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    Deus Avatar von John Irenicus
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    Lightbulb [Battle]El Toro vs. Laidoridas




    Als Meldor den dritten Kieselsteinwurf des Tages abbekam, diesmal glücklicherweise abgefangen von seinem speckigen Nacken, kam er wieder ins Grübeln, ob dieser Job wirklich das war, was er bis zum Ende seiner Tage zwecks Broterwerb machen wollte. Am Anfang hatte ja noch alles gut geklungen: Eine feste Anstellung, kein zu langer Arbeitstag, bezahlte Arbeitsmittel, Sumpfkraut erlaubt. Und wenn es bei ihm selbst mal knapp mit dem Geld wurde, dann saß er direkt an der Quelle, und das sogar zu vergünstigten Konditionen, von denen die günstigste war, dass es bei ihm als Schuldner niemand anderen gab, der die Außenstände seines Arbeitgebers mit handfestem Nachdruck eintreiben konnte. Meldor war Lehmars einziger Mitarbeiter und damit gleichzeitig auch sein erfolgreichster.
    Das alles waren unbestreitbare Vorteile, die an so manchen Tagen aber den Stress, den Meldor mit der säumigen und zuweilen renitenten Kundschaft hatte, nicht wirklich aufwiegen konnten. Verfolgungsjagden durchs halbe, ganze, oder auch mal anderthalbe Hafenviertel, nur um Zinsen in Höhe von elf komma fünf Goldstücken einzutreiben. Prügeleien um ein minderwertiges Faustpfand. Und ja, auch die Tränen in den Augen mancher Schuldner und insbesondere Schuldnerinnen, die hatten Meldor über die Jahre mehr und mehr zugesetzt wie das Salz des Meeres einer alten, rostigen Hafenkette. Er, Meldor, war am Ende doch noch weich wie Schafskäse geworden, und das war für jemanden, der für den Herrn Lehmar die Drecksarbeit übernahm, mehr als nur misslich. Aber was waren die Alternativen? Manchmal fantasierte Meldor davon, wie er selber einen Geldverleih aufmachte, wo er alles ganz auf seine eigene Weise und so, wie er es für richtig hielt, regelte. Mit mehreren Angestellten, kurzen Rückzahlungsfristen, weniger Verhandelbarkeit … ein ehrliches, aber kompromissloses Leihgeschäft eben. Aber das alles scheiterte schon daran, dass er nur Zahlen, aber leider keine Buchstaben lesen konnte, und damit gestaltete sich die Buchführung schwierig. Und er wusste nur zu gut, dass jeder noch so treu wirkende Verwalter, den er dafür einstellte, ihn früher oder später um kleinere oder größere Goldsummen betrügen würde, und dann hatte Meldor doch wieder nur genau den Stress, den er eigentlich vermeiden wollte.
    Meldors Fähigkeit, Zahlen zu lesen, hätte ihn in den größeren Städten Myrtanas vielleicht sogar noch mehr geholfen, aber hier auf Khorinis, zumal im Hafenviertel, kannte man keine Hausnummern, und so musste er Schuldner, deren Wohnhütte er nicht zufällig ohnehin schon kannte, mithilfe einer Mischung aus halbgaren Wegbeschreibungen und irreführenden Informationen der anderen Bewohner des Hafenviertels auffinden. Natürlich schickte ihn jeder in eine andere Richtung. Auch das war etwas, was Meldor an Lehmars Stelle längst geändert hatte: Im Schuldenbuch mussten genaue Informationen zum Wohnsitz des Schuldners verzeichnet werden. Aber wenn man wie Lehmar einfach seinen Vollstrecker losschicken konnte, der das dann schon irgendwie regelte, machte man sich über die praktischen Probleme des Geldeintreibens wohl einfach keine Gedanken.
    Immerhin ein Detail über den Pechvogel des Tages hatte er erfahren, das ihn am Ende doch noch zur richtigen Hütte führte: Da war sie, die tote Fleischwanze, die sich der Kerl aus welchen Gründen auch immer über seinen Hauseingang an die Holzwand genagelt hatte. Meldor verzog eine angewiderte Miene, als er das übergroße Exemplar mit den todesstarr von sich gestreckten Beinen und Fühlern über sich sah. Das hätte sein Bruder Brutus sehen müssen. Der nahm ja schon Reißaus, wenn jemand das Wort „Fleischwanze“ nur laut aussprach, und Anlass dazu gab es hier im Hafen von Khorinis wirklich mehr als genug. Vermutlich hatte Brutus sich damals auch genau deshalb zur Miliz gemeldet, denn in den Rängen der städtischen Ordnungshüter blieb man den Niederungen des Hafenviertels, von der Roten Laterne mal abgesehen, ja in aller Regel ganz entspannt fern. Dafür war Brutus dann aber als einer von wenigen Unglücksraben als Waffenknecht in die alte Burg im Minental abgeordnet worden, und wer wusste schon, was da außer Fleischwanzen noch so alles kreuchte und fleuchte.
