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Der Gortharer glaubte Valerion aufs Wort, dass sie gemeinsam mehr als einem Bierfass auf den Grund gegangen wären. Innerlich zweifelte er daran, ob der Hauptmann des Waldvolkes einen solchen Säufer und Rumtreiber gebrauchen konnte. Dann aber bemerkte die kühle Stimme der Logik, dass ein Hauptmann einer Wachtruppe im hinterletzten Sumpf auf irgendeiner Insel weitab von jeglichen großen Königreichen wohl nicht allzu wählerisch bei der Wahl seiner Rekruten sein könnte. Dies galt auch für Kiyan. Das Waldvolk kannte weder ihn noch Valerion. Sie würden sich gegebenenfalls beweisen müssen. Im schlimmsten Fall hassten der Hauptmann und das Volk, welches er beschützte, Fremde und würden sie mit Fackeln und Heugabeln zurück in den Orkwald jagen, Lharcs Fürsprache hin oder her.
So stapften die beiden Männer weiter in Richtung der ersten Stege und sahen sich bald einem gigantischen Baum gegenüber, der aus dem Nebel ragte. Drum herum schälten sich Holzhütten, manche ein-, manche mehrstöckig aus dem Dunst. Hier und da bildeten Stege eine Art Platz, auf dem Stände zu finden waren. Es brauchte aber kein Adlerauge, um zu sehen, dass hier seit Jahren die Natur auf dem Vormarsch war. Mehr als ein Hüttendach war löchriger als Gortharer Käse und war zumeist nur noch eine Ansammlung von modrigen Brettern und schimmligem, geflochtenem Sumpfgras. Die Verkaufsstände standen schon lange leer oder präsentierten nur noch zerstörte und beschädigte Ware. An manchen Stellen wirkte es geradezu überhastet verlassen, an anderen wie nach einem gewollten, organisierten Aufbruch.
„Götter“, murmelte Kiyan. Auch Valerion schaute sich um und wirkte etwas ernüchtert. Sie hatten beide wenig erwartet, aber das hier war … nichts. Ein Blick zur Krone des riesigen Baumes zeigte aber den Schein von Feuern und den Anschein von Leben. „Nun, zumindest kein einziger Friedhof …“
Sie ließen sich in irgendeiner Hütte nieder, die zwar ein löchriges Dach hatte, aber so weit einen guten Schutz bot. Denn Schutz würden sie wohl brauchen. Kiyan hatte das Gefühl, im ferneren Dunst Bewegungen gesehen zu haben. Später wurden sie Opfer eines Regenschwalls, der sie völlig durchnässte, woraufhin Valerion das Heft des Handelns in die Hand nahm und ihn beim Ausbessern der Schäden dirigierte. Kiyan – als absoluter handwerklicher Verlierer – wurde alsbald Opfer eines Holzbrettes, das Valerion aufgetrieben und geworfen hatte.
Sein letzter Gedanke vor der Düsternis war daher richtigerweise: Und genau deshalb war ich Händler und nicht Dachdecker …
Geändert von Kiyan (16.06.2023 um 04:47 Uhr)
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Die ersten Tage waren vorbei und die beiden Gefährten hatten sich eine alte unbewohnte Hütte zum Schlafen gesichert, die ersten Tage waren sie damit beschäftigt sich umzuschauen, Schwarzwasser war verlassen und keinerlei Menschenseele war zu sehen. Nach einem regenfall, wo die beiden beinahe abgesoffen waren, hatten sie vor das Haus zu reoparieren und die undichte stellen, notdürftig zu reparieren, um wenigstens ohne tropfen des Wassers zu schlafen. Sie wollten erst einmal das Haus sichern und waren noch damit beschäftigt, das Dach des Hauses zu flicken. Dazu hatten sie umliegende dicke Äste genommen und sie auf das Dach gelegt und mit frischem Blattwerk und Moss bedeckt um es sicherer zu machen. Das sollte erstmal genügen. Es war bisher noch ungewiss, ob sie zusammen leben wollten aber, erst einmal war dies der Plan, bis ihre Zukunft in Tooshoo sicher war.
Kiyan saß auf dem Dach und betrachtete Valerion bei seinem tun. Dieser hatte sich eine Axt geliehen und wollte einen Baumstamm verkleinern, der Plan war, das Dach besser zu stützen, mit einem dicken Stamm in der Mitte der Hütte. Seit sie hier waren hatte Valerion nicht viel Alkoholisches getrunken, ab und an hatte er Sumpfkraut geraucht, denn der Körper schien den Alkohol zu vermissen. Sein Begleiter meinte auch, etwas Ablenkung tate ihm gut, und so ließ er den Trunkenbold das Holz verkleinern. Immerhin brauchten sie auch reichlich Holz um, das Wasser abzukochen oder generell Essen zu kochen.
So schlug der Bärtige feste auf den dicken Stamm, mehrmals bis dieser in zwei Hälften da lag.
„Werf mir mal ein Stück Holz hoch, ich glaub wir müssen das Dach noch etwas besser fixieren“, meinte Kiyan. Valerion nahm ein etwas größeres und Dickeres schweres stück holz und mit etwas Schwung warf er es hoch. Jedoch hatte er etwas schlecht gezielt und traf den Kerl mitten am Kopf. Dummerweise wurde er ohnmächtig und flog vom Dach herunter. Da lag er auf dem Rücken und Val seufzte nur etwas. „Na das hat mir gerade noch gefehlt“, meinte Valerion und blickte auf Kiyan herunter.
„He gehts dir gut?“, immerhin sah Valerion keine Blutung, vielleicht eine Beule an der getroffenen Stelle, das war schon mal gut. So nahm er also einen Eimer mit etwas kühlerem Wasser und leerte es über den ohnmächtigen Mann.
Geändert von Valerion (14.06.2023 um 21:20 Uhr)
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"Man, du hast gefurzt! Gibs doch zu! Ich hab dir gesagt, du verträgst keine Sumpffritten!"
"Red keinen Scheiß! Was sind überhaupt Sumpffritten!?"
"Geniales Zeug! Ronny nimmt Krautstängel, presst sie mit so ner Presse zusammen und frittiert die Dinger dann! Mit bisschen Salz und Tomatenmatsche ist das echt die Beilage!"
"Ja beim großen Baum, Sachen gibts... Da krieg ich ja Blähungen, nur vom Zuhören... Aber so mit Eier-Senf-Creme... Ja, das ginge..."
"Eier-Senf-Creme!? Wie bist du denn drauf!? Ich werd ne Versetzung beantragen...
Gespräche wie diesen lauschte Ryu nun schon zum... Ja, zum wievielten Male eigentlich? Faul lag er auf einem der größeren Ausläufer Tooshoos herum und ließ ein Bein an der Seite herunter baumeln. Sein Blick lag unter halb geschlossenen Augen auf dem dichten Blätterwerk über ihm, welches die letzten Strahlen der Abendsonne über Tooshoo wilkommen hieß, während die Dämmerung bereits nahte. Der Templer hatte den Tag, wie immer, damit verbracht seinen Amtsaufgaben nachzugehen. Patroullien koordinieren, Rekruten beim Training beaufsichtigen, vor heiratswütigen Frauen davon rennen und dem Treiben in der Schmiede nachgehen. Genau genommen hatte er den Baum heute kaum verlassen und irgendwie war ein Tag, an dem man sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen konnte auch gar nicht mal so verkehrt. Irgendwie vermisste er den See in Silden zu dieser Jahreszeit am meisten. Das Springen ins kühle Nass nach einem harten Tag am Amboss... Das hatte schon was. Aber so, umgeben vom abendlichen Konzert der Frösche und Insekten in den Sümpfen... Und den wirklich banalen Gesprächen der Wächter die gemeinsam an der Feuerschale ein gutes Stück unter ihm saßen, hatte das auch etwas schön erholsames. Auch wenn der Hayabusa auf letzteres verzichten konnte.
Irgendwann, gerade als er im Begriff war, wegzudösen, presste der Hauptmann noch einmal die Augen fest zusammen und streckte sich ausgiebig. Vielleicht wäre es zur Abwechslung doch mal wieder eine schöne Sache, sich unter die Wächter und heimgekehrten Jäger zu mischen. Ein paar Geschichten auszutauschen und dem Fernweh früherer Abenteuer nachzusehnen. Ein kühles Bier hier, eine gut geröstete Fleischkeule da... Ja, irgendwie... War da das Gefühl nach Gemeinschaftssehnsucht wieder da. Etwas, das er in den letzten Monaten schon länger nicht mehr gespürt hatte. Also richtete er sich auf und blickte noch einmal hinab auf die Plattform, auf der... Nur noch zwei des vorhin Dutzends an Waldvölklern saß und vor sich hin lallte. Der Blick des Hüters wanderte wieder gen Himmel und von der restlichen Abendsonne war nichts mehr zu sehen. War er wirklich so lange weggenickt ohne es zu merken? Ryu seufzte, atmete tief ein und beschloss, einmal runter zur Mama Hooqua zu gehen. Vielleicht hatte sie ja noch einen kühlen Tropfen und ein paar freundliche Worte zu später Stunde für ihn übrig.
Unten angekommen nickten ihm die abgestellten Nachtwachen, teils müde auf ihre Speere gelehnt, zu und Ryu erwiederte diese Geste. Er wusste, dass die Nachtwache nicht gerade die beliebteste Schicht war, schätzte es dafür aber umso mehr, dass sie diese durchhielten. Andererseits war sie gerade im Sommer doch etwas beliebter, da die Nächte wesentlich kühler abliefen und man sich nicht um die Plätze nahe der Fackeln streiten musste wie im Winter. "Dann schauen wir mal, ob sich hier noch etwas gemeinschaftilche Zerstreuung findet..." murmelte der Hayabusa und machte sich runter an den Abstieg gen Sumpflilie...
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„Scheiße, verdammte“, knurrte Kiyan und richtete sich etwas wacklig auf den Beinen auf. „Schmeiß deinen Dolch weg und wirf in Zukunft mit Holz um dich. Damit wirst du der Schrecken der Insel, glaub’s mir!“
Valerion grinste wie immer, als wäre es am Ende ein astreiner Spaß gewesen und er, Kiyan, würde das nur noch nicht verstehen. Verfluchter Schweinehund, dachte er sich säuerlich, konnte aber am Ende ein kurzes Grinsen ebenfalls nicht niederringen. Das des Rumtreibers war aber verflogen. Angestrengt blickte er im morgendlichen Zwielicht und sumpfigen Dunst über Kiyans Schulter, die Augen verengt und Gefahr erahnend.
Und da hörte Kiyan es auch. Langsame, bedächtige Schritte. Sie konnten menschlich sein, sie konnten aber genauso gut einem Ork gehören, der wusste, wie man sich vorsichtig bewegt. Valerions Hand wanderte zum Dolch hinab, aber Kiyan schüttelte den Kopf. Er zog das Breitschwert, drehte die Waffe und reichte sie seinem Kumpan.
„Das ist sicherer, Bruder“, knurrte er, „Der Dolch bringt doch nichts“
Kiyan seinerseits wandte sich um, positionierte sich neben Valerion und richtete den Knochenbrecher-Speer auf die Quelle der Schritte.
Und da schälte sich die Gestalt aus dem Halbdunkel. Sie war nicht groß, kleiner als Kiyan zumindest, und wirkte auf den ersten Blick nicht so, als würde sie mit gieriger Tötungsabsicht auf sie zukommen. Es schien zumindest keine Erscheinung oder ein Ork zu sein, dafür wirkte der Mann nicht … erschreckend genug. Als er näherkam, bemerkte Kiyan aber seine himmelschreiend falsche Einschätzung.
