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Unterschiede Unix und Linux

  1. #1 Zitieren
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    Hallo zusammen,

    mich würde es mal interessieren was denn die großen Unterschiede zwischen Unix und Linux sind.

    Linux ist ja mit Unix „verwandt“ aber wie viel Unix steckt denn in Linux?
    Und gibt es auch Vorteile von Unix gegenüber Linux?

    Vielen Dank für eure Expertise
    Lerran ist offline

  2. #2 Zitieren
    Tieftöner Avatar von Lookbehind
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    Hm, alles und nichts. Das kommt auf die Ebene an, auf welcher du das betrachten möchtest. Ich spare mir mal den Geschichtsunterricht dazu, das können andere besser als ich (foobar?), oder man kann es auch problemlos auf Wikipedia oder sonstwo nachlesen. Die Geschichte um Ken Thompson, Dennis Ritchie, Richard M. Stallman, Linus Torvalds und all die anderen, die daran beteiligt waren (sind ja nur die schillerndsten Figuren aus der Geschichte), ist mehr als oft genug erzählt worden.

    Wieviel Unix steckt in Linux? Das ist Definitionssache, und das gleich auf mehreren Ebenen.

    Zunächst mal sind die beiden nicht binärkompatibel. Heißt, ein Programm, welches für Unix kompiliert wurde, wird so ohne weiteres nicht auf Linux laufen, und anders rum. Was in den aller meisten Fällen aber kein großes Problem ist, da wir uns da ohnehin sehr viel im OpenSource-Bereich bewegen und es mit freier Software zu tun bekommen. In den aller meisten Fällen, wird die halt gerade für das jeweils andere System neu kompiliert und fertig is die Soße.

    Der Linux-Kernel ist eine komplette Neuentwicklung, die einfach nur die Funktionsweise des originalen Unix kopiert hat, aber eben mit komplett eigenen Lösungen.
    Nehmen wir eine dieser unsäglichen Auto-Analogien zur Hilfe und ignorieren dabei mal kurz, dass die Auto-Welt nicht nur aus zwei Herstellern besteht und zu einem Auto noch mehr gehört, als der Kasten auf Rädern der fährt. Demnach hat Tesla von BMW kopiert. BMW war zuerst und hatte ein Auto auf den Markt gebracht. Das hat ein Chassis mit Türen und Fenstern, 4 Räder, die vorderen lenkbar, einen Motor der das ganze antreibt, drinnen Sitze, ein Lenkrad, ein Gas und ein Bremspedal und damit kann man fahren. All das trifft sowohl auf den BMW als auch auf den Tesla zu. Also hat Tesla nur BMW kopiert, richtig? Naja, aus Sicht des Nutzers schon. Erst wenn man sich die Details der Implementierung anschaut, fallen die Unterschiede auf. Der BMW hat einen Verbrenner-Motor der mit explodierenden Dinosauriern fährt, Krach macht und einen regelmäßigen Ölwechsel braucht. Der Tesla hingegen fährt mit einem Elektromotor und kutschiert giftige Batterieflüssigkeit durch die Gegend. Das "Frontend", welches der Anwender zu sehen bekommt, ist aber klar von BMW abgekupfert und versucht dessen Funktionsweise so genau wie möglich nach zu ahmen.
    Linux versucht(e) die Funktions-Prinzipien (alles ist eine Datei, Prozesse werden voneinander geforkt, ...) von Unix so genau wie möglich nach zu bilden, ohne dabei aber existierenden Code aus Unix wieder zu verwenden (scheiß Patentrecht ). Es ist also in der eigentlichen Umsetzung anders. Wobei man hier auch klarstellen muss, das damit ein Unix aus den frühen 90ern späten 80ern kopiert werden sollte.

    Jetzt muss man aber auch dazu sagen, dass sich Linux in den letzten (rund) 30 Jahren durchaus weiter entwickelt hat, und auch eigene Ideen implementiert hat, die zwar die ursprüngliche Funktionalität eines Unix nicht einschränken, aber eben neue Funktionen bereit stellt, die Unix nicht hat. Manche davon sind durchaus aus der Unix-Welt abgeschaut. Die Container-Technik (die leider oft auf Docker reduziert wird) ist klar von den BSD-Jails inspiriert. Mit btrfs gab es Versuche etwas vergleichbares zu ZFS mit weniger Aufwand zu kreieren. SystemD wiederum versucht bewusst mit alten Paradigmen zu brechen um Fortschritt zu ermöglichen. Was ihm auch einiges an Kritik einbringt (Teilweise zurecht, meiner Meinung nach, aber das ist ein anderes Thema). Da muss man dann aber auch schon wieder aufpassen, wo man die Grenze zwischen Linux und dem System, welches es umgibt zieht.

