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Das Bild vom Kind

  1. #1 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Wie es sich eigentlich so verhält mit der Entwicklung von Kindern und der Erziehung durch Eltern und Gesellschaft ist ein Thema, dass so alt ist wie die menschliche Kultur. Zu den immer wiederkehrenden Motiven in diesem Thema gehört besonders häufig dieses:

    Die nachwachsende Generation befindet sich in einem dramatischen Verfall auf allen erdenklichen Ebenen

    Und hinter diesem immer wiederkehrenden Motiv, dass sich schon in Keilschriften der Sumerer nachweisen lässt, gehört dann auch ein spezifisches Bild von Kindern als solchen, nämlich das Bild, dass Kinder ohne ein hohes Maß an Disziplinierung, Kontrolle und Bestimmung durch andere automatisch zu einer gesellschaftlichen Massenkatastrophe werden.

    In den letzten 20 wurde dieses Motiv in Deutschland mit großem Erfolg und hoher Berühmtheit von Michael Winterhoff verkörpert und beworben. Seine Variation des alten Motivs des Erziehungsverfalls lautet:

    Eltern gehen mit ihren Kindern eine Form von gestörter Symbiose ein und dadurch werden die Kinder massenhaft zu Narzissten

    Mit dieser These hat er in den letzten 10 bis 15 Jahren endlose Talkrunden beglückt und zahlreiche Bestseller rausgegeben.
    Und jetzt kam der große Knall:

    https://www.daserste.de/information/...video-100.html

    Wer sich das nicht ansehen will: Offenbar hat Winterhoff über Jahrzehnte hinweg auf verbrecherische Art und Weise nicht nur Eltern und Öffentlichkeit mit frei erfundenen Diagnosen getäuscht, er hat offenbar obendrein bei den ihm anvertrauten Kindern flächendeckend Neuroleptika verabreicht, teilweise über Jahre (10) hinweg. Er trug (und trägt) die medizinische Verantwortung für hunderte von Heimkindern in Deutschland und galt als Deutschlands Experte für Kinder- und Jugendpsychiatrie Nummer 1. Sein medizinisches System bestand offenbar aus dem simplen Rezept, allen Kindern die Diagnose „frühkindlicher Narzissmus“ zu geben, um sie dann mit einem Neuroleptikum systematisch ruhig zu stellen und sämtliche Eigenpersönlichkeit zu betäuben. An die Krankenkasse gab er dann offenbar gerne andere Befunde, da man die Phantasiediagnose frühkindlicher Narzissmus natürlich nicht abrechnen kann.

    Jahrelang haben Medien und pädagogische Fachwelt diesen Mann hofiert und seine absolut irren Thesen beklatscht und ihnen zugestimmt. Erstaunlich häufig fanden sich Winterhoffs Gesellschafts- bzw. Kinderanalysen im Rahmen von Wirtschaftlichkeit wieder.

    Hier: https://www.youtube.com/watch?v=Rj4joWbxkJ4

    Ein Clip, in dem es um die richtige „Persönlichkeit“ geht, um ein wertvolles Mitglied der Arbeitswelt zu sein.

    Hier: https://www.youtube.com/watch?v=PjWLLJeP8jo&t=774s

    Hielt er für die Wirtschaftskammer Vorarlberg einen Vortrag (der geradezu überraschend dumm, durchschaubar und galoppierend irre ist…)

    Und das ist natürlich kein Zufall, denn bei allen in Deutschland gängigen Konzepte von Kinderbetreuung und Bildung schwingt letztendlich das Ziel mit, „einen guten Job zu bekommen“. Denn wie wir ja alle wissen, ist das Ziel und der Zweck von kindlicher Entwicklung natürlich, entweder ein unternehmerfreundliches Arbeitsbienchen zu werden oder aber vielleicht sogar das Glück zu haben, unternehmerfreundliche Arbeitsbienchen anzuführen.

