Zitat von
Majonese
"Aaaauuuuuuuuuuuuhhhhhhh!"
Nicht nur, dass ihr Ausruf laut durch den ganzen Laden hallte, Rebecca rundete das Bild eines heulenden Wolfes auch noch ab, indem sie die Augen zusammenkniff und nicht nur den Kopf, sondern gleich den ganzen Oberkörper nach hinten reckte.
"Rebecca!" Neben ihr zuckte Madison erschrocken von ihr zurück und ließ dann nervös den Blick umherschweifen. "Ey...muss das denn sein? Es gucken schon alle zu uns!"
Sie sparte sich eine Antwort darauf, denn natürlich wäre es ein klares 'Nein'. Ihre Freundin tat sich immer noch spürbar schwer damit, ihre Krankheit wirklich zu verstehen und Rebecca wusste nicht, wie sie es ihr noch erklären sollte. Außerdem hatte sie noch nicht die Kontrolle über ihren Körper zurück und warf ihren Kopf wild hin und her.
Und Madison hatte recht. So ziemlich sämtliche Köpfe im Laden hatten fragend nach dem Ursprung des seltsamen Geheules umgedreht. Unglücklicherweise konnten sich Madison und Rebecca nicht zwischen den Regalen verstecken, denn dort wo sie standen, gab es nur ein hüfthohe Schaukästen, auf denen eine Reihe an Keyboards und Synthesizern standen. Es fiel den Leuten also nicht schwer, die Schuldige auszumachen und sie mit empörten Blicken zu strafen.
"Was soll das denn?", war die Stimme einer Frau zu hören, die nicht unweit von Rebecca und Madison mit ihrer Begleitung, vermutlich ihr Mann und ihre zwei kleinen Kinder, stand und tadelnd den Kopf schüttelte.
"Tut mir leid", raunte Rebecca ihrer Freundin zu. Sie machte Madison keinen Vorwurf. Wer wollte schon zusammen mit einer vermeintlich Irren zusammen gesehen werden, die in aller Öffentlichkeit anfing, einen Wolf nachzuahmen? "Komm, lass weitergehen...!"
Das Music Planet war ein recht geräumiger Laden, in dem sich hunderte, wenn nicht sogar tausende Musikinstrumente über etliche Regale und die Wände verteilten. Es gab eine ziemlich große Auswahl an Instrumenten aus verschiedenen Zeitepochen, von einfachen Perkussionsinstrumenten wie Tamburins, Pauken und Bongos, altertümlich anmutende Streichinstrumente in verschiedenen Größen, Gitarren aller Bau- und Klangart, bis hin zu modernen Soundsystemen, die im Handumdrehen ganze Orchester ertönen lassen konnten - wenn man wusste wie und vor allem horrende Geldbeträge investieren wollte. Dazu kamen unzählige kleinere Fächer, Kisten und Koffer mit Zubehör, wie etwa altmodischen Instrumentständern, Umhängegurten oder austauschbaren Kleinteilen für Leute, die noch zusätzlich an ihren Instrumenten herumschrauben wollten.
Die Anordnung der zahlreichen Regale und Schaukästen in der Mitte ließen den Laden deutlich größer und verwinkelter wirken, als er eigentlich war, was sich in einem Musikgeschäft aber durchaus als vorteilhaft herausstellte.
Denn auch ohne, dass jemand lautstark Wolfslaute von sich gab, erklang eigentlich ständig irgendwo eine Snare, ein Gitarrenriff oder das helle Klingeln eines Tamburins, wenn Kunden die verschiedenen Instrumente ausprobierten. Vor allem Kinder konnten konnten kaum der Versuchung widerstehen, auf den Geräten herumzuklimpern und -klopfen. Bei jeder Gelegenheit wurden Saiten gezupft und Knöpfe gedrückt. Und die Geräuschkulisse machte es teilweise nicht einfach, selbst Hand anzulegen und die Klänge der Instrumente auszutesten. Die Größe des Ladens wirkte dem wenigstens ein wenig entgegen.
Eigentlich wäre das Music Planet nicht ihre erste Wahl gewesen, Rebecca bevorzugte lieber die kleinen Geschäfte, in denen man nicht selten der alleinige Kunde war und sich in Ruhe das Angebot anschauen und vor allem auch anhören konnte, während man von einem Angestellten noch beraten wurde. Doch ihr Lieblingsgeschäft für Instrumente und Musikzubehör in Papamoa Beach hatte schon vor einigen Jahren dichtgemacht und zumindest über die Auswahl konnte man sich hier nicht beschweren.
"Das ist doch alles völlig überteuert!", schnaubte Madison mit einem Blick auf die digitalen Preistafeln, die an den Wänden und Regalen hingen. Sowohl die Kosten für Materialien, als auch die Produktion der meisten Instrumente waren eigentlich deutlich niedriger, als die Preisschilder vermuten ließen. Doch da ein immer größerer Teil an Musik komplett digital entstand, waren Musikinstrumente mehr und mehr zu einem Luxusgut geworden, für das die Hersteller auch immer noch recht viel Geld verlangen konnten.
