[Ajanna]

Die Freunde der Wassermagier - Coragon's Kneipe

"Ich bin aus Nordmar," erzählte Kenno.
"Was Varant betrifft, habe ich nicht mehr als den Gebirgspass gesehen, der Myrtana und Varant verbindet. Etwa ein Jahr lang war ich in der Nähe stationiert. Wir sind alle paar Wochen ausgerückt, um entweder Banditen aus dem Norden, oder Banditen aus dem Süden, oder irgendwelche Viecher vom Pass zu vertreiben... einmal waren 's auch Orks, einmal Piraten, denen wir auf den Sack gehauen haben.
Unzugängliches Geländes da oben. Das - und die verlockende Nähe zu den großen Karawanenstraßen - zieht alles Kroppzeuch an, das nicht arbeiten will für sein Auskommen. Aber das war vor dem Krieg. Ich denke nicht, dass der König jetzt noch Truppen dafür abziehen kann, die südlichen Handelsrouten zu schützen. Was ist mit den Minen von Ben Sala? Warum fragst du danach?" wollte er wissen.

"Im Text sind sie erwähnt - eigentlich nur mit einem Satz. Eine Art böse Energie... Arbeiter sind vor der Zeit gestorben. Wahrscheinlich nur Aberglauben oder eine Legende, um zu verdecken, dass sie vom Lohn zu wenig Fleisch auf die Rippen gekriegt haben. Ich bin total erledigt - brauche ein paar Stunden Schlaf, bevor wir wieder losziehen..." beendete Skandras das Gespräch lahm.

"Geht mir genauso," meinte Kenno. "Hatte letzte Nacht ungebetene Gäste."
Er bot Lynn noch an, sie ins Gasthaus zurück zu begleiten.

- - -

Einige Zeit später standen Skandras und Kenno allein in der dunklen Gasse vor Constantinos Alchemie-Laden.
"Willst du wirklich heute Nacht bei euch im Quartier übernachten," murmelte Skandras. "Ist vielleicht nicht sicher..."
"Wie stellst du dir das vor?" knurrte Kenno. "Ich denke nicht, dass Harad es gut findet, wenn wir plötzlich zu dritt in seinen Haus schnarchen."
Skandras musste ihm Recht geben. Dass Harad ihn einfach so, kostenlos, bei sich schlafen ließ, das tat er aus Sentimentalität, um alter Zeiten willen. Kenno war kein Teil dieses Arrangements.
"Die Fischer sind draußen... da sind ein paar Hütten am Strand frei."
"Am Fernkai hängen doch auch Kameraden rum," gab Kenno zu bedenken. "Wachen vom letzten Schiff, das, nach dem Enzo gefragt hat."
"Ich meine auf der anderen Seite. In der Nähe der Insel."
"Ja, warum eigentlich nicht... müssen wir dahin schwimmen?"
"Ha! Nordmarer, das ist doch der Spaß dran!" rief Skandras und rannte los.

Skandras und Kenno - Strand vor der Insel

Es war bereits spät, der Himmel bewölkt, ein eiskalter Wind peitschte Schaum auf die Wellen. Doch Skandras und Kenno wussten beide, dass das Meer durch die vergangenen wärmeren Tage noch eine akzeptable Temperatur hatte. Und so standen sie bald schnaufend, aber erfrischt auf einem kleinen Sandstrand südlich von Khorinis. Ein paar fauchenden und kratzenden Waranen hatten sie vorher den Weg in die ewige Dunkelheit zeigen müssen, doch zu zweit war das keine große Sache.

Die angekündigte Hütte war tatsächlich gerade nicht bewohnt. Das war allerdings bereits das Beste, das man über sie sagen konnte, abgesehen von der idyllischen Lage: eine Bretterbude aus einem stabilen Balkengerüst, vor der ein paar Netze und Fische zum Trocknen hingen. Das Bett war genauso einfach: ein hölzernes Gestell mit einem Strohsack und einer einzigen Wolldecke. Doch der Innenraum war geschützt, und Kenno legte sorgfältig seine Rüstungsteile zum Trocknen aus.
Sie gingen noch mal zum Strand hinunter und sahen zu der kleinen Insel hinüber, die gerade so noch im Nebel erkennbar war. Ein fusseliger Eisregen hatte begonnen, der auf der Haut brannte wie kleine Nadeln. Skandras lachte. Er liebte die rauhe See. Kenno wurde plötzlich klar, dass dies etwas war, das sie gemeinsam hatten.
"Ich glaube, Nordmar würde dir gefallen," sagte er. Ihm war innerlich warm, und der Ärger des Tages fiel von ihm ab. Skandras drehte sich zu ihm.
"Zeig es mir. Ich komme mit dir." Seine Augen strahlten.