    Die Fragen, die ich in diesem Zusammenhang gerne zur Diskussion stellen will, sind nicht, wie so etwas wie Winterhoffs Praktiken möglich waren oder warum die Ämter so versagt haben. Offenbar handelt es sich bei diesem Mann selbst um einen zutiefst gestörten Menschen mit einem hohen Maß an krimineller Energie und solche Menschen finden immer Wege, großen Schaden anzurichten. Die in meinen Augen wichtigeren Fragen sind:

    Warum dieser Mann mit seinen irren und dämlichen Thesen jahrzehntelang derart gefeiert worden ist?

    Wieso hat das Motiv des Verfalls der nachwachsenden Generation eine so extreme Erfolgsgeschichte in der Kultur?

    Welches Bild vom Kind und von kindlicher Entwicklung haben wir in unserer Gesellschaft?

    Kann Entwicklung eigentlich sinnvoller Weise an einen Zweck gebunden sein?

    Gibt es „Qualität“ in kindlicher Entwicklung?

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  2. #2 Zitieren
    Mythos
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    Ich habe bis heute nie was von ihm gehört oder gesehen. Nach 2 Minuten von dem Video ist mir eines aufgefallen: er macht das selbe wie in "Krankenhäuser" für psychische Erkrankungen. Keine echte Diagnose stellen, aber von Anfang bis Ende Drogen ("Medikation") geben. Ich will nicht sagen, dass das überall der Fall ist, aber es hat definitiv System.

    Vielleicht schreibe ich heute Abend oder morgen mal bissl mehr, muss gleich zur Arbeit.

    Edit:
    Habe das Video nebenbei weiterlaufen lassen. Es gibt doch schon große Unterschiede zwischen dem Typen und den Krankenhäusern, wenn das Ergebnis für Kinder auch teilweise ähnlich ausfällt.
    Wer mit Sonderzeichen gendert, diskriminiert jene, die sich nicht zu Mann oder Frau zuordnen lassen. Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache erreicht man nur mit gender-neutralen Begriffen. Wer das weiß und dennoch gendert, diskriminiert mit Vorsatz!
    Xarthor ist offline Geändert von Xarthor (28.08.2021 um 11:38 Uhr)

  3. #3 Zitieren
    Mythos
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    Auf der einen Seite ist das schon heftig krass, wie er so lange mit den falschen Spielchen durchkommen konnte und so viel Schaden angerichtet hat. Insbesondere die Verabreichung von Drogen (Medizin unnötig oder falsch vergeben oder überdosiert sind defakto Drogen) über einen solche langen Zeitraum... . Auf der anderen Seite kenne ich genau das gleiche Behördenversagen schon in einem anderen Zusammenhang (Familiengericht, Jugendamt, Schule, Jugendwohnheim). Es herrscht schnell eine Gutgläubigkeit, weil alle ja nur "das Beste" für das Kind wollen und hinterfragt wird nichts.

    In einem mir bekannten Fall wurde der Jugendliche vor das Familiengericht geschleift und ihm wurde erst in der Verhandlung gesagt, weshalb er dort ist. Da war natürlich keine Chance sich darauf vorzubereiten, dazu der Überraschungsmoment - das ist meiner Ansicht nach bereits nicht rechtens (und der Richter hatte wohl nachgefragt und deshalb Kenntnis besessen). Am gleichen Tag landete die Person auf der Geschlossenen und wurde bis zum nächsten Morgen in einem kleinen Raum mit Matratze und Beobachtungsfenster fast nackt eingesperrt. Ab dem Morgen wurden der Person dann regelmäßig Medikamente verabreicht und Dinge wie Autismus diagnostiziert, die die Person gar nicht gehabt haben konnte.