Rebecca zuckte mit den Schultern. "Aber das ist es eigentlich trotzdem wert...ich meine, es ist ja auch Quatsch! Quatsch! Es ist ja auch Quatsch! Fuck off! Es ist halt einfach schöner, die Musik wirklich selbst zu spielen, als einfach am Computer ein bisschen rumzuklicken."
"Pfff..." Die Skepsis ihrer Reaktion war wenig überraschend. Madison hatte von Musik eigentlich nicht die geringste Ahnung, zumindest wenn es um Musiktheorie und Akustik ging. Dass sie Rebecca trotzdem hierher begleitet hatte und dabei auch noch die Tics über sich ergehen ließ, freute sie daher umso mehr.
Die beiden Frauen liefen in den hinteren Teil des Ladens, der voll und ganz von Saiteninstrumenten, allen voran natürlich Gitarren ausgefüllt war. Hier gab es so ziemlich alles, was man sich vorstellen konnte, egal ob man als professioneller Gitarrist oder als angehender Hobbyspieler nach einem Instrument suchte. Akustik- und E-Gitarren unterschiedlichster Bauweise und Größen reihten sich hier dicht an dicht.
"Weißt du denn, was du suchst?", wollte Madison wissen, die zwischen den dutzenden Instrumenten offenbar schon den Überblick verloren hatte.
Rebecca nickte. "Eine Westerngitarre...das sind die mit den dicken Saiten, schau hier...!" Sie deutete auf ein Exemplar direkt vor ihr, eine recht schöne Gitarre aus dunklem Holz.
"Ähm...aha", machte Madison und es war klar, dass sie trotzdem keine Ahnung hatte, wie man eine Westerngitarre von anderen Stücken unterscheiden konnte.
Ihre Reaktion ließ Rebecca schmunzeln. Und ticcen. "Hey!", rief sie laut und warf ihren Kopf hin und her. "Du weißt gar nichts! Gar nichts! Gar nichts! Ha! Buuiieeeh!" Sie rieb sich den schmerzenden Nacken. "Sorry..."
Es war Madison sichtlich unangenehm neben ihr zu stehen, als sich erneut einige Köpfe in ihre Richtung drehten. "Was ist mit der hier?", fragte sie hastig und zeigte scheinbar willkürlich auf eine der Gitarren an der Wand.
Rebecca schüttelte den Kopf. "Nein, nicht so eine. Die hat eine laminierte Decke..."
"Eine was?"
"Die Decke ist der obere Teil der Gitarre", erklärte Rebecca geduldig und klopfte auf den Teil der Gitarre, den sie meinte. "Die Seiten und die Unterseite sind aus laminiertem Holz. Und wenn die Decke die gleiche Farbe hat, wie der Rest, dann ist die meistens auch laminiert."
"O...kay?" Madison zuckte mit den Schultern. "Ist das schlecht?"
"Ist eigentlich nicht die Welt, aber ich würde schon gerne eine nehmen, wo die Decke aus Massivholz ist. Das laminierte Holz klingt nicht so gut. E-e-eh-es klingt nicht so gut. Wie ein sterbendes Kind!"
"Wie ein...was?", prustete ihre Freundin ungläubig.
Rebecca grinste verlegen. "Das war ein Tic...ich meine nur, dass Massivholz besser klingt."
"Also, dieses...Tourette ist manchmal echt abgefuckt!"
Es sollte wohl wie ein Scherz klingen, doch der Ausdruck auf Madisons Gesicht und der leicht nervöse Ton ihrer Stimme verrieten ihr Unbehagen.
Rebecca versuchte den Kommentar zu ignorieren und schaute sich das Angebot genauer an. Sie fand recht schnell auch einige Gitarren, die ihr gut gefielen. Gelegentlich nahm sie eines der Instrumente von seiner Halterung und ließ sich auf einem der Hocker nieder, die hier umherstanden, um das Stück einem praktischen Test zu unterziehen. Während sie probeweise ein paar Akkorde spielte, war ihr sehr wohl bewusst, dass Madison sich ein wenig verloren fühlen musste, schließlich konnte ihre Freundin wenig einschätzen, ob das Instrument nun gut klang oder sich angenehm spielen ließ.
"Und wie findest du die hier?", wollte Rebecca mit einem Klopfen gegen die Gitarre auf ihrem Schoß wissen. "Glaubst du, die gefällt ihr?"
"Hm..." Madison bedachte das fast schwarz lackierte Holz mit einem skeptischen Blick. "Ist ein bisschen dunkel, oder? Vielleicht lieber etwas, das nicht so Goth-mäßig aussieht."
Rebecca fand die Gitarre eigentlich ganz gut, gerade vom Spielgefühl. Aber Madison hatte durchaus recht, das Stück hatte wirklich einen etwas düsteren Look. Andererseits wollte sie schon etwas, das nicht ganz so gewöhnlich aussah...