    Meldor hatte die Zahlen genau im Kopf, als er an die etwas schief im Scharnier hängende Hüttentür klopfte. Zweihundert Goldstücke, plus noch einmal die Hälfte an Zinsen. Ein echter Großkunde also. Meldor war gespannt, was der Kerl für eine Ausrede parat hatte, nicht zahlen zu können. Denn die Erfahrung hatte Meldor in seinem langen Berufsleben gemacht: Selbst, wenn ein Schuldner gar kein Gold mehr hatte – an seinem Gürtel hing stets ein prall gefüllter Beutel voller Ausreden.

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    Ehrengarde Avatar von El Toro
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    Als es klopfte, erinnerte er sich wieder. Das war sein Fluch: Er wurde von der Trauer immer überrascht, weil er sich die wirklich wichtigen Sachen einfach nicht mehr merken konnte seit dem Tag, an dem er zu Eis geworden war, dann zu einem Feuer von Schmerzen und danach zu einem tiefen Brunnen heulender Leere.
    Der Tag, an dem die verdammten Mistkerle auf sein Boot gekommen waren und die Welt, wie er sie kannte, in Trümmer gegangen war.
    „Bitte sei nicht tot“, flüsterte Jacko in die Leere seiner schäbigen Hütte.
    Er konnte sich an ein Gedicht erinnern, das er in der Dorfschule von Montera auswendig lernen musste: Unter dem weiten Kastanienbaum, da steht des Weilers Schmiede.
    Wozu sollte das gut sein? Wozu sollte so ein verdammtes Gedicht gut sein, wenn er sich dabei ertappte, wie er einen Teil seines Mittagessens abzweigte, und ihm die Erinnerung eine schallende Ohrfeige verpasste, weil er ja gar keinen Teil mehr abzweigen musste, seit sie Kuschelschnuppe umgebracht hatten?
    Hin und wieder fing er sich eine von Kuschelschnuppes dummen Schwestern, die überall im Hafenviertel kreuchten und fleuchten. Dazu stülpte er einen löchrigen Topf über das Exemplar, das er sich ausgesucht hatte, schob ein Stück Pergament darunter und trug es in seine Hütte. Doch sie waren nie wie sie, und das mussten sie büßen. Danach taugten sie noch dazu, seine Erinnerung lebendig zu halten, wann immer er seine Hütte betrat, denn je länger er vergaß, dass sie sie umgebracht hatten, desto schärfer traf ihn die Trauer.
    Vielleicht war es gar nicht Trauer. Nicht, wenn es weinen bedeutete und seinen Kopf gegen die Wand schlagen. Sowas machte man nicht für eine Fleischwanze. Aber da war Einsamkeit, da war Schmerz, und da war Angst. Und da war Wut. Zuerst war sie wild und ziellos gewesen, aber mit der Zeit hatte sie sich geformt wie eine Speerspitze im Schmiedefeuer.
    Unter dem weiten Kastanienbaum, da steht des Weilers Schmiede…
    Jacko hustete trocken und leckte über die Lippen seines zahnlosen Mundes. Die verdammten Banditen hatten ihm alles genommen, sein Boot, sein Erz, seine einzige Freundin und sogar die Fähigkeit, etwas Anderes zu essen als Brei und Suppe. Sie hatten ihm mit einer Lanze aus magischem Eis die Eingeweide durchbohrt – zu seinem Glück, musste er zugeben, war es eine Lanze aus Eis gewesen, so dass er nicht daran gestorben war, weil das Eis die inneren Blutungen stoppte -, aber in gewisser Weise hatten sie ihm das Herz herausgerissen. Danach hatte einer von ihnen – Jeremiah, er glaubte, es war Jeremiah – mit einem weiteren Zauber dafür gesorgt, dass sich alles in seinem Kopf verdrehte und dass dort ebenfalls ein Loch war, ein Abgrund, in den die wichtigen Dinge immer wieder hineinrutschten, erst ganz langsam, fast unmerklich, bis sie von seinem Sog erfasst und verschlungen wurden, um dann, einige Zeit später, mit gebleckten Zähnen und ausgefahrenen Klauen wieder herauszuspringen.