    In dem Fall waren tatsächlich die Eltern das Problem. Das Kind hätte einfach nur von denen weg gemusst und dann wäre gut gewesen. Aber was dann passiert ist, hätte es fast in den Selbstmord getrieben. Deswegen hat das, was Jean-Luc Picard schrieb, erst mal gar nicht so sehr gewundert. Aber das mit gefälschten Abrechnungen und Diagnosen, die fehlenden Benachrichtigungen an Eltern und Vormündern etc ist dann doch noch eine Hausnummer größer.
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    Xarthor ist offline

  4. #4 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Zitat Zitat von Xarthor
    Es herrscht schnell eine Gutgläubigkeit, weil alle ja nur "das Beste" für das Kind wollen und hinterfragt wird nichts.
    Wenn man das ganze auf den Pädagogikbetrieb bezieht, dann ist genau das eben auch eine Grundsatzfrage, was eigentlich „das Beste“ für das Kind ist? In aller Regel geht es nämlich sehr selten um das Beste für das Kind, sondern meistens um das Beste aus der Perspektive von irgendjemand anderem, sei es aus Elternperspektive, aus Schulperspektive, aus Arbeitsmarktperspektive und so weiter.

    Das Bildungssystem ist da das beste Beispiel. Ausgelegt ist eben jenes nicht auf die Bedürfnisse oder die individuellen Stärken von Kindern, sondern auf die Bedürfnisse und die Struktur des Arbeitsmarktes. Und selbst bei dieser Fokussierung scheint das Ergebnis immer häufiger nicht der Zielsetzung zu entsprechen.

    In Kitas wird nunmehr seit Jahrzehnten das Mantra von mehr „Förderung“ gebetet, ohne dabei mal genauer zu definieren, was da eigentlich für wen genau gefördert werden soll. Ob es im eigentlichen Bedürfnis des Kindes liegt, „gefördert“ zu werden, spielt da in aller Regel keine Rolle. Fördern heißt letztendlich nichts weiter als angleichen, wenn Kinder in ihrer Entwicklung aus einem wie auch immer definierten Standard herausfallen. Um tatsächliche, pathologische Störungsbilder geht es dabei eher selten. Vielmehr geht es darum, Entwicklung mit willkürlichen Standards zu messen, um beurteilen zu können:

    Funktioniert in unserem System oder funktioniert nicht in unserem System.

    Ich bin der Überzeugung, dass uns das in ansehbarer Zeit gesellschaftlich immer mehr auf die Füße fallen wird. Denn wie schon gesagt, selbst für das zweifelhafte Ziel, alle zu guten Arbeitsbienchen zu machen, taugt dieses System offenbar nicht mehr.
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  5. #5 Zitieren
    General Avatar von Harvald
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    Solche Idioten gab es immer. Ich erinnere mal an Professor Helmut Kentler, der veranlasst hat, dass Kinder vom Berliner Senat vorrangig an Pädophile vergeben wurden mehr als 30 Jahre lang, mit der Begründung die würden sich aus eigenen Interessen besser um das Kind kümmern. Da ist der noch vergleichsweise harmlos.

    Erziehung hat die Aufgabe das Kind in seinem Umfeld zu sozialisieren. Das funktioniert aber nciht mehr das es nicht mehr ein Umfeld gibt sondern eine ganze Anzahl die untereinander nicht kompatibel sind. Die Gesellschaft ist multipolar geworden. Im Umfeld einer biodeutschen, russlanddeutschen, südosteuropäischen oder auch muslimischen Familie gelten unterschiedliche Normensysteme und die Schule ist nicht in der Lage allen Systemen gerecht zu werden. Aufgrund der Sprachbarrieren funktioniert auch die reine Wissensvermittlung nicht mehr, da sie auf Basis der Förderung des unteren Leistungsdrittels basiert. Somit klinken sich aufgrund der finanziellen Möglichkeiten die Eliten nach oben auf Privatschulen aus (12% der Schüler im laufenden Jahr) und zurück bleiben die bildungsfernen und einkommensschwachen Gruppen.

    und ja, du hast recht es wird uns auf die Füsse fallen und zwar noch mehr als du dir vorstellen kannst, da sich die einzelnen Gesellschaften (communities) immer weiter auseinander entwickeln und um die gesellschaftliche Vorherrschaft streiten werden. Irgendwann werden wir uns entscheiden müssen, ob wir fortschrittlich oder tolerant sein wollen.
    Harvald ist offline Geändert von Harvald (17.09.2021 um 19:42 Uhr)

  6. #6 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Zitat Zitat von Harvald
    und ja, du hast recht es wird uns auf die Füsse fallen und zwar noch mehr als du dir vorstellen kannst, da sich die einzelnen Gesellschaften (communities) immer weiter auseinander entwickeln und um die gesellschaftliche Vorherrschaft streiten werden. Irgendwann werden wir uns entscheiden müssen, ob wir fortschrittlich oder tolerant sein wollen.
    Da Du ohnehin nichts anderes loswerden willst als den immer und immer und immer selben Talkingpoint der gescheiterten Multikultigesellschaft: mach halt ein eigenes Thema dazu auf.