Mit einem Seufzen hängte sie das Instrument zurück und schaute sich weiter um. Es war gar nicht so einfach etwas zu finden, mit dem sie zufrieden war und das obwohl hier unzählige Gitarren hingen. Doch die ganzen Bedingungen, die sie an das Instrument hatten, schränkten die Auswahl dann doch enorm ein. Als nächstes probierte Rebecca eine Gitarre aus, die zwar recht schöne Verzierungen auf dem Seitenholz hatte, aber ein wenig groß und unhandlich war. Dann ein Stück mit einem für ihren Geschmack recht schmalen Hals, bei dem die Saiten zu eng zusammenliefen, was das Spielen unnötig schwierig machte. Und auch eine sehr edel wirkende Gitarre aus glänzendem Holz und aufwändig verschnörkeltem Kopf schied aus, als die beiden Frauen einen Blick auf das Preisschild warfen. Zwei-, dreihundert Credits waren noch locker drin, doch bei knapp eintausendfünfhundert hörte der Spaß auf.
Gerade brachte sie das Luxusinstrument zurück, als Madison plötzlich mit Aufregung in der Stimme sagte: "Hey, schau dir die hier mal an!"
Rebecca wollte der Aufforderung nachkommen, doch ihre Krankheit ließ sie zunächst nicht. Sie starrte noch auf die teure Gitarre vor ihr und streckte plötzlich ihre Hand danach aus. "Anfassen!", stieß sie mit weit aufgerissenen Augen hervor und schlug dann mit ihrer Hand wild nach den Saiten des Instruments.
"Rebecca?"
Sie wandte sich zu Madison um, die Augen noch immer weit offen und wiederholte nur nochmal: "Anfassen!"
"Ist das...wieder einer von diesen Tics?", wollte ihre Freundin merklich irritiert wissen.
Kaum bekam Rebecca die Kontrolle über ihren Körper zurück, zog sie hastig die Hand weg von dem Instrument. Das Letzte, das sie wollte, war eine sündhaft teure Gitarre im Laden zu beschädigen. "Was ist?", fragte sie und überging den Tic. "Hast du was gefunden?"
Wortlos deutete Madison auf ein Exemplar vor ihr, das gut sichtbar auf Augenhöhe hing.
"Uhhhh...!" Auf den ersten Blick wirkte das Instrument wenig außergewöhnlich, weder das Material, noch die Farbe des Holzes oder die Bauform machten einen besonderen Eindruck. Doch beim genaueren Hinschauen konnte man erkennen, dass das gesamte Griffbrett, sowie der Kopf und Teile der Decke mit aufwendigen silbernen Ziermustern bedeckt waren. Sie waren dezent in das Material hineingearbeitet worden, sodass sie nicht störten und dem Stück doch einen sehr schönen Touch gaben. Dass es sich bei den Motiven um traditionelle Muster der neuseeländischen Ureinwohner handelte, passte nur umso besser. Mit wachsender Begeisterung nahm Rebecca die Gitarre von der Halterung und spielte ein wenig darauf herum.
"Die ist echt toll!", lautete ihre Einschätzung schon nach einigen Akkorden. Die Größe, der Klang, das Aussehen, es war alles genau richtig, fast schon so, als hätte sie die absolute Wunschgitarre gefunden. "Wollen wir die nehmen?"
"Puuuhh..." Madison Augen weiteten sich leicht, als sie sich den Preis des Stücks betrachtete und sie warf ihrer Freundin einen bedeutsamen Blick zu.
"Och nee! Sag nicht, das ist auch so übertrieben teuer...!"
"Naja...sechshundert..."
Und so schnell die Begeisterung aufgekommen war, verflüchtigte sie sich wieder. Sechshundert war eine beachtliche Größenordnung. Nicht ganz so schlimm wie tausendfünfhundert, doch es war immer noch eine ganze Menge. Andererseits war die Gitarre absolut perfekt und nun, da sie das schöne Stück in den Händen hielt, war sie sich sicher, dass sie sich mit keiner Alternative zufrieden geben würde...
"Ähm...alles in Ordnung?"
Erst jetzt bemerkte Rebecca, dass sie mit starrem Gesichtsausdruck winselnde Laute, die entfernt an das Jammern eines Hundes erinnerten, ausstieß und ihr entfuhr ein überraschtes Lachen über den Tic. "Jaja, schon gut", grinste sie und blickte dann wehmütig auf die Gitarre, die sie noch im Schoß hielt, während sie wahllos ein paar Saiten zupfte. "Ach Mann, das ist so schade...die ist wirklich großartig!"
"Jaah, schon...aber das ist echt ein bisschen viel..."
Mit einem schweren Seufzen erhob sich Rebecca und brachte die Gitarre zurück, um sie zu den anderen Instrumenten an die Wand zu hängen. Sie und Madison hatten sich im Voraus darauf geeinigt, dass sie den Kaufpreis halbe-halbe teilten und nicht über dreihundert Credits gehen wollten. Und dieses Stück kostete das Doppelte. Trotzdem fiel es ihr schwer, ihren Blick von der Gitarre abzuwenden und ihre Augen blieben an den silbernen Koru-Symbolen hängen, die am Kopf des Instruments in das Holz eingearbeitet waren.