Vor ihnen stand in lässiger Haltung ein Mann mit braunen Haaren, die ihm achtlos ins Gesicht fielen. Die Mundwinkel waren angesichts des Breitschwerts und Speeres nach oben verzogen. Kiyan wusste aber sofort, dass dies kein amüsiertes Lächeln war, sondern ein Ausdruck von durch das Schicksal und den Göttern festgelegter Überlegenheit war. Der Mann wusste, dass Valerion und Kiyan ihm nicht ansatzweise gefährlich werden würden, nein, vielmehr wusste er, dass das Töten dieser beiden nicht einmal sonderlich viel Anstrengung oder Waffen gebrauchen würde. Und das war die eine Sache, die Kiyan jetzt auffiel und ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Er trägt keine Waffe!, dachte er kalt, er bewegt sich durch diesen Sumpf und trägt keine Waffe.
Und da, endlich, hob dieses kampfgeschmiedete Gefäß tödlicher Gewissheit den Blick. Orange-rote Augen sahen erst zu Valerion, dann zu Kiyan. Diesem versagten fast die Beine. Das waren keine menschlichen Augen, nein. Vielmehr hatte der Gortharer vor dreißig Jahren, als Kind, einen Zirkus vor den Toren Gorthars besucht, der mit allerlei exotischen Tieren und Kreaturen geworben hatte. Durch Käfiggitter hatte er solche Augen schon einmal gesehen. Wyvern hatte der unleidliche Bestienmeister ihren Besitzer genannt. Die Augen damals waren abgestumpft gewesen, besiegt. Diese aber brannten vor Leben und versprachen einem Feind den schnellen und sicheren Tod.
„Scheiße …“, hauchte der Gortharer und senkte die Spitze des Speers. „Was … wer … seid Ihr?“
Geändert von Kiyan (16.06.2023 um 05:14 Uhr)
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Der Kerl, der da vor ihnen stand, war ein mächtiger Kämpfer, das spürte Valerion schon beim bloßen Ansehen dieses Mannes. Die Muskeln hatte er sicher nicht nur als Dekoration und alleine ohne Waffen durch den Sumpf zu laufen war auch keine Mutprobe. Doch hatte Valerion Gerüchte bereits auf Myrthana auf seinen Reisen gehört, von einem muskulösen Kerl der wohl wenig Angst hatte aber er hatte diesen Kerl nicht einmal getroffen, deswegen war er für einige einfach eine Legende, die man sich nachts am Lagerfeuer erzählt hatte und dann erschrocken zusammengefahren oder sich gar in die Hose gepisst hatte, wenn aus der Dunkelheit ein knacken kam. Nun stand dieser Mann vor den beiden und betrachtete sie einfach stumm.
Das Schwert seines Reisegefährten lag ihm schwer in der Hand, hatte er doch ewig keine Klinge mehr in der Hand gehabt und auch nicht mehr die vielen Muskeln, um solch eines zu führen. Dennoch würde er es nutzen um sich zu verteidigen, auch wenn er bezweifelte, wirklich eine Chance gegen diesen Mann zu haben. Doch wollte sich der Trunkenbold nicht wirklich als Angsthase zeigen, er machte sich groß und zeigte die wenigen Muskeln, die er noch hatte. Immerhin hatte er schon im Minental gelernt, niemals Angst zu zeigen und auch wenn es der sichere Tod war, zu kämpfen. Er hoffte jedoch das dieser Kerl, die beiden jetzt nicht unbedingt herausfordern wollte.
„Hast du hier dieses ganze Chaos angestellt und willst jetzt unsere Hütte einreisen und uns rauswerfen? Lebst du da im Baum?“, fragte Valerion gelassen und grinste einfach frech.
„Vielleicht haste auch meinen leckeren Alkohol gerochen aber lass dir gleich gesagt sein, die letzte Pulle ist schon leer, du kannst sie also nicht mehr nehmen. Kannst mir ja deine geben, falls du da oben im Baum etwas hast“, sprach Valerion wieder ruhig und wartete nun ab was der Mann, zu sagen hatte.
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Bei den Geistern, mir ist stinklangweilig.
Der hünenhafte Mann hatte sich die Kapuze übers Gesicht gezogen und lümmelte an einem Spähposten, der gen Osten wies. In der Ferne bewegte sich … nichts. Absolut nichts. Seit dem Fall von Setarrif war der Weg in die Ruinen der einstmals Goldenen Stadt in etwa so beliebt wie ein Blutfliegennest im Obsthain hinterm Haus. Früher waren aus dieser Richtung mal Wassermagier oder ihre Novizen gekommen, mal Angehörige der Akademie von Setarrif, die nun auch nicht viel mehr als die Ruine der Akademie war. Vereinzelt hatte der Mann in seinen Jahren auch die eine oder andere in Schwarz gewandete Gestalt gesehen, aber die waren meistens für sich geblieben und hatten nie lange Zeit in Schwarzwasser verbracht. Von diesem Schloss nahe der Schwarzen Schluchten hatte ihm mal ein Waldläufer aus Myrtana berichtet, ein weltgewandter Kerl, der sogar schon die Wüste Varant bereist hatte. Er war steif und fest der Meinung, dass dieses Schloss – oder Kastell, wie er es nannte – baugleich auch oberhalb von Bakaresh gestanden hatte. Hatte, denn nun stand es ja offensichtlich im Niemandsland von Ostargaan.
Kopfschüttelnd packte der Kerl seinen Speer, als seine Ablöse kam.
„Erwache, Kral“
Der Hüne nickte. „Ja ja, erwache, Bruder. Drei Mal darfst du raten, was ich gesehen habe …“
Der andere hob minimal interessiert die Augenbrauen. „Na?“
„Nichts!“, Kral gestikulierte mit der freien Hand, als würde er etwas Magisches skizzieren. Mit einem Seufzer nahm der Wächter den Posten ein und ließ Kral einfach stehen. Der kicherte kurz, ehe er die Kapuze zurückschlug und sich auf den Weg zum Lagerfeuer machte. Die Mama hatte bestimmt wieder gekocht. Angeblich hatten Jäger einen Sumpfhai erlegt. Deren Fleisch war eine Spezialität, wenn Mama Hooqua es zubereitete. Ordentlich gewürzt und mit Bohnen, ergab das Fleisch dieser Biester einen erstklassigen Eintopf. Am Feuer angekommen, stellte sich das natürlich als elendes Gerücht heraus. Es gab Sumpfratte, wie so oft. Die Viecher waren in und um Schwarzwasser so zahlreich wie Krankheiten in einem Hafenbordell in Kap Dun. Der Wächter aß seinen Eintopf schlürfend im Stehen, ehe er einen Kumpan ansprach.
„Wo ist der Hauptmann?“
„Unten“, der andere Wächter nickte gen Erdboden, „kriegt bestimmt langsam einen Lagerkoller hier.“
Kral grinste. Der Hayabusa war ein guter Hauptmann. Viele der Jungs kannten ihn schon lange, manche der alten Waldläufer sogar noch aus Silden. War für seine Leute da, kümmerte sich um Probleme und fand die perfekte Balance zwischen Disziplin und Freiheit.
„Und sonst?“
„Ach, einer der Druidenlehrlinge hat bei einem Krug Sumpfbier geflüstert, dass einer der Druiden angeblich einen Weltenwanderer dabei beobachtet hat, wie er sich in einen Falken verwandelt und zwei Reisende gesehen und ihnen auf die Köpfe geschissen hat.“ Der Wächter schüttelte den Kopf. „Am Ende behaupten die noch, Meister Ornlu reitet auf einem Besen durch den Sumpf und schmeißt Stinkbomben! Plappernde Möchtegern-Druiden!“
Kral rieb sich das Kinn. „Hat er doch beim letzten Beltane gemacht …“
„Was?“
„Was?“ Kral grinste. „Ach, ist das langweilig geworden. Selbst die Jagdtrupps berichten nichts Spannendes mehr. Meister Jarvo und die anderen Hüter machen ihr Ding, leben ihr Leben. Ist ja auch recht so, aber … bei Adanos, etwas Abwechslung wäre schön.“ Er klopfte auf seinen Speer. „Etwas Waffenarbeit würde mich freuen.“
Sein Kumpan lachte. „Wenn das der Hauptmann hört, wird der dir genug Arbeit aufbrummen, dass du bis übernächstes Beltane noch nicht fertig sein wirst!“
Kiyan
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Freiya starrte angestrengt in die Nacht. Sie war mal wieder mit der späten Wache am Aufzug zum Baum hoch dran. Es war ruhig, abgesehen von den gewöhnlichen Geräuschen des Sumpfes. Das Gluckern und Blubbern, das bestätig sagte, dass Leben in diesen stehenden Gewässern war.
Nicht weit von Freiyas Wachposten war ein großes Flett. Dort saßen in der Nacht oft die Bewohner dieses Baumes und berichteten einander, was am Tage geschehen war, welche Ausbeute ihre Jagd gebracht hatte, welche Eindringlinge erfolgreich oder weniger erfolgreich in ihr Gebiet gekommen waren und was allgemein der neueste Tratsch und Klatsch war. Besonderes letzteres war zu fortgeschrittener Stunde beliebt, wenn alles Wichtige besprochen war. Und so war es, dass Freiya sie reden hörte, ohen ihnen bewusst zuzuhören.
"Hast du schon das Neueste gehört? Das ist der Knaller!", sprach jemand.
"Ne, was denn?"
"Ornlu ist Vater geworden!"
"Hä? Was soll daran neu sein oder der Knaller? Der wird doch alle paar Monate Vater!"
"Ne, was quatschst du denn da?"
"Doch, klar, ich mach jede Wette mit, dass inzwischen jedes Wolfsrudel hier auf Argaan Nachkommen von ihm sind."
"Ne, ach, lass doch den Unsinn. Ich meine so richtig! Mit so nem Wurm. Mit winzig kleinen Füßchen und Fingerchen und ner Stupsnase! So einem, wie nennt man das, ... Babyding."
"Als ob sowas seinen Lenden entspringen würde!"
Irgendjemand ächzte.
"Was red ich eigentlich noch mit dir ... Wo steckt der denn eigentlich?"
"Wer, Ornlu? Hab gehört, der hat auf nem Schiff angeheuert um zur Obersten Feuermagierin zu segeln und ihr Höschen zu klauen."
"Ich hab gehört, der will mit Ethorn verhandeln, dass er ihm seine Tochter zur Braut gibt."
"Also, ich habe gehört, er ist letztens nackt durch Setarrif gelaufen und hat dort Leute um sich gescharrt, um ein riesiges Vorkommen an Sumpfkraut zu ernten und damit reich zu werden."
"Hä? Wie soll das denn gehen? Wo, bitte, wächst in Setarrif Sumpfkraut? Das geht doch gar nicht!"
"Weiß ich doch nicht!"
"Siehste!"
"Wann warst du denn das letzte Mal in Setarrif? Kannst du beweisen, dass dort inzwischen kein Sumpfkraut wächst? Wer weiß, was der Drache hat fallen lassen und was da raus wächst!"
Einen kurzen Augenblick war es ruhig. Dann war ein Glucksen zu hören:
"Kannst du dir das vorstellen? Wie der Drache die goldenen Kuppeln zugeschissen hat? War bestimmt ein traumhafter Anblick!"
