig gefüllt, doch es waren einige Novizen und Akolythen zu sehen, die den Gläubigen Zuspruch und Führung anboten. Was würde er nicht alles geben für die Chance seine Gebete einmal mehr in einer heiligen Stätte zu sprechen. Doch der Pfad, auf dem er wandelte, verlangte Geduld von ihm und so folgte er weiterhin den Anweisungen seiner Wärter.

  9. Beiträge anzeigen #349
    Lehrling Avatar von Ardan
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    Ardan ist offline
    Der Weg, den die Soldaten vorgaben, führte scheinbar durch das Handwerksviertel der Stadt, denn Ardans Blick fiel auf viele Geschäfte. Das Schlagen von Hämmern, das Ratschen der Gerber und das Surren großer Spinnräder drang an seine Ohren. Von irgendwo brüllte ein Marktschreier. All diese Eindrücke erinnerten ihn sehr an Vengard, als er selbst im Handwerks- und Händlerviertel gelebt hatte.
    Mittlerweile hielten seine Wärter ihn nicht mehr davon ab sich umzusehen, doch so fielen ihm auch die Bürger auf, welche unverhohlen auf ihn deuteten und miteinander tuschelten. Manche äußerten auch lautstark ihren Missmut.
    „Was hat er angestellt?“
    „Einer aus dem Hafenviertel?“
    „Ich habe gesehen, wie er von einem Schiff geführt wurde!“, schaltet sich ein Bube ein, der wohl eilig zu seiner Familie gestürmt war.
    „Hat uns das Festland wieder ihren Abfall geschickt?“
    „Nehmt ihn wieder mit! Wir haben genügend eigne Probleme!“

    Ardan knirschte mit den Zähnen, als er seinen Kiefer anspannte. Abfall war er also? Diese blinden Hühner erkannten keinen wahren Gläubigen, selbst wenn man ihnen einen vor die Füße legte.
    „Rächet euch nicht selbst, sondern gebt Raum dem Zorn Innos‘, höret seine Worte: Die Rache ist mein, ich will vergelten“, zitierte der Kopist einen Satz aus einer Predigt, der er einst beigewohnt hatte, „So urteilt nicht über mich, den ihr nicht kennt, denn meine Sünden sind nur solche, wenn Innos so will!“
    „Hör auf zu quatschen“, tadelte ihn der Wärter und verpasste ihm einen neuerlichen Stoß mit dem Schaft seines Speeres, was Zustimmungsrufe der Bevölkerung nach sich zog.

    Die Soldaten trieben ihn weiter voran, fort von den aufgebrachten Bürgern, die ihm weitere Beschimpfungen hinterherriefen.
    „Wie blind sie sind. Die Augen verschlossen vor der Flamme der Wahrheit, die…“, begann Hsia erneut zu sprechen, ehe er scharf unterbrochen wurde.
    „Kein Wort mehr, außer du wirst angesprochen!“, fauchte ihn dieses Mal der andere Soldat an, dem er bisher nur auf den Rücken gestarrt hatte.
    Der Mann drehte sich nicht zu ihm um, während er ihn zurechtwies, doch seine Haltung verspannte sich, bereit Gewalt anzuwenden, wenn der Sträfling nicht parierte. Der Kopist verstummte daraufhin, wollte seine Situation nicht noch schlimmer gestalten, als sie ohnehin schon war. Das anfängliche Hochgefühl endlich vom Schiff zu kommen und in eine ihm fremde Welt voller Möglichkeiten zu treten, war längst abgeklungen. Die Reaktion der Bürger Thorniaras hatten ihn daran erinnert, wie ihn die anderen Insassen und Wärter in Vengard behandelt hatten.

    Nicht viel später näherte sich das Dreiergespann einem Gebäude, welches offensichtlich militärischer Funktion war. Die Präsenz der Soldaten war dichter, als in der übrigen Stadt und auch die Rangabzeichen vielfältiger als zuvor. Ardan wurde in das Gebäude, welches er für eine Art Stützpunkt der Armee hielt, geführt, vorbei an einigen anderen Milizionären.
    „Bleib hier stehen und keinen Mucks!“, wies ihn der vordere Gardist an, der sich kurzerhand entfernte, um einige Worte mit einem Vorgesetzten zu wechseln.
    Er gestikulierte in die Richtung des Gefangenen und legte dem vermeintlichen Offizier einige Dokumente vor, die der Kopist als seine Reichsbürgerurkunde und mindestens ein weiteres Schriftstück erkannte. Die Brauen des verdienten Soldaten hoben sich und er schüttelte kurz den Kopf, bevor er in die Richtung des Sträflings drehte und auf ihn zukam.

    „Ardan Hsia?“, fragte er routinemäßig.
    „Jawohl, Herr“, gab dieser die Bestätigung.
    „Ihr wurdet der Brandstiftung bezichtigt und doch hängt ihr nicht am Galgen, was“, er prüfte erneut kurz eines der Dokumente, „vor gut drei Jahren bereits hätte der Fall sein sollen. Nun seid Ihr aber hier und wir müssen uns um Euch kümmern.“
    „Wer die Weisheit Innos’ verachtet, verachtet sich selbst. Er wird von Innos’ Angst geplagt werden, bis er seinen Verstand und seinen Willen verliert“, gab der Fanatiker zurück, „Meine Taten sind nicht Sünde, denn sie tilgten Beliars Schergen von dieser Welt. Innos weiß dies und ich muss nur warten, bis auch die Menschen es erkennen.“
    Der Offizier verzog unwillkürlich das Gesicht, als hätte er etwas äußerst Abstoßendes entdeckt.
    „Bringt ihn runter in den Kerker, ich werde den Papierkram weiterleiten.“
    Die Wärter salutierten, ehe sie jeweils einen Oberarm des Häftlings packten und ihn zu einer Treppe zogen.