    Dafür würden die Hundesöhne bezahlen, Jacko wusste auch schon, wie. Das nötige Gold hatte er sich bereits beschafft.
    Aber er brauchte noch etwas. Einen Menschen, der ihm, freiwillig oder nicht, dabei half, es den Mistkerlen heimzuzahlen.
    Es klopfte wieder, schwer und nachdrücklich.
    Jacko hatte ganz vergessen, dass es geklopft hatte.
    Seine Lippen strafften sich zu einem gespenstischen Lächeln über den zahnlosen Kauleisten.
    Seine Gelenke knackten wie morsches Holz, als er sich erhob, um die Tür zu öffnen.
    Geändert von El Toro (03.06.2023 um 15:41 Uhr)

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    Deus Avatar von Laidoridas
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    Laidoridas ist offline
    Eigentlich machte es Meldor nichts aus, ein paar Minuten vor einer Haustür zu stehen und in regelmäßigen Abständen anzuklopfen. Die allermeisten von Lehmars Kunden hatten gemeinsam, dass sie nicht besonders schnell an der Tür waren, also hatte sich Meldor längst daran gewöhnt. Im Laufe der Jahre hatte er schon so lange wartend und klopfend vor Türen gestanden, hinter denen sich gerade Leute tot zu stellen versuchten, dass er sich meistens richtig erschrak, wenn jemand doch mal gleich nach dem ersten Anklopfen aufmachte. Diesmal aber fehlte ihm die Gelassenheit zum Warten und Klopfen. Je länger er hier herumstand, desto unheimlicher kam ihm diese sogar für die Verhältnisse im Hafenviertel ziemlich heruntergekommene Hütte vor. Ab und zu ertappte er sich sogar dabei, wie er einen prüfenden Blick nach oben warf, wie um sich zu vergewissern, dass sich der süßlich miefende Fleischwanzenkadaver noch nicht vom Nagel gelöst hatte. Er war also ein bisschen erleichtert, als sich die Tür irgendwann endlich öffnete.
    „Jacko?“
    Meldor hatte den Namen zwar in fragendem Tonfall ausgesprochen, aber eigentlich interessierte ihn die Antwort gar nicht. Der Typ sah genauso aus, wie Lehmar ihn beschrieben hatte: die fast durchsichtige Haut vielleicht noch ein bisschen bleicher, die Klamotten noch ein bisschen zerlumpter und das ganze Erscheinungsbild noch um einiges erbärmlicher, aber er hatte überhaupt keinen Zweifel, dass er den richtigen Mann vor sich hatte. Dazu hätte schon der Blick auf sein fehlendes Gebiss gereicht, denn die meisten Leute im Hafenviertel hatten trotz der ganzen Schlägereien zumindest noch ein paar Restzähne übrig.
    „Lehmar lässt schön grüßen“, sagte Meldor, nachdem sein Gegenüber etwas Unverständliches genuschelt hatte. „Deine Rückzahlung war letzte Woche fällig. Dreihundert Münzen.“
    „Münzen…?“
    Jacko schien Schwierigkeiten zu haben, seinen Blick zu erwidern.
    „Ja, diese kleinen glänzenden Dinger. Rund, hart, mit Rhobars Fresse drauf. Vielleicht erinnerst du dich?“
    Jacko legte die schwitzige Stirn in Falten, als müsste er ernsthaft darüber nachdenken.
    „Ja… vielleicht…“
    Meldor seufzte. Wollte ihn der Kerl verarschen oder war er wirklich so durch?
    „Okay, dann weißt du vielleicht auch noch, wo die dreihundert Münzen abgeblieben sind, die du meinem Chef schuldest?“
    „Dein Chef…?“
    Jetzt reichte es ihm. Er schob Jacko beiseite und quetschte sich durch den schmalen Eingang ins Innere der Hütte.