Ihre Gedanken drifteten wieder ab und sie erinnerte sich an den Moment vor ein paar Tagen zurück, als Amaia ihrer besten Freundin offenbart hatte, dass sie in Neuseeland bleiben würde. 'Ich bleibe hier, solange du mich brauchst.' Die Worte hatten sich in ihren Kopf eingebrannt. Für jemand anderen mochte es abgedroschen klingen, für Rebecca aber war es das Schönste, das sie seit ihrer Rückkehr nach Tauranga zu hören bekommen hatte.
"Ich nehme sie trotzdem...", entfuhr es ihr, bevor sie sich wirklich ernsthaft Gedanken darüber machen konnte, doch kaum verließen die Worte ihren Mund, nahm der Entschluss in ihrem Kopf Form an.
Madison blinzelte verwirrt. "Wie jetzt? Die hier? Aber...die ist doch so teuer..."
"Ja, ich weiß, aber...hey, schau mich an! Ich habe einen Tumor! Fuck off!" Erneut holte Rebecca das Instrument von der Halterung an der Wand.
"Wir hatten doch gesagt, wir bezahlen beide die Hälfte!", beschwerte sich Madison. "Aber das ist mir echt zu viel..."
"Ich weiß doch...wir können es doch so machen: du bezahlst hundertfünfzig, das hatten wir ja als Grenze festgelegt. Und den Rest bezahle ich schon..."
Madison schaute wenig begeistert drein. "Muss das sein? Wir können doch auch einfach eine von den anderen nehmen."
"Ach, komm, bitte! Die Gitarre ist einfach perfekt. Sie wird sich garantiert richtig darüber freuen!" Rebecca wusste genau, was ihre Freundin umtrieb. Einerseits wollte Madison nicht so viel Geld ausgeben, andererseits wollte sie aber nicht nur so einen kleinen Anteil des Preises tragen, während Rebecca den ganzen Rest bezahlte. Es fühlte sich sicherlich nicht schön an, ihre Freundin vor diese Entscheidung zu stellen, doch sie ließ nicht locker. "Es ist doch egal, wer wie viel bezahlt! Hauptsache, Amaia bekommt etwas Schönes und freut sich darüber, nicht?"
Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens stieß Madison ein Seufzen aus und zuckte mit den Schultern. "Ja, meinetwegen halt. Aber ich zahle nur hundertfünfzig, nicht mehr!"
"Ist okay!" Dass Rebecca gerade zustimmte, eine beachtliche Summe Geld von ihrem Konto abzuheben, war in diesem Moment eher ein Hintergedanke. In erster Linie freute sie sich einfach über Madisons Einverständnis. Mit einem breiten Grinsen posierte sie mit der Gitarre, als ob sie sie für einen Werbespot in die Kamera präsentieren wollte. "Aber es ist eine gute Wahl, findest du nicht?"
Ihre Freundin schnaubte belustigt. "Ich habe doch keine Ahnung! Wenn du sagst, dass sie Amaia gefallen wird, dann glaube ich dir das halt."
Rebecca warf den Kopf in den Nacken und kniff die Augen zusammen. "Sie spricht mit gespaltener Zunge! H-h-h-hey! Buuuiieeeh!"
"Ähm...ja...dann können wir ja gehen..."
Die beiden schlenderten den Weg zurück in Richtung Tresen, zufrieden mit ihrem Fund auf der einen und dass sie nicht so lange wie befürchtet dafür gebraucht hatten auf der anderen Seite. Sicherheitshalber übernahm Madison das Tragen des Instruments, schließlich hatte sie keine unberechenbare Nervenkrankheit. Rebecca spürte eine seltsame Anspannung in ihrem Körper, es war als wollte sie mit jedem Schritt in die Luft hüpfen. Eine hibbelige Aufregung ergriff Besitz von ihr. Sie war fest davon überzeugt, gerade das tollste Geburtstagsgeschenk aller Zeiten für ihre beste Freundin gefunden zu haben. Irgendwie war es zu gut, um wahr zu sein.
Natürlich dauerte es nur Sekunden, bis sich die Anspannung durch Tics zum Ausdruck brachte.
"Anfassen!", stieß sie mit entrücktem Gesichtsausdruck hervor und schlug mit der Rückseite ihrer Finger über die Saiten mehrerer Gitarren, die neben ihr an der Wand hingen. Ein Brummen aus schrägen Akkorden und ekelhaft knarzenden Saiten erklang.
"Rebecca?" Eine Spur Ungeduld lag in Madisons Stimme, als sie auf ihre Freundin warten musste.
"Sorry..." Hastig schloss Rebecca zu ihr auf, doch schon fiel ihr Blick auf die Keyboards zu ihrer Rechten und ihre Hand streckte sich ganz von alleine aus, um sinnlos auf der Tastatur herumzuklimpern. "Hey! Spiel mit mir! Fuck off!"
