Zitat von
Luceija
Vigilio Gaius Ascaiath
Vigilio hörte seine Frau nicht. Nein, eigentlich, ging es ihm im Moment sogar ausgesprochen gut. Seit etwa zwei Wochen hatte er das Rauschen und die Stimmen in seinem Hinterkopf nichtmehr wahrgenommen und die Kopfschmerzen gingen zurück. Vielleicht lag es am deutlich ausgiebigeren Schlaf, den er dank Bekenstein und einem ruhigen Wellnesshotel gehabt hatte. Und das trotz dessen, dass er bis auf den Tag seiner Abreise seine Tasche und damit sein Gepäck nicht bei sich gehabt hatte, weil die Fluggesellschaft sie am Sicherheitscheck verbummelt hatte. Und, fuck, ja, so lange gebraucht hatte, bis sie wieder bei ihm eingetroffen war. Nunja. An den Credits hatte es nicht gemangelt und selbst als er wieder Zuhause bei seiner schwangeren Frau und seiner Tochter angekommen war, die mehr Power hatte als sie alle zusammen, ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Wie er das schaffte? Es war eine Mischung aus gutem Essen, Schlaf, der Gewissheit, dass seine schlimmen Befürchtungen wohl doch nur Gerüchte gewesen waren und einem Podcast über True Crime Fälle, den er gespannt hörte, während er einen selbstpanierten Fisch in mehreren Stücken in eine Pfanne voller Öl legte und frittieren ließ. Ja, sie konnten sich Köche und Butler und Putzkräfte leisten, aber wieso sollte er? Er KONNTE kochen, er tat es gern und hatte ausnahmsweise mal Zeit.
Dass es klingelte hörte der gebürtige Britaliener ebenfalls nicht. Aber - sein Handgelenk leuchtete am injizierten Chip auf, als bekäme er einen Anruf. Gerade war ein Ermittler dabei gewesen, den Fundort einer zwanzig Jahre vermissten Leiche preiszugeben, da stoppte der Podcast wie ein klassischer Cliffhanger eben wegen genau jener Benachrichtigung und ihn in seinem Flow. "Jemand ist an der Tür!", rief er Zora zu, und hatte selbst keine Ahnung von ihrem wenig charmant formulierten Ausdruck. Er nahm ein Earpiece aus dem Ohr, hörte in genau diesem Moment Zora nicht, steckte es zurück und sprach dann zu scheinbar niemandem: "Türkamera 1 auf Omnitool 2.". Mit einer Zange wendete er den Fisch auf die andere Seite um ihn beidseitig knusprig werden zu lassen und beobachtete kurz danach das Hologramm an seinem Handgelenk. "Che?", fragte er sich und gab die Anweisung: "Türkamera 1 Zoom auf 200%."
. . .
"Oh, cazzo, e adesso? Oh fuck was ist jetzt?". Luci. Nein, Scheiß drauf, nichts gegen ihren Besuch, aber meist, wenn sie alleine hier aufkreuzte, war irgendetwas passiert. Bitte nicht wieder. Bitte nicht. Vigilio drehte den Herd komplett runter, griff nach einem Geschirrtuch um seine Hände zu säubern, nahm die Schürze ab um sie über den Stuhl zu hängen und war bereits auf halbem Weg in Richtung Tür.
Für Luci dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, aber sie ließ davon ab ein zweites Mal zu klingeln. Sie stand mit verschränkten Armen vor dem Eingangstor, sah sich nach links und rechts in der Nachbarschaft um und gab zu, dass es wie immer in London etwas kühler war. Ihre Jacke hatte sie dummerweise noch bei Leif im Auto, was ihr fast wieder einen Herzinfarkt bescherte, weil sie...betete, fucking betete, dass er niemals diese Jacke falsch hielt und ihm dieses Bild auffallen würde. Ihr wurde schlecht und heiß gleichzeitig und dann, plötzlich, ging die Haustür einige Meter hinter dem Tor auf und der Bewegungsmelder ließ den gesäumten Weg bis zur Garage und der Haustüre am Rande entlang aufleuchten. Sie sah einen schwarzen Schopf in der Ferne. Er erkannte sie problemlos und trat in Hausschuhen nach draußen, sagte irgendwas, was sie nicht verstand und dann fuhr das Eingangstor ratternd zur Seite hinein auf. "Luci, stai bene? Luci, bist du okay?"
