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    Legende Avatar von Ajanna
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    Skandras - Wald vor der Stadt Richtung Lobarts Hof

    "Danke. Weshalb hatten sie dich eigentlich eingebuchtet? Ich frage das nicht ohne Grund. Es gibt hier verschiedene Möglichkeiten, wem du dich anschließen kannst. Du kannst natürlich auch völlig unabhängig sein, aber dann bist du auch auf dich alleine gestellt. Und die Leute hier im Westen mögen die ehemaligen Sträflinge aus der Kolonie nicht besonders.
    Du kannst dich zum Beispiel zu den Söldnern auf Onars Hof durchschlagen. Wenn du im Neuen Lager warst, ist das vielleicht das Naheliegendste.
    Es gibt da noch die Stadtwache und die Paladine, aber mit denen haben wir es uns wohl eben gründlich verdorben. Jedenfalls für die nächste Zeit. Sie suchen immer nach starken Kämpfern, weil sie durch die Orkkriege dezimiert sind. Ein Teil ihrer Männer wurde aufs Festland abkommandiert, aber nicht einer von denen ist zurück gekommen.
    Es gibt noch verschiedene Magier, Banditen - und es gibt eine Diebesgilde.
    Was letztere betrifft, für mich ist das nichts. Ich habe eben über einen Neuanfang nachgedacht. Aber du kannst dich frei entscheiden. Nur wüsste ich gerne, mit wem ich unterwegs bin."

    Geändert von Ajanna (26.01.2022 um 11:36 Uhr)

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    Enzo - Umquerung der Stadt in Richtung Lobarts Hof

    Ihr Weg hatte sie erst durch einen Wald und dann einen steilen Bergstieg empor. Die Stadt war noch in der Nähe, daher hielt Enzo stets auch einen wachsamen Blick in diese Richtung.

    "Ich habe früher Glücksspiel betrieben", antwortete er auf Skandras' Frage hin, "Würfeln, Karten, Hütchenspiele. Menschen lieben das Risiko, kennen sich aber schlecht mit Gewinnchancen aus. Meistens habe ich gewonnen und dann das Geld umverteilt. Zu meinen Gunsten."

    Enzo dachte ein bisschen sehnsüchtig an diese gute alte Zeit zurück. Er hatte viele Freunde gehabt, immer genug Gold, um sich über Wasser zu halten und einen ungesunden Lebensstil zu frönen. Das waren seine wilden Jahre und er hätte sie sich nicht schöner vorstellen können.

    "Na ja, anscheinend hatte einer der Kerle, die ich ehrlich um ihr Spielgeld erleichtert habe, ein paar mächtige Freunde, die ganz dringend auf der Suche nach Freiwilligen für die Minenarbeit waren. Den Rest kannst du dir ja vorstellen."

    Dann ging Enzo gedanklich die Optionen durch, die Skandras ihm soeben präsentierte. Söldner, Paladine, Magier, Banditen, Diebe... oder doch nur ein Leben als flüchtiger Emerit? Er wusste nicht genau, was er darauf antworten sollte. Er war ja gerade erst angekommen. Sicherlich wäre es einen Versuch wert, zu diesem Söldnerhof zu gehen und nachzuschauen, ob einige seiner Kumpane aus dem Neuen Lager tatsächlich dort untergekommen warnen. Aber besonders dicke Freunde waren sie nie gewesen. Er fragte sich viel eher, was wohl aus den Wassermagiern der Kolonie geworden war.

    "Du bist mit einem freien Mann unterwegs, der keinen Bezug zu diesen Gruppen hat. Nun, das ist nicht richtig. Zu den Paladinen in die Stadt treibt es mich gegenwärtig wohl nicht, da sind wir schon zu zweit, nicht wahr?"

    Ein leichtes Grinsen stahl sich über seine Lippen.

    "Abgesehen davon bin ich offen dafür, neue Bekanntschaften zu machen, hart anzupacken und Geld zu verdienen. Was ist mit dir? Du kennst dich hier ja bereits ein wenig aus. Wie sollte dein Neuanfang aussehen?"

  3. Beiträge anzeigen #23 Zitieren
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    Skandras - Felswand unterhalb des Stadt-Grabens

    Während Enzo erzählt hatte, waren sie von einem Wolf angegriffen worden. Skandras zog seinen Piratensäbel, und sah erleichtert, dass auch sein Kumpan mit seiner Waffe umzugehen vermochte. Zusammen gelang es ihnen, den reißenden Zähnen zu entgehen und das Biest zu erlegen.

    "Du kannst ihm das Fell abziehen, wenn du möchtest, oder auch die Zähne oder Klauen verwenden. Manche Händler zahlen dafür gute Preise. Ich nehme mir nur das Fleisch. Es gibt Menschen, die mögen das nicht, aber ich kenne jemand, der legt es ein und dann verliert es seine Zähigkeit und Strenge."

    Eine interessante Waffe hatte Enzo da. Ein Kurzschwert, aber scharf und effektiv; Nordmarer Arbeit, wahrscheinlich schon etwas älter.

    "Ich bin Schmied und habe in der Stadt bei Harad gelernt. Gelegentlich arbeite ich noch für ihn. Aber aus seinem Geschäft hat er mich rausgeschmissen, als er mitgekriegt hat, dass ich nicht Lesen und Schreiben kann. Auch die Miliz wollte mich deshalb nicht.
    Damals war mir das egal, ich bin eine Weile mit den Fischern rausgefahren. Harte Arbeit für gutes Geld - vielleicht wär' das was für dich. Oder... auf den Höfen brauchen sie immer mal kräftige Kerle, die zupacken können.
    Auf Dauer und wenn du wissen willst, wo du abends schlafen wirst, ist eine Gemeinschaft nicht verkehrt.

    Ich wollte heute Abend in die Stadt zurück, mit diesem Kenno nochmal reden, der mich angeschwärzt hat. Du hast ja mitgekriegt, dass sie mich deshalb eingesperrt haben. Vielleicht kann ich ihn dazu bewegen, die Angelegenheit anders als über die Miliz zu klären.
    Außerdem will ich zu Vatras. Das ist ein Wassermagier, und er kann dich heilen, wenn dein Schädel bis dahin noch brummt. Er kann er dir auch beibringen, mit Magie umzugehen. Vielleicht kann er mir lesen und schreiben beibringen. Damals war ich zu stolz, ihn zu fragen.

    Und hier müssen wir jetzt hoch klettern, dann kommen wir vor dem anderen Stadttor raus. Ich steige voran. Versuch, mir zu folgen... der Fels ist nicht bröckelig, es ist eigentlich nicht besonders schwer."

    Geändert von Ajanna (26.01.2022 um 16:39 Uhr)

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    Enzo - Felswand unterhalb des Stadtgrabens

    Enzo entschied sich dagegen, dem Wolf das Fell abzunehmen. Er hatte jetzt nicht wirklich Lust, einen blutigen Flohteppich mit sich herumzuschleppen, auch wenn er dafür die ein oder andere Münze hätte bekommen können. Bevor er das tat, musste er erst einmal einen entsprechenden Abnehmer kennen - und er war ein Mann, der die Preise gerne verglich.

    Die Zähne hingegen waren weniger sperrig und fanden noch ein Plätzchen in seiner Tasche. Das Tier war ausgehungert und anscheinend von seinem Rudel verstoßen, sonst hätte es wohl kaum einen derart riskanten Angriff gewagt. Trotzdem war Enzo ein wenig erschrocken, als das Tier plötzlich vor ihnen stand. Im Minental hatte er bereits ein ganz gutes Gespür für die Jagdgründe gewonnen, hier würde er sich dieses ganze Wissen erst wieder aneignen müssen.