Madison seufzte, konnte sich aber ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Mit einer Hand drückte auch sie ein wenig auf der Tastatur herum und spielte eine willkürliche Tonabfolge. "So, zufrieden?"
"Ein echter Mozart!"
"Ein...was?"
Ein wenig überfordert lachte Rebecca auf. "Keine Ahnung! Das sind alles nur Tics, Madi! Die Hälfte von dem, was ich sage, ist völlig sinnlos..."
"Ahh...okay. Dann können wir also weiter?"
"Ja..." Und schon klatschte sie wieder ihre Hand auf die Basstasten des Keyboards und einen Moment erklang ein furchtbares Dröhnen. "Anfassen!"
Der Weg durch den Laden wurde recht schnell chaotisch. Angepeitscht durch ihre Tics konnte Rebecca keine zwei Schritte laufen, ohne auf dem nächstbesten Instrument herumzuschlagen und so beschwor sie ein Konzert aus lauten, schrägen und willkürlichen Tönen hervor, das die beiden Frauen wie ein Echo verfolgte. Zwischendurch zuckte ihr Kopf wild umher und sie stieß laute Ausrufe wie "Anfassen!" oder "Fuck off!" aus. Es musste ein äußerst sonderbarer Anblick für die anderen Ladenbesucher sein.
Und dennoch hatte sie Madison offenbar angesteckt, denn ihre Freundin folgte Rebeccas Beispiel und ließ im Vorbeigehen auch das ein oder andere Instrument erklingen. "Ich habe ja keine Ahnung davon..." Mit einem breiten Grinsen wandte sie sich an Rebecca. "Mache ich das so richtig?", wollte sie wissen und klopfte laut gegen die Bass-Drum eines Schlagzeug-Sets, an dem sie vorbeilief.
"Solange ein Ton kommt, ist's perfekt", gab die junge Frau mit einem Augenzwinkern zurück, wobei das Zwinkern schnell zu einem Tic wurde, der ihre ganze Gesichtshälfte unkontrolliert zucken ließ.
Nach den Keyboards kamen die Perkussionsinstrumente und Rebecca schlug mit ihrer Hand auf Snares, Becken und Bongos herum, als sie durch die Reihe lief. Ihre Schritte beschleunigten sich leicht, genauso wie ihr Herzschlag und sie konnte nicht einmal sagen, wie weit sie aus eigenem Willen handelte und wie viel ihre Tics zu verantworten hatten. So musste es sich für ein Kind anfühlen, in einem Musikladen zu sein. All diese verschiedenen Geräte, einige ganz simpel, andere recht exotisch und sonderbar anzuschauen, man konnte dagegen klopfen und -schlagen, laute Geräusche ertönten und es klang jedes mal anders. Wie eine akustische Wundertüte.
Ihre Füße trugen sie wie von alleine vorwärts und in ihrem Kopf war das sinnlose Gepolter und Gehämmer, das sie verursachte, der Rhythmus ihres eigenen Liedes. Eine seltsame Leichtigkeit ließ sie für einen Moment völlig vergessen, wo sie war, sie hüpfte förmlich von einem Instrument zum Nächsten. Mit einem begeisterten Grinsen auf dem Gesicht, bei dem sie auf ihre Unterlippe biss, ließ sie das helle Schallen eines Beckens erklingen, bevor ein Tic durch ihren Rücken jagte und ihr Kopf für einen Moment in den Nacken ruckte.
"Nicht so schnell!", kicherte Madison hinter ihr und musste nun auch ihre Schritte beschleunigen, damit ihre Freundin sie nicht komplett abhängte.
Rebecca warf nur kurz ein entrücktes Grinsen über ihre Schulter, bevor sie auf unterschiedlichen Bongos herumtrommelte. Ein Tic ließ sie ihre Augen zusammenkneifen, doch sie bewegte sich schon weiter.
Und völlig ohne Vorwarnung begann ihre Sicht zu verschwimmen. Ihr Körper war mit einem Mal unheimlich Träge und all die Geräusche und Bilder, die sie wahrnahm, begannen Schlieren in ihrem Kopf zu ziehen. Es hielt nur einen winzigen Augenblick an, sie merkte es beinahe nicht mal und dennoch reichte es aus, um ihre Koordination durcheinanderzubringen.
Etwas unbeholfen wankte Rebecca zur Seite und knallte beim Vorbeilaufen mit ihrer Hand hart gegen den Rand einer großen Conga-Trommel, die auf einem dreibeinigen Ständer stand und auf der sich ein ganzer Stapel an kleineren Trommeln auftürmte. Dem stechenden Schmerz in ihrer Hand folgte ein leichter Druck gegen ihr Knie und bevor sie es sich versah, befand sie sich mitsamt der Conga auf dem Weg in Richtung des dunklen Teppichbodens. Zwar schaffte Rebecca instinktiv noch zwei, drei Schritte nach vorne, doch es war nicht genug, um sie auf den Beinen zu halten und so schlug sie der Länge nach auf dem Boden auf. Gleichzeitig erklang hinter ihr das vielfaches Schellen und Scheppern von einem Stapel Tamburins, die sich auf dem Boden verteilten und der laute Schlag einer umstürzenden Conga.