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    Kämpfer Avatar von Felia
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    »Ich muss die ganze Zeit an das Mädchen denken, weißt du? Das aus dem Märchen.« Sie wagte es nicht, den Blick zu heben, denn sie fürchtete, dass Curts Blick sie straucheln ließ. Wenn er sie mit seinem aufrichtig interessierten und gnadenlos ehrlichen Blick ansehen würde, so fürchtete sie wie schon so oft zuvor, würde er in die dunkelsten Ecken ihres Seins blicken und Dinge von ihr erblicken können, die zu zeigen sie nicht bereit war.

    »Wenn man das Märchen zum ersten Mal hört, wirkt alles irgendwie so einfach. Der Junge muss ja nur fragen und dann darf er mitspielen. Aber ich muss ständig an das Mädchen denken. Das, das draußen gespielt hat.« Für einen winzigen Moment schloss sie die Augen, ehe sie fortfuhr.

    »Was ist, wenn das Mädchen nie gelernt hat, mit anderen zu spielen? Das Mädchen hat so lange so ganz fürchterlich alleine gespielt, dass es für sie eine merkwürdige Vorstellung sein muss, plötzlich einen Spielpartner zu haben. Findest du nicht?« Wieder hob sie den Blick nicht. Stattdessen stocherte sie in der Gabel in der Pastete herum, als suche sie darin die Antwort auf die unzähligen Fragen in sich. »Es muss doch so ganz neu und so anders sein, eine andere Person plötzlich mitspielen zu lassen. Und dann auch noch einen Jungen, den sie gar nicht so richtig kennt.« Sie atmete tief durch. Das Märchen war in seiner Funktion als Analogie wirklich bis an die äußerste Grenze ausgereizt.
    »Insbesondere, weil das Mädchen so viele andere Jungs schon weggeschickt hat. Niemand durfte mit dem Mädchen spielen. Glaubst du nicht, dass es komisch sein wird, wenn jetzt plötzlich jemand mitspielen darf? Was ist denn, wenn der Junge ihre Spiele gar nicht mag? Oder die beiden zwar für eine Weile spielen und der Junge dann lieber wieder rein gehen will? Es muss doch grausam sein, wenn man als kleines Mädchen endlich einen Spielpartner gefunden hat und dann ständig fürchten muss, der Spielpartner findet eine andere Spielpartnerin, möchte vielleicht lieber wieder rein und alleine sein oder…« Sie hielt inne und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    Das aneinanderweben von Worten war ebenso wie das von Stoffen ihr Tagwerk und dennoch erschien es ihr eine unmögliche Aufgabe das, was sie empfand, in Worte zu fassen.

    »Es tut mir leid.«, sagte sie leise nach einigen Augenblicken. Schniefend wischte sie sich mit dem Handrücken über das Gesicht und schenkte Curt einen verlegenen Blick. »Du hast mich sicher nicht eingeladen, weil du mir beim Heulen zusehen wolltest.« Ein resigniertes Lächeln huschte über ihr Gesicht und sie aß lustlos einen großen Bissen abgekühlte Pastete.

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    Im Kerker

    Ohne Widerstand ließ Ardan sich die Treppe zum Kerker herunterführen. Jeder Schritt brachte seine metallenen Handfesseln zum Klimpern. Am Ende des Abstiegs erwartete ihn eine schwere mit Eisenbeschlägen verstärkte Tür, an die einer seiner Wärter mit der Faust pochte. Dumpfes Rasseln eines Schlüsselbundes war zu hören, bevor das Klacken des Schlosses durch den schmalen Treppenlauf hallte. Die Tür schwang auf und ein weiterer Soldat begrüßte sie mit ernster Miene.
    Hsia wurde durch den Türrahmen geschoben und er bekam einen besseren Blick auf seine zukünftige Unterkunft. An einer Seite stand ein Tisch, an dem eine Wachfrau saß, vor sich einige Würfel und einen Krug Wasser. Sie starrte ihn unverwandt an, während sich ihr Kollege um die Übergabe kümmerte.
    „Ardan Hsia, frisch heute Morgen vom Festland eingetroffen. Brandstiftung, ein ganz übler also. Keine Ahnung, wieso wir Brot und Wasser an so einen verschwenden“, begann der Milizionär, der während dem Weg hier her stets hinter ihm gelaufen war, „geschweige denn, warum sie ihn hergeschickt haben, aber darum sollen sich die Offiziere kümmern, eh?“
    Der Soldat vor ihnen – Ardan war geneigt ihn als Kerkermeister zu betiteln – überragte sie alle um eine gute Kopflänge. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während seine Miene sich mit jedem Wort verfinsterte.
    „Das sagst du so einfach, Jerry, aber am Ende sind wir hier im Kerker diejenigen, die ein Auge auf diese Monster haben müssen, nicht die Offiziersriege.“
    Seine Stimme wirkte viel zu hoch für seinen Körper, doch ein Buch sollte man bekanntlich nicht nach seinem Einband bewerten. Gerade der Sträfling wusste um die Richtigkeit und Wichtigkeit dieser Redensart, denn wurde er lediglich aufgrund einer einzigen Seite aus dem Manuskript seines Lebens kritisiert.