    Aber hör auf, die immer selbe Antwort zu schlicht allen Themen zu posten. Dein Geschimpfe hat letztendlich rein gar nix mit dem Thema und den gestellten Fragen zu tun. Welche Communities in Zukunft in Apokalypsedeutschland um die Vorherrschaft kämpfen werden hat null Zusammenhang mit der Frage, warum Winterhoff über Jahrzehnte in den Medien bejubelt wurde.
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  7. #7 Zitieren
    General Avatar von Harvald
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    Zitat Zitat von Jean-Luc Picard Beitrag anzeigen
    Da Du ohnehin nichts anderes loswerden willst als den immer und immer und immer selben Talkingpoint der gescheiterten Multikultigesellschaft: mach halt ein eigenes Thema dazu auf.
    Null Zusammenhang mit der Frage, warum Winterhoff über Jahrzehnte in den Medien bejubelt wurde.

    Du solltest dass was ich schreibe nicht immer auf das reduzieren was du von mir erwartest. Du möchtest dich also vorrangig mit dem Oberklassenphänomen dieses populären Arztes befassen und nicht wie dein Eingangspost nahelegt, mit dem "clash of cultures". Ok nun dann:

    Nein aber zu der Frage welches Bild von "Kind" "wir" in Deutschland eigentlich haben. Welche Rolle spielt es für die Partnerschaft der Eltern, für deren Selbstverwirklichung. Die Erwartungshaltung dessen, was ein Kind sein soll, hat sich schon von meiner Kindheit zu heute mindestens 2 mal grundlegend geändert und es sind weitere Bilder abweichende hinzugekommen. Dies ist wirklich divers.

    Warum er bejubelt wurde? Weil er einfache (chemische) Lösungen für tatsächliche oder angenommene Probleme lieferte. Weil er die Selbstverwirklichung der Eltern von komplexen Problemen des Zusammenlebens mit einer sich entwickelnden Persönlichkeit auf eine simple chemische Einwirkung reduzierte. Jemand der einfache Lösungen liefert ist ,zwar in gewisser Weise ein Populist, aber populär, wie Relotius in der Presse. Die Menschen wollen, dass ihr Kind irgendeine behandlungsfähige Krankheit hat, jedenfalls lieber als sich mit ihrem eigenen möglicherweise problematischen Verhalten (Hubschraubereltern) auseinanderzusetzen oder der Tatsache, das ihr Kind möglicherweise nicht so begabt ist, dass es ihren Ansprüchen genügt.

    2012 schätzte Jerome Kagan schätzte die Rate von Kindern und Jugendlichen, die falsch-positiv mit ADHS diagnostiziert werden auf 90 %. Die Harvard University berichtet von einer Diagnosehäufigkeit von 33 % der Jungen in Virginia, was rechnerisch bedeutet das ADHDS nur bei ca 3% tatsächlich vorlag.

    Die Eltern drängen zunächst den Arzt zur Diagnose, das Medikament Ritalin zeigt wie Doping eine gewünschte Wirkung und der Arzt macht Karriere und das Kind wird zu Tode beruhigt. Die Eltern können ihrem normalen (?) Lebenswandel weiter nachgehen und das Kind wird 1. z.B. besser in der Schule und 2. kann man die gefühlte Leistungsunfähigkeit nicht mehr vorwerfen, denn es ist ja krank.