In diesem Augenblick hörte Freiya neben sich ein Geräusch, das das Geplapper weiter oben zwischen den Ästen übertönte. Sie sah Ronjas Gesicht in der Dunkelheit auftauchen. Sofort lächelte Freiya ihrer Freundin zu.
"Bist du meine Wachablöse?", fragte sie.
Ronja nickte und Freiya stand auf. Vorsichtig streckte sie ihre Glieder und gähnte.
"Achtung, Fridtjof wartet oben auf dich", sagte Ronja und es klang wie eine Warnung.
"Wieso? Was ist?", fragte die Rothaarige verwundert.
Ronja rollte mit den Augen: "Er hat ein bisschen was getrunken. Und ... naja ... das alte Thema ..."
Freiya seufzte. Das Thema.
"Ich komme schon mit ihm klar", erwiderte sie. Dann wünschte sie der Freundin eine gute Nacht und begab sich weiter höher zu ihrer Schlafstätte.
Tatsächlich, da saß Fridtjof auf einem Ast. Das Mondlicht fiel durch das Blätterwerk des Großen Baumes. Freiya erkannte, dass er eine Flasche irgendeines Gesöffs in der Hand hielt und ein beachtlicher Teil daraus bereits verschwunden war. Als er sie entdeckte, nahm er einen Schluck.
"Du solltest so hoch auf dem Baum nicht derart viel trinken", sagte sie in einem Ton, der nicht vorwurfsvoll wirken sollte, sondern ernsthafte Sorge innehatte.
"Ich würd das Trinken lassen", sagte er und schnaufte.
Freiya hob die Augenbrauen. Sie wusste ganz genau, worauf das hinauslaufen würde. Sie kannte dieses Spiel.
"Fridtjof, wir haben das doch schon so oft gesprochen", sagte sie. "Warum machst du dich jedes Mal vom Neuen unglücklich?"
Und, noch viel wichtiger, warum akzeptierte er ihre Grenze nicht? Er war ein guter Kerl. Aber in dieser einen Sache wurde er immer unangenehmer.
"Ich bin mir sicher, wenn du nur zur Vernunft gekommen bist, wirst du schon ja sagen", erwiderte er.
Freiya seufzte.
"Warum sollte ich das?"
"Weil ich eine gute Partie für dich bin. Ich kann gut für uns beide sorgen", sprach er. Freiya schnaubte. Als könnte sie nicht ganz wunderbar für sich selber sorgen. Sie brauchte keinen Mann. Sie war zufrieden, wie sie lebte. Sie hatte sich wunderbar hier eingefunden in der Gemeinschaft. Sie wurde geschätzt und hatte einen festen Platz als Jägerin. Sie wollte nicht, dass sich irgendetwas änderte. Es war gut so, wie es war.
"Ich sage es dir weiterhin mit aller Deutlichkeit, Fridtjof: Ich werde dich nicht heiraten!"
Eine kurze Stille trat ein. So oft hatten sie diese Diskussion schon geführt, Freiya wusste, was als nächstes kam.
"Bitte, ich flehe dich an! Freiya, werd mein Weib! Gib deinem Herzen endlich einen Ruck! Ich kann dir so vieles geben. Alles, was ein Mann geben kann!"
Freiya schwieg. Fridtjof sprang von seinem Ast auf eine Planke.
"Freiya, bitte ... lass mich dich zur Frau nehmen! ich werde dir schon zeigen, was für ein guter Mann ich bin. Bei mir wirst du es gut haben wie bei sonst keinem!"
Freiya atmete angestrengt aus. Er verstand es nicht. Sie wollte nicht nicht ihn - sie wollte gar keinen. Sie war sich selbst genug! Fridtjof näherte sich ihr. Sie wich vorsichtig zurück.
"Komm schon, ich werde dich wärmen ... Du wirst Freude finden an meinen Lenden ... wir können immer noch Kinder haben, es ist noch nicht zu spät. Ich werde dir Liebe geben. Freiya, ich liebe dich!"
Da war er, der unangenehmste Teil dieses Dramas.
Im Grunde genommen tat er ihr leid. Er hatte sich wahrhaftig in sie verliebt. Meistens war er zurückhaltend ihr gegenüber, doch hin und wieder trank er einen über den Durst und begann die Rede von einer Heirat. Nie hatte er es gewagt, sie anzurühren, er war trotz allem ein Jäger, dem sie ihr volles Vertrauen schenkte. Aber konnte das nicht endlich ein Ende haben? Konnte nicht endlich jemand erbarmen mit dem armen Kerl haben und ihn von dieser einseitigen Leidenschaft befreien?
Schweigend standen sie einander gegenüber. Sollte sie nicht eigentlich dankbar sein, dass er solche Gefühle ihr gegenüber hegte? Sollte sie nicht demütig sein Angebot annehmen? Wie wenige Ehen wurden aus Liebe geschlossen? Sicher, sie würde es gut bei ihm haben. Daran hatte sie keine Zweifel. Er hatte sie gesagt, die magischen Worte, die wohl jede Frau erweichen würden. Doch nicht sie. Dabei sollte sie doch froh sein, genau diese Worte zu hören.
Ich liebe dich.
Ich liebe dich.
Die Worte begannen auf einmal in ihrem Kopf nachzuhallen.
Ich liebe dich.
Sie veränderten sich. Und auf einmal hatten sie nicht mehr den Klang der Stimme des Jägers. Sondern sie waren ein Flüstern. Eine Stimme, die anders war. Die voll war von Trauer und gleichzeitig Wärme. Unterdrückter Schmerz und Leidenschaft. Freiya erstarrte.
Versprich mir, dass du auf dich Acht gibst.
Ich liebe Dich...
Sie wollte den Mund öffnen. Wollte etwas erwidern. Wer sollte Acht geben?
Doch auf einmal veränderte sich die Szenerie um sie. Sie stand nicht mehr auf dem Baum, nein, sie stand in einer Stadt! In einer kalten Herbstnacht. Sie hörrte das Schnauben eines Pferdes und roch den unverkennbaren Geruch von Sattel und Zaumzeug. Und sie spürte einen Körper. Einen warmen, herrlichen Körper an den sie geschmiegt war.
"Ich will nicht ewig leben,
wenn die Liebe sterben muss."
Eine sanfte Stimme sprach zu ihr wie aus einer weit entfernten Welt. Sie kannte diese Stimme! Irgendwoher ...
Als nächstes spürte sie eine sanfte Berührung auf ihrer Haut. Finger streichelten über ihre Wange.
Aufgewühlt hob sie ihren Blick und traf auf Augen, die sie direkt anblickten. Eine riesige Welle von Gefühlen schlug ihr entgegen. Da waren sie wieder, die Trauer und Wärme, der Schmerz und die Liebe. Was sie eben noch in der Stimme wahrgenommen hatte, lag nun in diesen wunderbaren Augen.
"Berühr meine Tränen mit deinen Lippen...
Berühr meine Welt mit deinen Fingerspitzen...
Und wir können für immer zusammen sein,
Uns für immer lieben."
Freiya vernahm das Flüstern des Mannes, der sie hier hielt, dann eine Bewegung der Pferdes, das neben ihnen stand.
"Dieser Augenblick soll unser für immer sein... dieser Augenblick...
Du bist mir mehr gewesen als je ein Mensch war und du wirst mir immer mehr sein. Freiya, du bist kein Mädchen, keine Frau, kein Mensch. Du bist mein Glück, mein Seelenheil, ein Engel, gesandt von Innos selbst. Und ich danke dir für dein Erscheinen. Du gabst mir Erfüllung und brachtest mir Licht und Wärme. Du warst die Erfüllung und warst das Licht und die Wärme."
Freiya wollte etwas sagen, wollte etwas erwidern auf diese Worte, die sie tief in ihrem Innersten trafen. Doch sie konnte nicht. Warum waren seine Worte so schwer? Warum sagte er so wundervolle Dinge, obwohl es ihm gleichzeitig zu schmerzen schien? Wieder öffnete sie den Mund, um zu sprechen. Aber er fuhr fort:
"Versprich mir, dass du auf dich Acht gibst.
Ich liebe Dich..."
Da war es wieder! Er hatte es gesagt! Oh wahrlich, diese Augen ... Sie kannte diese Augen! Sie kannte sie sehr gut ...
Sie wollte sprechen, wollte reden, wollte ihn fragen, was das alles zu bedeuten hatte, stattdessen hörte sie sich erwidern:
"Ich liebe Dich."
Dann löste sich der Schwarzhaarige von ihr und begann in die Dunkelheit zu verschwinden.
NEIN! wollte Freiya schreien. Nein, verlass mich nicht!
Sie wollte ihm hinterher rennen, wollte ihm folgen, doch die Szenerie um sie herum löste sich auf und sie ruderte mit den Armen, weil sie keinen Halt mehr spürte. Sie fiel in eine sternenlose Dunkelheit und knallte hart auf dem Boden der Planke auf, auf der sie stand.
Sie rappelte sich auf und legte panisch ihre Hände auf ihre Ohren, als könnte sie das Erlebte so in ihrem Kopf festhalten.
"Nein, nein, bitte geh nicht", wimmerte sie. Sie wollte doch wissen, wer er war. Dieser Schwarzhaarige, der seither in ihren Träumen auftauchte. Nun, zum ersten Mal hatte sie eine direkte Erinnerung an ihn gehabt. Nicht nur Schemen, keine Ungewissheit, ob das, was er in ihren Träumen mit ihr tat, eben nicht nur Träume sondern Wahrheit gewesen war. Es war eine Erinnerung, die erste überhaupt mit ihm!
Seine Worte hatten sie so bewegt. Damals und nun wieder. Sie hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.
Freiya begann zu weinen, da wurde sie einer Bewegung neben sich gewahr. Sie hatte ganz vergessen, dass sie nicht allein gewesen war.
"Freiya, was ist los? Ist alles in Ordnung? Ich wollte dich mit meinen Worten nicht erschrecken", sagte Fridtjof.
Die Rothaarige blickte auf zu ihm.
"Verschwinde", zischte sie.
"Aber -"
"VERSCHWINDE!"
Sie war laut. Zum ersten Mal seit langem in ihrem Leben.
Doch ihre Lautstärke war nichts im Vergleich zu dem, was in ihr tobte.
Fridtjof wich erschrocken zurück. Dann zog er sich murmelnd zurück. Sie wusste nicht, wohin. Es war ihr auch egal. Dieser arme Narr ... Er hatte keinen Schimmer, was gerade geschehen war.
Zitternd setzte Freiya sich auf einen dicken Ast und begann zu weinen.
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Das Gespräch mit der Mama Hooqua war recht entspannt verlaufen. Selbst um diese Zeit hatte war ihre Schenke noch geöffnet, wenn auch weitaus weniger besucht. Zwar waren dort, wie immer, der ein oder andere versumpft, der gerade den drögen Alltag mit dem Sumpfbier herunter spülte, doch hatten sich die meisten pflichtbewussten Bewohner des großen Baumes in ihre Astlöcher zurück verzogen. "Erwache, Mama Hooqua." grüßte der Hauptmann sie schließlich, als er am Tresen Platz nahm. Die Hausherrin warf kurz einen Blick über ihre Schulter, während sie einen der Krüge den sie gerade gereinigt hatte auf das Regalbrett an der Wand stellte. Dann griff sie sich einen weiteren, der gerade in dem Becken lag, welches sie zum Ausspülen nutzte und wandte sich ganz dem Hayabusa. "Oho, der werte Hauptmann beehrt mich auch mal wieder. Von allen vernachlässigten Damen Tooshoos bekomme ich nun die Aufmerksamkeit!"