    "Und du glaubst, sie lassen dich heute Abend wieder in die Stadt?", fragte Enzo skeptisch, "Werden da keine Steckbriefe ausgehängt?"

    Er selbst würde sich vorher neue Klamotten besorgen müssen, irgendetwas unauffälliges, sonst würde er wohl kaum an den Torwachen vorbeikommen. Sie mochten eine gewisse Inkompetenz ausstrahlen, aber sie waren nicht blind. Bei der Erwähnung des Wassermagiers wurde Enzo ebenfalls hellhörig, aber er würde das Thema später ansprechen.

    "Kann dein Kumpel Kenno vielleicht auch meinen Namen reinwaschen, wenn er schon über solche Macht verfügt?"
    Geändert von Ronsen (27.01.2022 um 07:34 Uhr)

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    Skandras - in der Felswand unterhalb des Stadtgrabens

    Skandras lachte ein wenig freudlos.

    "Es geht doch nicht ums Reinwaschen. Ich hab Mist gebaut. Den muss ich wieder in Ordnung bringen.
    Du musst deinen eigenen Weg finden, das bei deinen Taten zu tun. Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum sie dich in der Stadt eingebuchtet haben. Denn die Geschichte von den alten Spielschulden aus der Kolonie, die kauf ich dir nicht ab. Denn wenn ich eines sicher weiß, dann das: wenn du einem der dicken Fische unter den Gefangenen, die damals die Königstreuen umgebracht haben, eins ausgewischt hättest, hätten sie dich in Khorinis ins Hotel eingeladen und dir ein Bier spendiert. Lord Hagen, der Oberste der Paladine, hätte es dir persönlich überreicht."

    Der Fremde aus der Kolonie stellte sich beim Klettern geschickt an. Er hatte auch genug Ausdauer, um nicht zu schnaufen wie ein Snapper und genug Weitsicht, sich nicht in ein totes Ende zu bringen.

    "Was den Hof betrifft: es gibt dort einen Arbeiter namens Vino. Wenn man dem einen oder zwei Wein spendiert, schafft der garantiert seine Arbeit nicht. Dann ist Lobart, der Bauer, eher bereit, zwei zusätzliche Arbeiter einzustellen. Was zu Essen können wir bei der Bäurin kaufen.
    Außerdem gibt es da oben einen Innos-Schrein. Ich weiß nicht, wie du das mit dem Glauben hältst. Aber da kann man beten und ich werde das tun.
    Aus dem Glücksspiel hältst du mich besser raus. Das ist nichts für mich."

    Geändert von Ajanna (27.01.2022 um 16:45 Uhr)

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    Enzo - nahe Lobarts Hof

    "Weil ich wie ein Sträfling aus der Minenkolonie herumlaufe natürlich", war Enzos knappe Antwort. Er war davon ausgegangen, dass Skandras ihn nach seinem eigentlichen Grund der Inhaftierung fragte, dem Grund, warum er in der Barriere war. Dass die Milizen hier in Khorinis voreingenommen und von ihrer Arbeit überfordert waren, hatte Enzo inzwischen verstanden. Aber anders als seine Kollegen aus der Kolonie hatte er sich so dämlich verhalten und war ihnen direkt in die Arme gelaufen.

    "Ich dachte wohl, mit dem Fall der Barriere sei ich ein freier Bürger. Das war wohl ein Irrtum. Vogelfrei trifft es eher. Die Jungs aus dem Minental werden wohl immer noch grundsätzlich als Sträflinge angesehen. Na ja, vielleicht finde ich einen Weg, diesen Stempel, der mir auferlegt ist, abzuwischen. Und wenn nicht, findet sich sicherlich auch ein anderer Weg aufs Festland, als einfach nur über den Hafen."

    Als Skandras ihm von dem Innos-Schrein erzählte, zuckte Enzo kurz überrascht, aber unmerklich auf. Er hatte ihn nicht für einen Anhänger Innos' gehalten und da bemerkte Enzo plötzlich, wie voreingenommen auch er selbst war. Innerhalb der Barriere waren die wenigsten gottesfürchtig, zumindest gegenüber der traditionellen Alten Götter. Es gab natürlich die Sektenspinner, aber dieses Buch würde er jetzt nicht aufschlagen. Dass Magie innerhalb der Kolonie der Macht unterlag, mussten die Feuermagier am eigenen Leib erfahren, als Gomez sie abschlachten ließ. Welchen Schutz konnte sich da Enzo von einem Gott erhoffen, wenn er zuließ, dass seine treusten Diener ihr Dasein in einem Gefängnis fristen und schließlich ermordet werden? Er hatte zwar ein gewisses Interesse an Magie, aber dem Glauben war er nie sonderlich verfallen. Gab es das eine überhaupt ohne das andere?

    Sie erreichten besagte Innos-Statue und Skandras schenkte Enzo einen fragenden Blick.

    "Ich habe noch nie gebetet", sagte er schließlich und verschränkte die Arme vor der Brust, da sich ein beklemmendes Gefühl in ihm ausbreitete, "Mach du mal. Ich ähm... ich gehe dann schon mal da rüber in Richtung Hof."

    Enzo entfernte sich von Skandras, aber tat dies in langsamen Schritten. Er hatte keine Lust, gleich wieder wegen eines Missverständnisses vom Hof gescheucht zu werden. Doch vielleicht verließ er sich auch schon viel zu sehr auf diesen Kerl, den er erst seit wenigen Stunden kannte. Er musste sein früheres Selbstbewusstsein wiederfinden und wenn das nicht ausreichte, half ihm schließlich immer noch seine Durchtriebenheit.

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    Skandras - nahe Lobarts Hof

    Skandras zögerte einen Moment. Er hatte Enzo verärgert. Aber er widerstand der Versuchung, ihm sofort hinterher zu rennen und konzentrierte sich auf den Schrein. Man sah, dass er regelmäßig besucht wurde: auf dem Sockel lagen verschiedene einfache Gaben, die von der Frömmigkeit der Menschen hier draußen Zeugnis ablegten. Es dauerte einen Moment, bis er sich sammeln konnte. Dann bat er um einen gelingenden Neuanfang und spendete sogar das Gold, das er von Enzo erhalten hatte. Es erschien ihm passend, denn er hatte nicht mit einer Entlohnung gerechnet.

    Ob er tatsächlich erhört worden war, oder nicht, wer konnte das sagen? Doch er fühlte sich erleichtert.

    "Warte auf mich!" rief er Enzo hinterher. Der kämpfte bereits wieder, diesmal mit einer Blutfliege. Widerliche Viecher das! Sie waren ausnehmend hässliche und aggressive Blutsauger. Ihr Gift konnte leicht einen ausgewachsenen Mann töten. Ihre Flügel erzeugten ein rasselndes Geräusch, das Skandras manchmal bis in den Schlaf verfolgte. Unter anderem deswegen hatte er einen Teil der Flügel auf seine Jacke genäht gehabt, und sich am Erschrecken der Mädels in Khorinis erfreut.

    "Sauviecher, elende. Enzo, lass nicht zu, dass sie dich von hinten erwischen, sonst bleiben deine verrottenden Knochen hier liegen, und dann wird das nichts mit den Spielchen heute Abend. Ich weiß garnicht, wo die immer wieder herkommen. Manche sagen, von der Goblin-Scheiße. So! Nimm dies, du hässliches Fluggesindel. Unser Blut wirst du mit deinem Leben bezahlen!"

