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    Kleiner als drei  Avatar von Lady Xrystal
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    Post [Story]Wettbewerbsbeitrag von Xrystal RED

    Wettbewerbsbeitrag von Xrystal RED
    ~ Nur echt mit blauem Titel. ~

    Die Buchstabenzuweisungen:

    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
    Person A: Alvares
    Person B: Jack
    Person C: Rengaru
    Person D: Skip

    Maskierter A: Sailor Adanos
    Maskierter B: Sailor Beliar

    Ort A: Die Kanalisation der Hafenstadt Khorinis
    Ort B: Die Insel mit dem schwarzen Felsen

    Spruch A: "Dusche mit Wasser und bereue!"
    Spruch B: "Wandle in den Schatten und bereue!"

    Gegenstand A: Der Sextant Innos'
    Kleidungsstück: Alvares' Rüstung


    Die Vorgaben:

    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
    Vorgabe 1:

    Person A wird in einem unerwarteten Moment vom Maskierten A angesprochen, dessen wahre Identität nicht bekannt ist. Der (oder die) Maskierte A verrät der Person A den rätselhaften Spruch A.

    Vorgabe 2:

    Person A sucht Person B an Ort A auf und erwischt Person B bei einem sehr privaten Treffen mit Person C. Person A verlässt Ort A daraufhin wieder und lässt mindestens eines ihrer Kleidungsstücke dort zurück.

    Vorgabe 3:

    Person A will an Ort B den mysteriösen Gegenstand A in Besitz nehmen. Auf dem Weg zu Ort B begegnet Person A dem Maskierten B, dessen Identität nicht bekannt ist. Der (oder die) Maskierte B verrät Person A den rätselhaften Spruch B.

    Vorgabe 4:

    Person A lernt Person D kennen, die sehr an Gegenstand A interessiert ist. Mit Gegenstand A in der Hand sagt Person A dann entweder Spruch A oder Spruch B oder beide Sprüche direkt hintereinander auf.


    Du willst wissen was es damit auf sich hat? Dann schau mal hier.
    Geändert von Lady Xrystal (10.10.2022 um 20:41 Uhr)

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    Kleiner als drei  Avatar von Lady Xrystal
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    I.

    »Also schön«, sagte Alvares und spuckte dabei auf Akils Kornfeld. »Wir machen es euch ganz einfach. Entweder ihr bezahlt die Pacht und wir erklären Onar, dass ihr ganz feine Leute seid. Oder aber ihr kriecht den Paladinen weiter in den Arsch und dann zerstören wir euren gesamten Hof.«
    »Ihr dreckigen Halsabschneider«, zischte Akil. Seine Wangen glühten rot vor Wut und seine Hand ruhte auf der Sichel an seinem Gürtel.
    Hinter ihm standen mehrere Bauern, die dem Gespräch zwischen Alvares und Akil aufmerksam folgten. Die meisten von ihnen wirkten ängstlich, nur ein einziger hatte bereits seine Waffe gezogen und eine kampfbereite Haltung eingenommen.
    »Letzte Chance, Kleiner«, sagte Alvares. Sein Blick schweife durch die Menge. »Wenn du deinen Hof und deine Leute retten willst, dann lass etwas Gold rüberwachsen.«
    »Einen Scheiß werde ich tun!« Akil zog seine Waffe und hielt sie schützend vor sich. »Sucht euch euer Gold woanders, ihr dreckigen Banditen. Und jetzt RUNTER VON MEINEM HOF!«
    Ein Grinsen legte sich auf Alvares' Lippen. Er spuckte erneut auf das umliegende Kornfeld, dann zog er seine mächtige Streitaxt. Doch gerade, als er auf den Bauern zustürmen und den Tanz beginnen wollte, ertönte ein Knistern in der Luft. Erschrocken hielt Alvares inne. Scheiße, dieses Geräusch klang genau so wie die magische Barriere, in der er viel zu viele Jahre seines Lebens verbracht hatte. Mit vor Panik geweiteten Augen starrte der Söldner in den Himmel, doch dieser war noch genauso hell und sonnenklar wie zuvor.
    Und dann entdeckte Alvares ein blaues Leuchten, das sich auf dem Dach der Bauernhütte manifestierte. Knisternd schwebte es über dem morschen Holz, nur, um kurz darauf eine seltsame Gestalt zu enthüllen. Für einen kurzen Augenblick zweifelte Alvares an seinen eigenen Sinnen. Vielleicht hatte er am Morgen ja doch zu viel Wacholderschnaps getrunken, anders jedenfalls konnte er sich nicht erklären, wieso da ein maskierter Pirat auf dem Haus erschienen war. Und doch schien die Gestalt real zu sein. Hoch oben auf dem Dach stand tatsächlich ein Typ in Seemannskluft, mit einem waschechten Piratenhut auf dem Kopf, einem Sextanten am Gürtel und einer Maske im Gesicht, die so aussah, als bestünde sie aus dem Leder und den Klauen eines Drachensnappers.
    Die Bauern wirkten genauso irritiert wie Alvares. Mit offenen Mündern starrten sie zu der Gestalt, die just in diesem Moment ihren Finger ausstreckte, damit in Alvares' Richtung zeigte und dabei rief:
    »Ihr Mächte des Bösen! Ihr Verbrecher von Khorinis! Ich werde euch ein für alle mal beseitigen!«
    »Du?« Alvares lachte spöttisch. Ihm war nicht wirklich zum Lachen zumute, aber seine Gegner zu verspotten war schon immer eine seiner liebsten Strategien.
    Leider ließ sich der Pirat nicht von Alvares' Lachen beirren. Geschwind wie eine Riesenratte sprang er vom Dach und landete mühelos auf beiden Füßen im Kornfeld, nur wenige Schritte von Alvares entfernt.
    »Ich bin der mächtige Krieger im Seemannskostüm", sagte er dann. »Mein Name ist Sailor Adanos und im Namen des Wassers werde ich dich bestrafen!«
    Alvares runzelte die Stirn. »Was?«
    Plötzlich zog der Pirat seinen Sextanten hervor. Mit diesem zeigte er erneut in Richtung Alvares und rief:
    »Dusche mit Wasser und bereue!«

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    II.

