,,Sonny hatte mir schon erzählt, wonach Ihr sucht“, bestätigte der Broker, ein grauhäutiger Salarianer mit Augen wie Teergruben, nachdem sie die üblichen Vorstellungsfloskeln ausgetauscht hatten
,,Ihr habt Euch da ganz schön was vorgenommen ...“. Er zog an seiner E-Zigarette und blies eine blasse Wolke mit dem Geruch von Karamell in die regelmäßig umgewälzte Luft des Diners.
,,Dann komm besser zur Sache, klingt nach viel Arbeit“, brummte Ze’sa. Mit jedem Wort versuchte der widerwärtige Nachgeschmack der durchzechten Nacht in ihrem Rachen aufzusteigen. Neben ihr scrollte Tela scheinbar teilnahmslos durch ihr OmniTool, eine große Sonnenbrille verdeckte die verräterischen Augenringe in ihrem Gesicht.
Ihr Kontakt zuckte unbeeindruckt mit den Schulter, steckte den Verdampfer in die Innentasche seiner Weste und lehnte sich vor.
,,Der Turianer: Kein Problem. Tiberias Qatar; Ex-Soldat, Türsteher, Söldner. Zuverlässiger Typ, erledigt seine Jobs ohne viel Aufmerksamkeit. Ich habe seine Adresse und den des Clubs, in dem er zuletzt die Tür gemacht hat. Wird Euch aber nicht viel nützen, Qatar ist seit mehreren Wochen wie vom Erdboden verschluckt.“ Der Broker schob dennoch den Datensatz rüber, auf Telas Schirm tauchte zudem ein Bild des Turianers auf.
,,Normalerweise wäre es bestimmt nicht allzu schwer, so jemanden ausfindig zu machen, aber von normal kann hier keine Rede sein“, prophezeite der Salarianer mit einem wissenden Gesichtsausdruck.
,,Und ich bin mir sicher, dass Du uns genau erklären kannst, warum und wieso alles komplizierter und damit auch teurer ist, nicht wahr?“, gab Ze’sa unbeeindruckt zurück. Sie verachtete Broker und andere glorifizierte Spitzel. Information mochte eine Waffe sein, aber solange ihr niemand zeigte, wie man mit einem Geheimnis über 200 Meter einen Kopfschuss platzierte, würden Gestalten wie der Salarianer vor ihr weiterhin hochgespülter Abschaum bleiben.
,,Wegen der anderen Person, die ihr sucht“, ging der Broker zum nächsten Teil über und schickte ihnen erneut einen Datensatz. Telas OmniTool zeigte eine verwaschene
Photographie, vermutlich von einer Überwachungskamera, die bestenfalls erkennen ließ, dass es sich um einen männlichen Menschen mit dunklem Haar handelte.
,,Ein absolutes Phantom. Wir wissen, dass er selbst Informationbroker ist und unter dutzenden Pseudonymen arbeitet, meistens hört man vom Mann in Schwarz. Niemand weiß, woher er kommt oder wie groß sein Netzwerk ist, aber seine Arbeit deutet darauf hin, dass es groß sein muss. Hat vermutlich eigene Leute hier auf der Station und gewaltige finanzielle Ressourcen. Gesicherte Kontakte zu Syren Vox, einem turianischen Lokalpolitiker hier auf der Station, Terra Firma, der katholischen Kirche; überall mit anderen Namen aufgetaucht, nirgends ein Bild oder eine Nachricht, die sich zurückverfolgen ließe. Habt Ihr von der Geschichte um Decius Vhan gehört?“
Ze’sa schüttelte den Kopf, Tela rührte nicht einen Muskel; ob sie konzentriert der Geschichte folgte oder hinter ihrer Sonnenbrille schlief, war nicht zu sagen.
,,Schlagt das bei Gelegenheit mal nach, große Nummer. Auch sein Werk, hat sich dafür eine Spectre gekauft, niemanden anderes als Seeva T’Saari.“
Als auch dieser Name keine sichtbare Reaktion, geschweige denn Ehrfurcht auf den Gesichtern der beiden verkaterten Asari erscheinen ließ, seufzte der Salarianer entnervt und schüttelte den Kopf.
,Ihr seid richtige Landeier, nicht wahr? Recherchiert mal „Braelyn Gavros“, schadet auch nicht für die Allgemeinbildung.“
,,Was hältst Du davon, wenn Du aufhörst, mit Namen um Dich zu schmeißen und uns endlich erzählst, wo wir diesen Typen finden. Es liegt ja auf der Hand, dass er die Fäden zieht und wir Qatar dort finden werden, wo er steckt“, erwiderte Ze’sa trocken und überschlug die Beine. Alles abwärts der Hüfte war ein einziger Muskelkater, aber was sie im Moment viel mehr störte als der Schmerz war die billige Show, die der Salarianer hier abzog.
