[ulix]

Von der Ennahda. In Tunesien versucht gerade der Präsident, angeblich (aber nicht wirklich) im Rahmen der Verfassung, das Parlament und die Regierung zu entmachten.
Und er scheint damit Erfolg zu haben. Zuvor gab es größere Proteste gegen die Regierung, größtenteils bestehend aus Vertretern der gemäßigt islamistischen Ennahda, die beim Krisenmanagement hart versagt hat.

Nun mag das so klingen, als sei was der Präsident dort tut irgendwie gerechtfertigt. Drei Dinge (bisher, das werden noch mehr) lassen daran Zweifel aufkommen:
Erstens wurde - so wie ich das verstehe ohne irgendeine vernünftige Begründung - die Immunität des gesamten Parlaments aufgehoben.
Zweitens wurde das Parlament - im direkten Widerspruch zur Verfassung - aufgelöst, und die Parlamentarier werden gewaltsam daran gehindert Sitzungen abzuhalten.
Drittens wurden heute die Büros von Al-Jazeera gestürmt. Ordentliche Berichterstattung scheint also unerwünscht. Immerhin hat der Präsident die Büros nicht bombardieren lassen, er ist immerhin kein Benyamin Netanyahu.

Deshalb hoffe ich, dass die Islamisten der Ennahda es schaffen, die fragile tunesische Demokratie zu retten. Sie sind die stärkste demokratische Fraktion, und die einzigen die die Demokratie wieder herstellen können.

Wie seht ihr das?

[Matteo]

Auf mich wirkt die Ennahda eher wie ein fundamental-islamischer Verein der sich vorläufig und nach außen hin aus taktischen Gründen im gemäßigten Gewand zeigt. Falls die Demokratie also von der Ennahda gerettet wird, werden die aber vermutlich in kürzester Zeit die Hüllen mehr oder weniger Fallen lassen und das Land strikt auf fundamental-islamischen Kurs bringen.
Ich denke, die Ennahda dürfte in Tunesien dann das werden, was die AKP in der Türkei oder die Muslimbruderschaft in Ägypten ist.
Für die Menschenrechtssituation in Tunesien sehe ich da jedenfalls keine Verbesserung.

[ulix]

Das Gesicht des "fundamentalen Islamismus" (Zitat Matteo), die Bürgermeisterin von Tunis:

[Bild: Souad-Abderrahim-Mayor-of-Tunis-Tunisia.jpg]

Ich denke, die Ennahda dürfte in Tunesien dann das werden, was die AKP in der Türkei oder die Muslimbruderschaft in Ägypten ist.

Die Partei die nach demokratischer Wahl weggeputscht wurde, und durch einen Militärdiktator ersetzt wurde, der alle möglichen politischen Freiheiten wieder eingestampft hat die (u.a.) durch die Muslimbrüder garantiert wurden, wieder angefangen hat Regimekritiker einfach verschwinden zu lassen, etc.?

Aber hey, immerhin verträgt er sich gut mit den Westmächten und Israel. Ist doch super!

[ulix]

Hier ein ganz interessanter Kommentar über den "tunesischen Trump", der nach Jahren der Untergrabung demokratischer Institutionen jetzt mit seinem Coup den letzten Schritt gegangen ist.

https://www.aljazeera.com/opinions/2...y-another-name

Wenn die Islamisten die Demokratie verteidigen, und die (eher) säkulären sie abschaffen wollen, dann bin ich wohl oder übel auf Seite der Islamisten. Natürlich.

Selbstverständlich.