Sie lächelte und schwang das Geschirrtuch auf ihre Schulter. Ryu hingegen musterte sie eine Weile und dachte nach. Tatsächlich waren die "wilden" Zeiten ein wenig eingeschlafen, doch hatte man einmal seinen Ruf weg, war dieser nur schwer wieder wegzubekommen. Selbst wenn es sich nur um einen kleinen Spaß der Hooqua handelte. Und selbst wenn... Sie war eine der Frauen, welche für ihn nie in diese "Kategorie" gefallen war. Der Templer schätzte sie als die gute Seele die sich hinter ihrem direkten, manchmal streng wirkenden Auftreten steckte. Aber wie lange war sie nun eigentlich schon in Schwarzwasser? Einen weiteren Moment musterte er sie schweigend. Die Lachfältchen an ihren Augen und in ihren Mundwinkeln waren in den letzten Jahren markanter geworden. Hier und da streckte sie immer wieder mal den Rücken durch. Auch das hatte sich gemehrt. Und, gemessen an ihrer hochgezogenen Augenbraue beschloss der Templer, gar nicht weiter über die steigende Anzahl silbrig-weißer Haarsträhnen in ihrem Haupthaar nachzudenken. Stattdessen hob er nur selbst die Mundwinkel und nickte nur sachte.
"Tja, was soll ich sagen? Die wichtigste Frau von Tooshoo sollte eben die erste sein, der die Aufmerksamkeit des Hauptmanns gilt."
"Das will ich ja wohl stark hoffen!" sie schmunzelte, lehnte sich dann etwas vor und blickte ihn fast schon mütterlich an. "Harter Tag?". Ryu nickte. "Kotz dich ruhig aus. Ist schließlich Teil meiner Arbeit, Leuten dabei zuzuhören, dass ihre zahmen Leguane eingegangen sind und ihre Frauen sie verlassen haben."
Der Templer hob den Blick und eine Braue. Schmunzelnd. Als Träger des Wyerngeistes der, gefühlt, in den letzten Wochen so vor sich hin faulte war das fast schon eine scherzhafte Beleidigung. "Hast du mich gerade Leguan genannt?"
Die Hooqua wich kurz zurück. Aber eher um einen Krug unter dem Tresen hoch zu holen. "Fühlst du dich denn gezähmt?"
Dieser Satz ließ ihn den Blick heben. Wo es von ihrer Seite ein Spaß war, setzte diese Frage seinen Denkapparat erneut in Bewegung. Der Hüter blickte die Wirtin an, der Mund leicht offenstehend und die Brauen zusammengezogen. Doch bevor ihm weitere Worte von den Lippen gingen, blickte er ruckartig zur Seite, woraufhin der Nachtwächter der sich genähert hatte fast schon in der Bewegung erstarrte. Als wäre er ertappt worden. Es war Fatusch der Ölige. Warum glitschig? Nun, das war ein Name den er sich selbst zuzuschreiben hatte bei den fettigen Peitschen die er da auf dem Kopf trug. "Ah, Hauptmann! Gut, dass ich dich hier treffe! Gibt Neuigkeiten aus dem Sumpf!"
Und so erzählte der drahtige Vollbartträger davon, wie er und sein Trupp in den letzten Tagen beobachtet hatten, wie sich in Schwarzwasser etwas unregelmäßiges bewegt hatte. Zwei offenkundige Landstreicher hatten es sich in einer der verfallenen Hütten bequem gemacht. "Und warum habt ihr sie nicht konfrontiert?" entgegnete der Templer, noch halb in Gedanken. Doch hörte er der Erklärung des Wächters nur teilweise zu, ehe er sich erhob. Fatusch erzählte irgendetwas von Beobachtungen und, dass die zwei wohl nur auf der Durchreise waren. "Schon gut. Ich schau mir das selbst an." gab er schließlich zu verstehen und blickte noch einmal zur Mama Hooqua. Sie blickte ihn, noch immer lächelnd an. Die linke Braue hochgezogen in Erwartung an eine Antwort. "Ich werd' drüber nachdenken." dann verließ der Hauptmann die Schenke und begab sich runter zum Fuß des Baumes. Dieses mal sogar, ohne vorher seine Waffe aus der Kommandantur zu holen. "Gezähmt..." murmelte er, während er zwischen Bud und Terrence durch den Eingang wanderte und den Kopf schüttelte. Ein nächtlicher "Spaziergang" würde sicherlich gut tun. Und so setzte er sich in Bewegung. Ließ die schwüle Nachtluft auf sich wirken, während er all die Gerüche des Sumpfes um sich herum aufnahm. Jeder Schritt auf den alten Stegen erzeugte dabei nur das leise "tap"-Geräusch barer Füße, welche auf Holz und Moos traten. Die Frösche sangen. Für ihn. Für das Waldvolk. Für Tooshoo. Immer wieder wanderten die Hände des Hüters dabei über Lianen an denen er vorbei kam und mit jedem Atemzug fühlte er sich freier. Er verspürte keine Angst vor der Flora und Fauna. Schließlich gehörten sie zusammen. Man gab. Man nahm. Man respektierte. Man hütete. Doch etwas war anders. Hier und da fehlte etwas. Holz und Geäst fehlten und es lag die Spur eines Geruchs in der Luft den er so eigentlich nur verstärkt in der Schänke und den Barracken wahrgenommen hatte. Alkohol... Nicht der Geruch vom frischen, aus einer Flasche oder einem Fass fließenden Alkohols, nein. Es war mehr der unangenehme Gestank von Schweiß, welcher durch diese Substanz geschwängert war. Abgestanden und schon einige Tage alt. Doch konnten die geschärften Sinne des Wyvernbeseelten diese Spur durchaus wahrnehmen. Diese Annomalie inmitten der natürlichen Harmonie. Ryu leckte sich über die Lippen und wandte den Blick in die Richtung, aus der er den Geruch wahr nahm. Sarkany hatte Fährte aufgenommen. Und so setzte er sich in Bewegung. Die Schritte beschleunigt und der Körper in immer schnellerer Bewegung. Der Templer machte große Sätze von Steg zu Steg. Griff zur Hilfe nach Lianen und ließ sich im Momentum seitlich fallen um dabei unter großen Wurzeln hindurch zu rutschen. Er folgte dem Geruch und es war fast, als unterstützte der Sumpf dabei seine Bewegungen. Die feuchten Oberflächen der Wege und auch der Nebel der ihn umgab schien mit ihm zu wandern. Gab ihm Schutz vor den anderen, natürlichen Jägern dieser Gegend und ließ ihn ohne weitere Probleme seine Beute aufspüren.
Und da stand er nun: Am Rande einer Hütte welche wohl erst vor kurzem notdürftig geflickt worden war. Davor zwei Männer. Ein älterer, ein jüngerer. Der Hüter trat schließlich aus den Nebeln und blickte die beiden unter seinen losen Haaren heraus mit demselben lauendern Blick an wie er es immer tat, wenn potentielle Beute seine Beobachtung fand. Ein Schwert. Ein Speer. Beide wirkten in ihrer Haltung ungeschult. Etwas, bei dem der Hüter sich ein zufriedenes Lächeln nicht ersparen konnte. Das Gefühl, seiner Beute überlegen zu sein war ihm stets eine außerordentlich erquickende Wonne. Der Speeträger, seinem Gesicht und von Erfahrung geschwängerten Blick nach ältere, murmelte leise vor sich hin. Die Erkenntnis darüber, hier mit geringen Chancen auf fremden Boden zu stehen, schien die Vernunft zu wecken. "Was … wer … seid Ihr?". Vielleicht war es aber auch die Tatsache, dass da gerade ein urtümlich wirkender Kerl aus den Nebeln getreten war: Barfüßig, unbewaffnet und nur in Hose und einer ärmellosen Leinenweste bekleidet.
Dann, fast schon ruckartig, sprang der Blick zu dem anderen Kerl den eine regelrechete Wolke aus dem umgab, was ihn erst hatte die Fährte aufnehmen lassen. Der Kerl plusterte sich auf. Spielte mit den paar Muskeln die er hatte und versuchte Eindruck zu schinden.
Er bluffte.
"Hast du hier dieses ganze Chaos angestellt und willst jetzt unsere Hütte einreisen und uns rauswerfen? Lebst du da im Baum? Vielleicht haste auch meinen leckeren Alkohol gerochen aber lass dir gleich gesagt sein, die letzte Pulle ist schon leer, du kannst sie also nicht mehr nehmen. Kannst mir ja deine geben, falls du da oben im Baum etwas hast."
Ryu trat einen Schritt näher, was zur Folge hatte, dass der eine sein Schwert nur weiter in seine Richtung deuten und den anderen, nach einem kurzen, angedeuten Zurückweiche den Speer heben ließ. Der Templer sagte nichts, beobachtete stattdessen nur und genoss das kleine Spielchen das er mit ihnen trieb. Tatsächlich war es mehr das Katz und Maus-Spiel, statt das Bedürfnis zu töten oder dergleichen, das ihm gerade diesen Genuss bescherte. Erst ging sein Blick wieder zu dem Speerträger. Der Hüter schaute kurz zu der Hütte hinter den Männern und für einen Moment wirkte es fast, als schwang ein Hauch von Nostalgie in seinen Zügen mit sich. Es war die alte Bognerei von Vareesa. Der jungen Frau, die damals zu ihnen gekommen und in den Wirrwarren der Jahre verschollen war. Und nun hatten sich dort einfach zwei Parasiten eingenistet. Der Hüter atmete einmal tief durch und spannte dabei, wohl mehr aus instinktiven Dominanzgründen seine Nackenmuskulatur an und schaute dann wieder zu dem ersten im Bunde. Der Mensch in ihm sagte, dass sie es nicht besser wissen konnten. Der Geist der Natur mahnte zur Drohgebärde. Doch dieses mal obsiegte der Mensch. "Es bleibt nicht unbemerkt, wenn in den Sümpfen Ruhestätten gestört werden." erhob der Templer schließlich das Wort. "Vor allem..." der Blick ging dolchartig zu dem Schwertträger. "... Wenn man stinkt wie der Bodensatz einer Destille."
Die, vorhin noch angehobenen Mundwinkel waren wieder gesunken, während er das freche Grinsen des bärtigen Schwertträgers taxierte. Ob die beiden sich bewusst waren, dass ihr Verhalten wiederspiegelte, wie nah sie der Gefahr waren? "Warum stört ihr diesen Ort?"
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Freiya starrte in ihre Schüssel mit dem Eintopf. Viel hatte sie bisher nicht gegessen. Das Knurren ihres Magens war für alle Anwesenden zu hören, aber sie selbst nahm es nicht wahr. Sie war in Grübeleien versunken.
"Na, Mädel, was hat dir denn auf den Magen geschlagen? Sag bloß, du magst Mama Hooquas Eintopf nicht mehr, den besten Eintopf dieser ganzen verdammten Insel und darüber hinaus, möchte ich meinen!", sprach Mama Hooqua. Freiya schreckte aus ihren Gedanken hoch.
"Was? Ach, doch, ist lecker", sagte sie, um gleich wieder in Gedanken zu versinken.