    „Weißt du was? Ich schau einfach selber mal nach.“
    Auch das war ein gut eingeübter Teil seines Arbeitsalltags: Wenn jemand kein Gold und auch keine richtig überzeugende Ausrede parat hatte, dann schaute sich Meldor mal in aller Ruhe in dessen Räumlichkeiten um und arbeitete sich ebenso gewissenhaft wie zügig durch sämtliche Schränke, Schubladen und Truhen, bis er entweder das vermisste Gold oder aber zumindest ein paar ähnlich wertvolle Gegenstände ausfindig gemacht hatte. Das dauerte mal länger, mal weniger lang – im Falle von Jackos Hütte aber war die Durchsuchung schon nach dem ersten Blick so gut wie abgeschlossen. Meldor war einiges gewohnt, aber er hatte noch nie einen so trostlosen und leeren Wohnraum gesehen wie diesen. Es gab kein Bett, keinen Kleiderschrank, keinen Herd – nur ein paar auf dem Boden verstreute Teller und Töpfe, in denen die Reste irgendeiner gammeligen Schlotze steckten. Und dazwischen: Wanzen. Sie schienen alle tot zu sein und sich in unterschiedlichen Stadien der Verwesung zu befinden. Hier und da klebten sogar ein paar plattgedrückte Exemplare an den Wänden. Der Gestank war so quälend, dass sich Meldor am liebsten gleich wieder ins Freie geflüchtet hätte, aber er zwang sich dazu, den Raum pflichtbewusst einmal abzugehen, jede Schale und jeden Topf ein paar Mal umzudrehen und die Bretter am Boden nach geheimen Verstecken abzusuchen.
    „Lehmar, oder?“
    Meldor zuckte ein bisschen zusammen, als sich hinter ihm plötzlich Jacko zu Wort meldete, der bis dahin schweigend ins Leere gestarrt hatte.
    „Du kommst von Lehmar?“
    „Ja sicher.“ Meldor drehte sich zu ihm um, wieder unsicher ob sich der Kerl einen Spaß mit ihm erlaubte. „Hab ich doch gesagt.“
    „Seine Münzen… die möchte er sicher zurück“, brachte Jacko zwischen seinen zahnlosen Lippen hervor. „Aber… sie sind nicht hier in dieser Hütte.“
    „Nein?“ Meldor war ein bisschen erleichtert, dass er einen Vorwand hatte, um diese grässliche Bruchbude wieder zu verlassen. Er trat ins Freie, atmete einmal tief ein und fragte: „Wo dann?“
    „Ich zeig es dir… komm mit…“
    Ganz kurz war da so etwas wie ein Lächeln auf den Lippen des Mannes.
    „Keine Spielchen“, forderte Meldor. „Wo ist das Geld?“
    „Ja, das… das Geld?“
    Schnaubend packte Meldor den Kerl an der Schulter und schüttelte ihn ein bisschen durch.
    „Hey! Verarsch mich nicht, klar? Ich kann auch ganz anders, Freundchen!“
    Aus weit aufgerissenen Augen starrte Jacko grob in seine Richtung, während Meldor seinen Griff noch verstärkte.
    „W… wer bist du? Was willst du von mir?“
    „Das Gold! Du lässt jetzt die dreihundert Münzen rüberwachsen, oder –“
    „Münzen?“, wimmerte Jacko. „Ich… ich weiß von keinen Münzen!“
    Meldor lockerte seinen Griff und schüttelte seufzend den Kopf. Vielleicht verschwendete er hier nur seine Zeit.

    „Was soll das heißen, das Geld ist weg?“
    Lehmar war in die Lektüre des Schuldenbuchs vertieft gewesen, als Meldor den Raum betreten hatte, aber mit bestimmten Stichwörtern hatte man seine Aufmerksamkeit immer sofort ganz für sich. Der Geldverleiher schlug geräuschvoll das Buch zu, lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah seinem Mitarbeiter streng in die Augen.
    „Dreihundert Münzen sind weg?“
    Meldor nickte. Er hätte seinem Boss gerne gesagt, dass es eine mehr als fragwürdige Entscheidung von ihm gewesen war, einem dermaßen verwirrten Typen wie diesem Jacko eine so hohe Summe zu leihen – oder überhaupt irgendeine Summe. Jede einzelne Münze war da schon eine Münze zu viel. Aber er wusste natürlich, dass ihn Lehmar nicht bezahlte, um sich dann von ihm kritisieren zu lassen, also behielt er den Gedanken lieber für sich.