,,Könnte man meinen, aber pass auf: Die Spectre muss Qatar angeworben haben, deswegen so lange keine Spur mehr von ihm. Der perfekte Mann für einen gradlinigen Job und günstig war er vermutlich auch noch. Aber jetzt wird’s spannend: Auch von T’Saari hat seit ein paar Tagen niemand etwas gesehen oder gehört, außer, dass ihr Status als Spectre annuliert wurde. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass der alte Vhan nur kurz vorher zwei Cops umgelegt und die Station verlassen hat, nimmt das Bild Gestalt an:“, fasste der Broker zusammen und redete dabei mit immer schneller werdender Stimme, während seine Hände imaginäre Linien auf der Tischfläche miteinander verbanden.
Ze’sa schlug mit der flachen Hand dazwischen und fixierte die dunklen Augen ihres Gegenübers.
,,Alter, ich sage es noch einmal: Komm zum Punkt!“, fauchte sie ihn an.
,,Ist ja gut, ist ja gut“, wiegelte der Broker ab und hob die Hände entschuldigend.
,,Das ganze ist eine Riesensache, allein die Tatsache, dass Ihr jetzt noch aufgetaucht seid und nach dem Mann in Schwarz sucht, zeigt das.“
Er holte Luft und kehrte zur Geschichte zurück:
,,Der Mann in Schwarz hat irgendeinen Beef mit Decius Vhan angefangen und dem alten Turianer sprichwörtlich den Krieg erklärt: Tagelang hat sich die Presse mit skandalösen Meldungen über Vhan und seinen Konzern überschlagen, es gab Demonstrationen und Ausschreitungen vor seiner Spendengala, Details aus seinen Geschäftsbüchern kamen ans Licht, eine richtig hässliche Angelegenheit. Anschläge auf Außenstellen der Firma auf anderen Planeten, zurückgezogene Baugenehmigungen, das volle Programm. Der Mann in Schwarz hat Vhan Stück für Stück demontiert, immer weiter in die Ecke gedrängt. Wenn es nicht eindeutig zu sehen gewesen wäre, würde ich sogar glauben, dass er ihm den Mord an den beiden Bullen nur in die Schuhe geschoben hat, aber vermutlich ist der alte Vhan einfach endgültig durchgedreht und fristet jetzt als Pirat im Terminus seinen Lebensabend oder so.“
Er räusperte sich und fuhr direkt fort, als er die schwindende Geduld in Ze’sas Augen sah:
,,Und jetzt, wo sein Konkurrent verschwunden ist, beseitigt der Mann in Schwarz seine Spuren: Unten am Hafen ist ein Schiff explodiert, das mit T’Saari in Verbindung gebracht werden kann, von der Pilotin ist nur ein gut durchgebratenes Stück Fleisch übrig geblieben. Die Spectre selbst wurde geschasst und ist verschwunden. Ihr könnt Euch denken, was mit Qatar geschehen ist. An Eurer Stelle würde ich mir sehr gut überlegen, ob Ihr diesen Mann wirklich finden wollt.“
,,Das lass mal unsere Sorge sein“, winkte Ze’sa ab und gab Palara ein Zeichen, dass alles in Ordnung war; die dritte Asari im Bunde stand an der Tür des Diners Schmiere und hatte ihr einen fragenden Blick zugeworfen. Scheinbar dauerte die ganze Sache nicht nur Ze’sa schon viel zu lange.
,,Ich habe nur zwei Fragen. Erstens: Wie finde ich diesen Kerl?“
Der Broker schnaubte ein ungläubiges Lachen, so als ob er daran zweifeln würde, dass Ze’sa ihm überhaupt zugehört hatte.
,,Ich habe mich scheinbar nicht klar genug ausgedrückt: Seit Jahren versucht jeder in diesem Business herauszufinden, wer er ist und wo er steckt. Ihr könnt ihn nicht finden. Ihr könnt bestenfalls so viel Ärger machen, dass er Euch findet, aber davon würde ich Euch dringend abraten, verstanden?“
,,Verstanden: Genug Ärger machen und der Mann in Schwarz kommt zu mir. Klingt wie eine Schauergeschichte, aber soll mir Recht sein. Zweite Frage:“
Unter der Tischplatte zog Ze’sa ihre Carnifex und drückte die dem Broker gegen das Knie.
,,Warum sollte ich ein Wort von der Scheiße, die Du gerade verzapft hast, glauben?“
,,Was soll der Scheiß?!“, zischte der Salarianer, nahm den Blick aber nicht von Ze’sas Augen.
,,Du kennst uns nicht, diese Sonny von der Du sprachst hat uns nie persönlich getroffen und trotzdem plauderst Du hier los als ob Dein Leben davon abhängt, alles bevor Du einen einzigen Credit gesehen hast. Entweder bist Du der schlechteste Broker der Galaxie oder Du verarscht uns. Wenn dieser Mann in Schwarz wirklich so ein großes Netzwerk hat, wer sagt mir, dass Du nicht auf seiner Gehaltsliste stehst?“
Auf dem Gesicht des Brokers erschien eine unzufriedene Grimasse, seine Augen wanderten unruhig durch das gut gefüllte Diner.