    »Was machen wir jetzt mit ihm?« Randolph versenkte seine Schuhspitze in der Kuhle, die sich zwischen dem Boden und Alvares’ leblosem Körper aufgetan hatte.
    »Na, wir sperren ihn erstmal in der Scheune ein«, sagte Akil. »Und dann schicke ich Telbor in die Stadt, da kann er direkt mal das Kopfgeld für diesen Verbrecher kassieren.«
    »Telbor?« Randolph schüttelte belustigt den Kopf. »Der Kerl findet doch nicht mal den Weg vom Feld bis zur Scheune. Würd mich nicht wundern, wenn der sich irgendwo im Wald verläuft.«
    »Willst du lieber gehen?«
    Sofort winkte Randolph ab. »Nee, lass mal. Sonst verpasse ich noch das Wettsaufen mit Rukhar heute Abend.« Er hielt kurz inne, denn ihm war etwas eingefallen. »Du zahlst uns doch noch unseren Lohn, oder?«
    »Klar«, sagte Akil. »Bin doch nicht so ein Halsabschneider wie dieser Onar.«
    Randolph nickte zustimmend. Der Tagelöhner war erst seit kurzem auf Akils Hof beschäftigt, aber wenn es eine Sache gab, die er bereits jetzt gelernt hatte - natürlich neben der richtigen Handhabung einer Harke -, dann war es die Tatsache, dass Akil immer pünktlich zahlte.
    Randolphs Blick wanderte wieder zu Alvares. Die sonst so braune Haut des Söldners war so blass, als hätte sich sein bewusstloser Körper in Mehl gewälzt. Gleichzeitig hatten sich kleine Bläschen auf seinen muskulösen Armen gebildet.
    »Sag mal, Akil. Hast du eigentlich verstanden, was dieser Adanos-Typ vorhin gesagt hat? Ich meine, dieser eine Spruch, kurz bevor Al- äh, also, kurz bevor dieser Söldner hier umgekippt ist?«
    »Nee, hab ich nicht.« Akil beugte sich vor, um nach Alvares’ Füßen zu greifen. »Und es ist mir auch egal. Dieser Seemann mag uns ja geholfen haben, aber so ganz geheuer war der mir nicht!«
    »Das sagst du doch nur, weil deine Kati ihm auf den Arsch geglotzt hat.«
    »Sie hat nicht geglotzt«, nuschelte Akil. »Würde sie nie machen. Und jetzt hilf mir mal, den Drecksack hier in die Scheune zu tragen. Ich nehm die Beine, du seine Arme.«
    Mit einem unwilligen Seufzen tat Randolph, was Akil von ihm verlangte. Gemeinsam hievten sie den bewusstlosen Körper in die Höhe, doch bereits nach wenigen Schritten schmerzten Randolph die Arme. Alvares war verdammt schwer.
    »Vielleicht nehmen wir ihm die Rüstung ab«, ächzte Randolph.
    Akil runzelte die Stirn. »Wieso? Die Scheune ist doch gleich dort drüben.«
    »Ja. Aber. Na ja.« Randolph ließ Alvares’ Arme los. Mit einem dumpfen Knall landete der schwere Körper wieder auf dem Boden. »So viel, wie das Ding wiegt, ist es bestimmt was wert.«
    »Nee, sowas machen wir hier nicht«, sagte Akil. »Waffen und Gold, das ist es, was du den Leuten hier abnimmst. Aber die Rüstung bleibt dran! So’n nackten Kerl will hier doch keiner sehen.«
    Bevor Randolph protestieren konnte, ertönte ein Stöhnen aus Alvares’ Mund.
    »Scheiße, Mann.« Randolph packte hastig die Arme des Söldners. »Der Kerl wacht gleich auf.«
    »Ab ihn die Scheune mit ihm! Na los!«
    Alvares war noch immer unerträglich schwer, aber Randolph beklagte sich nicht mehr. Wenn der Söldner kurz vorm Aufwachen stand, dann musste Randolph so schnell wie möglich das Weite suchen, jedenfalls vorerst, bis er die Gelegenheit bekam, mit Alvares unter vier Augen zu sprechen.
    Erst gestern Abend hatte Randolph den Söldner kennengelernt. Drüben, in Orlans Taverne. Sie hatten gemeinsam ein Bier getrunken, sündhaft teures Moleratragout verspeist und hätte einer von ihnen auch nur ein einziges Wort über Akils Hof verloren, wäre der Abend ganz sicher nicht so gesellig zuende gegangen.
    Als die beiden Bauern die Scheune erreichten, drangen neuerliche Geräusche aus Alvares’ Kehle. Seine Augen jedoch waren weiter fest verschlossen, was Randolph dabei half, nicht in Panik zu verfallen.
    »Wir fesseln ihn«, sagte Akil und zerrte Alvares’ Körper tiefer in die Scheune hinein. »Dort drüben, am Balken!«
    Randolph half Akil dabei, den reglosen Körper gegen den Stützbalken zu lehnen, dann schnappte er sich ein Seil, das in einer Ecke vor ein paar Heuballen lag. Während Randolph den Körper des Söldners fesselte, schüttelte er ungläubig den Kopf. Bei all diesen Muskeln musste Alvares ein verdammt guter Kämpfer sein.
    Und dieser Seemann wiederum, dieser Sailor Adanos musste ein Magier gewesen sein. Anders hätte er jemanden wie Alvares nicht so ohne Weiteres außer Gefecht setzen können.