Mama Hooqua schaute sie empört an. Das war eine Staatsbeleidigung! Sie öffnete den Mund, im der Rothaarigen die Leviten zu lesen, doch Ronja, die daneben saß, schüttelte energisch den Kopf.
"Brauchst du vielleicht etwas Stärkeres zu Trinken?", sagte sie und holte irgendwoher eine Flasche Schnaps.
Jetzt schmunzelte Freiya: "Nein, aber hab Dank für deine Bemühungen."
Mama Hooqua schürzte unzufrieden die Lippen. Dann beugte sie sich zu der Rothaarigen.
"Willst du Mama nicht erzählen, was du auf dem Herzen hast?", murmelte sie verschwörerisch. "Bist du vielleicht schwanger? Oder unglücklich verliebt?"
Freiya wollte den Kopf schütteln. Eigentlich ging das niemanden etwas an. Doch Ronja platzte direkt hinaus:
"Sie hat sich erinnert!"
"Bei allen toten Fliegen in meinem Eintopf!", entfuhr es der Wirtin.
Freiya schenkte Ronja einen irrtierten Blick. Na danke auch, Freundin!
"Ist das wahr, Mädel? An wen - äh - was denn? An alles?"
Dass sie Freiya, eine gestandene Frau und Jägerin der Gemeinschaft, immer noch als Mädel bezeichnete ... da überhörte Freiya doch glatt Hooquas Versprecher. Die Rothaarige schüttelte den Kopf.
"Nein, eigentlich war es nur eine Erinnerung. Aber es war ... eine wichtige Erinnerung. Glaube ich. Vielleicht ... vielleicht kann ich die Erinnerungslücken in meinem Geist ja doch noch schließen. Wenn ich nur wüsste wie ..."
Seit Jahren - seit JAHREN! - versuchte sie zu ergründen, was da immer wieder in ihrem Kopf auftauchte. Wer da immer wieder in ihrem Kopf auftauchte. Doch zugegebermaßen hatte sie in der letzten Zeit nicht mehr viel darüber nachgedacht. Sie hatte sich an die Unwissenheit gewöhnt. Und nun war da diese Erinnerung aufgetaucht, die sie so aufwühlte. Freiya stellte die Schüssel vor sich ab und fuhr sich müde durch die Haare.
"Naja, das ist doch schonmal ein guter Anfang", kommentierte Mama Hooqua etwas ratlos Freiyas Frustration.
"Wenn ich nur wüsste, was ich tun soll", flüsterte Freiya und starrte einfach vor sich hin, bis ihr Gesicht sich verzog. Bitterkeit stieg in ihr auf und mit ihr Tränen.
Ronja und Mama Hooqua tauchten Blicke aus. Dann lehnte sich Mama Hooqua wieder zu ihr:
"Mensch, Mädel, was willste denn? Willste wirklich wissen, was deine Birne da weggesperrt hat? Oder willste nicht lieber hier weiter in Frieden leben?"
Freiya reagierte heftig: "Ich will wissen, was meine Träume bedeuten! Und, was diese Erinnerung bedeutet!" Dann fügte sie leise hinzu: "Ich will doch nur wissen, wer dieser Mann ist ..."
Mama Hooqua atmete hörbar ein und aus, bevor sie leise antwortete:
"Wenn du Antworten willst, solltest du vielleicht zu Lyrca gehen."
"Die Hexe auf Feshyr?", entfuhr es Ronja lautstark neben ihr.
"Eine Seherin. Und ein Orakel. Glaub, die kennt sich mit solchen Dingen aus", erklärte die Hooqua.
"Auf Feshyr?", hakte Freiya nach.
Mama Hooqua nickte:
"Soll dort in den Wäldern leben."
"Wie komm ich da hin?"
"Mitm Boot, natürlich, du dumme Nuss. Vom Steg unten aus, ist fast ein Katzensprung dahin", erwiderte die Ältere. Dann blickte sie finster drein: "So, jetzt reicht es aber. Normalerweise verlange ich Geld für solche Informationen. Aber weil du es bist, Mädel, verzichte ich drauf."
Ergriffen lächelte Freiya:
"Ich danke dir! Ich weiß das wirklich zu schätzen!"
Das war vielleicht ein Anfang!
Geändert von Freiya (25.06.2023 um 01:47 Uhr)
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"Potzblitz, die Rote Snapperin begleitet uns?", erklang eine Stimme.
Freiya nickte und Ronja sah sie sketpisch an:
"Sicher, dass du das machen willst?"
"Ja, ich brauche Antworten", erwiderte Freiya fest entschlossen.
"Wie du meinst", murmelte Ronja.
Sie standen am Steg nicht weit entfernt von dem ehemaligen Schwarzwasser und dem Großen Baum. Freiya hatte in Erfahrung gebracht, dass eine Gruppe Raufbolde nach Feshyr übersetzen wollte, weil sie von einem angeblichen Schatz gehört hatten. Ohne zu zögern hatte die Rothaarige beschlossen, sich anzuschließen. Das war ihre Chance, mit dem Boot nach Feshyr überzusetzen.
Wobei Boot wahrscheinlich übertrieben war, wie sie feststellte. Nussschale war eher der richtige Begriff.
"Na, dann kann es ja losgehen!", brüllte ein stämmiger, kleinerer Mann mit einem Goldzahn und fieser Visage. Es waren noch drei weitere Männer dabei. e#Einer so hoch und so breit wie ein Schrank. Er schaute grimmig drein und sagte kein Wort. Ein weiterer, sehr kleiner Mann, mit weißem Bart und weißem Haarkranz und nichts weiter bekleidet als einer - ehemals weißen - Schlüpfer und einem kleinen Bogen und schließlich noch ein Kerl, der mittelgroß war und bei dem Freiya sich nicht sicher war, was zerbeulter war: sein Gesicht oder sein Helm.
Der Mann mit dem Goldzahn und der fiesen Visage schien der Anführer zu sein. Freiya fiel auf, dass er an seiner rechten Hand keine Finger mehr hatte, stattdessen ... einen Haken? Das ... war neu. Sowas hatte sie noch nie zuvor gesehen. Er schien sich jedenfalls nicht im Geringsten daran zu stören.
Zuerst stiegen die vier Männer ins Boot. Als der Größte von ihnen sich setzte, nahm das Bott eine gefählich wirkende Neigung an zur linken Seite an.
"Mensch, Vladimir, jetzt setz dich gefälligst in die Mitte und klemm die Beine hinter die Ohren", schimpfte der Anführer mit der Hakenhand.
Nachdem der Große sich umgesetzt hatte, war es nur noch an Freiya, einzusteigen.
"He, du heißer Feger", sagte der Kleine mit Schlüpfer und Bogen zu Freiya und grinste sie an. Seine Nase war auffällig rot. "Magst du dich nicht auf meinen Schoß setzen?"
"Du gehst am besten ganz vorn hin", bestimmte Hakenhand. Schweigend ließ Freiya sich vorn im Boot nieder. Es war schon recht eng.
"Los geht`s!", brüllte Hakendhand.
Freiya winkte noch einmal Ronja zu, die feixte.
"Gute Reise!", flötete sie spöttisch.
Freiya atmete kurz durch und blickte dann gespannt aufs Meer hinaus. Was sie wohl erwartete?
Geändert von Freiya (25.06.2023 um 03:06 Uhr)
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Das war ja klar gewesen.
Valerion hatte gedacht, es wäre besser gewesen, seinem Gefährten das Wort zu überlassen, aber anscheinend war er durch den Anblick des muskulösen Mannes in einer Starre verfallen, also musste er selber das klären und auf die Frage antworten. Der betrunkene hatte auf jedenfalls keinen besonderen Eindruck hinterlassen, das hatte Valerion schon gemerkt. War ja auch kein Wunder, im Gegensatz zu früher sah er aktuell auch nicht wirklich bedrohlich aus und mit dem geliehenen Schwert hatte er noch nicht einmal wirklich was bekämpft oder das Schwert mal geschwungen, nur noch ein einziges Talent konnte ihm nutzen.
„Is hier jemand gestorben? Ah warte ich verstehe ... du hast Schuldgefühle weil du hier alles zerstört hast, also sagste jetzt das is hier ne ruhestätte um die Geister zu beruhigen, dessen Schicksal du warst eh?“, sprach Valerion und schaute sich um, ob hier irgendwo ein Geist herumwanderte.
„Das Problem is, Kumpel. Wir hatten gehört hier lebe das Waldvolk, dessen wir uns anschließen wollten. Glaub bei den anderen Städten sind wir nich so gut aufgehoben, deswegen hat uns en Waldtyp hierhergebracht aber na ja wir haben nur diese Zerstörte Ruinen gesehen und dachten wir schauen mal ob hier noch jemand is“, schwafelte Valerion weiter, ohne wirklich aufzuhören, den Typen hatte er auch stehts im Blick aber dieser stand beeindruckslos da und schien zu lauschen.
Kiyan jedoch starrte ihn einfach nur mit offenem Mund an, wahrscheinlich hatte er schon mit seinem Schicksal abgeschlossen und wusste genau, das die beiden gleich selber wandernde Geister im Schatten des Baumes sein würden. Valerion schauderte es kurz, war er dann ein nüchterner Geist? Hatten Geister Alkohol? Oder bleibt ein Geist in dem Zustand, indem er starb? Dann musste er eines tun, nämlich die Henkersmahlzeit oder besser gesagt den Henkerstrunk fordern. Ha, das wäre ja gelacht.
„Weiste ich seh zwar nich danach aus aber ich kann zupacken und auch Kämpfen .. eh konnte jedenfalls mal kämpfen aber war ne Zeitlang in Gefangenschaft, natürlich vollkommen unschuldig. Jedoch gib mir ein paar Monate und ich bin wieder ein Schwertschwinger. Ich trainiere auch jedentag fleißig, falls wir irgendwelche Landstreicher bekämpfen müssen, die hier einfach ohne zu fragen Ruhestätte Hütten wieder aufbauen wollen! Also weiste wo man das Waldvolk findet? Wir sind zwei tolle Kandidaten, mein Kumpel kann sogar mit dem Speer umgehen, jedenfalls glaube ich das.“, sprach er Stolz und nickte vollkommen sicher, das seine Worte auf jedenfall gehör fanden und sie heute nicht sterben würden. Na ja jedenfalls glaubte er das ...
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Die Pietätlosigkeit dieses Menschen war maßlos. Dieser Fremdkörper im Sumpf von Tooshoo beschuldigte ihn, einen Hüter des Waldes, für die Zerstörung Schwarzwassers verantwortlich zu sein. Für die vielen Leben die gelassen wurden. Bezeichnete ihn herablassend als seinen 'Kumpel' und begann dann damit, großspurig mit seinen äußerst zweifelhaften Qualitäten zu prahlen. Der Blick des Hüters wanderte zu dem Speerträger. Doch dieser schwieg, sich der Lage in der sich die beiden befanden wohl bewusster, als der Prahlhans mit dem Schwert. Sie wussten es nicht besser. Zumindest kam dieser nur zu menschliche Gedanke in ihm auf. Aber rechtfertigte das die Art, wie er über ein ganzes Volk und einen Ort sprach von denen er keine Ahnung hatte? Dass dieser Kerl sich dem Waldvolk anschließen wollte und sich dabei über ihre Geschichte lustig machte? Sollte er dafür Verständnis haben?