    Jerry nickte zur Antwort mit grimmigem Gesichtsausdruck, ehe er Ardan erneut mit seinem Speerschaft anstieß.
    „Ab mit dir in eine der Zellen“, raunte er und trieb den Gefangenen vor sich hier.
    Der vermeintliche Kerkermeister machte ihnen Platz und deutete unterdessen auf eine Zelle in der Mitte des Ganges auf der linken Seite. Als sie vor die Gitterstäbe traten, musste der Kopist feststellen, dass sich bereits jemand anderes darin befand. Zwei Pritschen gab es auf dem kleinen Raum und ein mickriges Fenster, was ebenfalls mit Eisenstäben gesichert war. Der Hüne hielt erneut den Schlüsselbund bereit und suchte nach dem Passenden.
    „Eine Einzelzelle wäre mir lieber“, gab Hsia zu bedenken, wurde jedoch geflissentlich ignoriert.
    Er atmete schwer aus, resignierte ob der Behandlung, die ihm zuteilwurde, da er sich stark in seine Zeit im Vengarder Gefängnis zurückversetzt fühlte.
    Schließlich wurde der richtige Schlüssel gefunden und die Gittertür aufgeschlossen. Ardan wurde in die Zelle geführt, während der andere Insasse, der reglos auf seiner Pritsche lag, von einem der Soldaten mit dem Speer „in Schach gehalten“ wurde. Jerry holte unterdessen den Schlüssel für die Ketten hervor, die an den Handgelenken des Kopisten hingen.
    „Keine plötzlichen Bewegungen, klar?“, warnte er den Häftling, ehe er die Ketten löste.
    Ardan rieb sich sofort die Handgelenke, nachdem sie endlich wieder frei waren. Das taube Gefühl war die letzten Minuten schlimmer geworden und er versuchte seinen Unterarmen wieder etwas Leben einzuhauchen. Dabei zuckte er schmerzerfüllt zusammen, als er die rohen Stellen berührte.

    Noch während er mit sich selbst beschäftigt war, fiel die Gittertür wieder ins Schloss und das Klicken des Schlüssels verkündete mit Endgültigkeit die Ankunft in seinem neuen Heim. Ein oder zwei Gemälde hätten der tristen Unterkunft allerdings gutgetan.
    „Ich möchte mit einem Adlatus oder Priester sprechen“, unterbrach der Gefangene seine Wärter, die sich nach erledigtem Auftrag kurz ausgetauscht hatten, „Ich benötige seelischen Beistand.“
    „Alles was du benötigst, ist in deiner Zelle, also setz dich auf dein Bett und sei still bis die Führungsriege sich entschieden hat, ob du für deine Taten am Galgen hängen wirst“, fuhr ihn Jerry an, ehe er sich brüsk umdrehte und aus dem Kerker marschierte, seinen Kumpanen dicht hinter sich.

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    Burggraf zu Verdistis  Avatar von Maximus
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    Das Reichenviertel, Anwesen des Grafen

    Mit einem Grinsen lehnte sich der Graf zurück, verschränkte die Arme und hörte den Ausführungen von Greygor Cast zu. Dieser war offensichtlich nicht bereit gewesen, die Forderungen zu erfüllen und hoffte einen günstigeren Preis aushandeln zu können. Doch Maximus dachte gar nicht daran, einen Nachlass zu gewähren. Was von ihm erbeten wurde, war mit viel Arbeit verbunden ohne dass es Gewissheit darüber gab, Redlef überhaupt aus dem Kerker befreien zu können. Außerdem war ungewiss, ob die Familie zu Cast überhaupt im Stande oder gewillt war, den Preis zu bezahlen.

    "Verehrter Greygor..." erwiderte Maximus. "Meine Forderungen sind nicht verhandelbar. Alleine, dass Ihr glaubt, ich würde mich auch mit weniger zufrieden geben, lässt an Euren Absichten zweifeln. Wenn ich Euren Bruder aus dem Kerker befreien und über seine hoffnungslosen Rückstände hinwegsehen soll, dann werdet Ihr meinen Preis bezahlen. Andernfalls verschwendet Ihr nur meine Zeit."

    Mit einem Kopfnicken in Richtung seines Leibwächters gab der Graf das Signal, dass die Unterhaltung beendet sei. "Ich werde in Kürze einen Boten mit dem Vertrag zu Euch schicken lassen. Sobald Ihr ihn unterzeichnet habt, werde ich alles Notwendige in die Wege leiten. Und nun werdet Ihr mich verlassen. Bragan!"

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    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Die Hafenkneipe

    Tingalf wischte sich den Schweiß von der Stirn, als er sich auf einen der klapprigen Holzstühle setzte. Der Wirt stützte sich mit beiden Händen auf dem Boden ab und lehnte sich an die Wand. Mit schmerzverzerrten Gesicht schaute er zu Tingalf und fluchte: "Was willst du, du Drecksack!?"

    Der Handlanger des Grafen brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, erwiderte dann aber: "Du hast einen meiner Freunde bei der Stadtwache verpfiffen und ich will wissen, wieso! Dregas ist sein Name... Na? Klingelt's?" Der Wirt schüttelte ungläubig mit dem Kopf: "Was denn! Wegen... wegen dem Taugenichts kommst du hierher und verprügelst mich!? Der Typ hat seit... seit Ewigkeiten seine Schulden nicht bei mir bezahlt! Geschieht ihm ganz recht, wenn er eingelocht wird! Und das wirst du auch noch. Wart's nur ab! Ich mach dich fertig!"

    Tingalfs Gesichtsausdruck verdunkelte sich, als er vom Holzstuhl aufsprang und ihn mit einem beherzten Ruck gegen die Wand schleuderte. "Willst du mich für dumm verkaufen!? Spare dir deine Märchen für die Besoffenen auf!" Der Handlanger hob das Schwert vom Boden auf und zog es aus dem beinahe zersplitterten Holzknüppel. "Ich frage dich noch einmal und ich warne dich! Ich hacke dir einen Finger nach dem anderen ab, wenn du mich wieder ein Märchen erzählst! Also: Wieso hast du Dregas an die Stadtwache verpfiffen!?"