    ~*~*~

    Alvares’ Kopf hatte schon bessere Tage erlebt. Er fühlte sich schwerer an als ein Kilo Steine und hinter der schwitzigen Stirn pochte es gewaltig, schlimmer sogar, als nach jedem verdammten Vollrausch.
    Unter gequältem Stöhnen ließ Alvares seine Schultern kreisen, so gut es in seiner Position eben ging. Er wusste nicht genau, wie er hierher gekommen war, aber er saß auf dem Boden einer stinkenden Scheune, umgeben von Heu und schmutziger Wäsche und vor allem hatte man ihn auf höchst unbequeme Weise an einen der dicken Stützbalken gefesselt.
    Das Schlimmste an alledem war, dass Alvares sich nicht kratzen konnte. Scheiße, wie sehr ihn doch alles juckte! Jedes noch so kleine Stück Haut fühlte sich an, als hätte Alvares sich mitten in einen Beerenstrauch gelegt.
    Und daran war nur er Schuld.
    Dieser verdammte Pirat!
    Alvares’ Wut ließ ihn mit den Zähnen knirschen, allerdings nur für einen ganz kurzen Moment, denn dann hörte er Schritte, die dem Eingang der Scheune langsam näherkamen. Bestimmt einer von diesen Bauerntölpeln, die nichts weiter im Sinn hatten, als sich über den Söldner lustig zu machen. Vorhin war auch schon einer da gewesen. Großspurig hatte er angekündigt, er würde Alvares schon bald bei der Miliz in der Hafenstadt verpfeifen.
    Mit angehaltenem Atem starrte Alvares in Richtung Eingang - und merkte schon im nächsten Moment, wie sich sein Körper wieder entspannte, als ein halbwegs bekanntes Gesicht vor ihm auftauchte. Randof hieß der Kerl, der sich nun gegen den Türrahmen lehnte, jedenfalls soweit sich Alvares bei ihrer ersten Begegnung in Orlans Taverne nicht verhört hatte.
    »Hast ja ganz schön aufs Maul bekommen.« Randof verschränkte die Arme. Er bewegte sich keinen Millimeter tiefer in die Scheune hinein.
    Alvares lachte auf. »Aufs Maul bekommen sieht anders aus, glaub mir. Sollte ein Bauer wie du doch eigentlich wissen.«
    »Mag sein«, sagte Randof gelangweilt. Dann warf er Alvares ein Laib Brot zwischen die ausgestreckten Beine. »Falls du Hunger hast.«
    »Und wie soll ich das essen?« Ein berechtigte Frage, denn immerhin war Alvares vollständig gefesselt.
    Randof zögerte einen Moment, aber dann gab er sich einen Ruck. Er seufzte leise, während er auf Alvares zuging, sich neben ihn auf den Boden kniete und dann am Seil nestelte.
    »Arm hoch«, befahl er dann.
    Und tatsächlich. Das Seil saß noch immer stramm genug, um den Söldner an den Stützbalken zu fesseln, aber Alvares’ Arm war frei. Sofort bewegte er die Hand an seine Schulter, um sich genüsslich zu kratzen.
    »Ahh! Danke, Mann!«
    »Was genau ist eigentlich passiert?« Randof entfernte sich wieder von Alvares. »Dieser Magier hat -«
    »Magier?«, fiel Alvares dem Bauern ins Wort. »Das war doch kein Magier! Glaub mir, ich war lange genug im Neuen Lager, um zu wissen, wie so ein Magier aussieht. Und der Typ von vorhin? Der war kein Magier. Der war Pirat!«
    »Seemann«, korrigierte Randof.
    »Was?«
    »Er war ein Seemann. Jedenfalls hat er sich so genannt.«
    »Was?«, wiederholte Alvares mit Nachdruck. Angestrengt versuchte er, sich an den Namen des Piraten zu erinnern. »Der hieß doch irgendwas mit Adanos!«
    »Sailor Adanos.«
    »Ja«, gab Alvares zurück. »Sag ich doch.«
    »Du kommst nicht von den Südlichen Inseln, oder?«
    »Nee. Seh ich so aus?«
    »Ja.«
    »Nee, ich komm vom Festland«, sagte Alvares. »Vengard, falls du das schon mal gehört hast. Hab damals in der königlichen Armee gedient. Irgendwelchen reichen Schnöseln Geleitschutz gegeben und sowas.«
    »Sailor ist auf den Südlichen Inseln ein anderes Wort für Seemann«, erklärte Randof. Er schien sich nicht eine Sekunde lang für Alvares’ Erzählung zu interessieren.
    Statt einer Antwort schnaubte der Söldner nur. Wenn Randof sich nicht für ihn interessierte, dann würde Alvares sich ab sofort auch nicht für die Worte des Bauern interessieren. So einfach konnte die Welt doch sein!
    Einen Moment lang schwiegen die beiden Männer. Die Stille wurde nur durch Alvares’ Kratzen unterbrochen. Mittlerweile hatte sein linker Arm mehrere blutige Stellen, aber der Schmerz war allemal erträglicher als das abartige Jucken.
    Dann, nach einer Weile, drehte Randof Alvares den Rücken zu.
    »Wenn du dem Weg in den Wald folgst«, sagte er dabei. »Dann kommst du irgendwann zu einem Leuchtturm. Ich werde dein Seil nicht weiter lockern, aber für den Fall, dass du dich trotzdem irgendwie befreien kannst, empfehle ich dir, dich mal mit dem Leuchtturmwärter zu unterhalten. Sein Name ist Jack, glaube ich.«
    »Wieso?«, fragte Alvares.
    »Weil Jack ein Seemann ist.« Über seine Schulter hinweg warf Randof dem Söldner einen vielsagenden Blick zu, dann verließ er die Scheune.

    ~*~*~

    »Zwanzig Goldmünzen.« Akil ließ den spärlich gefüllten Lederbeutel in Randolphs Hände fallen. »Aber geb bloß nicht alles auf einmal aus!«
    Randolph befestigte den Beutel an seinem Gürtel, dann sah er nach oben in den Abendhimmel. Nicht mehr lange und das sanfte Rot würde sich in ein dunkles Blau verwandeln.
    »Ist Telbor schon losgegangen?«
    »Vor ein paar Stunden«, sagte Akil. »Vermutlich hockt er jetzt am Hafen und versäuft das halbe Kopfgeld.«
    Randolphs Herz sprang ihm in die Kehle. »Wieso das Kopfgeld? Es waren doch noch keine Milizsoldaten hier, um den Söldner mitzunehmen. Oder doch?«
    »Nee, aber das läuft doch immer so ab. Man meldet der Stadtwache ein Verbrechen, kriegt das Gold und dann rückt die Miliz aus, um den Drecksack festzunehmen.«
    Randolph wandte seinen Blick zur Scheune. Ob Alvares noch dort war? Nicht, dass es Randolph wirklich kümmerte, aber er wollte vermeiden, dass Akil oder einer der anderen Bauern hier erfuhr, dass Alvares und Randolph sich kannten. Randolph war noch nicht lange auf Akils Hof beschäftigt, da konnte er Gerüchte über mögliche Verbindungen zu Onars Söldnern echt nicht gebrauchen. Vielleicht würde er ein paar Nächte in Orlans Taverne übernachten, nur so lange, bis er sicher sein konnte, dass Alvares nicht mehr auf dem Hof zu finden war.