-Fühlst du dich denn gezähmt?- schoss es ihm urplötzlich durch den Kopf, was ihn unweigerlich die Augen weiten ließ. Plötzlich traten die letzten Wochen und Monate in seine Gedanken. Die Distanz die er zu seinen Leuten aufgebaut hatte. Das tagein, tagaus Leben auf und um Tooshoo. Die Langeweile die ihn...
Die Hände des Hüters ballten sich für eine Sekunde zu Fäusten, öffneten sich jedoch kurz darauf wieder krampfhaft, als würde eine Bestie ihre Klauen bereit machen, nur um ihre Beute im nächsten Moment anzuspringen. Ruckartig richtete der Wyvernbeseelte seinen Blick zu dem Prahlhans und stand auch schon mit einem mächtigen Satz bei ihm. Dass die reflexartig gehobene Klinge dabei die Seite seiner Weste durchbohrt hatte kümmerte ihn nicht im geringsten. Es waren zwei behände Griffe mit denen der Hayabusa sein Gegenüber direkt an der Wand hinter sich festgesetzt hatte. Seine Linke umklammerte das rechte Handgelenk des Fremden mit festen Griff, sodass ein Agieren mit dem Schwert so gut wie nicht möglich war, während seine eigene Rechte sein Opfer am Hals gegen das morsche Holz presste. So, dass er sich gerade so auf den Zehenspitzen halten konnte. Der Templer taxierte die Augen der Fleisch gewordenen Destillerie gleich einer Bestie die ihm im nächsten Moment das Gesicht zerreißen würde.
"Du weißt NICHTS über diesen Ort." mit dem Fremden im Griff holte er kurz aus und schmetterte ihn erneut gegen das Holz. "Du weißt NICHTS über das Waldvolk." ein weiterer Stoß folgte. Das Holz knarrte bedrohlich. Ryu knurrte. "DU betrittst UNSER Gebiet und urteilst über jene die diesen Ort bewahren! Du trittst das was wir sind mit Füßen!" noch ein Stoß. Das Ächzen wurde lauter. "Typen wie du widern mich an..." nachwievor hielt er den Blick auf dem Fremden. Dann folgte der letzte, wiederholte Stoß bei dem das Ausholen dann doch brachialer erfolgte als bei denen davor. Das Duell Prahlhans gegen morsche Hauswand ging nun zugunsten des Prahlhanses aus. Mit dem unglaublich geplagten Geräusch brechender Bohlen. Mit Sicherheit eine schmerzhafte Erfahrung und Lektion in Demut, doch, bei all der urtümlichen Kraft die dem Hayabusa innewohnte: Der Kerl würde keinen dauerhaften Schaden davon tragen. Kurz noch blickte er dem Kerl entgegen, welcher halb in der Wand hing, den Kopf gesenkt. Dann wanderten die rot-orangenen Augen wieder zu dem Speerträger der zwar näher gekommen und seine Waffe erneut angehoben, doch nichts getan hatte. Ob er nun noch immer vom Auftreten des Hüters geschockt oder ob des plötzlichen Ausbruchs schockiert war ließ sich nur schwer sagen. Ryu indess hob nur beschwichtigend die Hand und schob mit einer vollkommen kontrastierenden Ruhe die flache Seite des Speeres mit seinem Handrücken beiseite. Dann nickte er nur sachte in Anerkennung, dass wenigstens einer von beiden vernünftig schien. "Wenn ihr wirklich so harte Burschen seid und euch das ganze ernst ist... Geht zum Eingang am großen Baum und sagt, Sarkany schickt euch. Dann meldet euch beim Hauptmann der Wächter... Und erjagt vorher etwas das präsentierbar ist. Niemand will ein paar... Landstreicher durchfüttern, die weder Respekt noch Maße für ihr Gesaufe kennen."
Mit diesen Worten ging der Templer schließlich an dem Speerkämpfer vorbei in Richtung des Nebels aus dem er aufgetaucht war. Noch einmal warf er einen Blick über die Schulter. Weniger wertend als versprechend. "Wie auch immer ihr euch entscheidet: Seht zu, dass ihr diese Hütte bis zur Mittagsstunde verlassen habt."
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Schweigend hatte Kiyan all die Dinge geschehen lassen. Die Frage des Wyvernmannes, warum sie diese Ruhestätte störten. Valerions großspuriges Gehabe, das offensichtlich von einer gravierenden Todessehnsucht sprach. Die Bedingung des Wyvernmannes, um zum Waldvolk gehören zu dürfen. Am Anfang hatte er gedacht, er war nur in einen moderaten Hundehaufen getreten. Jetzt wusste er, dass es sich dabei um eine metertiefe Jauchegrube handelte. Und derjenige, der ihn da mit hineingezerrt hatte, lag ächzend zwischen Brettern im Schutt.
Schweigend stampfte Kiyan zu dem liegenden Valerion, schaute sich nach dem Breitschwert um und schob es wieder in die Scheide an seinem Waffengurt, den Speer lehnte er an einen intakten Teil der Behausung. Er beugte sich kurz über den Verbrecher, sah das er bei Bewusstsein und finster vor sich hin murmelnd war … und gab ihm mit Schmackes eins in die Fresse.
„Du götterverdammtes Stück Scheiße“, zischte der Krieger und spuckte aus, „Du beschissener wandelnder Misthaufen. Ich könnte mir selber in die Eier dafür treten, dass ich Lharc davon überzeugt habe, dich mitzunehmen. Dass ich nicht auf ihn gehört und dich zurückgelassen habe.“
Der Trinker richtete sich ächzend auf, die Fäuste geballt. Kiyans Mund wurde zu einer schmalen Linie, während er die Hand auf den Schwertgriff legte. „Vorsichtig, Valerion“, sprach er ruhig, gefährlich ruhig, „Ich habe uns hier hingeführt, in Ordnung. Aber du hast diesem … Kerl, der hier ja scheinbar wie ein Totenwächter ist … Götter, du hast dich hingestellt und ihm die Schuld an dem Zustand hier gegeben? Und danach wirfst du dich stolz in die Brust und preist deine Fähigkeiten an?“
Er schüttelte den Kopf. „Du konntest von Glück reden, dass er dir nicht das Genick gebrochen oder dir zumindest mit der flachen Seite des Schwertes den Arsch versohlt hat.“
Immer noch brodelte es in Kiyan vor Wut. „Wie dem auch so, Valerion … wir jagen Beute, die wir präsentieren können. Jeder für sich.“ Der Krieger schaute auf das Schwert hinab, hin und her gerissen, ob er die Klinge, die ihm ein Freund mit auf den Weg gegeben hatte, diesem nutzlosen Drecksack übergeben sollte. Aber andererseits … würde er wohl den sicheren Tod im Sumpf finden.
„Hier, nimm die Klinge“, er legte den Waffengurt ab, „Ich habe ja den Speer. Verlierst du das Breitschwert, erspare ich diesem … Sarkany die Mühe, dich zu töten. Dann übernehme ich das eigenhändig, verstanden? Also, dann viel Glück bei der Jagd, Kumpel.“, eine gehörige Spur Abscheu lag in diesem letzten Wort, ehe er sich umwandte und verschwand.
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Ohne richtiges Ziel hatte Kiyan seinen Weg angetreten und dabei einen zügigen Schritt hingelegt. Nicht, weil er Valerions Reaktion fürchtete, sondern weil er seine eigene Reaktion auf einen möglichen Wutausbruch seines Reisegefährten nicht einschätzen konnte. Er war bisweilen ein umgänglicher Zeitgenosse gewesen, mal ernster und verschlossener, mal lockerer und offener. Aber dieser Wutausbruch nach der Begegnung mit Sarkany hatte er so nicht von sich erwartet. Es war nicht Angst gewesen, die ihn so passiv hatte werden lassen. Es war vielmehr zum einen ein gesunder Überlebensinstinkt gewesen. Vor dir steht ein Raubtier, dass auf darauf wartet, dass es dich als Beute betrachten kann oder nicht. Fliehst du, bist du feige Beute. Kämpfst du, bist du mutige Beute. Bleibst du stehen und wartest ab, bist du vielleicht intelligente Beute … vielleicht aber auch etwas anderes, etwas, das über der Beute steht. Reaktionen außerhalb des Musters können ein Raubtier zum Nachdenken anregen.
Valerion zählte hier klar als törichte Beute. Was auch immer Schwarzwasser widerfahren war, hatte Spuren in Sarkanys Wesen hinterlassen. Speziell die Hütte, in der sie sich einquartiert hatten. Der Kämpfer hatte es an der Art gesehen, wie der Wyvernäugige die Umgebung gemustert hatte. Darin hatte eine Spur … Bedauern gelegen. So ignorant und unvorsichtig zu sein, den gefährlichen Sarkany als Schuldigen zu beschimpfen … nun, Valerion hatte seine Lektion hoffentlich gelernt.
Kopfschüttelnd folgte Kiyan einem Weg, der schätzungsweise Richtung Süden führte. Es dauerte nicht lange, ehe der Pfad, der einstmals regelmäßig von Überwuchs befreit worden war, nur noch schwerlich zu erkennen war nach all den Jahren der Nichtnutzung. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er sich wesentlich tiefer in den Sumpf begab und packte dabei den Speer fester, entschlossener. Aufmerksam sah er sich um, hielt inne, wenn er Geräusche vernahm, die zu einem Jäger der hiesigen Tierwelt gehören konnte oder lauschte eindringlich, wenn er Beute vermutete.
Was ist wohl präsentierbar für dieses Waldvolk?
In seinen Jahren auf Expeditionen hatte Kiyan den einen oder anderen Sumpf auf dem Kontinent Gorthar bereist. Sumpfratten gab es fast überall, Biester in der Größe eines Molerats. Behäbig wie diese, einzeln recht ungefährlich, im Rudel aber durchaus eine Bedrohung. Blutfliegen? Denen wollte er hier nicht begegnen, solange er kein Gegengift für ihren Stich besaß. Gerüchteweise hatte er von Sumpfhaien gehört, die es an manchen Stellen auf Khorinis geben sollte, eine Mischung aus Schlange und Wurm, die in den Sümpfen, die sie beherbergten, an der Spitze der Nahrungskette standen.
Vorsichtig bewegte sich der Jäger weiter, ehe ihm an einem Baum, der dicht behangen war mit einem widerlichen, wurzelartigen und dicken Gestrüpp, Kratzspuren ausmachen konnte. Er trat näher, besah sie sich. Klauenspuren. Eine Erinnerung kam hoch an eine der Expeditionen, die er geführt hatte. Es war in einem Sumpfgebiet südöstlich von Gorthar gewesen, auf dem Wege zu den Wüstenlanden. Dort hatten die Stämme, die die Landschaft ihr Heim nannten, Wege auf Dämmen gebaut, um dem brackigen Wasser zu entkommen. Ihm waren damals die Kratzspuren aufgefallen und ihr Führer hatte ihm erklärt, dass es sich dabei um eine Angewohnheit von Lurkern – größeren Echsenwesen – handelte, um ihre Klauen zu schärfen.
Ich habe einen Speer und ich habe eine Fährte. Auf Holz geklopft, dass ich nicht mitten in ein Lurkernest stolpere, bei Adanos.
Kiyan packte den Schaft des Speeres fester und suchte nach weiteren Spuren.
Geändert von Kiyan (24.06.2023 um 21:24 Uhr)
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„Scheiße“, murmelte der Betrunkene und rieb sich den Kopf.