Sie seufzte. "Mi abituerò mai a questo tuo saluto? Sì, sto bene, Gil. Gewöhn ich mich irgendwann dran, dass DAS dein Hallo ist? Ja, mir gehts gut, Gil." Ja, wenigstens ein leichtes Lächeln. "Probabilmente mai. È una cattiva abitudine. Vermutlich niemals. Ist ne schlechte Angewohnheit.". Sie kamen aufeinander zu, bis er nah genug war um Luci in die Arme zu nehmen. Und-...sofort zu bemerken, dass sie so dürr geworden war wie ein Skelett. Er ließ sie noch nicht einmal los, ehe ER seufzte, ihm sein Lächeln verging und zu einem leidenden Ausdruck wurde, den sie zum Glück noch nicht sah. "Vorrei davvero crederti che va tutto bene, ma ogni volta sei ancora più magra di prima. Ich will dir wirklich glauben, dass alles ok ist, aber jedes Mal bist du NOCH dünner als vorher." "Gil..."
"Va bene, va bene. È bello vederti. Entrate, ok, ho qualcosa in padella. Schon gut, schon gut. Ist schön dich zu sehen. Komm rein, ok, ich hab was in die Pfanne gehauen.", lenkte er relativ rasch ein und behielt lediglich einen Arm an ihr, mit dem er sie in Richtung Eingang führte.
Seine Hausschuhe knirschten auf dem Weg bis zur Tür. Er sah über seine und ihre Schulter auf die Straße hinter dem Hof, während das Tor wieder zu glitt, hier aber niemand mehr zu sehen war. "Sei solo? Du bist allein?", war dieselbe Frage wie 'Wo ist Leif', nur anders formuliert. Sie nickte deutlich. Ein sanftes 'ohoh' bohrte sich in Gils Schädel, der sie hinein bat und die Haustür hinter ihnen beiden wieder schloss.
"Tesoro, abbiamo una visita! Liebling wir haben Besuch!", rief ER jetzt nach oben und nahm endgültig beide Earpieces heraus um sie in seiner Hosentasche zu verstauen. "Entrate pure. Vuoi bere qualcosa? Komm ruhig rein. Willst du was trinken?", Luci lief ihrem Bruder langsam nach und sah sich auf dem Weg durch das durchaus pompöse, hochmoderne Haus, dass mit Sicherheit irgendein Stardesigner hier hingesetzt hatte, permanent um. Teure Gemälde mit Beleuchtungen, ein paar moderne, wohlplatziert eingesetzte Pflanzen, eine überaus stilvolle Einrichtung, die bis auf einem Haufen Gebasteltem und Zeichnungen eines Kindes am Kühlschrank kaum erkennen ließen, dass es sich hier um ein Haushalt mit eben bald zwei Kindern handelte. Fuck, niemand konnte alles SO sauber halten wenn man keine Keeper wie auf der Citadel hatte. DACHTE sie. "È una specie di... residenza a lungo termine, adesso? Ist das hier jetzt sowas wie...euer...Langzeitwohnsitz?", wollte Luci wissen und ließ sich zu einem Lächeln hinreißen. Gil lachte daraufhin, breitete seine Arme aus und deutete auf die Einrichtung alleine der riesigen Küche. "Almeno per ora, sì. Chissà, forse una piccola villa estiva da qualche parte sul Bekenstein o qualcosa del genere. Tutto ciò che potete permettervi. Erstmal zumindest, ja. Wer weiß, vielleicht noch ne kleine Sommervilla irgendwo auf Bekenstein oder sowas. Was man sich eben so leistet." "Sì, certo. Ja, klar.", lachte sie tonlos.
Gil wartete nicht länger auf eine Antwort, öffnete den Kühlschrank, nahm ein Ginger Ale heraus und ein Glas aus dem Schrank, stellte Luci beides auf den nahen Esstisch und musste sie kaum lange bitten, bis sie sich setzte. Dabei...merkte, dass sie sich ein bisschen...unwohl fühlte, was wohl hauptsächlich an ihr selbst und diese paar...sehr intensiven Stunden in diesem Auto lag. "Posso fare una doccia veloce a casa tua più tardi? Kann ich bei euch nachher kurz duschen?", wollte sie wissen und schenkte sich Ginger Ale ins Glas. "Certo che si può. Rimani a cena? Natürlich kannst du das. Bleibst du zum Essen?", wollte er wissen. Luci...zuckte mit den Schultern.