    Ja es leidet an seinen Eltern.
    Harvald ist offline Geändert von Harvald (17.09.2021 um 23:53 Uhr)

  8. #8 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Zitat Zitat von Harvald
    Du möchtest dich also vorrangig mit dem Oberklassenphänomen dieses populären Arztes befassen und nicht wie dein Eingangspost nahelegt, mit dem "clash of cultures".
    Mein Eingangspost legt nirgends die Thematik clash of cultures nah. Diese Thematik liegt Dir nah – meines Erachtens viel zu nah, aber ganz sicher nicht dem Eingangspost.

    Dass Winterhoff einfache Antworten gibt, ist sicher ein wichtiger Teil des Phänomens. Allerdings passt die Kategorie Oberklassenphänomen wiederum nicht. Wie in der Doku zu sehen waren es in den letzten 20 Jahren vor allem viele, viele Heimkinder und Kinder aus zerrütteten Verhältnissen mit einem gesetzlichen gestellten Vormund, für die Winterhoff die Verantwortung hatte. Und diese Verantwortung hat er bekommen, weil er als Experte Nummer 1 gehandelt wurde. Auch die anderen Eltern aus der Doku sind alles andere als typische „Oberklasse“.

    Bei einem anderen Fall aus der Doku (und auch davon wird es viele geben) lag ja tatsächlich eine reale Diagnose den Problemen des Kindes zu Grunde, nämlich Autismus Spektrum Störung. Bloß hat sich Winterhoff dafür nicht interessiert, sondern lieber eine krankhafte Eltern-Kind Symbiose diagnostiziert und seine Phantasiediagnose frühkindlicher Narzissmus „behandelt“.

    Die Eltern, die Winterhoff ihre Kinder anvertraut haben, taten dies nicht, weil sie sich nicht mit den Problemen auseinandersetzen wollten, sondern weil sie durch die Gesellschaft und durch Medien das Bild vermittelt bekommen haben, dass es sich um den besten Mann für den Job handelt. Von dem Wahnsinn mit der Medikamentierung bekamen die Eltern ja erst etwas mit, wenn die Kinder schon Patienten von Winterhoff waren. Somit hat auch der beliebte Suggestivbegriff Helikoptereltern nicht etwas mit der Thematik zu tun.

    Hast Du Dir die Doku eigentlich angesehen? Mir scheint, Du schreibst jetzt einfach irgendeine prinzipielle Sichtweise auf Eltern und Kinder, weil heute ja Eltern offenbar nach Deiner Ansicht selbstsüchtige Verwirklichungsmonster sind. Mit dem, was bei Winterhoff über Jahrzehnte hinweg passiert ist hat das aber nicht wirklich etwas zu tun...
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  9. #9 Zitieren
    General Avatar von Harvald
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    Ich finde die Docu nur bedingt assagefähig und ziehe meine Schlüsse aus dem allgemein zugänglichen Material. Dies ergibt, dass Herr Winterhoff als Selbstständiger https://www.michael-winterhoff.com/ eine Praxis unterhält und gelegentlich zu Konsultationen mit den Trägern der Jugendhilfe der umlegenden Gerichte herangezogen wurde, was er werbewirksam einzusetzen wusste, denn gutachterliche Tätigkeiten für Behörden und Gerichte implizieren eine höhere Glaubwürdigkeit.

    Werfen wir nun einen Blick auf die Publikationen der letzten 20 Jahre:

    Warum unsere Kinder Tyrannen werden: Oder: Die Abschaffung der Kindheit 2008
    Tyrannen müssen nicht sein: Warum Erziehung nicht reicht – Auswege 2009
    Persönlichkeiten statt Tyrannen: Oder: Wie junge Menschen in Leben und Beruf ankommen. 2010
    Lasst Kinder wieder Kinder sein! Oder: Die Rückkehr zur Intuition 2011
    Moderne Entwicklungsstörungen 2011
    SOS Kinderseele. Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet – Und was wir dagegen tun können. 2013
    Mythos Überforderung. Was wir gewinnen, wenn wir uns erwachsen verhalten. 2015
    Die Wiederentdeckung der Kindheit. Wie wir unsere Kinder glücklich und lebenstüchtig machen. 2017
    Deutschland verdummt: Wie das Bildungssystem die Zukunft unserer Kinder verbaut. 2019

    Alle populärwissenschaftlich und bei einer namhaften Gütersloher Unternehmensgruppe erschienen mit Einschlägen auf der Spiegeljahresbestenliste im Bereich Sachbuch. Zielgruppe solcher Publikationen sind Eltern mit einem tatsächlich oder potentiell gestörten Kind.