Die Heiterkeit war wie weggeblasen. Mit einem Mal wurde Rebecca wieder bewusst, wo sie war und plötzlich prasselten viel zu viele äußerst unangenehme Eindrücke auf sie ein. Und es waren gar nicht so sehr ihre pochende Hand oder ihre schmerzenden Rippen, die ihr in diesem Moment zu schaffen machten.
"Ey, muss das sein?", ertönte Madisons Stimme hinter ihr, hörbar frustriert.
Hastig rappelte sich Rebecca wieder auf und schaute sich das Chaos an, das sie verursacht hatte, fast ein Dutzend Instrumente lagen in dem Gang verteilt. Ihr stieg die Hitze ins Gesicht und sie begann unbeholfen damit, die große Conga-Trommel wieder aufzustellen. Obwohl sie es beharrlich vermied, in Richtung der anderen Kunden zu schauen, spürte sie sehr wohl, wie so ziemlich jede Person im Music Planet gerade versuchte, einen Blick auf die Ursache des Lärms zu erhaschen. Sie glaubte einige abfällige Kommentare zu hören, doch das Rauschen in ihren Ohren übertönte die einzelnen Worte. Am liebsten wäre Rebecca einfach zur Ladentür herausgerannt. Sie kam sich vor wie ein Clown.
Ein Mitarbeiter des Ladens, ein Mann um die Mitte dreißig, lugte mit hochgezogener Braue in den Gang hinein, in dem sie mit hochrotem Kopf gerade dabei war, die Tamburine notdürftig wieder einzusammeln.
"Tut mir leid...", stammelte die junge Frau und fragte sich, ob ihr wohl Ärger drohte. Würde man sie rausschmeißen? Ihr sogar Hausverbot erteilen...?
Mit einem tiefen Seufzen ließ der Mann seinen Blick über die Musikinstrumente schweifen, wie um abzuschätzen, ob irgendein ernster Schaden angerichtet worden war. Doch dann wandte er sich ohne ein Wort schon wieder einem anderen Kunden zu, den er wohl gerade beim Kauf beraten hatte.
Rebecca spürte Madisons ungeduldigen Blick auf sich, während sie hastig die Stücke zusammensuchte und einigermaßen ordentlich aufstapelte. Keines der Instrumente schien ernsthaft Schaden genommen zu haben, doch das war auch schon der beste Gedanke, den sie in dieser Situation zustande brachte. Ihre Tics schwiegen für den Augenblick und es fühlte sich an, als wollte ihre Krankheit sie mit diesem Moment der Stille für ihr dummes Missgeschick verhöhnen.
"Können wir jetzt bezahlen?", wollte Madison wissen, noch immer hielt sie die Gitarre für Amaia in einer Hand.
Beim Tresen angekommen hielt sich Rebecca im Hintergrund und überließ ihrer Freundin die Interaktion mit dem Verkäufer. Der versuchte ihnen noch Einiges an überteuertem Zubehör für das Instrument anzudrehen, doch Madison winkte ungeduldig ab. Lediglich beim Überweisen der Credits trat Rebecca kurz nach vorne und tippte ihren Anteil am Kaufpreis ein. Und kaum hatte sie die Überweisung bestätigt, kamen ihr plötzlich Zweifel über den Kauf. Sie hatte gerade vierhundertfünfzig Credits für ein Geburtstagsgeschenk ausgegeben. War es das denn wirklich wert? Immerhin war das ein guter Teil ihres Ersparten und sie hatte noch immer keine Aussicht auf ein richtiges Einkommen...
"Schönen Tag wünsche ich Ihnen", sagte der Verkäufer geschäftig.
"Lass gehen", murrte Madison zu ihrer Freundin und die beiden verließen das Music Planet.
Rebecca war erleichtert, als sie durch die Eingangstür nach draußen traten, sie wollte sich am besten gar nicht mehr hier blicken lassen.
Strahlender Sonnenschein empfing sie und schien schon nach wenigen Sekunden zu versuchen, sie bei lebendigem Leib zu kochen. Es war sicherlich einer der heißesten Tage des Jahres und die gnadenlose Hitze machte selbst den kurzen Weg vom Musikladen zu dem kleinen Parkplatz auf der anderen Seite der Straße sehr unangenehm. Vor allem da Rebecca nun, da ihr Adrenalin wieder abflaute, erneut Probleme mit ihrem Kreislauf bekam. Es war nur ein leichter Schwindel und ein Gefühl von Erschöpfung, so als hätte sie den ganzen Tag über Sport gemacht, doch es half sicherlich nicht dabei, ihre Laune zu heben.
Die beiden Frauen liefen auf einen schwarzen Kombi zu, der im Schatten eines benachbarten Gebäudes stand.