    Geändert von Ajanna (27.01.2022 um 09:33 Uhr)

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    Enzo - Lobarts Hof

    Blutfliegen waren fürchterliche Biester. Nur ein Gott der abgrundtiefen Finsternis und Bösartigkeit konnte auf die Idee kommen, Insekten zu erschaffen, die die Größe eines Kleinkindes erreichten. Und nur ein geistig völlig krankes Wesen rüstete diese Kreaturen auch noch mit Flügeln und Stacheln aus. Ihre schiere Existenz reichte schon aus, dass Enzo keine Nacht im Freien verbringen wollte. Zum Glück hatte er dieses agressive Exemplar mit einem langen Ast auf Abstand halten können, bis Skandras zur Unterstützung kam. Das Unvieh trudelte schließlich benommen zu Boden, wo es noch kurz zuckte. Enzo beendete die Qualen des Tieres mit einem Tritt seines schweren Stiefels. Aus dem Korpus der Fliege trat ein widerlich stinkendes Sekret aus.

    "Wenn die von Scheiße angelockt werden, sollte es in der Kaserne in Khorinis ja nur so wimmeln von denen", sagte Enzo und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war immer noch zu ausgelaugt für solche Abenteuer und die Wunde an seinem Kopf war wieder aufgegangen. Der Verband sollte beizeiten gewechselt werden, vielleicht hatte der Bauer ja was da.

    "Dieser Lobart", begann Enzo, "Ist das eigentlich ein gastfreundlicher Typ?"

    Er stellte diese Frage, weil just in diesem Augenblick ein älterer Bauer mit zwei Knechten im Stechschritt zu ihnen kam. Sie alle hielten ihre Feldwerkzeuge angriffsbereit in den Händen.

    "Hey hey, ganz ruhig, wir wollen keinen Ärger", rief Enzo abwehrend, doch schnell registrierte er, warum sich die Bauern bewaffnet hatten. Anscheinend war die Blutfliege nicht allein, denn das rasselnde Geräusch der Flügel war schon wieder zu vernehmen. Lauter und zahlreicher.
    Geändert von Ronsen (04.04.2022 um 12:45 Uhr)

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    Skandras - Lobarts Hof

    Lobart und seine Männer waren kräftige Männer. Sonnengebräunte Gesichter über Hälsen, die fast so breit wie Schädel waren, Unterarme, auf denen unter vernarbter Haut Muskeln und Adern wie Schlangen zuckten. Einerseits war Skandras froh, dass sie ihnen gegen diese Blutsauger beistanden, andererseits war er besorgt, wie sie auf die Banditenkleidung seines Gefährten reagieren würden.

    Doch zuerst mussten sie ihre Haut retten. Die schnarrenden Flügel und unvorhersehbaren schnellen Angriffe der Blutfliegen führten dazu, dass nicht nur die Anstrengung Atem kostete, sondern auch die Aufregung. Gar nicht so leicht, immer nur das Insektenzeugs zu treffen! Skandras hieb einen der hässlichen Brummer mit weit ausholenden Streichen seines Säbels vor sich her, musste dann aber doch aufpassen, dass er Lobart nicht traf, der ihm half. Es waren drei der dicken Brummer.

    Enzo war etwas zurückgefallen, obwohl auch er seinen Mann stand, gemeinsam mit Vino. Doch als Lobart und er auf die beiden zurannten, um ihnen helfen, fiel ihm auf, dass Enzo schwankte. Er blutete wieder... Es war wirklich Zeit, ihn zu Vatras zu bringen.

    "Danke für eure Hilfe," sagte Vino. "Seit die Goblins sich unten im Tal ausgebreitet haben, sind die Blutfliegen wirklich kaum zu bremsen."
    Lobart war mit dem anderen Knecht zum Weg vor dem Haus zurück gegangen.

    "Hey Vino, du kennst mich noch, oder? Schön, dass diese fliegenden Ekelgesockse noch was von dir übrig gelassen haben."
    "Wer kennt dich nicht, Langfinger. Ohne dein unverschämtes Grinsen denkt man, die Orks haben es über den Pass geschafft, weil es plötzlich so leise ist. Wie ist es... hast du was für mich?"

    Skandras wollte noch mehr Fragen zuvorkommen und gab ihm schnell die zwei Flaschen Wein, die er noch bei sich hatte. "Mein Kollege ist verletzt, habt ihr vielleicht Verbandszeug im Haus?"

    "Er kann sich im hinteren Haus einen Moment hinhauen, und später kann sich Lobarts Frau um ihn kümmern. Ich habe gehört, dass sie dich dieses Mal eingebuchtet haben. Sei froh, dass es Lobart noch nicht weiß. Aber du kannst hier nicht bleiben, Junge. Die Miliz wird aus den Bergen wiederkommen, und wenn sie dich dann hier finden, machen sie Hackfleisch aus dir."

    "Ich will in die Stadt und mit Kenno reden."

    "Da hast du Glück, sie haben sich darüber unterhalten, dass er heute als Torwache eingeteilt ist. Aber ich würde dort nicht hingehen. Kann gut sein, dass sie dir eine Falle stellen wollen."

    "Ich werde das riskieren müssen. Ich will, dass sich was ändert, Vino. Ich will mich ändern."

    "Wenn es dafür mal nicht zu spät ist. Lord André hat jedenfalls einen Hals auf dich, der ist dicker als der Leuchtturm."


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    Enzo - Lobarts Hof

    Von dem Angriff der Blutfliegen bekam Enzo nicht mehr allzu viel mit. Einer der Knechte bemerkte seine Verletzung und verwies ihn zum Haus des Bauern, wohin er sich mühsam schleppte. Sein Kopf dröhnte und er schien das ein oder andere Detail vergessen zu haben. Er erinnerte sich aber daran, dass er plötzlich oberkörperfrei auf einem Bett saß und von einer Frau, die etwa in seinem Alter war, nach Blutfliegenstichen und sonstigen Verletzungen abgesucht wurde. Und dass sein Herz dabei raste und seine Kehle so trocken war, dass er keinen Laut über die Lippen brachte.

    Das war die erste Frau, der er seit sieben Jahren begegnete.

    Die Kolonie war ein Männergefängnis, ein Hort von Alphatieren, von denen die meisten Dreck am Stecken haben. Soweit Enzo das wusste, hatten nur die Erzbarone Sklavinnen von Außerhalb eingekauft. Das Neue Lager hatte nicht eine Frau jemals betreten. Diese plötzliche, körpernahe Umsorgung überforderte ihn massiv.

    "Immer dasselbe mit euch Raufbolden", tadelte sie ihn, während sie sich den Verband am Kopf vornahm. Ihre Berührungen elektrisierten ihn. Sie war nicht zierlich, aber seit Ewigkeiten hatte ihn niemand mehr mit der Hand im Gesicht berührt - höchstens mit der Faust. Sie tränkte einen Lappen mit kaltem Wasser und tupfte seine Wunde ab. Das war gut. Er konnte einen kühlen Kopf jetzt wirklich gebrauchen. Hatte sie gerade gekocht, als die beiden angekommen waren? Sie roch so gut. Süß und herzhaft zugleich. Bei einer Mahlzeit mochte er das ja nicht, aber bei ihr war das anders.

    "Habt Ihr auch einen Namen oder seid ihr taub, hm?"

    "Enzo", hauchte er und legte dabei die Hände auf seine Knie. Den Blick wandte er von ihr ab.

    "Ich bin Hilda, Lobarts Frau."

    "Danke für die Hilfe... Hilda."

    So ein schöner Name. Kein Lefty, Mordrag, Lee oder Gorn, sondern Hilda. Fürsorgliche Hilda.

    "Du kannst froh sein, dass du mit Skandras unterwegs bist", sagte sie und ein bitterer Tonfall vermischte sich in ihre süße Stimme, "Den Letzten, der in solchen Lumpen bei uns aufgeschlagen ist, haben wir direkt der Miliz übergeben."