    Fachpublikationen sind in dieser Zeit nicht auffindbar. Allerdings konnte er sich aufgrund der populärwissenschaftlichen Werke eine ziemlich einträgliche Veranstaltungs- und Vortragstätigkeit als weiters Standbein aufbauen. Auch nette Werbevideos wie "Her Majestities baby" auf you tube wurden von ihm erstellt. Und wieder die Frage nach dem geneigten Publikum der vorgenannten Zielgruppe.

    Die hochinteressanten Dokumentationen "Mit Kindern Kasse machen" wurde leider kurzfristig aus der Mediathek entfernt: https://www.bagfw.de/ueber-uns/deuts...arte-fernsehen. Wir wollen doch gegen unseren Liebling keine Stimmung machen.

    Interessant hierzu ergänzend vielleicht https://www.sueddeutsche.de/leben/ki...iplin-1.473754 . Der Artikel legt zumindest nahe, dass die Thesen des Herrn Winterhoff auch durch die Marktmacht des nicht ganz unbekannten Gütersloher Konzerns und seiner Stiftung durchgesetzt wurde und Kritiker bereits frühzeitig mundtod gemacht wurden. Ein Phänomen, dass kurzzeitig hier in der Lokalpresse erörtert wurde, bevor es wieder ganz verschwand.

    Weiter sehr lesenswert:
    https://www.kinder-verstehen.de/mein...stem-dahinter/
    https://www.kinder-verstehen.de/mein...n-seinem-werk/

    Das System Winterhoff war dazu ausgelegt Herrn Winterhoff zu Geld und Ruhm zu verhelfen und nicht Kindern zu helfen. Dazu nutzte er die besten populistischen Mittel.

    Vielleicht sollte man spenden https://www.betterplace.me/juristisc...XDiCUsto2QiKtM

    Auf jeden Fall könnte man die losgetretene Diskussion weiter verfolgen
    https://www.dgps.de/index.php?id=143...b761b821d139c1
    Harvald ist offline Geändert von Harvald (18.09.2021 um 15:17 Uhr)

  10. #10 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Zitat Zitat von Harvald
    Ich finde die Docu nur bedingt assagefähig und ziehe meine Schlüsse aus dem allgemein zugänglichen Material.
    Jenes Material steht in keinerlei Widerspruch zu der Doku. Die von Dir verwendeten Links stimmen mit dem Urteil der Doku überein – der kinder-verstehen Link verweist sogar auf die Doku und beschreibt sie…auch die junge Frau mit dem Spendenaufruf hat an der Doku teilgenommen...

    Worum es geht, ist eine populäre, aber eben sehr gefährliche Auffassung vom Kind, nämlich dass Kindern der Wille gebrochen werden muss, damit sie „wertvolle“ Mitglieder der heutigen Welt werden können. Wertvoll heißt hierbei in aller Regel, fleißige Arbeitsbiene – also Wirtschaftstauglich.

    Um ein Oberklassenphänomen geht es dabei explizit nicht und das findet sich auch in keinem Deiner Links wieder.
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  11. #11 Zitieren
    Mythos
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    Zitat Zitat von Jean-Luc Picard Beitrag anzeigen
    Bei einem anderen Fall aus der Doku (und auch davon wird es viele geben) lag ja tatsächlich eine reale Diagnose den Problemen des Kindes zu Grunde, nämlich Autismus Spektrum Störung. Bloß hat sich Winterhoff dafür nicht interessiert, sondern lieber eine krankhafte Eltern-Kind Symbiose diagnostiziert und seine Phantasiediagnose frühkindlicher Narzissmus „behandelt“.
    Und jetzt steht man als Elternteil, Kind, Betroffener oder naher Angehöriger da und fragt sich, was wirklich stimmt. Jetzt mal von dem "Eltern-Kind Symbiose" begriff distanziert, Kinder werden wirklich verhaltensauffällig, wenn Eltern ihre Kinder problematisch umgehen. Und eine "tatsächlich reale Diagnose" muss nicht immer einer tatsächlichen Krankheit etc entsprechen.

