Zitat von
AeiaCarol
Sie wiederholte diesen Satz immer wieder. Weinte. Und so wie diese Britin, die hier so fremd war und auch nicht hierher passte, so befanden es auch die Nachbarskatzen auf der Straße, aus dem Auto stieg und mehrmals den falschen Code am Tor eingab, rannte, konnte man auch glauben, dass sie diese Angst hatte. Zu sterben. Irgendwie. Ein Teil von ihr. Das sie das ausgerechnet für die Frau tat, von der sie irgendwann mit einer Waffe bedroht worden war, schien heute undenkbar. Und trotzdem war es so.
Zora krachte gegen die Tür, als würde sie sie aufbrechen wollen, dabei stand sie schon halb offen. Sie fragte sich nicht wieso. Ein beißender Geruch empfing sie. Sauer. Nicht muffig, nur so ekelerregend, dass sie kurz die Nase zuhalten und durch den Mund tief einatmen musste, um nicht zu erbrechen. Im Haus war es weitestgehend dunkel, sodass Zora einen Moment brauchte um sich daran zu gewöhnen. Es stank. Gott, es stank wirklich wie die Hölle selbst, was zum Teufel-...? Überall lag Müll auf dem Boden, Klamotten, aber im Gegensatz zum Rest waren es bedenklich wenig. "Luci?!", rief sie durch den Flur. Hier konnte unmöglich noch irgendwer hausen. Das ging einfach nicht. "Luci, wo bist du?", wiederholte sie sich und ging trotzdem weiter. Es war fast als müsse man damit rechnen, dass einen irgendein Hausbesetzer von hinten mit anfiel. Aber nichts davon passierte. Keine Antwort. Nur das leise Krächzen, vielleicht mehr ein Wimmern, eben irgendetwas. Zora ging einfach weiter. Immer weiter. Wusste nicht woher es kam, aber beinahe stolperte sie über das Gesuchte. "Gottverdammt...", flüsterte sie, ging auf die Knie. Sie sah praktisch nichts, fuhr nochmal hoch und stellte das Licht an. Vermutlich wäre das auch per Sprachsteuerung gegangen, aber solche Dinge vergaß sie einfach, als sie vor ihrer Schwägerin landete. Sie wusste im ersten Moment nicht einmal mit Sicherheit ob die noch lebte. "Luci?", sprach sie sie an. Ja. Leben war noch in ihrem Körper, aber nach viel sah es nicht aus. Gefühlt hatte die Sizilianerin nochmal zwanzig Kilo weniger. Selbst hier an Ort und Stelle waren ihr schwarze Haare ausgefallen, kleine, schwarze Knötchen neben ihr auf dem Boden, vielleicht hatte sie sich auch ausgerissen, es sah beängstigend aus. Sie klebten teilweise in diesem Blut, das sich durch die Bewegung der dünnen Frau überall verteilt hatte. Woher es kam wurde trotzdem schnell klar. Viel hatte sie nicht an, aber wenigstens ihr Slip war komplett blutrot. "LUCI, WEHE DU MACHST DIE AUGEN WIEDER ZU!", pflaumte Zora sie an. Den Blick weg von ihrem Unterkörper, weil sie nicht begriff wie das hinkommen konnte, wie Luceija dasselbe durchmachen konnte wie Zora, die damals aber längst in einer Klinik gewesen war. Sie sagte nichts. Es würde nur für Unruhe sorgen. Leif war nicht da. Ganz offensichtlich nicht. Allein der Zustand des Hauses legte das offen, also mussten sie auf die Sanitäter warten, die Zora in der Ferne zu hören glaubte, als sie ihre Jacke auszog, sie über Luceija legte und hinter ihrem Kopf auf die Knie ging, damit sie den Kopf der Sizilianerin weich auf ihre Oberschenkel legen konnte. Ihr fantastischer Pyjama war bereits jetzt im Eimer, aber das spielte auch keine besonders große Rolle mehr. "Wir bringen dich jetzt in ein Krankenhaus, Süße, ja? Deine Verletzung muss sich jemand ansehen.", log Zora ein bisschen. Auch Gil würde hiervon nichts erfahren. Nicht sofort jedenfalls.