[Ronsen]

Lynn - am Adanostempel

Die junge Novizin des Wassers verbrachte ihren Abend damit, einige der vom Morgen übriggebliebenen Talismane zu segnen. Es war nicht so, dass dies wirklich nötig wäre; ein einmal gesprochener Segen hatte kein Verfallsdatum. Allerdings hatte sie das Gefühl, dass ihre bisherigen Anstrengungen nicht die gewünschten Früchte trugen. Skandras und Kenno hatten sich eigenmächtig verabschiedet, obwohl der eigentliche Plan besagte, dass sie heute noch zu Orlans Taverne aufbrechen wollten. Sie spürte Spannungen zwischen Cavalorn und Enzo und Lares hatte sich von allen Beteiligten bislang am Wenigsten in die Gruppe integriert. Vielleicht hatte sie diese Herausforderung zu blauäugig angetreten, hatte von den Helfern mehr Frömmigkeit und Gottesfürchtigkeit erwartet. Oder aber sie war einfach nicht überzeugend genug aufgetreten. Was sollte sie tun? Einfach allein den Weg antreten? Das käme einem Todesurteil gleich. Mehr Geduld aufbringen? Das wäre sicher der richtige Weg. Doch hier ging es um nicht weniger als das Überleben des Ordens der Wassermagier. Wie konnte sie da nur abwarten und Däumchen drehen? Wenn sie doch nur jemanden finden würde, der mit vollem Herzen bei der Sache ist, der die nötige Überzeugungskraft und Ausdauer mitbrachte ...
Vielleicht konnte sie diesen Menschen doch noch finden. Ein stärkerer Segen des Talismans konnte dabei helfen, davon versuchte sie sich zu überzeugen. Was blieb ihr auch sonst für eine Wahl?

Ihr stilles Ritual wurde von zwei ihrer Begleiter unterbrochen. Lares und Cavalorn begrüßten sie und verkündeten ihre Bereitschaft zum Aufbruch. Lynn erschrak, als sie Cavalorns Gesicht sah. Er hatte sich ein ziemliches Veilchen eingefangen.

"Was ist denn mit dir passiert, Cav?", fragte sie schockiert.

"Nicht der Rede wert." Der Jäger machte eine abweisende Geste. "Du solltest mal sehen, was ich mit dem Typen angestellt habe, dem ich das blaue Auge verdanke. Der steht nicht so schnell wieder auf."

Lynn schüttelte verständnislos den Kopf.

"Er wollte mir den Talisman abnehmen", verteidigte sich Cavalorn. "Das konnte ich nicht zulassen."

"Eigentlich habe ich die Prügelei ja aufgelöst", sagte Lares mit einem Seufzen. "Aber Cav hat Recht, das ist wirklich nicht der Rede wert. Sollen wir jetzt nicht aufbrechen? Wo sind die anderen?"

Lynn klärte die beiden über die aktuelle Lage auf. Wahrscheinlich würden sie erst morgen früh den Weg zu Orlans Taverne antreten. Cav zeigte sich angesäuert, Lares' Gesichtsausdruck blieb neutral.

"Gehen wir doch einfach ohne sie", ätzte Cavalorn. "Dieser Enzo hält sich für was Besseres. Skandras macht sich Scherze auf meine Kosten und mit diesem Kenno kommst du doch auch nicht klar oder Lares? Von denen hat doch keiner das Potential, Teil des Rings zu werden, also was soll das?"

"Halt die Klappe, Cavalorn", raunte Lares ihn jedoch an. "Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir drei Möchtegerne eine Chance gegen die Gewalten des Minentals haben. Wir haben es kaum dort herausgeschafft. Und überleg mal, wie effektiv sich Kenno und die anderen beim Kampf gegen die Goblins und Orks gezeigt haben. Wir haben vielleicht nicht dieselbe Einstellung, aber das war auch nie der entscheidende Punkt des Rings. Mitglieder des Rings des Wassers sind treue Diener Adanos' und des Gleichgewichts. Solange sie an die Sache glauben, sind sie alle willkommen."

Lynn lächelte. Vielleicht hatte sie sich in Lares getäuscht. Er war ein vielbeschäftigter Mann, so viel wusste sie bereits. Wer weiß, welche Strippen er noch zieht.

"Wir sollten dennoch bemüht sein, die Truppenstärke weiter zu erhöhen, auch um Ausfällen vorzubeugen", fuhr Lares fort. "Wenn wir morgen an Onars Hof vorbeikommen, werde ich mal ein bisschen die Werbetrommel rühren. Vielleicht kann Lee ja noch jemanden für unsere Sache entbehren. Er stand schließlich immer treu zu den Idealen der Wassermagier."