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    Skandras – Lobarts Hof



    Skandras hielt sich bewusst im Hintergrund, als sie Enzo verarzteten.


    Skandras kannte Hilda, weil er schon ein paarmal auf Lobarts Hof bei der Rübenernte mitgeholfen hatte. So wie auch Harad, der Schmied in der Stadt, waren Lobart und seine Frau so etwas wie seine Sicherheitsleine.
    Hilda kochte einen großartigen Eintopf aus Rüben und weiteren Wurzeln, und man konnte sie auch in anderen Dingen um Hilfe und Rat fragen.
    Zu diesen freundlichen Menschen zog Skandras sich zurück, wenn er mal wieder sein Gesicht in der Stadt eine Weile nicht zeigen wollte. Sie hätte er jederzeit verteidigt. Und an solchen Orten klaute er nie. Als die Sprache auf die Goblins gekommen war, hatte er schon überlegt, loszuziehen und denen ein paar auf die Rübe zu geben. Nur besser nicht alleine: auch wenn Goblins nur etwa halb so groß wie Menschen werden konnten, stand ihre Wildheit und Schnelligkeit in keinem Verhältnis zu ihrer Größe. Und sie tauchten immer in Rudeln auf: nur drei bis fünf von ihnen stellten für den Hof eine echte Gefahr dar.
    Deshalb war es sehr gewagt, sich ihnen alleine zu nähern. Vielleicht, wenn Enzo gesund war, konnte man den kleinen Teufeln mal einen unangemeldeten Besuch abstatten, so einen, bei dem man keine Blumen mitbrachte.


    Vino wusste Bescheid, dass Skandras in Khorinis nicht der nette Aushilfsbauer war. Das lag daran, dass Vino sich öfter mal in der Stadt rumtrieb, um sich volllaufen zu lassen. Früher hatte Lobart Vino öfter zum Schmied geschickt, um dort Werkzeug zu reparieren. Aber seit Vino einmal das mitgegebene Geld komplett versoffen hatte, suchte sich Lobart andere Boten.


    Ob er Lobart in seinen Plan einweihen sollte? Aber der war ein Königstreuer, er würde die Miliz nicht anlügen, wenn sie nach Skandras fragten. Dass sie so schnell schon hier aufgetaucht waren, war wirklich ein alarmierendes Zeichen. Hätte er den Butzen gar nicht zugetraut. Noch ein Anzeichen, dass die Zeit reif war für eine Veränderung.


    Aber er war in Gedanken gewesen, und wurde plötzlich von Lobart überrascht, der ihn ansprach: „Gut, dass du da bist, Skandras. Ich habe da etwas, bei dem ich dich um deine Meinung fragen möchte, als Schmied. Harad sagte mir mal, dass du dich nicht nur für Schwerter, sondern auch für Juwelen interessierst.“
    Ich bin kein Goldschmied, falls du das meinst.“
    Komm mit ins Haus, dann zeige ich dir, was ich meine.“

    So wie sich Lobart heute verhielt, so kannte ihn Skandras gar nicht. Er wirkte fast ein bisschen verlegen, war nicht so bärbeißig wie sonst. Skandras folge ihm in die Küche des Hauses. „Setz dich,“ Lobart wies auf den Tisch. Skandras hörte, wie er in einem Nebenraum nach etwas kramte. Dann kam er zurück, und legte einen Brief und einen kleinen Beutel auf den Tisch.
    Skandras wurde etwas mulmig. Dass er nicht lesen konnte, das wussten nicht viele. Normalerweise wurde es von einem Handwerker erwartet.
    Doch Lobart schob den Brief beiseite und schüttete etwas aus dem Beutel. Ein Schmuckstück fiel mit einem erstaunlich tiefen „Plonk“ auf die raue und nicht ganz saubere Tischplatte.

    Die letzten Wochen, seit diese Barriere gefallen ist, das war eine harte Zeit für uns. Du kannst dir das nicht vorstellen: die Schafe geklaut, Getreide und Rüben in der Nacht ausgerissen und roh vom Feld weggefressen, überfallene Händler, gestohlenes Werkzeug, Feuer an der Wand der Scheune. Die Jungs und ich haben kaum geschlafen. Hilda hat sich tagelang im Haus eingeschlossen.“
    Das klingt schlimm. Wir haben in Khorinis nicht viel davon mitgekommen. Nur Gerüchte...“
    Wir waren irgendwann richtig gereizt. Schlaf du mal kaum eine Nacht, für Wochen! Und dann haben wir denen, die wir erwischt haben, ordentlich die Figur verbeult… und Schlimmeres auch. Der eine oder andere ist nicht wieder aufgestanden, nachdem wir mit ihm fertig waren. Ich bin nicht besonders stolz darauf, aber die Miliz hat uns Recht gegeben.“
    Da hat Enzo ja wirklich Glück, dass er es bis Khorinis geschafft hatte,‘ denkt Skandras.
    Nun ja, ich kann verstehen, dass ihr die Höfe verteidigt habt… aber Enzo ...“

    Es geht mir nicht um Enzo, Skandras. Er kann sich hier ausruhen. Wir sind keine Unmenschen. Solange er keinen Mist baut… ich erzähle dir das aus anderen Gründen. Bei denen, die wir kalt gemacht haben, war einer, von dem ich denke, dass er kein Verbrecher aus der Kolonie gewesen ist, sondern eher ein Bote… bei ihm habe ich das gefunden, was du hier vor dir siehst. Er hatte allerdings die gleichen Barriere-Lumpen an, wie dein Freund hier.“
    Und was willst du jetzt von mir?“
    Schau dir das Schmuckstück an, und sag mir, was du davon hältst. Ich wollte es Hilda schenken, und sie hat es angelegt, aber dann sagte sie, es fühle sich komisch an, und sie wollte es nicht mehr.“
    Skandras nahm das glänzende Kleinod hoch, um es zu betrachten. Die Farbe war ungewöhnlich: zu gelb für Silber, zu fahl und dunkel für Gold. Es war eine Kette, oder eher ein Collier, mit massiver Verarbeitung und einigem Gewicht. Sicher keine billige Arbeit… und alt. Er hatte noch nie etwas Ähnliches gesehen. Er sagte das Lobart.

    Es könnte Elektrum sein… das ist selten. In der Werkstatt könnte ich es dir genauer sagen. Die Legierung wird eher für Amulette verwendet. Aber der Stein ist hinüber, so sieht es hässlich aus.“
    Das Amulett war auch sonst nicht wirklich ein Schmuckstück. Es war zerrissen und ein Teil sah fast wie geschmolzen aus.
    Vielleicht hat es nur noch den Materialwert, aber bei so einer alten Arbeit kann ich da auch falsch liegen. Der ist sicher nicht gering. Steht in dem Brief etwas Genaueres?“
    Er ist versiegelt und ich habe das Siegel nicht erbrochen. Adressiert ist er an Lord Hagen.“
    Skandras erschrak. Mit so einem Brief erwischt zu werden, das konnte leicht das Ende bedeuten.
    Und was soll damit jetzt geschehen?“
    Ich will, dass du ihn in die Stadt zu Lord Hagen bringst. Sag, du hättest ihn am Innos-Schrein gefunden. Oder einem Besoffen geklaut. Oder im Hafen von einer Hure. Meinetwegen kannst du ihn einem deiner Paladin-Freunde nachts in den Stiefel stecken. Nur will ich das Ding vom Hof haben, verstehst du? Sonst brennt die Scheune wieder, aber dieses Mal richtig!“
    Skandras‘ Gedanken rasten… das konnte DIE Chance sein. Aber er musste klug sein, und niemand durfte davon wissen.
    Dann halt besser den Mund darüber. Am besten du redest überhaupt nicht mit der Miliz, wenn sie zurückkommen. Du bist nämlich ein schlechter Lügner, Lobart. Wenn sie dein schuldbewusstes Gesicht sehen, dann merken sie sofort, dass was nicht stimmt.“






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    Enzo - Lobarts Hof

    Enzo hatte den restlichen Vormittag geschlafen und war erst zum Mittagessen geweckt worden. Hilda hatte einen großen Rübeneintopf gekocht und selbst für ihn fiel eine Schüssel ab. Mit diesem Grad an Gastfreundschaft hatte der Bandit nach den Erzählungen der Bäuerin nun wirklich nicht gerechnet. Er verdankte sein Glück wohl wirklich Skandras und dessen weitreichenden Beziehungen.