    ~*~*~

    Mit einem lauten Quieken starb die Riesenratte vor Alvares’ Augen. Der Söldner selbst war schweißgebadet. Es war verdammt anstrengend, die Viecher hier im Wald mit einem schweren Ast zu erschlagen, aber weil diese Bauern ihm seine Streitaxt abgenommen hatten, hatte der Söldner keine andere Wahl. Im Dunkeln kämpfte er sich durch das Dickicht, mit schmerzenden Gliedern und aufgekratzter Haut und doch verdammt froh darüber, dass das unerträgliche Jucken aufgehört hatte.
    Irgendwann fand Alvares den Leuchtturm. Schweren Schrittes kämpfte er sich weiter vor, bis er schließlich die Holztür erreichte, die in den Innenbereich des Turms führte.
    Alvares klopfte. Nichts geschah.
    Ein zweites Mal klopfte der Söldner, diesmal energischer, dann presste er sein Ohr an die Tür und lauschte durch das Holz. Er hörte nichts.
    Verdammt!
    Rasend vor Wut ging Alvares ein paar Schritte zurück. Er lief vor dem Leuchtturm auf und ab, erwägte dabei, die Holztür einfach einzutreten, doch einerseits war offensichtlich, dass sich niemand im Turm befand und zum Anderen fühlte sich Alvares viel zu erschöpft für einen derartigen Kraftakt. Bevor dem Söldner jedoch eine andere Idee kommen konnte, hörte er ein Knacken im Unterholz.
    Und dann sah er ihn. Den Schattenläufer, der sich langsam an Alvares heranpirschte. Scheiße, hatte dieses Mistvieh ihn aus dem Wald heraus verfolgt? Oder kam es geradewegs aus einer Höhle hinter dem Leuchtturm gekrochen?
    Alvares umklammerte den Ast in seiner Hand, aber insgeheim wusste er, dass er so keine Chance gegen den Schattenläufer hatte. Der schwere Ast war eben doch nur ein Ast und keine Streitaxt und noch dazu war der Söldner hungrig und durstig und völlig erschöpft.
    Aber vielleicht konnte Alvares vor dem Schattenläufer fliehen? Der Söldner sah sich konzentriert um, ohne dabei das Monster aus den Augen zu lassen. Und dann legte er los.
    Mit der letzten verbleibenden Kraft schleuderte Alvares den Ast in Richtung Schattenläufer. Er traf die Schnauze des Viehs, was zum Glück ausreichte, damit der Schattenläufer für einen kurzen Moment die Augen zusammenkniff.
    Diesen Moment nutzte Alvares, um nach vorne zu stürmen, doch er war zu langsam. Mit einem riesigen Satz sprang der Schattenläufer auf Alvares zu, so nah, dass der Söldner das stinkende Fell des Mistviehs riechen konnte.
    Panik kroch in Alvares’ Knochen. Wenn eine Flucht nach vorne nicht möglich war, dann ... Er schluckte. Der Leuchtturm stand direkt an einer Klippe. Vielleicht ...
    Der Schattenläufer brüllte und das allein genüge, um auch den letzten Zweifel in Alvares zu vertreiben. Der Söldner wich ein paar Schritte zurück, dann drehte er sich zum Leuchtturm und sprintete los. Er stürmte die Klippe entlang, so lange, bis sich das Meer vor ihm auftat.
    Und dann sprang er in die Tiefe. Ein paar Sekunden lang befand sich Alvares im freien Fall, den Mund dabei ganz automatisch geöffnet, um einen hilfesuchenden Schrei in den Wind zu stoßen. Dann traf er auf die Meeresoberfläche. Sie brach und peitschte eiskaltes Wasser in Alvares’ Gesicht.
    Der Söldner sank tief in das Meer hinein. Er paddelte mit den Armen, in der Hoffnung, so wieder an die Oberfläche zu gelangen. Dabei durchzuckte ein höllischer Schmerz seine Haut, genau an den Stellen, die er sich aufgekratzt hatte. Das Meersalz fraß sich durch Alvares’ Wunden und in diesem Moment bereute er zutiefst, dass er den Juckreiz zuvor nicht einfach ertragen hatte.
    Irgendwie schaffte Alvares es bis an die Oberfläche. Die Wellen hatten ihn von der Klippe fortgetragen und statt einer felsigen Steinwand erstreckte sich vor seinen Augen ein kleiner Vorsprung, der in einen dunklen Tunnel führte.
    Nur mit größter Mühe schwamm Alvares auf den Vorsprung zu. Er kraxelte nach oben, bis er seinen Körper vollständig aus dem Meer befördert hatte, dann legte er sich auf den Rücken und atmete tief durch.
    »Dieser verdammte Randof«, nuschelte er in sich hinein. »Und dieser verdammte Leuchtturmwärter. Wenn ich einen von denen erwische, dann -«
    Alvares brach ab, denn er hatte etwas gehört. Etwas, das direkt aus dem dunklen Tunnel neben ihm kam. Mit angehaltenem Atem setzte sich Alvares auf und lauschte in die Dunkelheit hinein.
