Die Citadel war bekanntlich nicht Omega, das Klientel aber ähnelte sich in gewissen Bezirken durchaus. Charis Vale hatte ein Talent dafür jene Orte aufzuspüren, an denen entsprechende Personen – Piraten, Schmuggler, Räuber, Waffenschieber – bevorzugt aufhielten. Der Ort den sie anvisierte war ein Club, den ein Mensch gegründet und in einem Anflug ihr unbekannter Religiosität „Hell’s Gate“ getauft hatte.
Die Asari steuerte auf den Club zu, dessen neonblaue Leuchtreklame einen lachenden, hornbesetzten Teufelskopf zeigte, der hinter einer Tür hervor lugte. Vor der Tür stand ein Menschenmann, dessen Vater mit Sicherheit ein Kroganer hätte sein können. Er war so hässlich, dass er sich tagsüber nicht zeigen konnte und so massiv, dass keine zehn Marines diesen Club hätten stürmen können. Der Türsteher, an dessen Seite eine Katana-Schrotflinte baumelte wandte seinen froschähnlichen, platten Schädel zu Ashley was einen mindestens einen Meter langen Zopf hinter seinem Rücken umher peitschen ließ wie eine gereizte Schlange. Seine Augen verengten sich prüfend zu Schlitzen.
„
Kann ich rein oder gibt es ein Problem?“, fragte Charis gegen das durch die geöffnete Tür dröhnende Wummern.
„
Bist du bewaffnet?“
Charis deutete auf ihre Standard-Pistole Typ Predator, die in komprimierten Zustand an ihrer Hüfte steckte. Der Mensch nickte zur Bestätigung.
„
Zwanzig Credits Schutzgebühr, falls du sie versehentlich abfeuerst. Lass sie gehalftert, sonst schmeißen wir deinen Arsch in die Keeper-Tunnel!“
„
Hab’s verstanden“, sagte Charis und zahlte – nicht ohne Murren – die geforderten Credits.
Der Name machte dem Club alle Ehre. Die Musik war teuflisch laut, es war höllisch heiß und um das Gesamtbild abzurunden blitzen in der clubtypischen Dunkelheit flammendrote Lichter auf und verliehen der Atmosphäre tatsächlich etwas Satanisches. Das mächtige Pentagramm, das auf einem Holobildschirm hinter dem DJ flackerte und die übermenschliche Statur von Satan persönlich, der hinter dem zwanzig Meter langen Tresen saß leisteten ebenfalls ihren Beitrag. Die Gogo-Girls, die auf erhobenen Plattformen tanzten steckten in engen Lederkostümen, verkleidet als nett anzusehende Teufelchen mit kleinen Hörnern auf den im Takt der Musik zurückgeworfenen Köpfen.
Charis drängte sich durch den Schweiß der sich zu der heftigen, bassintensiven Musik bewegende Menge und gelangte schließlich an die Bar. Geschlagene drei Minuten später tippelte eine schwarzhaarige Bedienung im feuerroten Kostüm eines Sukkubus auf sie zu.
„
Hey Schätzchen, willst du heute zur Hölle fahren?“, fragte sie spitzbübisch.
„
Kein Bedarf.“
Die Dämonin lachte auf. „
Ich meinte, ob du einen Drink willst.“
„
Meinte ich auch“, antwortete Charis. Der Sukkubus blinzelte verwirrt.
„
Ich bin eher auf der Suche nach Informationen, oder viel eher nach jemandem, der mir helfen kann etwas zu finden“, erklärte die Asari. Der Sukkubus war offensichtlich nicht auf den Kopf gefallen.
„
Arbeit?“
„
Sozusagen. Schmugglerware.“ Die Frau nickte.
„
Ich verstehe…“ Charis erkannte in den durch Kontaktlinsen gelb wirkenden Augen einen Hauch von Zweifel. Sie wusste, dass die Situation schnell kippen konnte. C-Sicherheit versuchte häufig V-Leute in die Schmugglerszene der Citadel zu schleusen.
„
Ich bin auf der Suche nach Ray“, setzte die Asari schnell nach. „
Ich kenne ihn.“ Das Gesicht des Sukkubus entspannte sich etwas. Ray war der Gründer und Besitzer dieses Ladens und hatte zu seiner Anfangszeit – was mindestens vier Jahre zurücklag – die ersten Ladungen billigen Roten Sands unter anderem von Charis auf die Citadel schmuggeln lassen.
„
Er schuldet mir noch einen Gefallen.“
„
Warte kurz“, sagte die Dämonin, wandte sich von Charis ab und bediente einen Kommunikator. Die Asari sah sich um und stellte fest, dass mindestens zwei breitschultrige Kerle vom Kaliber des Türstehers sich der Bar von rechts wie links genähert hatten. „
Vielleicht doch keine so gute Idee, Charis“, dachte sie und fragte sich, ob sie die Schutzgebühr für das Abfeuern der Waffe vielleicht doch berechtigterweise entrichtet worden war.