    Während Lobart, Hilda und Skandras ihre Portion drinnen im Haus aßen, hockte Enzo draußen mit den Knechten am gemeinsamen Lagerfeuer. Eine Einladung nach drinnen hatte er dankend abgelehnt. Die anderen Hofarbeiter starrten ihn ohnehin schon schief an, er wollte nicht den Eindruck vermitteln, dass sie unter ihm stünden. Trotzdem war Stimmung beim Essen verhalten. Jeder aß schweigend seinen Eintopf und wechselte unbehagliche Blicke. Erst als einer der Bauern, ein älteres Kaliber, eine Flasche Wein aus der Scheune anschleppte, brach das Schweigen.

    "Du bist der erste Sträfling, den wir zum Essen einladen", stellte der Kerl fest, "Die anderen vor dir haben sich einfach an unseren Vorräten bedient. Das hattest du doch auch vor, oder?"

    "Nein", log Enzo.

    "Sie haben auch eins unserer Schafe gestohlen, die Mistkerle", schaltete sich der Hirte ein, "Aber das kam ihnen teuer zu stehen. Wir haben sie gefangengehalten und die Miliz gerufen."

    "Ich habe gar nicht von anderen Flüchtlingen in der Stadt gehört", sagte Enzo.

    "Wie auch? Die Miliz hat kurzen Prozess mit ihnen gemacht!"

    Er unterstrich diese Drohung, indem er sich mit dem Löffel über die Kehle strich. Enzo nickte nur. Die Bauern waren verängstigt, überspielten diese Angst ihm gegenüber jedoch. Er wollte dieses Gefühl in ihnen nicht wecken. Er hatte nichts mit den anderen Sträflingen am Hut. Nicht mehr.

    "Was trinkst du da? Wein?", lenkte Enzo das Thema um.

    "Das ist meiner, davon geb' ich nichts ab", erwiderte der Ältere. Der Bandit nickte erneut und langte nach seinem Krambeutel. Wie er das tat, entging ihm nicht, dass der Knecht seine scharfe Egge griffbereit hielt, um ihn anzugreifen, sollte er eine Waffe ziehen. Doch Enzo zauberte nur eine dunkle Flasche Reisschnaps hervor.

    "Was hältst du von einem Tausch? Ein Krug Wein gegen einen Becher originalen Reisschnaps aus dem Neuen Lager?"

    Er reichte die Flasche herum und ließ die anderen daran riechen. Der Hirte tuschelte noch, ob das nicht womöglich ein Trick war, mit dem er die Bauern vergiftete, doch als die Flasche bei dem Alten war, goss der sich sofort einen Schluck ein.

    "Abgemacht."

    Und dann reichte er Enzo seinen Wein. Es war eine liebliche Sorte aus dem örtlichen Kloster.

    "Der Beste, den man in Khorinis bekommt", sagte der Alte, "Und ich bin ein Kenner. Mein Name ist übrigens Vino und der Schafskopf da drüben ist Maleth."

    Enzo lächelte und sein Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen, als er bemerkte, wie sich Vino beim Genuss seines Reisschnapses schüttelte.

    "Scheiße, was ist das denn für ein Zeug?", prustete er heraus, "Das... das muss ja wirklich ein Gefängnis gewesen sein, in dem du gelebt hast. Boah!"

    "Wenn du das schon schlimm findest, dann solltest du mal unser Wasser probieren", meinte Enzo verschwörerisch und erntete dafür sogar einen kleinen Lacher. Es war schön hier, er fühlte sich wohl. Der Wein stieg auch ihm ein bisschen zu Kopf. Er atmete tief ein und spürte für einen Augenblick, dass es die Götter gut mit ihm meinten. Momente wie diese musste er gut festhalten. Man wusste nie, was der nächste Tag brachte.
    Geändert von Ronsen (29.01.2022 um 14:35 Uhr)

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    Skandras – Lobarts Hof

    Dass Lobart Skandras zum Mittagessen an seinen Tisch Tisch einlud, war neu. Normalerweise hatte er immer mit den Knechten am Feuer gegessen. Er fragte sich, was Hilda davon hielt, die von dem Auftrag, das seltsame Amulett und den Brief zu Lord Hagen zu bringen, nichts mitbekommen hatte. Deswegen versuchte er, ein guter Gesellschafter zu sein und die beiden zu unterhalten. An Lobarts Augen sah er, dass dies keine gute Idee war. So bedankte er sich höflich direkt nach dem Essen und ging zu den anderen nach draußen.


    Wie erwartet, hatte Vino dem Wein schon ordentlich zugesprochen. Und nicht nur dem Wein. Die Männer ließen eine Flasche Reisschnaps kreisen, und Skandras konnte sehen, dass sie den stärkeren Trank schlecht vertrugen.


    Und dann hat er...“ Maleth unterbrach sich, um einen großen Schluck aus der Flasche zu nehmen, „...seinen Paladinen befohlen, die Molerat, die das Erz gefressen hatte, zu jagen. Aber irgendetwas ist schief gegangen, wahrscheinlich, weil das Erz magisch war. Als sie mit ihren Zaubern draufgehalten haben, ist das komplette Viech explodiert, und danach war nichts mehr davon übrig, die ganze Molerat – puff – einfach weg – und das Erz genauso. Die dummen Gesichter hättet ihr sehen sollen!“


    Skandras lächelte böse. Zu Zeiten der Barriere hatten die Paladine kein hohes Ansehen genossen, weil sie das für die Orkkriege so dringend benötigte Erz nicht in ausreichender Menge herbeischaffen konnten. In Ermangelung der richtig großen Lieferungen hatten sie in kleinen Expeditionen die verlassenen Stollen, die Dörfer und die Küste abgesucht, um die wenigen noch vorhandenen Erzstücke zusammenzutragen.


    Nicht alle waren zurückgekehrt. Schon gar nicht erfolgreich. Und es gab Gerüchte um Paladine, die es auf eine Weise nicht geschafft hatten, die einem Blut in den Adern gefrieren lassen konnte. Berichte über Skelette, die nicht tot waren, über Krieger, die nicht sterben konnten, und denen das lebende Fleisch nach und nach von den untoten Gebeinen abfiel.
    Die Paladine haben sich für jeden Brocken Erz den Arsch aufgerissen. Aber leider oft mit geringem Erfolg. Man muss froh sein, dass sie genug Disziplin hatten, sich nicht gegenseitig für das Erz umzubringen. Obwohl… wer weiß schon, was sich in kalten Höhlen in den Bergen zugetragen hat.“


    Den Vorfall, von dem Maleth erzählte, hatte er selbst miterlebt. Das war im Hafen gewesen, am Fernkai.
    Was Maleth jedoch nicht wusste – und auch keiner der Paladine – dass er selbst einige Zeit später im Hafenbecken getaucht war, und den Erzbrocken gefunden hatte.
    Natürlich hatte er Stillschweigen darüber gewahrt, und das wertvolle Stück mit anderen „Fundstücken“ zu einem Erzbarren verarbeitet, aus dem er eines Tages beabsichtigte, ein richtig gutes Schwert zu schmieden, ein echtes Meisterwerk.
    Doch noch fehlte ihm die nötige Erfahrung.