    »Bitte, mein Junge!«, rief eine männliche Stimme. Der Typ klang ganz schön verzweifelt. »Bitte lass es uns nochmal versuchen. Du könntest zu mir ziehen und ... Mensch, ich brauch doch irgendwann einen Nachfolger! Ich könnte dir -«
    »Lass mich verdammt nochmal in Ruhe!«, unterbrach ihn eine andere, höhere Stimme. »Du weißt doch, dass ich keine andere Wahl habe! Ich kann nicht einfach von hier verschwinden!«
    »Aber mein Leuchtturm liegt außerhalb der Stadt!«, jammerte der andere Kerl. »Niemand würde davon erfahren!«
    Moment, Leuchtturm? Sein Leuchtturm? Konnte das wirklich sein? Konnte es sein, dass die männliche Stimme zu diesem Jack gehörte? Wenn ja, dann war das hier ein mehr als großer, glücklicher Zufall, denn dann war Alvares nur ein oder zwei Schritte von jenem Ort entfernt, an dem sich der gesuchte Leuchtturmwärter gerade aufhielt.
    »Rengaru, bitte!«, ertönte wieder die tiefere Stimme. »Ich weiß doch, dass es schwer für dich ist, aber wenn wir doch ... Ich meine, wenn du ... Jetzt bleib doch mal stehen!«
    »Einen Scheiß werde ich tun!«
    »Jetzt warte doch!«
    Die Stimmen wurden leiser und Alvares glaubte, sogar zu hören, wie sich die beiden Männer vom Eingang des Tunnels entfernten. Einen Moment lang verharrte der Söldner in seiner Position, unschlüssig, was er tun sollte. Am Einfachsten wäre es sicher gewesen, hier draußen auf diesen Jack zu warten. Aber was, wenn es einen zweiten Eingang in diesen Tunnel gab? Alvares konnte nicht riskieren, Jacks Fährte jetzt schon wieder zu verlieren, also zog er sich auf seine Füße und betrat den dunklen Tunnel.
    Drinnen stank es nach Verwesung und Pisse. Wie in einer Kanalisation, dachte Alvares und wenn er sich das trübe Wasser ansah, das in einem kleinen Graben durch den Tunnel floss, hatte er mit seiner Vermutung wohl recht.
    Alvares bewegte sich vorwärts, aber jeder Schritt fiel ihm schwer. Stellenweise war es so finster, dass er nicht einmal mehr seine Hand vor Augen sah. Zudem rieben Reste des Meersalzes noch immer an seiner Haut, besonders an den Stellen, an denen das Meerwasser in seine Rüstung eingedrungen war.
    Als er an einer besonders dunklen Stelle ankam und sich vollends zu verirren drohte, beschloss Alvares, seine Rüstung auszuziehen. Er öffnete die Schnallen, streifte sich das Leder von der Haut und fühlte sich plötzlich, als hätte man ihm einen Haufen Steine von den Schultern genommen.
    Die folgenden Schritte waren einfacher und so erreichte der Söldner schon bald einen Tunnelabschnitt, in dem er wieder die beiden Stimmen hörte. Nur diesmal klangen sie etwas anders. Trauriger. Alvares glaubte sogar, ein tiefes Schluchzen zu hören. Vorsichtig lugte der Söldner um die Ecke und entdeckte so die beiden Gestalten in einem gut ausgeleuchteten Raum.
    Nur, dass er diese beiden Personen lieber nicht gesehen hätte, jedenfalls nicht so. Der ältere von den beiden Männern, ein Kerl in lumpigen Klamotten und mit grauem Haar, saß auf einem Sessel, dessen Bezug an verschiedenen Stellen aufgerissen war. Der andere, jüngere Kerl, lief erst unruhig vor dem Älteren her, nur um sich dann mit einem tiefen Schluchzen auf dessen Schoß fallen zu lassen.
    »Ich hab verschissen viel Angst, weißt du?«, jammerte der Jüngere gegen die Brust des Älteren.
    »Ich weiß, mein Junge. Ich weiß.«
    Eine Weile saßen sie so da, der Jüngere schluchzend und der Ältere in die Leere starrend, während er dem Jüngeren liebevoll den Schädel tätschelte.
    Die Szene wirkte so intim, dass Alvares von seinem Plan, Jack an Ort und Stelle anzusprechen, abließ. Stattdessen zog sich der Söldner wieder zurück, tiefer in den Tunnel hinein. Vielleicht gab es ja doch keinen zweiten Eingang. Vielleicht würde Alvares doch einfach draußen auf dem kleinen Vorsprung warten, bis Jack damit fertig war, diesen Rengaru zu trösten.
    Auf dem Rückweg nach draußen versuchte der Söldner seine Rüstung einzusammeln. Er glaubte, grob zu wissen, wo er sie abgelegt hatte, aber weil es so dunkel war, konnte er sie nirgendwo entdecken.
    Nach einer Weile gab Alvares die Suche auf. Er hatte wenig Lust, den Boden mit seinen Händen abzutasten und außerdem war er so verdammt müde, dass er beschloss, sich draußen hinzulegen. Er eilte den Rest der Strecke zurück, bis er beim kleinen Vorsprung ankam. Dort ließ er sich nieder.