Dort, an den Wagen gelehnt, war schon von Weitem Davids breitschultrige Gestalt auszumachen. Madisons Freund surfte gerade auf seinem Omni-Tool im Extranet und blickte auf, als die beiden Frauen auf ihn zuliefen.
"Ihr habt kürzer gebraucht, als ich gedacht hatte", meinte er, doch sein Tonfall verriet, dass es ihm trotzdem zu lange gedauert hatte.
"Ja, wir haben einen richtigen Glücksfund gemacht", grinste Madison und präsentierte ihm die Gitarre.
David tat sich schwer damit, echte Begeisterung zu zeigen. "Hmm, sieht...nett aus..."
"Amaia wird sich bestimmt freuen! Ist ein echt schickes Ding." Madison öffnete die Seitentür des Wagens und legte die Gitarre auf die Rückbank. "Weißt du schon, wie du ihr die Gitarre übergeben willst?", wollte sie über die Schulter gewandt von Rebecca wissen.
Die Angesprochene zuckte mit den Schultern. Und dann mehrfach mit dem Kopf. "Weiß ich noch nicht", gab sie zu, während sich ihre linke Gesichtshälfte unkontrolliert zu einer halben Grimasse verzog. "Ich denke, ich schicke sie ihr an ihrem Geburtstag einfach zu, zusammen mit einer Karte."
"Super! Danke, dass du das übernimmst."
"Jaah...kein Thema."
David legte einen Arm locker um seine Freundin. "Also habt ihr jetzt alles? Können wir wieder zurück?"
"Ja, ich denke schon." Madison warf Rebecca einen fragenden Blick zu. "Oder? Wir haben immerhin sechshundert Credits bezahlt, das wird ja wohl als Geschenk für Amaia ausreichen."
"Bestimmt..." Rebecca lachte ein wenig nervös über die scherzhaft gemeinte Bemerkung. "Ich dachte aber...wir könnten ja vielleicht noch unten am Park ein Eis essen...falls ihr Lust habt..."
"Ach..." Madison schien einen Moment zu überlegen. "Wäre ja eigentlich schon ganz nett, aber wir haben nicht mehr so viel Zeit. Wir bekommen nachher noch Besuch und müssen noch aufräumen und Sachen vorbereiten", erwiderte sie ausweichend und wandte sich an ihren Freund. "Wir sollten am besten jetzt schon nachhause fahren, oder?"
"Joah...aber wir brauchen uns da jetzt keinen Stress machen, wir haben locker noch zwei Stunden, bis die kommen", meinte David mit einem Schulterzucken. "Aber mir ist's eigentlich eh egal, ich esse ja eh kein Eis, das müsst ihr unter euch ausmachen..."
Madison warf ihm einen verärgerten Blick zu, doch er schien es nicht zu merken. "Nee, tut mir leid, vielleicht wann anders", winkte sie an ihre Freundin gewandt ab.
"O...o...o...o...okay...fuck off! Buuuiieeeh!" Rebecca hätte sehr gerne noch ein wenig Zeit mit Madison verbracht. Ihre Krankheit mochte ihr zwar andauernd das Leben schwer machen, doch es tat trotzdem gut, mal wieder unterwegs zu sein. Im Moment war sie tatsächlich lieber hier und machte sich mit ihren Tics zum Affen, als alleine zuhause rumzuhängen, allerdings sie konnte es Madison wirklich nicht verübeln, wenn sie lieber wieder ihre Ruhe vor ihrem Tourette haben wollte.
Die drei stiegen in Davids Wagen ein und machten sich auf den Rückweg. Während das Paar auf den Vordersitzen munter miteinander plauderte, hielt Rebecca die nagelneue Gitarre gut fest und beobachtete durch das Seitenfenster gedankenverloren das Treiben in Tauranga.
"Wann genau wollten deine Kumpels denn kommen?", wollte Madison von ihrem Freund wissen.
Der blickte kurz auf das kleine Display am Armaturenbrett, auf dem die Uhrzeit angezeigt wurde. "Gegen fünf...aber die kommen eh mindestens eine halbe Stunde zu spät, also keinen Stress..."
"Kommt der Freddie eigentlich auch?"
"Ja...wieso?"
Madison schnaubte leicht. "Naja...ehrlich gesagt mag ich ihn nicht besonders. Er macht immer einen auf super wichtig, weil er den Job bei dieser blöden Behörde hat."
"Tjaah..." David schwieg einen Moment und entschied sich dann zu einer diplomatischen Antwort. "Stimmt schon, er spielt das gerne ein wenig hoch. Aber er ist ansonsten doch echt nicht verkehrt."
"Pfff..."
"Flamingo, oh oh oh-woah!"
Als Rebecca plötzlich lauthals sang, fuhren sowohl David als auch Madison erschrocken herum. Mit geröteten Wangen duckte sich die junge Frau leicht in ihren Sitz zurück. "Sorry, das war ein-"
"Tic...", vervollständigte Madison den Satz und wandte sich mit einem Schmunzeln wieder nach vorne. "Ja, das kommt bei dir ja offenbar häufiger vor."