    Es war absehbar, dass Vino wahrscheinlich nach dem Essen nicht weiter würde arbeiten können. Und darauf hatte Skandras spekuliert. Er wollte, dass Lobart ihn und Enzo zum Arbeiten einteilte, und dass sie so etwas an Gold verdienen konnten, Enzo für seine neue Kleidung, und er, um die Torwache damit zu bestechen. Obwohl – letzteres brauchte er ja nicht mehr. Dann vielleicht, um die Strafe bei Lord André zu bezahlen.


    Also stellte er sich mit ans Feuer und wartete, was weiter passieren würde.

    Geändert von Ajanna (29.01.2022 um 14:32 Uhr)

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    Enzo - Lobarts Hof

    Als die Gespräche am Lagerplatz am Thema magisches Erz angelangten, legte Enzo instinktiv seine Hand fester um seinen Proviantsack. Er schleppte einen Vorrat von etwa zwanzig walnussgroßen Erzbrocken mit sich herum, das war in der Barriere lächerlich wenig gewesen. Davon konnte man sich etwa für eine Woche Essen und Trinken leisten, sie aber auch an einer durchzechten Nacht versaufen. Doch nun schien es ihm, als hätte er den Schlüssel zu einem sorgenfreien Leben bei sich. Wenn ein magischer Erzbrocken tatsächlich so wertvoll war, musste er schleunigst ein besseres Versteck als so einen alten Stofffetzen dafür finden. Zum Glück kam vorerst niemand auf die Idee, ihn mehr über die Zeit in der Minenkolonie auszufragen. Die Knechte waren in ihrem Gespräch schnell wieder bei explodierenden Molerats angelangt, doch da war ihre Mittagspause auch schon beendet.

    "Na los, zurück an die Arbeit. Die Ernte erledigt sich schließlich nicht von selbst", brummte Lobart und diese Bitte musste er vor allem Vino deutlich machen, der von allen Anwesenden am tiefsten in die Flasche geschaut hatte. Enzo fühlte sich ein bisschen schlecht deswegen, aber nur ein kleines bisschen.

    "Mensch Vino, in dem Zustand kannst du ja nicht mal auf Feldräuber achtgeben. Wer hat dich schon wieder mit Fusel versorgt?"

    "Schuldig", gestand Enzo direkt, der noch deutlich nüchterner war als die Bauern. Er war ja durchaus auch den ein oder anderen Schluck gewohnt.

    "So? Na dann wirst du auch dafür Sorge tragen, dass die Jungs nicht gefressen werden", rief Lobart mit einem Tadeln in der Stimme, "Deinem Kopf scheint es ja schon besser zu gehen, also geh aufs Feld und halt die Augen offen. Du besser auch, Skandras. Und bringt bei Gelegenheit mal das Getreide in die Mühle. Die verfluchten Soldaten helfen uns hier nicht umsonst gegen die Banditen. Wenn wir ihnen kein Mehl abtreten, schnappen sie uns unsere Schafe weg. Und darauf bin ich nicht besonders Schaf. Hehe. Verstanden?"

    Enzo runzelte die Stirn und simulierte schließlich ein Lachen. Es war vermutlich für ihrer aller Vorteil, wenn sie den Bauern bei guter Laune hielten.

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    Skandras - Lobarts Hof

    Die Säcke in die Mühle zu bringen, war keine große Sache. Vino und Skandras waren schnell damit fertig.

    "Willst du eigentlich immer noch in die Stadt? Oder willst du heute Abend hier ein paar Spielchen anzetteln? Glaub nicht, dass ich nicht verstehe, was du gemacht hast. Vino mit Wein zu versorgen ist eine Sache, aber mit dem Schnaps wird er völlig wehrlos sein. Falls er nicht überhaupt vorher wegpennt."
    Enzo antwortete nicht, er schien zu überlegen.

    Die Feldräuber waren dann jedoch eine andere Sache, eine Plage, welche die Ernte noch schlimmer bedrohten als Halunken aus der Barriere. Die ausgewachsenen Exemplare konnten riesig werden, vielleicht nicht wie ein Haus, aber fast wie ein kleineres Zimmer, und sie fraßen unendliche Mengen. Dabei waren sie nicht wählerisch beim Leerfressen der Felder: wurden sie gestört, fraßen sie die Störenfriede gleich mit.
    Sie verfügten über Zangen mit scharfen Krallen und Widerhaken, und ihr Speichel war giftig und verursachte Verbrennungen. Damit überhaupt jemand auf den Feldern arbeiten konnte, war es wichtig, die Feldräuber unter Kontrolle zu halten.
    Und für diese Aufgabe hatte Lobart sie jetzt vorgesehen.

    "Wie geht es deinem Schädel? Willst du immer noch Vatras treffen?
    Pass auf... wenn du dir das zutraust, falls du das für eine gute Idee hältst... mit deinem Kurzschwert kommen sie viel zu nah an dich ran. Deshalb könntest du sie anlocken, und ich brate ihnen dann von hinten eins über. Du musst nur darauf achten, dass sie dir nicht zu nahe kommen. Wenn sie dir dann Rücken zudrehen, kannst du zuschlagen. Was hältst du von der Idee?"


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    Enzo - Lobarts Hof

    'Nicht viel', hätte Enzo am liebsten gesagt. Er war nicht der Typ, der gern den Lockvogel spielte und mit Feldräubern hatte er bislang noch nichts zu tun gehabt. Nahm er zunächst an, dass es sich um eine Gruppe von Banditen handelte, die die umliegenden Bauernhöhe terrorisierte, musste ihm Skandras zunächst klarmachen, dass es sich wiedermal um zu groß geratene Insekten handelte. Enzo schauderte bei dem Gedanken, dennoch machte er gute Miene zu bösem Spiel. Skandras hatte ihm zur Flucht verholfen und jetzt auch noch zu einer Behandlung und warmer Mahlzeit. Da konnte er sich schlecht aus dem Staub machen. Einen gewissen Grad an Kameradschaftlichkeit hatte auch er noch in seinem Herzen. Blieb nur zu hoffen, dass Skandras ebenfalls nicht Reißaus nahm, wenn sie die mannsgroßen Insekten vor sich hatten.

    "Alles klar", erwiderte Enzo also und schnappte sich eine der Heugabeln. Die war sicher besser dazu geeignet, das Getier auf Abstand zu halten und vielleicht konnte er sich damit auch selbst verteidigen, sollte Skandras doch den Schwanz einziehen. Sein Schwert Lurkerbiss behielt er für den allergrößten Notfall ebenfalls am Mann.

    "Und mach dir keinen Kopf um meinen Kopf. Ich habe schon wesentlich mehr aufs Maul bekommen und bin trotzdem wieder aufgestanden. Also wollen wir?"

    Das zu säubernde Feld lag auf einer Anhöhe, in der Nähe eines mysteriös anmutenden Steinkreises. Von hier oben hatte man einen ziemlich guten Blick auf die Stadt und die umliegende Landschaft. Enzo konnte in der Ferne sogar das Meer erspähen. Die Vorstellung, mal wieder das Salzwasser auf den Lippen zu schmecken, machte ihm Mut. Er war schon so weit gekommen, es würde nicht mehr lang dauern, bis er wieder in seiner Heimat war.