    Sichtlich gestresst überlegte der Wirt seine Antwort. Wieder schüttelte er mit dem Kopf und begann zu vor sich her zu reden: "Das ist es nicht wert... Das ist es nicht wert." Er schlug mit der Faust auf den Holzboden und schrie Tingalf an: "Verdammt! Das ist es nicht wert! Ok ok... hör zu! Vor ein paar Tagen kam ein Mann in die Kneipe und bot mir Gold dafür an, wenn ich der Stadtwache von Dregas erzähle!" Seine laute Stimme ging fließend in ein wehlediges Jammern über, als er weiter auf Tingalf einredete: "Du musst das verstehen, man! Die Kneipe läuft nicht so gut und ich kann jede Münze gebrauchen! Ich habe der Stadtwache nur den Namen genannt! Mehr nicht! Das musst du mir glauben!"

    "Verschone mich mit deinem Gejammer! Wie sah der Mann aus?" erwiderte Tingalf erzürnt. "Schwarze Haare... ungefähr so-so groß, wie du... Eine Narbe! Ja! Er hatte eine Narbe auf der rechten Wange!" Der Handlanger war von der Beschreibung nicht sonderlich beeindruckt: "Du wirst uns helfen, diesen Mann zu finden!" Eifrig nickte der Wirt in dem Wissen, den Tod noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein. "Aber ja, natürlich!" erwiderte er.

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    Lehrling Avatar von Ardan
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    Im Kerker

    Dunkle Augenringe zeugten von der schlaflosen Nacht, die Ardan hinter sich hatte. Sein Blick war starr gen Fenster gerichtet, wo er die wenigen Sonnenstrahlen, die die dichte Wolkendecke durchzulassen bereit war, betrachten konnte. Staubkörner tanzten wild im Licht, frei jeglicher menschlicher Probleme.
    Aus dem Augenwinkel heraus konnte er seinen Zellengenossen sehen, der sich seit gestern nicht bewegt hatte. Noch immer lag er mit dem Gesicht zur rauen Wand, der Oberkörper hob und senkte sich leicht mit jedem Atemzug. Das einzige Zeichen, dass derjenige noch lebte. Neben dem Grund, dass der Kopist befürchtete, dass dieser Kerl ihm etwas antun könnte, sobald er die Augen schloss, um zu schlafen, hatten seine Gebete ihn wachgehalten. Dass ihm seelischer Beistand verwehrt wurde, war in seinen Augen nach wie vor ein Frevel und Innos würde dies sicherlich nicht ungestraft lassen. Jerry würde schon bald spüren, was es bedeutete mit den Richtlinien der heiligen Gemeinschaft zu brechen. Da war sich Ardan ganz sicher.
    Erneut faltete der fromme Sträfling seine Hände zum Gebet, die Augen dem Licht der Sonne folgend.

    O Innos, Herr des Feuers und des Lichts,
    du bist der große Gott, der über allen anderen steht.
    Du bist der Wächter der Harmonie und der Ordnung in der Welt.
    Du bist der Beschützer der Menschen und der Natur.

    Ich komme zu deinem Feuer, um dir meine Anbetung zu zeigen.
    Ich reinige mich mit Wasser und Rauch, bevor ich dich preise.
    Ich opfere dir Herz und Holz, um dir meine Hingabe zu zeigen.
    Ich spreche zu dir die heiligen Worte, um dir meine Treue zu zeigen.

    Ich bitte dich um deine Gnade, o Innos, damit du mir verzeihst.
    Ich bitte dich um deine Hilfe, o Innos, damit du mir beistehst.
    Ich bitte dich um deine Weisung, o Innos, damit du mich leitest.
    Ich bitte dich um deine Kraft, o Innos damit du mich stärkst.

    O Innos, erhöre mein Gebet und schenke mir dein Feuer und dein Licht.
    O Innos, sei bei mir und lass mich niemals von dir abfallen.
    O Innos, nimm mich auf und lass mich niemals von dir getrennt sein.
    O Innos, sei gelobt und gefeiert für alle Ewigkeit.


    Hsia entzweite seine Hände und blickte noch eine Weile stumm den Sonnenstrahlen nach bis diese von den Wolken verschluckt wurden. Es war ein altes Gebet gewesen, welches er sich ausgesucht hatte, doch so seltsam es sich auch anfühlen mochte, verspürte der Myrtaner Heimweh. Die Verse erinnerten ihn an den Schrein, an dem er stets mit seinem Vater gebetet hatte.
    Ein kurzes, bellendes Lachen entwich ihm, als er sich dessen bewusstwurde. Sein Vater, der ihn aufgegeben hatte. Sein Vater, der das Licht nicht mehr von der Dunkelheit zu unterscheiden vermochte. Sein Vater, der…so weit weg von ihm war.
    Ardan biss die Zähne aufeinander, bis ein knirschendes Geräusch zu hören war und sein Kiefermuskel zu schmerzen begann. Die Müdigkeit, Erschöpfung und Wut darüber, dass sich nichts geändert hatte seit er Vengard zwangsweise hatte verlassen müssen, trieben ihn zu diesen wirren Gedanken und er wusste nicht, was er dagegen tun sollte. Er musste unbedingt mit einem Adlatus oder Priester sprechen.
    „Wache!“, rief er schließlich mit nahezu zitternder Stimme ohne sich umzudrehen.