Die Aktion ging voll nach hinten los und der Kerl lag ziemlich beschissen in eine der Holzwände. Der muskulöse Kerl war verschwunden, er hatte jedoch eine Bedienung hinterlassen, sie mussten sich mit einer Beute wieder melden. War ja klar, geben und nehmen ... was auch immer hier passiert war, die meisten hatten sich wahrscheinlich irgendwohin auf diesem Baum verzogen. Er rieb sich das Kinn und überlegte, was er wohl jagen konnte. Er hatte ewig nicht mehr gejagt, musste sich etwas einfallen lassen und auch noch was Großes finden.
„Verdammte scheiße“; murmelte er nochmals und erhob sich. Immerhin durfte er die Klinge von Kiyan behalten, auch wenn dieser nun stink sauer auf ihn gewesen war und sich schon in den Sumpf verzogen hatte.
Valerion erinnerte sich an früher, als er mit ein paar Söldnern im Auftrag des Sumpflagers jagen war, um die Anzahl der Sumpfhaie zu reduzieren. Jedoch war er ziemlich ungeschickt, hatte nur ein Breitschwert, mit der nicht einmal umgehen konnte, und wäre wahrscheinlich ziemlich schnell Futter für die Haie. Er seufzte schwer, ging in die Hütte, wo sie gelebt hatten, und nahm seine Sachen an sich. Also ab in den Sumpf, wo er sich erstmal einen Plan überlegen musste, was war den überhaupt eine ansehnliche Beute? Würde man mit Sumpfratten zufrieden sein? An denen war zwar einiges dran, aber würde das für die wenigen Leute reichen? Er brauchte einen Plan.
Was hatte er den alles dabei, ein Schwert, ein paar Leere Flaschen, einen Dolch ... ihm ging ein Licht auf, er musste eine falle bauen. Etwas tiefer im Sumpf hatte er ein paar passende Bäume gefunden, er zerschlug die Rumflaschen, versteckte die intakten Flaschen mit den spitzen Enden nach oben, das Schwert und der Dolch wurden ebenso etwas fixiert, auf gewisser Höhe und bewunderte dann sein Werk. Mehr schlecht als recht aber es musste reichen. Nun ging er auf die Suche, er hatte sich in der Dorfruine ein paar kleine Kiesel genommen um die Viecher zu sich zu locken.
Er drehte eine Runde um seine Falle, hielt Ausschau nach ein paar fetten Sumpfratten, die am besten Einzeln unterwegs waren. Tatsächlich fand er auch eine, die mit einem Ast beschäftigt war, er warf den ersten Stein und die Ratte vollkommen in Wut verfolgte den Kerl. An der Falle angekommen sprang er schnell rüber und das Viech stolperte in die Falle aus verschiedenen Klingen.
Nummer eins war erledigt. Schnell versteckte er die Ratte unter etwas Geäst, damit die anderen Ratten nicht Verdacht schöpften. Er suchte weiter, die Runde wurde größer, fand er eine, stürmte er zurück zur Falle und wiederholte so sein tun. Mittlerweile hatte er so drei stück erledigt. Er glaubte vier würden reichen und fand auch die letzte Sumpfratte, die ahnungslos umherschnüffelte, er warf den Stein, die Ratte jagte ihn, Valerion floh aber sah dann wie eine zweite Ratte, aus dem Geäst gestürmt kam. Diese sah sehr aggressiv aus, mist ob dieses Viech auch in die Falle stürmen würde? Er sprang über seine Falle, die erste Ratte war tot aber, die Zweite verfolgte ihn nun. Er drehte sich, stolperte über eine Wurzel und flog beinahe in seine Falle.
Die Ratte hatte sich auf ihn gestürzt, kratzte ihn am Arm, den er zur Abwehr vor sich hielt. Mit der anderen Hand griff er an die Falle und suchte ein Werkzeug um die Ratte zu töten. Er griff seinen Dolch, zog diesen aus der anderen Ratte und stach dem Biest, auf ihn in den Kopf.
Er seufzte schwer, atmete einige Minuten aus und ein. Valerion erhob sich, nahm die beiden Ratten, zog die anderen aus dem Versteck und band alle mit einigen Schlingen zusammen. Mit dem schweren Pack zog er humpelnd weiter durch den Sumpf und zum Treffpunkt, was wohl Kiyan so erlegt hatte?
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Wie ein Schatten bewegte sich der Mann durch den tiefen Sumpf im Süden von Schwarzwasser, vorsichtigen Schrittes. Ähnliche Kratzspuren wie die an dem überwucherten Baum hatte er nun öfter ins Auge fassen können. Dabei wirkten die weiteren Kratzer eher fahrig, ja geradezu schwach. Fast hätte der Jäger sie nicht als solche erkannt, sondern nur für Unebenheiten der Baumrinde gehalten.
Irgendwann hörte er ein gurgelndes Geräusch und blieb stehen. Entweder waren dies Gase, die aus irgendeinem Tümpel an die Oberfläche stiegen oder ein Sumpfhai, der vielleicht ein solches Geräusch machte, ehe er seine Beute angriff. Dann jedoch erkannte der Kämpfer, woher dieses Geräusch stammte. Östlich von ihm erstreckte sich der Sumpf weiter, schien hier jedoch mehr aus einer überfluteten, brackigen Landschaft zu bestehen. Mangroven wuchsen hier hundertfach und ihr Wurzelwerk zeigte sich überall, unter wie über Wasser. Und wie einem Hundekörbchen ruhend, lag da eine unheimlich hässliche Kreatur. Sie war in etwa so groß wie ein Wolf, vielleicht größer. Kräftige Hinterläufe, geschuppt wie es bei Reptilien üblich war. Die Vorderläufe gingen ebenso in Krallen über, die jedoch abgenutzt schienen. Zum Kopf hin wurde der Körper massiger und die schuppige Haut warf mehrere Falten, dass sie Kiyan an einen Frosch erinnerte, der drauf und dran war, sich aufzuplustern und loszuquaken. Dunkle, kleine Augen ruhten über dem breiten Maul und sahen den Jäger schwach an.
Keine Beute, nicht meine zumindest. Bedauern erfüllte Kiyan. Nicht weil er diese Kreatur nicht selber erlegt hatte, sondern weil sie von einem weit größeren Räuber angefallen worden war. Und anstatt die Kreatur zu verspeisen, hatte der sie nur tödlich verwundet und war seiner Wege gezogen.
Vorsichtig trat er näher an die Bestie heran, die schwach ihren Kopf hob und ein pfeifendes Geräusch von sich gab. Es klang flehend, nicht aggressiv. Der Mann schluckte und besah sich die Wunde des Wesens. Ja, tödlich, ganz ohne Zweifel. Hier war ein sadistisches Raubtier am Werk gewesen.
„Shhh“, machte Kiyan und hob den Speer an, ehe er sah, worin die Kreatur eigentlich lag. Er konnte nur die Reste von Eierschalen erkennen, die Flüssigkeit, die sich darin befanden hatte und … Er seufzte schwer. Wohl deswegen hatte das Wesen gekämpft. Um ihr Gelege zu schützen. Und dabei hatte das größere Raubtier sie dort hinein geschleudert. Der Kampf um ihre ungeschlüpften Jungen hatte traurigerweise deren Ende bedeutet.
„Ich verstehe dich, meine Hübsche“, sprach der Jäger leise. „Es wird nicht weh tun, ich verspreche es dir.“
Bemüht, das Zittern in seinen Armen zu unterbinden, hob er den Speer, setzte ihn am Kopf der Kreatur an und blickte ihr ein letztes Mal in die Augen, ehe er zustieß. Ein kurzes Zucken, dann Stille.
Er atmete aus, zog den Speer aus dem toten Leib. Dann überlegte er. Die Verwundung des Wesens zeigte, dass er sie nicht erlegt hatte. Kiyan war aber auch nicht daran gelegen, sie als seine Beute zu präsentieren.
„Nein“, sprach er leise, „Ich bin der Fährte gefolgt und habe dem Muttertier Gnade erwiesen. Entweder akzeptiert dieses Waldvolk das oder …“ Es kann zu Beliars verdammter Hölle fahren! Sie schimpfen sich Hüter der Natur, erlauben es aber Kreaturen in diesem unsäglichen Sumpf, andere zum reinen Spaß zu morden oder zu verstümmeln.
„Sollen sie mich als einen Beschützer der Natur akzeptieren, nicht als einen bloßen Jäger“, knurrte er, „Wenn es ihnen um reine Beute geht, dann ziehe ich weiter.“ Kiyan legte dem Wesen die Hand auf den schuppigen Kopf. „Aber wenn ich bleiben darf, verspreche ich, deinen Mörder zur Strecke zu bringen, meine Hübsche. Bei allen Geistern der Natur und Adanos.“
Nach diesem Schwur machte sich Kiyan daran, aus Schlingwurzeln eine Art Seil zu fertigen und es um die Kreatur zu wickeln. Dann begann er zu ziehen, die Zähne entschlossen zusammengebissen. Zurück zum Baum.
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Der Schweiß rann dem Kämpfer in Strömen übers Gesicht, tränkte seine Bekleidung und sorgte für keinen allzu angenehmen Körpergeruch, den er selber glücklicherweise nicht wirklich vernahm, da der Sumpf um ihn herum auch nicht gerade das Odeur einer Parfümerie besaß. Der Leichnam dieser Kreatur, die wohl höchstwahrscheinlich ein Lurker war, schien sich im Tode nochmal verdoppelt zu haben, was das Körpergewicht anging. Ächzend machte Kiyan Schritt um Schritt, schaffte es endlich auf den überwucherten Pfad, der über Stege und Wege nach Schwarzwasser führen würde.
Irgendwo von der Seite hörte und vernahm er eine Bewegung im etwa brusthohen Sumpfwasser. Etwas schlängelte sich unter der Oberfläche und brach unvermittelt hervor. Es war eine schrecklich anzusehende Bestie mit graugrün geschuppter Haut. Augen sah der Kämpfer keine, schrie aber fast schon panisch auf, als sich das Maul dieser Kreatur in drei Segmente teilte und daraus ein tiefes, röhrendes Geräusch kam.
„Scheiße!“, schrie Kiyan auf und legte sich erst recht ins Zeug. Von irgendwo her schöpfte er aus Energievorräten, die er für nahezu aufgebraucht gehalten hatte. Er betete still zu allen Göttern und Geistern dieser und jeder anderen Welt. Gerade als sich das röhrende Wurmbiest den Damm zum Weg hinaufschlängeln wollte, stieß in einer Fontäne eine zweite solche Kreatur aus dem Brackwasser, größer diesmal, und stürzte sich auf die kleinere. Sie kämpften, bissen und umwunden sich, röhrten dabei wie eine tiefe Kavalleriefanfare.
Adanos sei Dank, dass es Revierkämpfe gibt!
Keuchend, ächzend und kämpfend mühte er sich weiter, erreichte die Stege und die Ruinen und leeren Hütten von Schwarzwasser. Mit seiner Last im physischen wie moralischen Sinne machte er sich auf zum Eingang des Riesenbaumes.
Was Valerion wohl gejagt hat?
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Freiya lauschte. Da waren sie wieder. Die gewohnten Geräusche des Sumpfes. Blubb. Glucker. Blubb.
Wie gerne sie sich, nun, da sie wieder in der Dunkelheit saß und von Mücken zerfressen wurde, an die Szenerie in Feshyr zurück erinnerte. Sie atmete tief ein, als könnte sie so die salzige Seeluft riechen und noch einmal das Meer hören.
