Das Skycar setzte sanft auf: Ziel erreicht. Rarkin schien von Caine ein gutes Bild zu haben, ihn sogar zu kennen. „Vermutlich haben Sie recht“, sagte Hanna, drückte den Journalisten dann aber doch weg. „Als Polizistin stehe ich für die freie Presse und ihre demokratiebildende Wirkung ein – aber nicht heute.“
Sie verließ den Wagen zusammen mit dem anderen Cop.
„Sie scheinen viele Freunde zu haben, Cap. Bei mir brauchen die Arschlöcher von der Forensik immer ewig. Entweder sind Sie sehr beliebt, oder Ihnen hängt Ihr alter Rang mehr nach als nur in einer Bezeichnung.“ Sie zwinkerte ihm zu.
Etwa zwanzig Schritte vor dem Eingang zum Bezirksamt zündete Hanna sich eine Zigarette an. Je nachdem wie lange die erste Auswertung der Kameras dauern würde, könnte sie eine Zeitlang nicht mehr rauchen. Also saugte sie rasch vier, fünf heftige Züge in ihre Lunge. Das Nikotin entfaltete seine neblige Wirkung. Hanna warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Die Keeper oder sonst wer würde sie aufheben. Sie spürte Rarkins Blick im Nacken. „Sagen Sie nichts. Ich weiß, dass ich aufhören sollte.“
Das Bezirksamt war, wie alles auf der Citadel, ein über Jahrhunderte kultiviertes und funktionierendes Organ mit einer in sich bestehenden Ordnung. Generationen von Aliens hatten dem Amt, seinen Hierarchien und seinem Selbstbewusstsein eine Prägung verliehen, die mehr mit einem Branding als einem Stempel zu vergleichen war. Grundsätzlich konnte man sagen: Es funktionierte – frei von Wertung. Verbesserungsbedarfe wurden ebenso ignoriert wie Arbeitserleichterungen oder die Farbe des Hintergrundbildschirms der Angestellten, der ein in Orange gehaltenes geometrisches Siegel zeigte. Sie betragen die Eingangshalle, deren Boden schwarz und spiegelnd wie blankgeputzter Marmor war. In der Mitte der Halle stand ein halbkreisförmiger Tisch vor einer hohen Glaswand, die den Blick auf dahinterliegende Fahrstühle verbarg; von denen Hanna aber genau wusste, dass sie dort waren. Am Tisch saß ein Mensch in weißer Arbeitskleidung, die als milchige Spiegelung im schwarzen Boden gerade noch zu erahnen war.
„Hanna Ilias, Detective 3. Das ist mein Partner Karvas Rarkin“, sagte Hanna zu dem professionell-freundlich lächelnden Kerl am Tresen. Sie reichte dem Mann ihren Dienstausweis über die Theke, der die Sicherheitsfreigabe bis Stufe Drei dokumentierte.
„Danke“, sagte er und scannte den Ausweis. Das System bestätigte Hannas Zugriffsrechte auf den größten Teil der hier gelagerten Daten zum Bezirk. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Wir brauchen Kamerazugriff. Eine Anforderung sollte eingegangen sein“, erklärte die Blondine gelassen. Sie wusste, dass das hier nur ein Spiel war. Eine Art Schwanzvergleich der Zuständigkeiten.
„Ja, die ist eingegangen“, sagte der Mann und bewies damit, dass Hanna mit ihrer Vermutung recht gehabt hatte. „Fahren Sie mit dem Lift in den achten Stock. Mit dieser Freigabe…“ Dabei übertrug er auf Hannas und Rarkins Omnitools temporäre und nur im lokalen Netzwerk arbeitende Programme: „…können Sie die Durchgangstür passieren. Dahinter wird Sie jemand empfangen.“
„Danke“, sagte Hanna und wandte sich ab. Sie und Karvas umrundeten den Tisch und gingen auf die Fahrstühle zu. „Dann wollen wir mal schauen.“ Sie spürte so etwas wie Aufregung in sich aufsteigen. Vielleicht hätte sie nach den Pleiten endlich einen Ansatzpunkt.