"Jaah...mein Tourette wollte wohl auch was zur Unterhaltung beitragen-Hey!"
"Naja, solange du mir dabei nicht so ins Ohr brüllst, ist es nicht so schlimm..."
Und wieder spürte Rebecca den Impuls, spürte ein Kribbeln, welches sich in ihrem Körper ausbreitete und ehe sie etwas dagegen tun konnte, lehnte sie sich ruckartig nach vorne. Sie beugte sich an der Kopfstütze des Beifahrersitzes vorbei, sodass sie direkt hinter Madison war und rief: "Ungefähr so?"
Ihre Freundin zuckte mit einem irritierten Aufschrei zusammen, wich instinktiv zur Seite und hielt schützend ein Hand an ihr Ohr. Dann fuhr sie ruckartig herum und stierte nach hinten. "Willst du mich verarschen?"
Beschämt fiel Rebecca wieder zurück in ihren Sitz. Unter Madisons empörten Blick schrumpfte sie ein wenig zusammen. "Das...das tut mir leid, das wollte ich nicht!" Sie konnte nur erahnen, wie wenig glaubwürdig ihre Entschuldigung auf ihre Freundin wirken musste. Ihr Tourette schien es wirklich darauf anzulegen, sie in möglichst große Schwierigkeiten zu bringen.
Zu ihrem Glück wurde Madison vom lauten Gelächter ihres Freundes abgelenkt. Der fand nämlich die Situation offenbar ziemlich amüsant.
"Das ist nicht witzig!", fuhr Madison ihn an.
"Naja, eigentlich schon", gluckste David, die Augen weiterhin auf die Straße gerichtet. "Das Timing war echt genial..."
"Weißt du eigentlich, wie laut das war? Das war direkt an meinem Ohr!"
"Das war doch auch nur ein Tic, oder? Und ich dachte, Rebecca kann das nicht kontrollieren..."
Madison warf ihm einen erbosten Blick zu. "Und das macht's plötzlich in Ordnung, wenn jemand dadurch zu Schaden kommt, oder was?"
"Nun mach mal halblang, es ist doch nichts passiert! Du wirst wegen sowas doch nicht gleich taub..."
Eine Weile zankten die beiden sich über die Reaktion des jeweils anderen und sie schienen die junge Frau auf der Rückbank für einen Moment völlig vergessen zu haben, dabei war ihr Tic es eigentlich erst gewesen, der das Ganze entfacht hatte.
Auch nachdem die Kabbelei schließlich in einem Schweigen endete, spürte Rebecca einen leichten Stich in den Eingeweiden, als Madison ihrem Freund einen säuerlichen Blick zuwarf und sich sichtlich schlecht gelaunt an die Seitentür lehnte. Dass sich Madison und David stritten passierte gar nicht mal so selten, doch Rebecca fühlte sich in diesem Fall irgendwie schuldig an dem Zwist. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich im Stillen, wie viel ihre verdammte Krankheit eigentlich noch anrichten konnte. Immer wenn sie glaubte, die schlimmsten Dinge mit ihren Tics erlebt zu haben, setzte ihr Tourette noch einen drauf.
Schließlich erreichten sie das Haus von Rebeccas Eltern und die junge Frau sprang förmlich vom Rücksitz, um der angespannten Stimmung im Auto zu entkommen. Nachdem sie sich die neue Gitarre vom Rücksitz geschnappt hatte, wandte sie sich nochmal an Madison und David. "Vielen Dank für die Fahrgelegenheit."
"Kein Problem", erwiderte Madison mit einem Lächeln, das ein wenig kühl wirkte. "Immerhin hätte ich ohne dich nicht so ein schönes Geschenk für Amaia aussuchen können...wobei, so teuer wie die Gitarre war, werde ich ihr wohl für die nächsten drei Jahre nichts mehr schenken."
"Ich werde...ich werde...i-i-ich...fuck off! Ich liebe dich! Ich werd's ihr sagen!"
"Ähm...ja...dann mach's gut, Becky."
"Ja, ihr auch."
Als Davids Wagen anfuhr, blickte Rebecca ihnen noch einen Moment hinterher.
Schon wieder war ihr ziemlich elend zumute. Immer wenn sie glaubte, einen schönen Moment erleben zu können, machte sie es sich selbst kaputt. Eigentlich sollte sie sich über das tolle Geschenk freuen, das sie für ihre beste Freundin gekauft hatte und nun in den Händen hielt wie eine Trophäe. Und darüber, mal wieder etwas mit einer guten Freundin in der Stadt unternommen zu haben. Aber schon wieder wurden all diese schönen Gefühle von einem kalten Schleier erstickt, der sich über sie gelegt hatte.
Rebecca spürte ein großes Verlangen danach, sich einfach wieder in ihrem Bett zu verkriechen und den restlichen Tag dort in der Stille und Einsamkeit ihres Zimmers zu verbringen. Ihr schwächelnder Kreislauf verstärkte diesen Wunsch nur. Doch es ging leider nicht. Sie hatte nämlich noch so einiges vor.