Sie war am Abend mit den Raufbolden auf Argaan gelandet und hatte sich von ihnen verabschiedet. Wenn Innos ihnen hold war, dann würden sie sich vielleicht irgendwann noch einmal über den Weg laufen. Inzwischen war Freiya auch schon wieder am Großen Baum angekommen und saß nun nachdenklich neben Ronja bei ihrem Nachtlager. Ihre Freundin pfiff leise ein Lied vor sich hin, heute hatten sie keine Nachtwache zu erledigen.
"Wenn du Antworten suchst, musst du nur die Augen aufmachen. Es ist alles da, hä?"
Lyrcas Worte hallten laut im Kopf der Rothaarigen nach.
Die Antworten waren da. Was waren denn aber eigentlich Freiyas Fragen?
Zunächst: Wer war der Schwarzhaarige? Wer war sie? Was war geschehen in der Zeit zwischen ihrem Leben bei Meister Berlewin und dem Treffer auf ihren Kopf? Wie viel Zeit war damals überhaupt vergangen? Tage? Wochen? Monate?
Freiya schüttelte den Kopf. Das war alles zu wild durcheinander. So konnte sie es nicht angehen. Wahrscheinlich hatte alles miteinander zu tun. Dennoch ... eins nach dem anderen!
Der Schwarzthaarige - das war doch eigentlich, was sie am meisten beschäftigte. "Ich liebe Dich", hatte er geflüstert. Und er hatte es nicht nur geflüstert in ihren Träumen. Er hatte es getan. Wenn also diese Träume tatsächlich gar keine Hirngespinste waren, sondern vielleicht wirklich Bruchstücke von Erinnerungen, dann mussten sie einander sehr nahe gestanden haben. Freiya fragte sich, wie das sein konnte. Sie schloss die Augen und strich sich entnervt über die Stirn - genau das wollte sie ja herausfinden!
Die Antworten waren da.
Also, nochmal: Wer war er?
Freiya erinnerte sich an sein Antlitz auf Lyrcas Lichtung. Was hatte er getragen? Jedenfalls keine Jägerkleidung. Nein, er war kein Jäger gewesen, er hatte einen Waffenrock getragen! Ja, genau, das war es! Ein Waffenrock!
Die Rothaarige blickte auf und starrte in die Dunkelheit.
Da war ein Zeichen drauf gewesen ... was war das noch gewesen? Freiya hob die Hände, als konnte sie den Gedanken einfangen. Ihr wurde ganz warm. Wärme. Feuer. FEUER! Eine Flamme!
Innos!
Das war es!
Auf einmal richtete sie sich ganz aufgeregt auf.
Ein Waffenrock mit einer Flamme drauf - ein Diener Innos! Und weiter? Was noch?
"Was siehst du?", flüsterte Freiya sich zu.
Sie musste das Ganze weiter eingrenzen.
Da hing etwas an seinem Gürtel. Ein Schwert und ... was war das für eine merkwürdige Waffe? Sie hatte es schonmal gesehen ... wie hieß es doch? Holben ... Kolben ... Zwistkolben? ... Streitkolben! Ja, genau!
Freiya überlegte. Er war also jemand, der mit Waffen kämpfte. Dann war er zumindest kein Diener Innos, der mit Magie umging, sondern einer, der den Weg des Soldaten bestritten hatte.
Dann fiel ihr noch etwas auf. Noch etwas hatte an seinem Gürtel gehangen. Freiya war sich sicher, dass das eigentlich gar nicht dahin gehörte: ein Hammer. Ein schwerer Hammer. Sie war sich sicher, dass sie dieses Werkzeug nicht so lässig hätte an ihren Gürtel hängen können, wie es bei ihm gewesen war.
Ein Hammer? Das hatte etwas zu bedeuten! Aber was ... das verstand sie nicht.
Freiya schloss die Augen und atmete ein paar Mal bewusst ein und aus.
Er hatte ganz offensichtlich dem Heer der Innosgetreuen angehört. Wie sie. Außerdem hatte der Hammer irgendeine wichtige Bedeutung. Aber da kam sie nicht weiter. Noch nicht.
Aber es gab nun genug Anhaltspunkte für sie. Sie musste nur anfangen mit ihrer Suche.
Und wo?
In Thorniara.
Dort lebten die Innosgetreuen.
Wie sie es damals vorgehabt hatte.
Freiya atmete auf einmal aus und es war, als würde ein Schatten von ihr weichen.
"Ich werde nach Thorniara gehen", verkündete sie schließlich.
Geändert von Freiya (08.07.2023 um 23:48 Uhr)
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Er hatte einige Zeit gewartet, bis sein Gefährte aus dem dichten Nebel erschien. Anscheinend war seine Jagd ebenso erfolgreich gewesen, denn er schleppte eine Beute mit sich herum. Valerion saß auf einem Baumstamm und beobachtete seinen Gefährten, dieser blickte ihn ebenfalls kurz an und nickte ihm zu. Ob Kiyan erwartet hätte das Valerion noch am Leben war? Da grinste der ehemalige Sträfling kurz und erinnerte sich an einige Momente, wo man ihn für tot hielt. Doch Valerion war nicht tot zu Kriegen, immer noch am Leben, meistens mit mehr Glück als verstand aber er lebte.
„Da wären wir wieder was?“, sprach Valerion, blieb aber sitzen und schaute zu dem Eingang am Baum. Noch war keiner anwesend und Valerion wusste nicht, was er tun musste, um jemanden zu rufen. Der komische Muskelkerl hatte ihnen zwar Anweisungen gegeben aber, wie man diese anwendet, wusste er nicht.
„Was meinste? Soll ich mal anklopfen?“, fragte er grinsend und erhob sich. Sein Bein schmerzte noch und seine Kratzwunden waren auch noch leicht am Bluten, er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber er ahnte, das sein Kumpane schon bemerkt hatte, was Valerion abbekommen hatte.
Er klopfte feste gegen den Eingang, wartete ab bis irgendwas passierte .... doch nichts geschah.
„Verdammt ... haben die Mittag oder was?, knurrte Valerion, seufzte schwer... holte tief Luft und rief:
„WIR SIND VALERION UND KIYAN! SARKANI SCHICKT UNS, WIR WOLLEN ZUM HAUPTMANN UM UNS ANZUSCHLIEßEN! WIR HABEN AUCH GEJAGTE BEUTE DABEI, JEDER HAT SEINE EIGENE BEUTE GEJAGT!“, rief er laut, jedoch fiel er dann auf die Knie. Vielleicht war die Jagd doch etwas zu anstrengend gewesen.
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Am Eingang Tooshoos:
"Junge, Junge, Junge... Was'n das für'n Krach!? Siehst du mein Dicker? Ich hab dir doch gesagt, wenn wir einmal den Posten verlassen, kommen schon die irre schreienden Nudisten die man aus dem Kloster geworfen hat hier her und machen den Baum nervös." äußerte Terrence seinem auf ewig verbundenen Wächterkollegen Bud gegenüber und schob sich das letzte Stück Bockwurst zwischen die Zähne.
"Nich' mal in Ruhe die Augen kann man hier ausruhen. Ist doch sonst nichts los in diesem Riesentümpel... Wär ich lieber mal zuhause bei Mama geblieben. Die weiß wenigstens, wie ein guter Bohneneintopf gewürzt sein muss..."
Der wesentlich kräftiger gebaute Vollbartträger mit dem stets zusammen gekniffenen Blick brummte diese in seiner üblichen, brummigen Stimme. Dabei leerte er den bis vorhin noch gefüllten Bierkrug und befestigte ihn wieder an seinem Gürtel.
Die beiden, Bud mit müden Blick und einem desinteressierten Schmatzen, Terrence mit seinem ewig spitzbübischen Gesichtsausdruck zuckten noch einmal mit den Schultern, ehe sie wieder das Tor öffneten und draußen auf ihren Posten gingen. Dort standen zwei Typen. Der eine verlodderte als der andere. Bud schnaubte. Terrence hob die Mundwinkel. "Sieh mal, Dickerchen: Die Paradiesvögel sind verspätet aus dem Süden zurückgekehrt und werfen sich vor uns auf die Knie."
"Achja? Haben dich wohl gerochen bevor die Tür auf war. Kümmer du dich drum. Bist doch so gut zu Vögeln."
Mehr gab es aus diesem kleinen Austausch nicht mehr zu ziehen. Kaum gesagt, schmatzte Bud noch einmal und lehnte sich dann gegen den Posten der den Eingangsbereich bildete. Terrence hingegen öffnete gerade den Mund um etwas zu sagen, schüttelte dann jedoch resigniert den Kopf und ging ein paar Schritte auf die beiden Neuankömmlinge zu. "Und ihr seid...? Aha. Ist gut, die halbe Mannschaft ist von den Ästen gefallen bei eurem Gebrüll... Sarkany schickt euch? Gut... Rampe hoch, erste Tür rechts. Kleiner Ratschlag: Anklopfen wäre 'ne Idee. Achja und wenn ihr Ärger macht... Gibts volles Pfund aufs Maul. Gut? Gut."
Währenddessen in der Kommandantur:
Ryu lehnte gemächlich auf seinem Stuhl, die Beine wie gewohnt übereinander geschlagen auf der Tischkante aufgelegt. In der einen Hand die Wacheinteilung für die kommende Woche. Für das sonstige Chaos war er in den letzten Tagen wirklich effizient in seiner Planung gewesen. Aber das würde sich wohl auch wieder relativieren, wenn der kranke Karl sich mal wieder einen Splitter zog oder der buckelige Bob wieder Rückenschmerzen bekam. Dennoch machte sich in der Bauchgegend des Hauptmannes ein gewisses Gefühl der Zuversicht breit. Vielleicht war es aber auch nur Hunger. Die beiden Dinge lagen für gewöhnlich sehr nah beinander.
Was ihn jedoch fast vom Stuhl warf war das Gebrüll, welches draußen vonstatten gegangen war. Diese Stimme... Die kannte er doch? Waren das Prahlhans und Speerträger? "Och, nicht doch..." brummte er frustriert und griff sich mit Zeigefinger und Daumen ans Nasenbein ehe er sich von seinem Stuhl erhob.
Die beiden hatten ihm noch gefehlt. Noch einmal ließ er den Vorfall in Vareesas Hütte revue passieren... Wobei der Templer dabei weniger an die Begegnung mit den beiden Eindringlingen dachte, sondern viel mehr an seine eigenen Worte. Eine Ruhestätte... Das war Schwarzwasser in den letzten Jahren wirklich geworden. Der Sumpf, welcher sich die Siedlung nach und nach einverleibte hatte dafür gesorgt. Und so war es auch auf Tooshoo, trotz des umgiebigen Treibens der Wächter und Jäger so viel ruhiger geworden. Im Vergleich zu früher fast schon andächtig. Vielleicht war dies auch der Grund für die Trägheit und Monotonie die ihn in den letzten Monaten immer weiter geplagt hatte? Vielleicht war es die natürliche Verbindung der Hüter die auf ihn abfärbte. Der Templer schloss die Augen und dachte nach. Der Versuch, sich mehr auf das Gefühl einzulassen, welches er soprte, als seine Hand über die Wand und gleichzeitig den Leib des Baumes fuhr, der ihnen schon so lange Zuflucht gewährte wurde je unterbrochen, als er draußen Schritte und Gemurmel vernahm. Das konnte ja was werden...
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