    Als sie das Feld erreichten, zerbarsten seine Hoffnungen jedoch beinah wie Wellen an einer Steilküste. Ein halbes Dutzend dieser widerlichen Krabbelviecher hatte sich zu einem wahren Festmahl auf diesem Feld versammelt, der Großteil der Ernte schien nicht mehr zu retten. Am liebsten hätte Enzo das Feld mitsamt der Schädlinge einfach niedergebrannt, doch das war vermutlich keine Option.

    "Na schön, gehen wir es an", seufzte er und deutete auf zwei der Feldräuber, die etwas abseits der restlichen Gruppe standen. Skandras ging im hüfthohen Getreidefeld in Deckung, während Enzo mit einem Pfiff auf sich aufmerksam machte. Die beiden übergroßen Insekten nahmen ihn wahr, zischten mit ihren widerlichen Mundwerkzeugen und reckten ihre Vorderbeine drohend in seine Richtung. Enzo hielt die Mistgabel bereit und schnellte nach vorn. Zum Glück war der Bauchbereich der Biester nicht sonderlich stark geschützt. Den ersten Feldräuber konnte er sauber aufspießen, er zuckte dabei immer noch mit seinen Klauen, zischte und spuckte widerwärtiges Sekret nach ihm. Erschrocken warf Enzo den Käfer am Stock beiseite und nahm sein Schwert zur Hand. Das zweite Untier war ihm schon gefährlich nah und das würde er wohl kaum so leicht aus dem Weg räumen können. Wo war Skandras?

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    Skandras - Lobarts Hof

    Skandras hatte nur gewartet, bis der Feldräuber ihm die kugelige braun glänzende Rückseite zudrehte, dann teile er weite Streiche mit seinem Piratensäbel aus. So machte die Feldarbeit Spaß. Die scharfe Klinge zerteilte den Panzer des Insekts mühelos, und der erste Feldräuber lag schon bald zuckend und schleimtriefend auf dem Feld. Der nächste fixierte sich dann auf Skandras, aber auch ihn besiegten sie schnell mit der Taktik, immer abwechselnd draufzuhauen. Zu zweit war es wirklich einfacher als alleine.

    „Dein Erntespuk, der endet jetzt, und das Feld essen wir selber leer, deine fiesen Zangen brauchen wir nicht,“ schimpfte er beim Kämpfen.
    Sie säuberten nicht nur die Felder direkt um den Hof, sondern auch am Waldrand Richtung Stadt.
    Lobart war sehr zufrieden, und zahlte ihnen beiden einen großzügigen Lohn.


    Skandras wollte erst nach Einbruch der Dunkelheit vor der Stadt sein, deshalb lieh er sich von Hilda Nähzeug, setzte sich ans Feuer und flickte seine Lederjacke, wo durch das Abtrennen der Verzierungen Nähte aufgegangen waren. Tatsächlich verfügte das Kleidungsstück über ein paar Geheimfächer, welche die Verzierungen aus Perlmutt, Zähnen, Metallornamenten und Blutfliegenflügeln kaschiert hatten. Nun nähte er stattdessen ein paar graue und rötliche Steine mit natürlichen Löchern darauf, die er sammelte und von denen er immer ein paar in der Tasche hatte. Der Eindruck war ein völlig anderer.


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    Enzo - Lobarts Hof

    Skandras überwältigte die Feldräuber mit einem Selbstbewusstsein, das Enzo staunen ließ. Er hatte diesem Städter gar nicht so eine Bewandnis im Umgang mit Wildtieren zugetraut. Dabei hatte er sich offensichtlich geirrt, was für sein Überleben nur zuträglich war. Der Knabe steckte voller Überraschungen.

    Dennoch war ein großer Teil der Ernte verloren, was dem Bauern - wenig überraschend - saußer aufstieß. So trat Lobart am Abend noch einmal an Skandras und Enzo heran und bat sie, der Stadtwache von den neuerlich immer häufigeren Plagen auf ihrem Hof zu berichten und dass diese dringend eine regelmäßigere Unterstützung durch die Miliz brauchte. Eine entsprechende Mitteilung gab er ihnen als Brief mit, der anscheinend die Glaubwürdigkeit steigern sollten. Außerdem reichte er Enzo ein paar saubere Bauernklamotten, denn mit dieser Sträflingskleidung würde er direkt wieder hinter Gittern landen. Der Bandit nahm die Sachen dankend entgegen, fühlte sich aber nicht wohl dabei, sich als Bauer auszugeben. Es würde wohl fürs Erste reichen, um in die Stadt zu kommen, dort müsste er aber zuallererst einen Schneider aufsuchen. Genug Rücklagen hatte er dank seines Erzes ja.

    In der Scheune konnte er sich umziehen und verstaute seine andere Rüstung für's Erste in seinem Sack. Am liebsten würde er sie wieder irgendwo vergraben, aber jetzt, wo er um den Wert seines Erzes wusste, wollte er dieses nicht wieder aus den Augen lassen. Er füllte den Sack noch mit ein paar Rüben auf, nur für den Fall, dass die Stadtwache einen flüchtigen Blick in sein Gepäck werfen wollte.

    Schließlich trat er in seinem neuen Kostüm vor Skandras an, der gerade noch dabei war, seine eigenen Klamotten zu flicken.

    "Falls das deine Frage beantwortet...", sagte er, "Ich komme gern mit in die Stadt. Mir ist gerade nicht so nach Bauern übers Ohr hauen. Allerdings würde ich dir gern die Verhandlung mit der Torwache überlassen."

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    Skandras – vor dem Stadttor Richtung Lobarts Hof

    Skandras und Enzo näherten sich dem Stadttor langsam und vorsichtig. Die Dämmerung war weit fortgeschritten und am Himmel zeigte sich ein intensives, dunkles Blau, immer noch leuchtend. Die Himmel über Khorinis waren bis hin aufs Festland berühmt.

    Doch ihn interessierte die stimmungsvolle Kulisse nicht. Er wollte wissen, ob Kenno tatsächlich Wache stand. Vino hatte nicht gewusst, vor welches Tor Kenno kommandiert worden war. Und zuletzt gesehen hatte die Miliz Skandtras vor dem anderen Tor, also gab es keinen Grund, warum Kenno hier stehen sollte. Trotzdem wollte sich Skandras vergewissern, bevor er durch den Graben zur anderen Stadtseite kletterte.

    Natürlich konnte das eine Falle sein. Kenno hatte ihn überhaupt erst bei der Miliz abgeliefert, warum sollte der plötzlich seine Befehle ignorieren und den Gesuchten nicht nur unbehelligt lassen, sondern ihm auch noch Zutritt zur Stadt verschaffen? Andererseits sah die Einteilung in den Wachdienst nicht gerade nach einer Belohnung für die Ergreifung eines Verbrechers aus. Irgendetwas stank an der Sache.

    Nun konnte Skandras die beiden Wachen genauer sehen. Und einer hatte tatsächlich die Statur Kennos: ein breites Kreuz und Schultern wie ein Bär. Den anderen kannte er nicht, aber es war auch kein Paladin, sondern einer von der Stadtwache. Für jeden einzelnen konnte eine so wichtige Festnahme eine Beförderung bedeuten. Und beklaut wurde keiner gerne, das war nicht irgendein blödsinniger Streich, den man weglachen konnte.

    "Vielleicht lässt du mich erst mal vorgehen. Wenn du siehst, dass wir reden, kannst du dann dazu kommen." Skandras war sich seiner Sache nicht sicher.


    Noch konnte er es sich anders überlegen. War es nicht doch klüger, einfach Gras über die Sache wachsen zu lassen? Noch einen Schritt weiter, und die beiden Wachen konnten ihn sehen... Doch. Es war das, was er tun wollte. Jetzt.