    „Ich habe alles versucht, aber man kann mit diesem Kerl kein vernünftiges Gespräch führen“, versuchte Meldor zu erklären. „Der ist völlig irre, sowas hab ich noch nicht erlebt. Ich hab’s auf die freundliche Art und auf die unfreundliche probiert, hat beides nichts gebracht. Und seine Hütte ist komplett leer, der hat überhaupt nichts. Tja, außer Fleischwanzen.“
    Lehmar runzelte die Stirn. „Er hatte mal zweihundert Goldmünzen von uns.“
    „Die können überall abgeblieben sein. In der Kneipe, in der Laterne, im Meer… sorry, Chef, aber bei dem ist nichts zu holen. Ich kann’s natürlich morgen nochmal versuchen, aber wenn du meine ehrliche Meinung hören willst: Die dreihundert Münzen können wir abschreiben.“
    Insgeheim hatte er auch ein bisschen Mitleid mit Jacko und wollte ihn am liebsten einfach in Ruhe lassen, aber das Argument würde bei Lehmar natürlich nicht ziehen.
    Lehmar öffnete wieder das Schuldenbuch und schien nach etwas zu suchen, als hinter Meldor plötzlich die Tür aufgeschlagen wurde und ein stämmiger Mann mit einem rötlich aufgequollenen Moleratgesicht hereingestürmt kam. Meldor konnte sich nicht darin entsinnen, den Mann schon einmal in Khorinis gesehen zu haben. Er trug Bürgerkleidung der etwas feineren Art, in der er aber ganz schön verkleidet wirkte – nicht zuletzt auch, weil sie ihm eine Nummer zu klein war und jeden Moment zu platzen drohte. Der Mann zog rasselnd die Nase hoch und pfefferte einen Ledersack voller klirrender Münzen vor Lehmar auf den Tisch.
    „Da ist die Kohle“, grunzte er heiser und wischte sich die triefende Nase an einem ehemals weißen Ärmel ab. „Sind so um die tausend, müsste passen. Hatte die Göre in ‘nem doppelten Boden im Kleiderschrank versteckt. Nicht leicht zu finden, aber hab’s aus ihr rausgeprügelt.“
    Jetzt erst bemerkte Meldor das frische Blut auf den Fingerknöcheln des Neuankömmlings.
    „Sehr schön“, freute sich Lehmar. „Sag mal, Meldor? Meintest du nicht, Gritta sei von Dieben bestohlen worden? Ganz und gar mittellos, die Arme?“
    Verdattert starrte Meldor den Geldsack auf dem Tisch an, während er zu begreifen versuchte, was gerade passiert war.
    „Ja, also… das hat sie mir glaubhaft versichert. Ich hab ja auch nicht locker gelassen, aber…“
    „Aber gefunden hast du mein Gold dann auch nicht“, stellte Lehmar fest. „Im Gegensatz zu deinem neuen Kollegen Bullco.“
    „Achso, Kollege…?“, stammelte Meldor, dem dieses Wort aus Lehmars Mund geradezu bizarr vorkam. Er selbst, Meldor, war doch immer sein einziger Mitarbeiter gewesen, sein einer zuverlässiger Geldeintreiber. Mehr als ihn hatte es nie gebraucht.
    „Bullco ist noch neu in der Stadt, aber ich denke, er wird sich hier schnell zurechtfinden. Er hat an seinem ersten Arbeitstag bereits einiges erreicht. Und das ist wichtig, denn ich kann mir nur dann zwei Mitarbeiter leisten, wenn sie beide hervorragende Arbeit abliefern.“
    „Klar, Boss“, brummte Bullco.
    „Bei dir mache ich mir da auch keine Sorgen“, sagte der Geldeintreiber. „Und bei dir natürlich auch nicht, Meldor. Nicht, wenn du zu deiner alten Form zurückfindest. Vielleicht kann dich Bullco da ja ein wenig anspornen? Ihr könnt sicher viel voneinander lernen.“
    „Ja, also…“, murmelte Meldor perplex.
    „Am besten nimmst du diesen Jacko noch einmal genauer unter die Lupe. Oder soll ich direkt Bullco damit beauftragen, was meinst du?“
    Meldor schluckte. Wenn er jetzt Ja sagte, dann kam das fast schon seinem Rausschmiss gleich. Wie hatte es bloß so weit kommen können?
    „Das wird nicht nötig sein, Chef.“
    „Sehr gut.“ Zufrieden lächelte ihn Lehmar an. „Ich erwarte die dreihundert Münzen bis morgen früh.“

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