"Das ist eine gute Idee", pflichtete Lynn ihm bei.

"Und du, Cav", fuhr er fort. "Du könntest ja mal deine Ohren spitzen und herausfinden, wo sich diese beiden Großwildjäger befinden, denen wir heute Vormittag begegnet sind. Mit der richtigen Motivation können wir sie sicher überzeugen, uns ins Minental zu begleiten. Vielleicht wäre dieser berüchtigte Drachensnapper, der sich in der Nähe des Minentals breitgemacht hat, ja ein Anfang."

"Meinetwegen", erwiderte Cavalorn kühl. "Ich werde mich mal ein wenig in der Stadt umhören. Vielleicht sind sie ja noch nicht weitergezogen."

[Ajanna]

Noch bevor die Sonne aufging, kehrten Kenno und Skandras an den Hafen zurück. Dieses Mal zeigte Skandras Kenno einen Weg über die Felsen, denn sie hatten beide keine Lust, den Weg zu Onars Hof in nasser Kleidung anzutreten.
Kenno kaufte etwas Brot und Käse an einem Stand in der Gasse zum Hafen. Skandras verschwand kurz um die Ecke eines Hauses und kehrte mit zwei süßen Rosinenbrötchen wieder zurück. Kenno verkniff sich eine Bemerkung.
Vor Kardiffs Kneipe sahen sie amüsiert zu, wie ein kräftiger Bursche dem Schläger Moe zeigte, was ein linker Haken ist. "Der Junge hat Potential," dachten beide. Sie hörten, wie er sich bei Kardiff als Ronsen vorstellte, und ein paar Informationen über die Stadt einholte. Kenno überlegte, ihm zur Feier des Tages ein Bier auszugeben. Doch dann trollten sie sich weiter, um auf dem Markt ein paar Heiltränke und Pfeile zu kaufen.
Zu Kennos Freude sahen sie dort Hroodschah am Stand von Zuris stehen. Die warme Morgensonne umschien ihr zimtbraunes Gesicht und glänzte auf ihrem Haar wie einen Aureole. Sie verhandelte lautstark und offenbar hart um den Preis eines besonderen Trankes. Als sie sich schließlich erfolgreich abwandte, war sich Kenno - ähnlich wie am Tag vorher bei Enzo - sicher, dass da irgendetwas gelaufen war, was Zuris entgangen war.

"Mein Bruder in Gesellschaft der Königstreuen - wenn das nicht zur schlechten Gewohnheit wird," begrüßte die junge Bogenschützin Skandras. "Willst du uns nicht vorstellen?"
Ihr Begleiter Birko war nirgends zu sehen.
"Was soll das, Hroodschah? Hast du Birko im Wald zurückgelassen?" Kenno wunderte sich über die Schärfe in Skandras' Stimme.

"Birko verhandelt mit Bromor. Du glaubst nicht, wie viel manche seiner Kunden für die Hörner von Schattenläufern bezahlen. Manche geben sogar Erz dafür. Wäre das nichts für dich? Warum kommst du nicht mit uns und lernst endlich ein Handwerk, das dich nicht nur mit Bier und Fischsuppe versorgt?"
"Ich komm schon klar. Und nein, ich bin da an einer anderen Sache dran, Schwesterherz."
An dieser Stelle beschloss Kenno, nicht länger nur auf dem Marktplatz herumzustehen wie eine Statue.
"Wenn euer Schattenläufer-Auftrag erledigt ist, wie wäre es, wenn du und Birko mitkämt mit uns Richtung Hochplateau vor dem Pass ins Minental? Es soll dort eine neue Art Snapper gesichtet worden sein, stärker als alles, was wir hier bisher kannten. So wie ich euch beide einschätze, liebt ihr doch die Herausforderung..."
"Wer bist du?"
"Ich bin Kenno. Meine Rüstung hast du ja bereits bemerkt. Aber vor allem bin ich auch Forscher. Mich interessieren die Veränderungen, die seit dem Fall der Barriere dort auftreten und alles Neue, was dort zu finden ist."
"Kannst du dir uns denn leisten?"
"Ich bezahle nicht für eure Begleitung. Ich biete euch an, uns bei einer Forschungsreise zu unterstützen und dabei neue Trophäen zu entdecken. Was ihr erjagt, ist dann euer Gewinn an der Unternehmung."
"Ich weiß nicht, Großer. Vielleicht - vielleicht nicht. Ich werd' mal Birko fragen. Vielleicht werden wir auch erst mal eine kleine Pause einlegen. Wir finden euch dann schon, falls wir es uns überlegt haben."