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    Schwertmeister Avatar von Redlef
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    Ein Ruf weckte Redlef aus einem fiebrigen Schlaf auf. Er benötigte ein paar Momente, bis sein träger Geist sich in seiner tristen Wirklichkeit wiedergefunden hatte. Mit einem vorsichtigen Strecken versuchte er die Reste des Schlafes, die wie nasses Gras an ihm klebten, abzuschütteln. Sein Körper fühlte sich matschig und schwach an. Damit hatte sich sein Zustand der letzten Tage nicht nennenswert verbessert. Kaum dachte der Gefangene darüber nach, kehrte auch das marternde, pulsierende Stechen in seinem Knie zurück.
    Vor Schmerzen stöhnend rollte er sich auf den Rücken, sorgsam darauf achtend, das verkrüppelte Bein nicht zu sehr zu bewegen. Seine Anstrengungen sich mit Leibesübungen zu stärken hatte sein Körper nicht gut aufgenommen. Das schon immer schlechte Knie war nun entzündet und beinahe auf den doppelten Umfang angeschwollen. Redlef sorgte sich darum, dass wenn es nicht bald besser wurde, er das ganze Bein am Ende doch noch verlieren würde.
    Düstere Aussichten.
    Und zu allem Überfluss, hatte man ihm nun wohl auch schon wieder einen Störenfried in die Nachbarzelle gesetzt.
    Genervt von der Vorstellung, sich die nächsten Tage wieder endloses Gemurmel anhören zu müssen, sah er sich um.
    Doch da waren bloß die beiden Gauner hinter dem Gitter, die auch schon gestern dort gesessen hatten und zu seiner großen Verblüffung blickte er in das junge Gesicht eines Kerls, der mit ihm in derselben Zelle hockte.
    Red rappelte sich auf. Vor einem Fremden wollte er nicht auf der Pritsche liegen.
    »Hör‘ doch auf zu bölken! Die hören dich da hinten in der Wachstube sowieso nicht!«, brummte er dem Fremden entgegen. Er nahm sich einen Moment ihn zu mustern. Gefährlich sah der Kerl nicht auf. Doch er hatte lange genug den Kerker gehütet, um sich von Äußerlichkeiten nicht täuschen zu lassen. Wieso hatte Pons ihn einen Zellengenossen auf’s Auge gedrückt? Besonders jetzt, wo er praktisch hilflos und schwach war?
    »Wer bist du und was hast du verbrochen?«
    Der ehemalige Kerkermeister warf dem Delinquenten finstere Blicke zu.

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    Lehrling Avatar von Ardan
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    Im Kerker

    Nicht die Wachen reagierten auf Ardans Ruf, wohl aber sein Zellengenosse, der sich schlussendlich doch regte. Ein wehleidiges Stöhnen begleitete die Drehung auf den Rücken und ein desorientierter Blick verriet, dass er soeben noch die wohlige Ohnmacht des Schlafes genossen hatte. Es dauerte einen Moment, ehe sich die Pupillen zu fokussieren schienen, und zwar auf ihn, Ardan. Ein zunächst verwirrter, dann harter Ausdruck bildete sich auf dem bärtigen Gesicht des Mannes. Ächzend richtete er sich auf und starrte ihn unverwandt an, so als wollte er etwas erkennen, was mit bloßem Auge nicht zu sehen war.
    „Irgendwann werden sie mich schon hören“, erwiderte der Kopist trotzig.
    Der Schlafmangel und die zuvor absolvierte lange Schiffsreise forderten ihren Tribut und mit Eloquenz konnte er nicht mehr aufwarten. Unterdessen musterte er seinerseits den jüngst Erwachten. Rotes Haar, wie es ihm bisher selten begegnet war. Diese Farbe für ein Gemälde zu bekommen würde etwas Feingefühl benötigen. Ein Bart, der ebenso rot leuchtete, wohl aber schon länger keine Rasur mehr genossen hatte. Der Körper wirkte drahtig, aber auch geschwächt. Insbesondere schien eines seiner Knie geschwollen zu sein. Ein Umstand, der im Kerker übel enden konnte. In seinen drei Jahren im Vengarder Verlies hatte Hsia einige Leute gesehen, die an Infektionen gelitten und schlussendlich auf einer Bare gelandet waren. Sein Blick wich von seinem Zellengenossen.

    „Was geht es dich an, wer ich bin oder weshalb ich hier gelandet bin?“, fauchte der Kopist zurück.
    Seine Erfahrungen mit anderen Sträflingen ließen ihn eine Abwehrhaltung einnehmen. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten bedrohlich…? Nein, wohl eher mitleidserregend, wie er dort stand, erschöpft und am Rande eines Zusammenbruchs.
    „Innos!“, rief er schließlich seinen Gott an, „Schick diesem Jünger den Beistand, nach dem es ihn verlangt.“
    Sein Stoßgebet glich einem Flehen und dieses Mal trat er an die Gitterstäbe seiner Zelle, umfasste sie und drückte seine Stirn dagegen, um den Gang hinunterschauen zu können.
    „Wachen!“, rief er erneut, Verzweiflung belegte seine Stimme.
    Er konnte von seiner Position aus nichts erkennen, doch die Momente verstrichen und es tat sich nichts.

    „Sei endlich still du jaulender Köter!“, peitschten Worte aus der gegenüberliegenden Zelle, in denen sich zwei Männer befanden, die so schmutzig waren, dass man sie farblich kaum von der Wand unterscheiden konnte.
    Einer der beiden bleckte die Zähne, von denen wohl etwa die Hälfte fehlte, während der andere ihn wütend anfunkelte.
    „Innos sei euch gnädig“, murmelte Ardan in ihre Richtung, ehe er sich wieder vom Gitter abwandte.
    Sein Zellengenosse starrte ihn noch immer an, finster und mit einem Ausdruck, der ganz klar verriet, was er davon hielt, dass der Neuzugang hier für solchen Radau sorgte.
    „Die Wachen wussten wohl, warum sie euch in dieselbe Zelle gesteckt haben“, geiferte einer der Gauner aus der Nachbarzelle, „Ihr beide seid nicht mehr ganz bei Trost. Innos hilft dir nicht, Junge! Hab gehört, was der Wärter gesagt hat, als du gestern angekommen bist. Brandstiftung, eh? Dagegen sind wir beide fromme Lämmer! Auf dich wartet nichts, als der Galgen oder vielleicht ein Scheiterhaufen. Zahn um Zahn, eh?!“
    Der Verbrecher lachte dreckig und zeigte ihm erneut ein lückenhaftes Grinsen, was Schadenfreude schrie.