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    III.

    Alvares öffnete die Augen. Seit seinem Ausflug in die Kanalisation waren wohl kaum mehr als zwei Stunden vergangen und doch fühlte er sich so, als hätte er mindestens zwei Wochen auf dem kleinen Vorsprung ausgeharrt. Seine Glieder schmerzten, sein Nacken war verspannt und die Vormittagssonne brannte auf seiner nackten Haut.
    Nur schwerfällig richtete sich der Söldner auf. Natürlich war der alte Leuchtturmwärter nicht am Eingang der Kanalisation aufgetaucht und auch seine Rüstung hatte sich nicht wie von Magierhand vor ihm materialisiert. Beides Dinge, die Alvares langsam aber sicher an seinem Plan zweifeln ließen.
    Wieso hatte er überhaupt auf Randof gehört? Alvares hätte sich einfach aus den Fesseln befreien und zu den anderen Söldnern auf Onars Hof zurückkehren sollen. Vielleicht hätten die Jungs ihm sogar dabei geholfen, diesen Adanos-Typen ausfindig zu machen, damit Alvares sich an ihm rächen konnte.
    Wobei ... Das war ein naiver Gedanke, wenn Alvares ehrlich war. Die anderen Söldner würden ihn auslachen und sich noch Tage später das Maul über Alvares zerreißen, sollten sie jemals erfahren, dass er auf eine derart peinliche Art und Weise außer Gefecht gesetzt worden war.
    Nein. Es war schon gut so, wie es war. Halbwegs jedenfalls. Alvares hätte nichts dagegen gehabt, seine Rüstung wiederzufinden, immerhin war es kalt an diesem Vormittag und es roch nach Regen, auch, wenn die Sonne weiterhin ihr Bestes tat, um das Meer vor Alvares’ Augen aufzuheizen. Und seine Streitaxt vermisste er genauso schmerzlich.
    Vielleicht sollte sich Alvares erneut in die Kanalisation wagen und dort nach seiner Rüstung suchen? Mit etwas Glück würde er dort auch eine Waffe finden oder sogar auf den Leuchtturmwärter stoßen.
    Der Söldner zog sich gerade auf die Füße, als er einen Schimmer auf der Meeresoberfläche wahrnahm. Es war nur ein punktgenaues Glänzen, das am Rande seines Sichtfelds aufgetaucht war, aber es strahlte hell genug, dass Alvares sich danach umdrehte.
    Und dann sah er, wie ein Sextant im Wasser schwamm.
    Ausgerechnet ein Sextant!
    Alvares sah dem Gegenstand einen Moment lang dabei zu, wie er von den Wellen fortgetragen wurde. Ein Teil von ihm fühlte sich verarscht, denn genau so einen Sextanten hatte dieser Sailor Adanos mit sich geführt, als er ... Nun, als er Alvares besiegt hatte, um es so würdevoll wie möglich auszudrücken.
    Wobei sich Alvares nicht ganz sicher war, ob es sich um denselben Sextanten handelte. Vielleicht war es auch ein anderer, aber wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass dieser Sextant ähnliche Kräfte besaß, dann ... Ja, was eigentlich? Würde Alvares den Mistkerl damit besiegen können? Ihn quasi mit seinen eigenen Waffen schlagen? Die Vorstellung allein zauberte Alvares ein fieses Grinsen ins Gesicht.
    Der Söldner beschloss kurzerhand, dem Sextanten zu folgen. Er sprang ins Wasser und spürte sofort wieder, wie das Salz an seinen aufgekratzten Armen scheuerte, aber aus irgendeinem Grund tat es nicht weh. Beinahe so, als hätte Alvares’ nächtlicher Tauchgang ihn von allen Schmerzen geheilt.
    Alvares schwamm weiter, aber er war nicht schnell genug, um den Sextanten zu erreichen. Viel zu früh verlor er ihn aus den Augen, also folgte er den Wellen und ließ sich von ihnen treiben, bis er in die Nähe eines kleinen Strandes gespült wurde. Und dort, in einem kleinen Lager direkt vor dem Ufer, kniete ein gefesselter Kerl im Sand.
    »He!«, rief er verzweifelt in Alvares’ Richtung. »Du da. Komm her und hilf mir!«
    Ganz sicher nicht, dachte Alvares. Er hatte kein Interesse daran, einem dahergelaufenen Typen zu helfen und diesem dahergelaufenen Typen schon gar nicht, denn er trug eine verschlissene Bauerntracht, was Alvares nur allzu schmerzlich an seine Schmach von Akils Hof erinnerte.
    Leider trugen die Wellen Alvares näher ans Ufer heran.
    »Endlich Rettung!«, rief der gefesselte Bauer.
    »Klappe!« Alvares kam am Strandufer an und rappelte sich auf. Er ließ seinen Blick schweifen, erst durch den aufgeheizten Sand und dann zurück über das Meer, bis er eine kleine Insel entdeckte. Diese bestand aus nichts weiterem, als etwas Sand und einem großen schwarzen Felsen.
    Und ausgerechnet dort sprang Alvares ein Schimmern ins Auge.
    Am Ufer vor dem schwarzen Felsen lag der Sextant, dem der Söldner hinterher geschwommen war. Glaubte Alvares jedenfalls. Vielleicht war es ein völlig anderer Sextant, aber das war egal, solange Alvares eines dieser Mistdinger in die Finger kriegen würde.
    »Hat Akil dich geschickt?«
    Was?
    Alvares’ Blick schnellte zum Bauern. Dieser saß noch immer gefesselt auf dem Sand, direkt zwischen einem ausgetretenen Lagerfeuer und zwei wuchtigen Kisten. Erbärmlich.
    »Akil und die Jungs suchen sicher schon nach mir«, plapperte der Bauer weiter. »Ich bin übrigens Telbor, aber das weißt du vermutlich. Und nein, ich habe das Kopfgeld für diesen Söldner nicht versoffen. Ich habe es noch gar nicht in die Stadt reingeschafft, da hat mich dieser -«
    Alvares beschloss, Telbor nicht weiter zuzuhören. Wenn er wirklich einer von Akils Bauern war, dann hatte er es sicher verdient, gefesselt und hilflos im Dreck - oder wenigstens im Sand - zu knien. Eigentlich hatte Alvares sogar eine perfide Freude daran, den Bauern so zu sehen, aber der Sextant war wichtiger, denn er drohte, jeden Moment von den steigenden Wellen fortgespült zu werden.
    Alvares setzte sich in Bewegung. Die Insel befand sich nah genug am Strandufer, um sie ohne zu schwimmen erreichen zu können. Vermutlich würde Alvares nicht tiefer als bis zur Hüfte im Wasser stehen.
    Er war kaum zwei Schritte zurück ins Meer gegangen, da erklang wieder Telbors Stimme.
    »He!«, rief er säuerlich. »Lass mich nicht hier zurück!«
    Alvares unterdrückte den Drang, dem Bauern ins Gesicht zu spucken. Stattdessen zeigte er ihm die kalte Schulter, ging noch einen Schritt vorwärts - dann hörte er es wieder.
    Das magische Knistern.
    Sofort hielt der Söldner inne und auch Telbor schwieg. Sie beide sahen sich mit angehaltenem Atem um und entdeckten schließlich ein Leuchten, das sich nur unweit hinter Alvares auf dem Strandufer manifestierte.
    Nicht. Schon. Wieder.
    Alvares begab sich bereits in eine Kampfposition, als das Leuchten verschwand und an seiner Stelle ein maskierter Pirat auftauchte. Oder ein Seemann. Oder Magier? Alvares hatte keine Ahnung, wen oder was dieser Adanos-Typ wirklich darstellen wollte und es war ihm auch egal, solange er dem Scheißkerl ordentlich die Fresse polieren konnte.
    »Ihr Mächte des Bösen!«, rief der Neuankömmling - und Alvares stutze. Die Stimme des Piraten klang ganz anders, als der Söldner sie noch in Erinnerung hatte.
    »Ich bin der mächtige Krieger im Seemannskostüm! Mein Name ist Sailor Beliar und im Namen der Finsternis werde ich dich bestrafen!«
    »Was?«, entfuhr es Alvares. Sailor Beliar? »Scheiße, es gibt mehr von euch?«
    Mit einer eleganten Handbewegung hob Sailor Beliar seinen Sextanten, zeigte damit in Alvares’ Richtung und rief:
    »Wandle in den Schatten und bereue!«

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    Kleiner als drei  Avatar von Lady Xrystal
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    IV.