,,Du kannst mich nicht am helllichten Tag hier abknallen, C-Sec steht in Sekunden auf der Matte und sackt Euch ein. Außerdem habe ich einen Schild, also drück ruhig ab, Du dumme Schlampe und grüß mir die einfühlsamen Batarianer-Ladies im Knast!“
Ein elektrisches Flackern schoss über die graue Haut des Brokers und verursachte ein hörbares Knistern, Ozongeruch stieg ihnen in die Nase.
,,Hattest“, korrigierte Tela, die eine Schaltfläche auf ihrem Tool bedient hatte und ansonsten weiterhin regungslos dasaß.
,,Du hattest einen Schild.“
Der Salarianer presste die Kiefer aufeinander und spannte sich, rührte sich aber keinen Fleck von der Stelle.
,,Ganz schön kleinlaut, jetzt wo kein Energiefeld mehr Deine Eier beschützt, hm?“, zog Ze’sa ihn auf.
,,Pass mal auf: Ich habe schon wichtigere Leute als Dich an belebteren Orten als diesem umgelegt; wie ich aus der Situation rauskomme, soll Deine Sorge nicht sein, denn Du bist dann tot. Es muss aber nicht so enden, wenn Du mir erzählst, was Du hier wirklich spielst und warum Du uns mit Informationen fütterst, für die wir ansonsten heftig in Vorzahlung gehen müssten? Ich würde also vorschlagen, dass Du auspackst und diesmal direkt zur Sache kommst.“
Der Broker zog scharf die Luft ein, hielt sie an und erschlaffte dann sichtlich auf der Sitzbank; er hatte kapituliert.
,,Der Shadowbroker war hinter dem Mann in Schwarz her, ich suche seit drei Jahren alle Informationen über ihn zusammen, um herauszufinden, ob man ihn und sein Netzwerk übernehmen kann oder ob er ausgeschaltet werden muss. Drei Jahre Arbeit im Nebel mit einem Auftraggeber im Nacken, der Versagen nicht akzeptiert: Immer Nachfragen, immer neue Aufträge, wenig Schlaf, selbst für einen Salarianer“, quasselte er los und schien die Waffe in seinem Schritt gar nicht mehr wahrzunehmen.
,,Und dann, kurz nachdem Gavros geschnappt wurde und der ganze Kram mit Vhan losging: Nichts mehr. Keine Nachfragen mehr vom Shadowbroker, kein Interesse mehr. So als wäre der Mann in Schwarz plötzlich egal geworden oder als ob der Shadowbroker auf einmal eine andere Person geworden wäre. Meine ganze Arbeit, alles umsonst. Ins Leere gelaufen, obwohl ich alles, alles getan habe, jeden Stein umgedreht!“ Er hob frustriert die Hände und schüttelte den Kopf.
,,Und wieso erzählst Du uns jetzt alles, wenn es so schwierig war, es herauszufinden? Verkaufen Broker solche Infos nicht für gewöhnlich?“, hakte Ze’sa nach. Die ganze Sache stank nach wie vor zum Himmel.
Der Salarianer schwieg für einen Augenblick und schaute ihr direkt in die Augen. Seine Stimme hatte Eifer und Dringlichkeit verloren, als er antwortete:
,,Der Shadowbroker lässt niemanden vom Haken. Wenn er sich einmal an eine Fährte geheftet hat, bringt er sein Ziel zur Strecke. Ich habe so etwas noch nie erlebt, also was ist passiert? Haben der Shadowbroker und der Mann in Schwarz einen Deal gemacht? Hat der Mann in Schwarz den Shadowbroker geschluckt, so wie er ihn schlucken wollte? Egal was er getan hat, der Mann in Schwarz hat sich erfolgreich die mächtigste Person der Galaxie vom Leib gehalten und meine jahrelange Arbeit zunichte gemacht.“
Verbitterung und eine Art von Trauer klangen in der Stimme des Brokers mit.
,,Ich habe Euch alles erzählt, was ich herausgefunden habe, damit Ihr wisst, mit wem Ihr es zu tun habt und vorbereitet seid, denn ich will, dass dieser Typ ins Gras beißt; niemand, der mächtig genug ist, dem Shadowbroker zu widerstehen, sollte frei herumlaufen. Ich fürchte Eure Chancen sind wirklich, wirklich schlecht, aber vielleicht sind sie jetzt ein kleines bisschen besser und eventuell schafft Ihr es ja zumindest, ihn aus der Reserve zu locken. Glaubt mir, Ihr seid nicht die ersten, die hinter diesem Gespenst her sind und bisher hat er alle seine Verfolger überlebt. Aber jetzt seid Ihr die vermutlich am besten informierten Gegner, die er je hatte.“
Ze’sa schwieg und dachte über das Gehörte nach. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, während die Waffe weiter an Ort und Stelle blieb.
,,Gute Antwort, Du bleibst am Leben“, sagte sie schließlich und holsterte ihre Carnifex.
,,Komm, wir hauen ab“, sagte sie zu Tela, schob sich von der Sitzbank und ließ den Broker sitzen. Ob irgendetwas von dem, was er erzählt hatte, wahr war, wusste sie nicht, aber sie war sich sicher, dass sie von ihm auch nichts Brauchbares mehr erfahren würde.