  17. Beiträge anzeigen #357
    Schwertmeister Avatar von Curt
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    Die Gabel flog mit einem klirrenden Geräusch vom Tisch, als Curt sich ruckartig erhob, um Felia ein Taschentuch zu reichen. Er konnte sich nicht erinnern, wann eine Frau jemals in seinem Beisein in Tränen ausgebrochen war, dementsprechend unbeholfen fühlte er sich in diesem Augenblick. In Felias Seele schien ein Wirbelsturm der Gefühle ausgebrochen zu sein, doch das schreckte Curt nicht ab. Er war schließlich ein angehender Feuermagier. Auf der dritten Stufe der Magie erwarteten ihn die Sprüche zur Kontrolle wilder Stürme. Ein Vorgeschmack dessen saß vor ihm.

    „Gräme dich nicht, meine Liebe. Es ist völlig normal, eine Ohnmacht vor dem gewaltigen Unbekannten zu erleben. Mir geht es da nicht anders, weißt du?“
    Er rückte näher an sie heran, legte einen Arm um sie, ließ sie sich an ihn lehnen, strich ihr durch das Haar.
    „Ich bin ein Lehrer, ich bin es gewohnt, den Unwissenden etwas von meinen Lehren weiterzutragen. Ganz selten verstehen die Menschen, dass auch das Lehrwissen nicht unerschöpflich ist. Wir sind ständig mit Fragen konfrontiert, deren Antworten wir selbst noch ergründen müssen. Da helfen nur Mut und Ehrgeiz und die bringe ich mit. Ich möchte meinen, so viel, dass ich ihn mit dir teilen kann, wenn es dir einmal daran fehlt. Wenngleich ich keinen ehrgeizigeren Menschen als dich kenne, wenn ich ehrlich bin.“
    Er hob ihr Kinn sanft mit dem Finger an und lächelte ihr milde entgegen. Ihre Augen waren noch gerötet, den Puls ihres Herzens konnte er spüren, als er ihr behutsam über die Handflächen streichelte.
    „Als Gelehrte lernen wir am besten aus früheren Fehlversuchen. Also fangen wir doch da an. Was waren das für Jungs, die das Mädchen weggeschickt hat? Was hat sie abgeschreckt? Welche Eigenschaften müsste ein strammer Kerl wie Curt mitbringen, um dem Mädchen ein besserer Spielgefährte zu sein?“

  18. Beiträge anzeigen #358
    Abenteurer Avatar von Heric
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    Am Hafen