    Telbor konnte seinen Augen kaum trauen. Es war nun schon das zweite Mal und das auch noch innerhalb kürzester Zeit, dass ein Kerl - ein durchaus kräftiger und kampferprobt wirkender noch dazu - vor einem maskierten Piraten umgekippt war. Einfach so!
    Beim ersten Mal, gestern erst auf Akils Hof, hatte Telbor noch geglaubt, dass er sich lediglich verguckt hatte. Dass dieser Söldner, der Akil kurz vorher bedroht hatte, einfach nur ausgerutscht und dabei so ungünstig gefallen war, dass er das Bewusstsein verloren hatte. Aber diesmal? Diesmal war Telbor sich sicher, dass dieses seltsame Phänomen etwas mit den seltsamen Worten des Maskierten und mit dessen seltsamen Sextanten in seiner Hand zutun hatte.
    Zu Telbors Glück steckte der Pirat ebenjenen Sextanten wieder an seinen Gürtel. Er machte nicht den Anschein, als wollte er Telbor ebenfalls bewusstlos zaubern und trotzdem blieb er noch eine ganze Weile lang am Strand stehen. Ein wenig wirkte er so, als würde er eindringlich nach etwas suchen und doch rührte er sich nicht von der Stelle.
    Telbor nahm seinen Mut zusammen.
    »He!«, rief er dem Maskierten zu. »Kannst du mir mal helfen? Die Fesseln.«
    »Klar«, sagte der Typ. Seine Stimme klang erstaunlich freundlich für einen Piraten und selbst der arrogante Unterton, den die allermeisten Magier an den Tag legten, fehlte bei ihm völlig.
    Der Maskierte ging auf Telbor zu. Er löste seine Fesseln, aber noch bevor Telbor aufstehen und sich bedanken konnte, fand er sich plötzlich am Hafen von Khorinis wieder.
    Was?
    Wo war der maskierte Kerl hin? Wo war der Strand? Was war nur passiert?

    Was Telbor nicht wusste: Er würde niemals eine Antwort auf seine Fragen finden.

    ~*~*~

    Skip fühlte sich verarscht. Durch und durch. Er hatte geglaubt, dass es ein ganz einfacher Auftrag werden würde. Den Sextanten Innos’ bewachen, einen geeigneten Kandidaten entführen und dann darauf warten, dass der Sextant auf seinen Partner reagiert - mehr nicht.
    Nur leider hatte das dämliche Drecksding nicht auf den Kandidaten reagiert! Und zu allem Überfluss hatte sich auch noch so ein dämlicher Lurker erdreistet, den Sextant zu verschlingen.
    Einen Sextanten! Wer verschlang denn schon freiwillig einen Sextanten?!
    Okay, vielleicht war es nicht gerade Skips hellster Moment gewesen, als er den Sextanten in ein Fass voller frisch gebratener Fleischkeulen gesteckt hatte. Aber was hätte er denn sonst tun sollen? Skips Boot war nunmal nicht für mehr als ein oder zwei Fässer ausgelegt, schon gar nicht, wenn er zusätzlich zum Proviant auch einen fremden Kerl mitschleppen musste!
    Wenigstens hatte Skip den Lurker recht schnell wieder ausfindig gemacht. In einem erbitterten Kampf hatte er ihn niedergestreckt, dann seinen Bauch aufgeschlitzt und den Sextanten herausgeholt, aber weil das Innenleben eines Lurkers nunmal glitschig war und der Sextant - jedenfalls bis zu einem gewissen Grad - ein Eigenleben führte, hatte sich das Drecksding noch am Strandufer aus Skips Hand gelöst und war kurz darauf im Meer verschwunden.
    Und nun saß Skip hier. Einsam in seinem Boot, ohne Sextant, sogar ohne Rum, aber dafür mit verdammt schlechter Laune.
    Mittlerweile stand die Sonne so tief, dass sie Skip blendete. Nicht mehr lange, bis die Abenddämmerung anbrechen würde. Ob der Kandidat wohl noch lebte? Skip hatte ihm den ganzen Tag weder Wasser noch Brot gegeben - wie denn auch, wenn er stattdessen diesen dämlichen Sextanten suchen musste? - und der Strandabschnitt, an dem sie Rast gemacht hatten, war bei seiner Abreise nun auch nicht unbedingt frei von Monstern gewesen.
    Aber im Grunde spielte es keine so große Rolle für Skip. Der Kandidat hatte sich ohnehin als untauglich erwiesen, allerdings hatte Skip wenig Lust dazu, eine Leiche zurück in die Hafenstadt transportieren zu müssen. Er bevorzugte es, wenn seine Mitfahrer eigenständig aus seinem Boot steigen konnten. Je weniger er schleppen musste, desto besser für seinen Rücken!
    Skip seufzte. Vielleicht sollte er erstmal wieder zurück zum Strand schippern und dort nach dem untauglichen Kandidaten sehen. Mit etwas Glück war dieser nämlich noch am Leben. Und den Sextanten? Den konnte Skip auch am nächsten Tag noch suchen.