    „Kenno, he, ich bins, Skandras. Ich komme freiwillig! Ich will reden!“
    „Du traust dich ja was, du schnorrendes Irrlicht. Du hast wohl den Instinkt eines Regenwurms, hier einfach aufzutauchen. Und genau dessen Schicksal wirst du jetzt teilen!“ knurrte Kenno und verpasste Skandras eine, dass er direkt im Matsch landete.

    Skandras rappelte sich mühsam auf. Kenno hatte ihn hart am Kinn getroffen, und sein ganzer Kiefer schmerzte, dass er kaum etwas anders spürte.

    Allerdings hatte er ihm nichts abgenommen, noch nicht mal den Säbel. Skandras konnte sich einer gewissen Bewunderung für diese Ritterlichkeit nicht erwehren.

    "Kenno, du hast recht, ich bin an dein Gold gegangen. Allerdings wollte ich in der Kneipe nur unsere Rechnung bezahlen. Du warst auf der Theke eingeschlafen, ich dachte, wenn ich nicht eingreife, schmeißen sie dich in den Hinterhof und nehmen dir alles ab, was du dabei hast. Hätte ich gewusst, dass du wach bist, hätte ich mit dir geredet."

    "Und weil jemand schläft, beklaust du ihn? Sag mal, haben die Feldräuber an deinem Hirn geknabbert, oder was?"

    "Du HATTEST mich eingeladen, wenn du dich erinnerst. Wenn du nicht gezahlt hättest, wäre es uns beiden schlecht ergangen!"

    "So eine bodenlose Frechheit... Dir wohl kaum schlimmer als jetzt. Lord André lässt dich suchen, da sind anscheinend noch andere Rechnungen offen. Er brüllte im Hof der Kaserne, dass er dem, der dir bei der Festnahme so richtig dreckig eins reinwürgt, einen Extra-Lohn bezahlt."

    "Den Bonus hast du dir eben verdient."

    "Nicht annähernd. Sag mal, wie lange willst du eigentlich noch so weiter machen? Ich habs satt, deine dumme Fratze zu sehen. Ich bringe dich jetzt zu Lord André, da kannst du lernen, was dreckig eins reinwürgen wirklich bedeutet."

    "Warte noch einen Augenblick. Ich habe einen wichtigen Auftrag. Wirklich! Ich habe einen Brief hier und einen kleinen Beutel, der ist für Lord Hagen. Der muss ihn unbedingt erreichen!"

    "Wenn du denkst, dass ich dich einfach so in die Kommadantur der Stadt marschieren lasse, mit allem, was du an Ärger über deinem Haupt angesammelt hast, dann täuschst du dich gewaltig. Gib den Brief und den Beutel Sergio hier. Und du kommst mit mir zu Lord André."

    Sergio war der zweite Wachposten, der die ganze Zeit neben Kenno gestanden hatte. Ein Milizionär, jung und schweigsam. Er nahm ohne ein Wort den Brief und den Beutel an sich.

    Geändert von Ajanna (30.01.2022 um 20:39 Uhr)

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    Enzo - am Südtor von Khorinis

    Aus dem Unterholz heraus beobachtete Enzo die Szenerie zwischen Skandras und den beiden Wachen. Einer von ihnen, ein regelrechtes Muskelpaket, gab dem gesuchten Skandras so schnell eine aufs Maul, dass er sich gar nicht erklären konnte. Enzo war drauf und dran, einzugreifen, doch dann besann er sich eines Besseren. Niemandem war geholfen, wenn er die Situation noch weiter anheizte, außerdem würde man sie beide dann sofort unter einer Decke vermuten. Nach aktuellem Stand wusste die Stadtwache nicht mal, ob Enzo die Stadt verlassen hatte. Sie würden hier womöglich gar nicht mit ihm rechnen, warum es ihnen also so leicht machen? Außerdem würde er sich gegen diesen Brocken ohnehin nicht durchsetzen können.

    Also wartete er ab. Die Lage entspannte sich zumindest insofern, als dass Skandras den beiden Torwachen eine Erklärung abgeben konnte und einem von ihnen auch ein Säckchen reichte. Bestechungsgeld? Wenn dem so war, dann interessierte es die beiden nicht sonderlich, denn sie nahmen es nur wenig interessiert entgegen. Schließlich wurde Skandras von dem muskulösen Kerl weggeführt, wahrscheinlich zum Gefängnis, denn der Namen Lord Andre fiel und den brachte Enzo mit dem Kerker in Verbindung. Jetzt war seine Chance zum Einmischen auch vorbei. Wenn er Skandras helfen wollte, musste er erst einmal selbst unbehelligt in die Stadt kommen und falls alles gut lief das Strafgeld für seinen Kameraden zahlen, ohne dabei selbst erkannt zu werden.

    Eins nach dem anderen. Im Moment war das Stadttor von nur einem Soldaten besetzt. Wahrscheinlich wollte der Koloss Skandras persönlich in den Kerker schmeißen. Der andere Kerl war dafür jetzt umso aufmerksamer und würde garantiert niemanden ungeprüft durchlassen, selbst wenn er eine Bauernkleidung trug. Enzo musste wohlüberlegt vorgehen. Er wartete noch einen Augenblick ab, ehe er sich auf den Weg zum Stadttor machte. Man sollte die beiden möglichst nicht zueinander in Beziehung setzen. Er war nur ein einfacher Bauer, der seine Rüben in die Stadt brachte, völlig belanglos. Wenn er seine Rolle gut spielte, würde niemand Verdacht schöpfen. Also legte Enzo seinen unschuldigsten Gesichtsausdruck auf und trat kräftigen Schrittes auf das Tor zu. Er vermied auch tunlichst Augenkontakt, vielleicht würde die Stadtwache sein Auftauchen auch als etwas völlig belangloses abtun. Er hatte Pech.

    "Halt!", rief er ihm zu und musterte ihn von oben bis unten.

    "Innos zum Gruße", sagte Enzo so unbekümmert wie möglich. War das gut? Sollte er nicht genervt sein, dass der Wachmann ihm kostbare Zeit stahl? Zu spät.

    "Kommst du von Lobarts Hof?"

    "So ist es. Ich will in der Stadt Rüben verkaufen."

    Enzo hielt ihm seinen Beutel hin und betete innerlich, dass die Rüben immer noch oben auf lagen und der Kerl nicht darin herumwühlte. Tat er glücklicherweise auch nicht.

    "Du kommst ganz schön spät. Normalerweise kommt ihr doch immer direkt zum Sonnenaufgang und verlasst die Stadt abends wieder", der Kerl runzelte die Stirn, "Und was hast du da am Kopf? Etwa eine Platzwunde?"

    'Scheiße', dachte Enzo. Er war wohl aufgeflogen. Diese Verletzung verriet ihn doch unter Hunderten. Warum hatte er das nicht bedacht? Aber dann kam ihm doch noch eine Idee.

    "Das hat damit zu tun, dass wir in letzter Zeit von immer mehr Blutfliegen, Feldräubern und Banditen geplagt werden. Lobart findet kaum noch Gelegenheit, mal einen von uns Knechten in die Stadt zu schicken, weil wir ständig auf dem Hof gebraucht werden. Er bittet auch um mehr Unterstützung der Miliz für den Hof. Hier, lies selbst!", er hielt dem Kerl den Brief von Lobart unter die Nase, aber der schnaubte nur und winkte ab.

    "Geh schon rein und lass mich mit dem Zettelkram in Frieden. Wir haben genug eigene Sorgen. Geh zu Lord Andre, wenn du dich beschweren willst. Du findest ihn in der Kaserne."

    Enzo nickte ihm dankend zu und betrat erstmals als unbescholtener Bürger die Stadt. Er brauchte jetzt umso dringender neue Sachen, so dick, wie ihm der Schweiß gerade auf der Stirn stand.

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