    Übrigens ist auch Unix in seiner Entwicklung nicht stehen geblieben. Wobei man auch mit der Aussage vorsichtig sein muss, da kann man schnell in eine ähnliche Definitionsfalle geraten. Denn von welchem Unix reden wir hier eigentlich? Das ganz originale Unix ist schon seit den 80ern tot. Aber es gab und gibt diverse Abspaltungen. Manche davon sind auch schon wieder tot. Andere noch recht aktiv in Benutzung. Wenn man von Unix spricht, denkt man heute oft sofort an BSD, bzw. eines der 3 großen BSDs, die noch existieren. Am ehesten wohl an FreeBSD, weil das mit FreeNAS und PFSense eine recht große Beliebtheit erlangt hat. Aber auch macOS ist ein Unix und Solaris siecht auch noch ein wenig dahin.

    Welche Vorteile hat also ein Unix gegenüber Linux? Auch da gilt: Was dem einen sein Uhl ist dem anderen seine Nachtigall.

    Lange Zeit war ZFS ein sehr schlagendes Argument für BSD. Das gabs einfach nicht für Linux und wer ein extrem robustes Dateisystem für viele viele Festplatten brauchte, kam an ZFS kaum vorbei. In den letzten Jahren ist der ZFS-Support von Linux bedeutend besser geworden und mit BTRFS existiert ein Quasi-Konkurenz-Produkt (mit Abstrichen / einem etwas anderen Fokus).

    Man munkelt die Jungs bei BSD wissen außerdem extrem gut, wie der TCP/IP Stack funktioniert und deren Netzwerk-Implementierung gehört wohl zu den besten, die man so bekommen kann. Wobei ich aber auch sagen muss, dass mir die Implementierung im Linux-Kernel mehr als ausreicht, und das auch für viele große Unternehmen, ISPs, CloudProvider, etc. wohl gut genug ist.

    Und nicht zuletzt muss ich mir mein Linux fast immer selber installieren (wenn man mal von so Läden wie System76 oder Tuxedo absieht). Wenn ich ein Unix haben will, kann ich einfach in den nächsten Apple-Store gehen und mir so ein schönes glänzendes Macbook oder anderes elektronisches Spielzeug dort kaufen, ein schalten und mein Unix ist Ready to Rock. Inklusive Shell und allem was ich brauche um ganz viel Blödsinn an zu stellen. Und toll aussehen tuts auch noch. Was soll ich mich da mit diesem Frickel-Linux abgeben?

    Diese Erklärung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Exaktheit in jedem Detail.
    Lookbehind ist offline

  3. #3 Zitieren
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    Vielen Dank für die tolle Erklärung, Look


    Zitat Zitat von Lookbehind Beitrag anzeigen
    Zunächst mal sind die beiden nicht binärkompatibel. Heißt, ein Programm, welches für Unix kompiliert wurde, wird so ohne weiteres nicht auf Linux laufen, und anders rum.
    Ach das ist ja interessant. Hätte jetzt tatsächlich gedacht, dass die Software auf beidem läuft. Aber klar, mit Open Source ist das weniger ein Problem


    Wenn ich ein Unix haben will, kann ich einfach in den nächsten Apple-Store gehen und mir so ein schönes glänzendes Macbook oder anderes elektronisches Spielzeug dort kaufen, ein schalten und mein Unix ist Ready to Rock.
    Verstehe ich das richtig, dass momentan nur noch macOS ein „richtiges“ Unix ist, welches auch noch aktiv weiterentwickelt wird (für Privatanwender)?
    Lerran ist offline

  4. #4 Zitieren
    Tieftöner Avatar von Lookbehind
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    Zitat Zitat von Lerran Beitrag anzeigen
    ...
    Verstehe ich das richtig, dass momentan nur noch macOS ein „richtiges“ Unix ist, welches auch noch aktiv weiterentwickelt wird (für Privatanwender)?
    Das kommt darauf an, wo man die grenze zum "richtigen" Unix zieht. Ich würde die BSDs auch zu den richtigen Unixen zählen. Ansonsten gibts schon auch noch andere wie Solaris, AIX und HPUX ... in wie weit die heute wirklich noch relevant sind, will ich nicht beurteilen. Und vor allem möchte ich mir nicht anmaßen, irgendein Unix übersehen zu haben. Das ist ja doch ein ziemlicher Baum geworden.
    Lookbehind ist offline