    ~*~*~

    Alvares wurde von fürchterlichen Schmerzen geweckt. Er lag noch am Ufer, halb im Wasser, aber diesmal war es nicht das Meersalz, das wie Feuer auf seiner Haut brannte. Nein, diesmal war es die frische Seeluft. Oder war es doch der Schattenwurf der großen Felsenkette, die den Strand vom Rest der Insel trennte?
    Schwerfällig stemmte sich Alvares in die Höhe, schaffte es irgendwie, sich in eine sitzende Position zu bringen und doch glaubte er, dass er von den Schmerzen ohnmächtig werden würde. Dunkle Blasen hatten sich auf seiner Haut gebildet. Sie benetzten seine Arme, seine Beine und mit ziemlicher Sicherheit auch seinen nackten Rücken.
    Alvares sah in den Himmel. Die Sonne stand tief, viel tiefer, als noch zu jenem Zeitpunkt, an dem Alvares hier auf dem Strand angekommen war. Wie lange hatte er diesmal bewusstlos im Dreck gelegen? Ein paar Stunden? Den halben Tag?
    Er schnaubte. Vom maskierten Piraten, dem feigen Mistkerl, war natürlich keine Spur mehr zu sehen.
    Verdammt, wenn Alvares doch nur schneller gewesen wäre! Wenn er diesen Bauern - wo war der überhaupt hin? - einfach ignoriert und stattdessen zum Sextanten geeilt wäre! Sicher wäre der Kampf dann anders ausgegangen. Alvares bereute es zutiefst, diese Chance verpasst zu haben.
    Wobei, hatte er sie wirklich verpasst? Mit etwas Glück war der Sextant noch immer an Ort und Stelle. Und in diesem Fall würde Alvares ihn an sich nehmen und sich endgültig bei diesen albernen Sailor-Typen rächen!

    ~*~*~

    Skip hatte den Strand beinahe erreicht, als er ihn sah. Den Sextanten Innos’. Seelenruhig lag er am Ufer der Nachbarinsel, direkt vor dem schwarzen Felsen. Skip kam näher und als er gerade in Reichweite war, um den Sextanten an sich zu nehmen, glaubte er, ein spöttisches Kichern zu hören.
    »Ja, lach du nur«, nuschelte Skip und klopfte mit dem Sextanten auf den Felsen. »Dämliches Ding. Ohne mich wärst du doch im Magen dieses Lurkers verrottet.«
    Das Kichern hörte auf und Skip seufzte.
    Manchmal, da war sich Skip nicht sicher, ob es sich bei den Sextanten wirklich nur um Gegenstände handelte. Anfangs, als er das erste Mal einen von ihnen zu Gesicht bekommen hatte, hatte er sich ständig so gefühlt, als wäre er nicht mehr alleine. So als wäre noch eine weitere Person bei ihm, eine, die ihm auf Schritt und Tritt folgte, still und unsichtbar und dennoch da. Seitdem fragte sich Skip, welche Mächte die Sextanten wirklich innehatten.
    Woher kamen sie überhaupt? Steckte wirklich ein Stück der Götter in ihnen? Und wenn ja, wieso war dann ausgerechnet der Sextant Innos’ so ein zickiges, wählerisches Biest?
    Skip hätte den Sextanten - oder wahlweise Innos - gerne gefragt, aber beides versprach nicht allzu erfolgreich zu sein. Vielleicht würde Skip sich ein paar Bücher kaufen und dort nach Informationen zu den Sextanten suchen. Er hatte zwar noch nie ein Buch gelesen, aber lesen konnte er und interessante Informationen standen doch immer in irgendwelchen Büchern!
    Als Skip seinen Kopf hob und den Blick wieder auf das Ufer richtete, sah er plötzlich jemanden. Einen halbnackten Typen, der mit rasender Geschwindigkeit auf ihn zukam.
    Skip blinzelte verwundert.
    Was bei Gregs Bart war denn mit dem Typen los?

    ~*~*~

    Nicht schon wieder so ein Pirat!
    Da hatte sich Alvares gerade, trotz all seiner Schmerzen, zurück auf die Füße gekämpft und den Sextanten tatsächlich gefunden, als schon wieder ein Pirat direkt vor ihm auftauchte!
    Gut, diesmal war die Situation etwas anders. Der Pirat war nicht aus dem Nichts heraus aufgetaucht, sondern hatte mit einem Boot an das Ufer vor dem schwarzen Felsen angelegt. Und außerdem war der Kerl nicht maskiert. Er trug lediglich ein Kopftuch, eine Augenklappe und einen schlichten Säbel an seinem Gürtel.
    Trotzdem würde Alvares kein Risiko eingehen. Er stürmte los, direkt auf den Piraten zu. Dieser hob seinen Kopf, sah irritiert in Alvares’ Richtung und machte keine Anstalten, dem Söldner einen Zauberspruch an den Kopf zu werfen.
    Sehr gut!
    Alvares vergeudete keine Zeit. Er preschte weiter vor, steckte dabei die Arme aus, dann packte er den Piraten an seinen schmalen Hüften und riss ihn mit sich zu Boden. Alvares spürte den Sand gegen seine Haut reiben und er schmeckte die Körner auf seinen Lippen. Die beiden Männer lieferten sich ein kurzes Gerangel am Ufer und schließlich hatte Alvares ihn in der Hand.
    Den Sextanten.
    Diesmal war er an der Reihe, andere Männer bewusstlos zu zaubern.
    Diesmal würde er sich rächen! Ein für alle mal! Und dieser Pirat, der da unter ihm lag und ihn mit groß gewordenen Augen anstarrte, war das perfekte Ziel dafür!
    Alvares richtete den Sextanten auf seinen Kontrahenten, dann sprach er die magischen Worte:
    »Dusche mit Wasser und bereue!«
    Einen Augenblick lang passierte nichts, dann fing der Pirat an zu lachen.
    »Du Idiot«, sagte er prustend. »Das ist nicht der Sextant Adanos’, das ist -«
    »Fresse!« Alvares stand auf. Er taumelte, weil er sich völlig ausgelaugt fühlte. Kein Wunder, er hatte ja auch nichts mehr gegessen oder getrunken, seit er den Hof dieses Bauernvolks überfallen hatte.
    Trotzdem würde Alvares nicht aufgeben. Er ging ein paar Schritte zurück, bis seine Beine wieder einigermaßen festen Halt fanden, dann richtete er den Sextanten ein zweites Mal auf den Piraten.
    Komm schon, dachte er dabei verzweifelt. Irgendeiner dieser dämlichen Sprüche muss doch funktionieren!
    Alvares räusperte sich, dann legte er los:
    »Dusche mit Wasser und bereue! Wandle in den Schatten und bereue! Tu irgendwas und bereue, verdammt nochmal!«
    Aber der Pirat grinste unentwegt.

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