    Ich stimme Harvald ja nicht oft zu, aber ich denke auch, dass viele Diagnosen (er Sprach ADHS an, ich kenne das auch mit Autismus) heute oft gar keinem echten Krankheitsbild unterliegen. Ich kann mir Fälle vorstellen, ohne jetzt einen konkreten zu kennen, bei dem Kinder eine falsche Diagnose bekommen und hinterher zu Winterhoff gelangt sind um nochmal eine noch schlimmere Diagnose (im Bezug auf Medikation Drogenverabreichung) zu erhalten. Das Schlimme ist halt auch, dass Kinder einfach wehrlos sind und im Zweifel den falschen Leuten vertrauen und sich dadurch gar nicht wehren. Ich denke Winterhoff sollte uns nicht nur die Augen für vermeintliche Experten öffnen, sondern uns grundsätzlich über die Handhabung mit den Kindern nachdenken lassen. Im schlimmsten Fall versauen wir ihnen ihr ganzes Leben. Denn auch normale Krankenhäuser für psychische Erkrankungen arbeiten oft nach kapitalistischen Grundlagen (belegte Betten = Geld).
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    Xarthor ist offline

  12. #12 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Zitat Zitat von Xarthor
    Ich stimme Harvald ja nicht oft zu, aber ich denke auch, dass viele Diagnosen (er Sprach ADHS an, ich kenne das auch mit Autismus) heute oft gar keinem echten Krankheitsbild unterliegen.
    Ich bin beruflich viel mit dem Thema Störungsbilder in der Entwicklung von Kindern beschäftigt, allerdings nicht als Mediziner. Einerseits beobachte ich da tendenziell schon eine Entwicklung dahin, dass immer häufiger das Abweichen von arbiträren Standards schnell mit tatsächlichen Störungsbildern gleichgesetzt wird. Andererseits finde ich es übereilt, anhand solcher Idioten wie Winterhoff über die Diagnosepraxis des Berufszweiges an sich zu urteilen. Es ist sehr schwierig, hierbei ein tatsächlich realistisches Bild der Gesamtsituation zu bekommen.

    Am besten bekannt ist mir die Thematik in Bezug auf Entwicklungsstörungen im Bereich der Sprache. In der Forschung gibt es hier seit einigen Jahren eine angeregte Debatte darüber, ab wann eigentlich aus welchem Grund der Begriff Störung eigentlich sinnvoll ist. Bei Entwicklung im Allgemeinen ist als Ergebnis eigentlich stets eine Varietät zu erwarten, mit einem typisch erwartbaren Mittelfeld und dann unterschiedlich stark ausgeprägten Abweichungen von diesem Mittel. Ab wann etwas als Störung gilt, hängt oft nicht an der Eigendynamik des betroffenen Entwicklungsverlaufs, sondern vielmehr daran, ab wann es in den gegebenen Systemen von Bildung und Betreuung nicht mehr gut funktioniert.

    In den Medien wird man beispielsweise seit Jahren mit dem Narrativ bombardiert, dass immer mehr Kinder Sprachprobleme hätten. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist das allerdings undifferenzierter Unsinn, da die Zahl von Kindern, die tatsächlich von einer sogenannten Primären Sprachentwicklungsstörung betroffen sind, relativ stabil zwischen 5-8 % liegt. In den unterschiedlichsten Studien von Krankenkassen und anderen Instituten findet man aber völlig willkürliche Zahlen, sei es angeblich jedes 8 Kind oder auch jedes fünfte oder sogar jedes zweite:

    https://www.abendblatt.de/politik/ar...hprobleme.html
    https://www.mdr.de/wissen/probleme-s...inder-100.html