  5. #5 Zitieren
    Adventurer
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    Zitat Zitat von Lookbehind Beitrag anzeigen
    Das kommt darauf an, wo man die grenze zum "richtigen" Unix zieht. Ich würde die BSDs auch zu den richtigen Unixen zählen. Ansonsten gibts schon auch noch andere wie Solaris, AIX und HPUX ... in wie weit die heute wirklich noch relevant sind, will ich nicht beurteilen. Und vor allem möchte ich mir nicht anmaßen, irgendein Unix übersehen zu haben. Das ist ja doch ein ziemlicher Baum geworden.
    Ah, verstehe, wie bei Linux: Mehr als genug Auswahl
    Ich werde mir jetzt mal das von dir angesprochene FreeBSD angucken
    Lerran ist offline

  6. #6 Zitieren

    Metasyntaktische Variable
    Avatar von foobar
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    Direkt hinter dir! Buh!
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    Zitat Zitat von Lerran Beitrag anzeigen
    Verstehe ich das richtig, dass momentan nur noch macOS ein „richtiges“ Unix ist, welches auch noch aktiv weiterentwickelt wird (für Privatanwender)?
    Nicht wirklich™. Ist natürlich immer eine Ermessensfrage, wo man nun die Grenze zieht. Aber ich würde nicht auf MacOS zeigen und dann guten Gewissens sagen: „Das da ist ein Unix, und wenn du damit klar kommst, hast du dich auch schnell in BSD oder Linux eingearbeitet.

    Apple hat viele Elemente der klassischen Unix-Designphilosophie (bspw. Orthogonalität) heraus operiert.

    Feeling a bit masochistic and want to read more of my diatribes? Check out Foobar's Rantpage.

    foobar erklärt die Welt der Informatik: Was ist ein Zeichensatz?Was ist die 32Bit-Grenze?Warum sind Speicheroptimierer Unsinn?Wie teste ich meinen RAM?Was ist HDR?Was ist Tesselation?Warum haben wir ein Urheberrecht?Partitionieren mit MBR oder GPT?Was hat es mit dem m.2-Format auf sich?Warum soll ich meine SSD nicht zum Anschlag befüllen?Wer hat an der MTU gedreht?UEFI oder BIOS Boot?Was muss man über Virenscanner wissen?Defragmentieren sinnvoll?Warum ist bei CCleaner & Co. Vorsicht angesagt?Was hat es mit 4Kn bei Festplatten auf sich?Was ist Bitrot?Was sind die historischen Hintergründe zur (nicht immer optimalen) Sicherheit von Windows?Wie kann ich Datenträger sicher löschen?Was muss ich bzgl. Smartphone-Sicherheit wissen?Warum sind Y-Kabel für USB oft keine gute Idee?Warum sind lange Passwörter besser als komplizierte?Wie funktionieren Tintenstrahldrucker-Düsen?Wie wähle ich eine Linux-Distribution für mich aus?Warum ist Linux sicherer als Windows?Sind statische Entladungen bei Elektronik wirklich ein Problem?Wie repariere ich meinen PC-Lüfter?Was ist die MBR-Lücke?Wie funktioniert eine Quarz-Uhr?Was macht der Init-Prozess unter Linux und wie schlimm ist SystemD?Mainboard-Batterie - wann wechseln?Smartphone ohne Google?
    foobar ist offline

  7. #7 Zitieren
    Adventurer
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    Zitat Zitat von foobar Beitrag anzeigen
    Nicht wirklich™. Ist natürlich immer eine Ermessensfrage, wo man nun die Grenze zieht. Aber ich würde nicht auf MacOS zeigen und dann guten Gewissens sagen: „Das da ist ein Unix, und wenn du damit klar kommst, hast du dich auch schnell in BSD oder Linux eingearbeitet.

    Apple hat viele Elemente der klassischen Unix-Designphilosophie (bspw. Orthogonalität) heraus operiert.
    So, ich habe mir gestern mal FreeBSD angeguckt und bin dann irgendwie zu GhostBSD gekommen. Läuft jetzt in meiner VirtualBox und muss sagen, dass man sich da recht schnell „heimisch“ fühlt wenn man zuvor schon mal was mit Linux gemacht hat
    Lerran ist offline

  8. #8 Zitieren
    Tieftöner Avatar von Lookbehind
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    Zitat Zitat von Lerran Beitrag anzeigen
    So, ich habe mir gestern mal FreeBSD angeguckt und bin dann irgendwie zu GhostBSD gekommen. Läuft jetzt in meiner VirtualBox und muss sagen, dass man sich da recht schnell „heimisch“ fühlt wenn man zuvor schon mal was mit Linux gemacht hat
    Naja, wie gesagt, Lenkrad, Gaspedal und Bremse funktionieren bei BMW und Tesla auch gleich. Den Unterschied merkt man erst, wenn man an der Ampel das Pedal mal druch drückt oder auf die Geräuschkulisse achtet. (Um nur mal ein paar der Unterschiede zu betrachten.)
    Lookbehind ist offline

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