    Über den Dächern der Stadt waren die ersten Spuren der Morgenröte zu erkennen. Der nach Salz riechende und schmeckende Wind am Anleger wirbelte die Haare des jungen Mannes durcheinander, der leise fluchend versuchte, sie irgendwie in Ordnung zu bringen. Er wollte selbstständig aussehen, wie jemand, der alles unter Kontrolle hatte. Was er nicht wollte, war ein Blick im Auge seines Meisters – nun, ehemaligen Meisters – der etwas wie Mitleid aussagte.
    Ich bin stark, ich bin selbstständig. In all den Tagen in der Mine habe ich ihn beschützt, habe dafür gesorgt, dass er von den Strapazen der Gefangennahme und Folter genesen konnte. Und wie dankt er es mir? Indem er mich vor die Wahl stellt: Gehe mit mir oder fahr zur Hölle.
    Heftig schüttelte er den Kopf, sah wütend zur Seite, zum Schiff, welches sich in der Dünung bewegte, leise knarrend am steinernen Anleger scharrte. Laternen baumelten an Stäben oder Seilen und erzeugten im morgendlichen Zwielicht vielerlei Schatten. Der Jüngling blickte auf, als er ein leises Gespräch hörte. Seine Augen erkannten im Halbdunkel die dünne Gestalt seines Meisters, der sich von dem ihm bekannten Kapitän verabschiedete. Ein fester Händedruck wurde ausgetauscht, ehe der Gortharer die Planke hinab schritt. Das Holz knarrte dabei laut.
    „Heric“, grüßte Kiyan und neigte den Kopf. „Hast du dich entschieden?“ Ein kurzes Zögern. „Bist du zur Vernunft gekommen?“
    Hitze stieg Heric ins Gesicht. Herausfordernd sah er den älteren Mann an. „Haltet Ihr mich für unvernünftig?“, fragte er wütend. „Für einen Narren?“
    Der Blick aus dem hellblauen Auge war fiebrig. Trotz der kühlen Brise und der morgendlichen Stunde, stand Schweiß auf dem Gesicht des Gortharers. Er keuchte kurz, verkrampfte die Hände, als wolle er Heric packen, ließ sie dann aber wieder sinken.
    „Das tue ich.“, antwortete er leise, „Ich habe dir gesagt, was es zu sagen gab. Entweder akzeptierst du es und zeigst, dass du erwachsen geworden bist, oder du schmetterst meine Worte ab … und beweist, dass du ein wirklicher Narr bist.“
    Wieder kochte es in dem jungen Mann. Er knirschte hörbar mit den Zähnen, überlegte sich eine möglichst verletzende Erwiderung, ehe er das leichte Schwanken Kiyans bemerkte. Betrunken? Nein, der Mann sprach dem Alkohol so gut wie nie zu. Krank? Wer wusste schon, was diese Hexe mit ihm getan hatte? Und da war er schon beim Kern des Problems.
    Vielleicht sollte hier die Vernunft über das Herz gebieten, dachte er und fühlte sich dabei ziemlich weise.
    „Meister Kiyan“, begann er, „ich weiß, dass Ihr keine Schuld an dem finsteren Zauber der Hexe tragt. Sie hätte mich ebenso wie jeden anderen in der Mine verfluchen können. Ich … verstehe, dass Ihr Euch Ihr zu Diensten stelltet, um mich zu befreien.“ – ein längeres Zögern – „Und dafür, für diesen Beweggrund, danke ich Euch.“
    Bis zu dem Punkt konnte er den Blick noch festhalten, musste nun aber zur Seite schauen. „Was Ihr geopfert habt, kann nichts auf der Welt ersetzen. Es war falsch von mir, Euch deswegen zu verurteilen. Ihr … Ihr müsst aber verstehen, dass die Dinge, die Ihr tatet, als die Hexe Euch wie eine Marionette steuerte … dass diese Dinge nicht einfach aus dem Gedächtnis zu brennen sind. Wenn ich schlafe, sehe ich Euch, wie Ihr schweigend wie ein Geist durch den Nebel schreitet, das Messer gezückt … und die Angehörigen der Jünger getötet habt. Mechanisch, kalt wie Stein.“
    Kiyan schwieg, sah Heric nur an. Wortlos weitere Worte fordernd.
    „Ich kenne Euch als gütigen, hilfsbereiten Mann, der sich für andere aufopfert. Und nun überlagert dies das Bild eines Mörders, eines gnadenlos vorgehenden Werkzeuges. So sehr ich Euch als Mensch schätze, Herr Kiyan, so wenig kann ich … weiter mit Euch ziehen. Ich befürchte, dass ich sonst nur noch den Mörder sehe, selbst wenn es nicht direkt Eure Hand war, die die Klinge führte.“
    Ein weiteres, sehr schweres Seufzen. Er sah auf. „Versteht Ihr?“, fragte er leise.
    Kiyans blaues Auge fixierte ihn einige Sekunden. Einen Moment wirkte er noch angespannt wie eine Bogensehne vor dem Schuss, dann löste er sich, sackte fast in sich zusammen. Als hätte er ein unendlich großes Gewicht zu schultern. Als hätte er sich dieser Last ergeben, wo zuvor die Hoffnung gewesen war, sie zu teilen.
    „Ich verstehe“, krächzte der Wächter und nickte mehrmals. Ein schiefes Lächeln teilte den ungepflegten Bart, „natürlich verstehe ich dich.“ Und leiser: „Götter, ich weiß nicht, ob ich mir selber trauen würde …“
    Heric wusste nichts, was er darauf erwidern sollte. Sein Gewissen lastete jedoch schwer auf ihm. Speiübel war ihm zumute.
    Dann lachte Kiyan, aber es klang alles andere als fröhlich. Aufgesetzt, die seltsame Stimmung versuchend zu übertünchen. Er klopfte Heric ungelenk auf die Schulter.
    „Na, Bursche, du bist pfiffig, du bist ehrgeizig und … ja, die Erfahrung hat dich abgehärtet. Du wirst deinen Weg finden, da bin ich mir sicher.“ Er räusperte sich, wischte sich übers Auge. „So die Götter wollen, finde ich am Baum wieder Frieden und kann verarbeiten, was passiert ist. Ich hoffe, dass wir uns danach mal wieder begegnen. Wisse, Heric, dass du bei mir immer willkommen sein wirst.“
    „Das weiß ich, Herr Kiyan“, antwortete Heric. Verflucht, warum klang seine Stimme so belegt?
    „Danke für alles. Ich wünsche Euch alles Gute.“
    Ein letztes Neigen des Kopfes, ein Handschlag und der Wächter ging seines Weges. Lange stand Heric da, ehe er wirklich realisierte, was passiert war. Plötzlich wirkte die Silhouette Thorniaras im Dunkeln ungeheuer riesig und finster. Der junge Mann schüttelte den Kopf.
    „Freiheit“, flüsterte er, „letztendlich das, was Kiyan sich für mich wünschte. Ich sollte jubeln und tanzen, lachen und feiern. Aber Götter, wieso fühle ich mich dann so hundselend?“

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    Abenteurer Avatar von Heric
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    Der Zirkel um Xardas im Forenrollenspiel
    Heric ist offline
    Heric hatte auf der Rückreise mit Kiyan einige Eindrücke einer Großstadt sammeln können, wobei Thorniara trotz seiner Größe und Erhabenheit gegenüber der Heimat seines ehemaligen Meisters eher beschaulich wirkte. Gorthar hatte vor Menschen gebrummt wie ein Bienenstock. Dutzende Fuhrwerke auf allen Straßen, allerlei Leute aus aller Herren Länder, ständiges Hämmern, Sägen, Feilschen, Fluchen, Singen, Feiern und Lärmen. Dagegen war die Hafenstadt Argaans ruhig und fast langweilig. Mit jedem Schritt jedoch verschwand dieser Eindruck. Gorthar war Gorthar. Fremd, Heimat eines anderen Menschenschlags. Das hier war auf gewisse Art – wie Stewark, Schwarzwasser, Setarrif – sein Heimatland. Und mit dem Niedergang der Thronstadt Ethorns, war Thorniara auch in gewisser Weise die Hauptstadt der Insel.
    „He, Bursche, würde es dir etwas ausmachen, wenn du am Straßenrand Maulaffen feil hälst?“
    Heric erschrak, wirbelte herum und sah sich zwei stämmigen Ponys gegenüber, die einen Karren mit Fässern zogen. Auf dem Kutschbock saß ein älterer, stämmiger Kerl, in wetterfeste Kleidung gehüllt und einen breitkrempigen Hut zum Schutz vor Wind und Gischt ins Gesicht gezogen.
    „Äh“, antwortete er und bewies damit, dass die Unterrichtseinheiten bei Kiyan zum Thema ‚Möglichst eloquentes Auftreten in jeder Lebenslage‘ ihren Zweck verfehlt hatten. „‘tschuldigung“, schloss er murmelnd den Mund und trat hastig zur Seite.
    Der Kutscher schüttelte den Kopf. „Die Jugend von heute“, knurrte er laut genug, dass der junge Mann es hörte, „Früher hätten wir sowas ein Schwert in die Hand gedrückt und auf die Varantiner gejagt, dann wär‘ da recht schnell ein echter Mann draus geworden im Kampf gegen die Hurensöhne Gellon und Lukor…“
    „Ich bin …!“, fuhr Heric auf, aber da war der Kutscher schon außer Reichweite für eine Schimpftirade, deren Quintessenz die Überlegenheit der Jugend und die Vorzüge dieser gegenüber dem Alter gewesen wäre.
    „Arsch.“, konstatierte er finster und ihm war, als würde irgendwo in der Ferne ein Gortharer über die Sinnlosigkeit von Rhetorikstunden für Sumpfbengel lachen. „Oberarsch.“