    Hier findet eine gefährliche Vermischung von sehr unterschiedlichen Phänomenen statt, nämlich der Frage nach Leistungsfähigkeit im gegebenen Bildungssystem und dem der Frage nach einer pathologischen Störung der biologischen Entwicklung. Und nachdem zuerst diese beiden sehr unterschiedlichen Aspekte miteinander vermischt werden, gibt man dann von Seiten der Politik und der Pädagogik gerne die Antwort, dass das Mantra der Förderung die passende Antwort auf dieses Problem sei. Förderung als Begriff suggeriert hierbei, dass es um die Entwicklung an sich ginge – das ist aber nicht der Fall. Sehr häufig wird nicht die Entwicklung gefördert, was man beispielsweise durch die Gestaltung einer anregenden Umgebung und einer bedürfnisorientierten Alltagsbegleitung erreichen würde, stattdessen wird an den Defiziten im Hinblick auf Tauglichkeit für unser fragwürdiges Bildungssystems herumgewurschtelt.

    Ich könnte darüber jetzt noch Stunden schreiben, da es viel mit meinem Alltag in Verbindung steht, aber grundsätzlich sehe hierbei auch einen klaren Bezug zu der Frage, warum die Thesen von Winterhoff auf so gern gesehenen Boden in der Gesellschaft und der Medienlandschaft gefallen sind. Es ist ein sehr beliebtes und weit verbreitetes Muster, dass bei Kindern, die in unserem gegebenen Betreuungs- und Bildungssystem nicht funktionieren, automatisch ein Fehler beim Kind gesucht wird, anstatt bei dem, worin sich das individuelle Kind befindet. Ganz einfach, weil man völlig selbstverständlich voraussetzt, dass die Entwicklung von Physis, Kognition und Sozialverhalten automatisch etwas Systemkonformes hervorbringt und alles andere tendenziell krankhaft sei. In Wirklichkeit ist aber unser System in keiner Weise irgendwie an einer realen Entwicklung von Kindern orientiert, es ist an den Bedarfen unseres Wirtschaftssystems und unserer Gesellschaftsordnung orientiert.
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  13. #13 Zitieren
    Mythos
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    Zitat Zitat von Jean-Luc Picard Beitrag anzeigen
    Andererseits finde ich es übereilt, anhand solcher Idioten wie Winterhoff über die Diagnosepraxis des Berufszweiges an sich zu urteilen.
    Das mache ich nicht, denn meine Ansicht steht schon jahrelang so und Winterhoff kenne ich nun seit deinem Video - zumindest kann ich mich nicht an ihn erinnern, falls ich schon vorher etwas gehört haben sollte.

    Was den Berufszweig anbelangt, so kommt es auf viele Dinge an, unter Anderem, ob Krankenhäuser staatlich oder privat geführt werden. Vergleichsweise kann man die "normalen" privaten Krankenhäuser heranziehen, bei denen Operationen danach geführt werden, wie viel Gewinn jeweils abspringt und weniger was der Patient tatsächlich als sinnvollsten Eingriff benötigt. Warum soll das bei Kinderpsyche anders sein?

    Ansonsten stimme ich dir mit allen anderen Aussagen zu.
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  14. #14 Zitieren
    Deus Avatar von Lemimus
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    Das sehe ich auch so. Hauptsache man diagnostiziert bei einem Kind, was "normal lebhaft" ist, so was wie ADHS und schon klingeln am Ende bei den Pharmaunternehmen die "Kassen" bzw. es werden dem Kind "Therapieen" angeboten über dessen Wirksamkeit man sich streiten kann und für die manchmal die Eltern "gerade stehen" müssen. Sprich, die werden nicht von der Krankenkasse abgerechnet, weil sie nach aktueller medizinischer Fachkenntnis keinen Nutzen haben.
    [SIZE="4"] Binger sind Pinscher![/FONT]

    Leute, liest ein Buch! Das Internet ist sowieso schon kaputt genug, durch die vielen Quarantänemaßnahmen! Lasst auch den Armen das Recht auf ein BISSCHEN Internet! Ich blockiere hier gar nichts! IHR TUT DAS!!!!
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