    Es dauerte nicht lange, und die Hauptstraße des Hafenviertels führte den Burschen zum zentralen Marktplatz der Stadt. Hier trotzten Händler und Handwerker dem Wetter, preisten ihre Waren an, feilschten wie Halsabschneider aus Mora Sul und lachten übertrieben laut über die miserable Qualität der Konkurrenz. Hin und wieder patrouillierten Wachen in den Farben des Ordens über den Platz. Mal plaudernd, mal die Auslagen lustlos musternd, dann wieder drohend vor einem besonders aufmüpfigen Händler, der die elende Schikane der Wache herauskehrte. Kamen sie an Hauswachen der wohlhabenden Kaufleute vorbei, maßen sie sich mit abfälligen Blicken. Die Rechnung ging am Ende für die im Privatdienst tätigen Männer auf, die wesentlich zufriedener – weil besser besoldet – aus der Wäsche schauten.
    Auch hier zeigte sich Herics Talent, grundsätzlich erst einmal im Weg zu stehen. Wo der Kutscher jedoch Worte statt der Gerte gebraucht hatte, war der Aufpasser eines Händlers weniger zuvorkommend. Er stieß den Burschen fort vom Stand, spuckte aufs Plaster und musterte ihn feindselig.
    „Diebesgesindel, beschissnes“, fluchte der Glatzkopf mit vernarbtem Gesicht. „Lunger hier nicht so herum, sonst brech‘ ich dir die Haxen, kapiert? Und jetzt troll dich!“
    Das ließ sich Heric nicht zweimal sagen. Dieb? Gesindel? Wie kommt der Penner auf den Gedanken?
    Dann blickte der junge Mann an sich herab und musste sich eingestehen, dass sein Äußeres keinem jungen, heranwachsenden Heldenverschnitt entsprach, sondern eher dem halbverhungerten Auswurf irgendeiner Rattenmatrone der Kanalisation.
    „Ich brauche neue Klamotten und ein Bad“, stellte Heric fest, als er sich unter den bösen Blicken des Aufpassers davon machte. „Dann hält mich auch niemand mehr für einen verdammten Bettler.“

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    Schwertmeister Avatar von Redlef
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Redlef ist offline
    »Brandstiftung, hm?« Sofort wurde Redlefs Einstellung dem Neuen gegenüber etwas weniger aggressiv. Brandstiftung war ein schweres Verbrechen – doch genau so schwer war die Strafe. Insgeheim war Redlef sehr dankbar dafür, dass es nie in seiner Verantwortung lag, mit einem solchen Delinquenten umgehen musste. Hier nun aber lag es in Pons Verantwortung. Vielleicht sollte er mit ihm sprechen. Wobei, was hatte er, der Gescheiterte schon zu erzählen? Pons war an seinen Aufgaben gewachsen. Vorbildhaft erfüllte er seinen Dienst und vermutlich hatte der Schüler den Meister bereits überflügelt. Redlef konnte nur stolz auf seinen Schützling sein.
    Er wählte eine etwas bequemere Position auf der Kante seiner Pritsche.
    Er ignorierte die Rufe der Männer aus der Nachbarzelle. »Dein Vertrauen in Innos ehrt dich. Wie heißt du? Mein Name ist Redlef.«
    »Ehemaliger Hauptmann und auch Kerkermeister!«, keifte es aus der Nachbarzelle. »Jetzt Mörder und Verräter! Da passt ihr wirklich gut zusammen. Brennt doch beide auf dem Scheiterhaufen…!«
    »Wie schön, dass wir nun gegenseitig vorgestellt wurden«, sagte Redlef unaufgeregt zu seinem neuen Zellengenossen. »Pons!«, rief er dann laut und in der Wachstube regte sich etwas. Pons tauchte kurz darauf vor der Zelle auf. Seine Anwesenheit allein reichte, dass sich die anderen Gefangenen still zurückzogen. Redlef wusste, dass es vor allem Neugier war, die die Männer die Münder schließen und die Ohren öffnen lief, weniger die Angst, die man vor dem gutmütigen Mann haben musste.
    »Du bist wach«, stellte Pons fest. »Wie fühlst du dich?«
    »Nicht besser, ich habe Durst.« Red wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn.
    In stillem Verstehen, dass Redlef weit mehr benötigte als etwas Wasser, nickte er. Dann sah er zu dem jungen Mann herüber, den er abschätzig musterte. »Ich bin Pons, der diensthabende Offizier der Kerkerwache. Wenn du alle hier mit Respekt behandelst, dann werde auch ich dich anständig behandeln. Es ist respektlos, wie ein König nach den Wachen zu rufen. Unterlasse dies also in Zukunft!«

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