„
Aha. Ja, klar. Okay“, sagte der Sukkubus und legte auf. Sie belegte Charis mit einem undefinierbaren Blick. Dann winkte sie einem der beiden Gorillas, der mit großen Schritten auf die Bar zukam und dabei die tanzende Menge teilte, wie ein Wellenbrecher.
„
Er will Sie sehen. Folgen Sie ihm hier. Viel Glück.“
Charis schenkte der Dämonin ein in der Situation unangebracht überhebliches Lächeln, das zu sagen schien: „Ich brauche kein Glück – ich habe alles unter Kontrolle.“
Die Asari folgte und fand sich in einem Raum wieder, dessen hohe Decke mit riesigen Flutlichtern behangen waren, die das Zentrum einer Arena ausleuchteten. In der Mitte befand sich ein Käfig aus Gittern und darin kämpften zwei Personen, angefeuert von Rufen aus hunderten Kehlen. Die Zuschauer umringten die Arena, schrien und schwitzen nicht weniger als die Kämpfer in der Mitte. Sie war in eine Welt eingetaucht, in welcher die Zuschauer einen barbarischen Rückfall auf das Schlimmste der Menschheit zelebrierten. Charis erkannte den
Mann namens Ray auf einem Podest schräg über der Kampfplattform, flankiert von zwei Bodyguards in Panzerung.
„
Halt. Kein Zutritt!“, rief einer der Bodyguards, ein Kroganer, und stoppte sie mit erhobener Hand. Noch bevor sie in großartige Diskussionen gehen musste, erkannte Ray sie offenbar, denn er rief: „
Vale? Bist du das?“
„
Ray, deine Gastfreundschaft hat nachgelassen“, rief die Asari zurück.
„
Lass sie durch“, befahl Ray, worauf Charis an dem Kroganer vorbei und die Treppen auf das Plateau hinaufkam. Ray, der auf einem bequem wirkenden Stuhl, der mit seiner hohen Lehne fast an einen Thron erinnerte und seine durch Drogen verursachte Hybris unterstrich, deutete auf einen Hocker, von dem er mit einer Handbewegung eine Flasche Bier und ein paar Creditschips wischte. Charis setzte sich und legte die Hände auf die Knie.
„
Du siehst heiß aus“, sagte Ray und gaffte in den blauen Ausschnitt der Schmugglerin. Obwohl es in dem Raum heiß wie in einem Ofen war zog Charis den Reißverschluss ihrer Weste höher.
„
Meine Augen sind hier“, sagte sie und deutete auf ihr saphirblaue Iris. Der Menschenmann hatte genug willige Teufelchen in seinem Club.
„
Ich hätte nicht erwartet dich so bald auf der Citadel wiederzusehen. Ich hatte erwartet, dass ich bei unserem nächsten Treffen graue Haare haben würde.“
„
Ich wurde rehabilitiert“, erklärte die Asari. „
Auf der Citadel bin ich also eine freie Frau.“
„
Das freut mich ehrlich für dich, Charis. Hast es dir verdient.“
„
Hör zu“, sagte die Asari und kürzte das Gespräch ab. „
Ich…“ Ein Raunen und Aufstöhnen ging durch die Menge, so laut, dass Rays Aufmerksamkeit auf den Ring gerichtet wurde, wo
eine stark tätowierte Frau gerade ihre Faust wieder und wieder in das Gesicht eines Batarianers donnerte, dessen Fäuste wiederum mit Stahlplatten verstärkt waren.
„
Die Kleine macht ihn voll fertig“, amüsierte sich der Clubbesitzer. Dann schaute er wieder zu der Asari. „
Sorry, wo waren wir?“
„
Ich nehme an, dass du als gesetzter Geschäftsmann mit… halb legalen Tätigkeiten… noch immer gute Kontakte in die Schmugglerszene hast.“ Auf Rays bisher gelangweiltem bis jetzt abwesenden Gesicht leuchtete nun wachsame Aufmerksamkeit auf. Er begann damit, sich den Oberlippenbart zwischen Daumen und Zeigefinger zu streichen.
„
Suchst du Arbeit?“
„
Nein, Informationen.“
Rays Augen zuckte kurz nach links. „
Worüber?“
„
Sklavenschmugglern.“
„
Das ist mehr als illegal. Dagegen ist so eine kleine Arena ein Witz.“
„
Deine Geschäfte interessieren mich nicht“, erklärte Charis. „
Ich suche nur solche, die sich mit dem Schmuggel von Sklaven befassen. Und bevor du es sagst: Weder Eclipse noch Blue Suns widmen sich auf der Citadel dieser Thematik, das weiß ich, also versuche es erst gar nicht.“
„
Hmm“, murmelte Ray. „
Es könnte sein, dass ich vor Kurzem erst von jemandem gehört hab, der sich nach ein paar Leuten erkundigte, um eine solche Fracht zu kontrollieren.“
„
Ich brauche einen Namen.“
„
Hmm… was bekomme ich dafür?“
„
Was willst du?“
Ray grinste, dann nickte er in Richtung seines Schritts, drückte dann seine Zunge gegen die Innenseite seiner Wange und beulte sie aus. „
Du bist sicherlich sehr talentiert, so wie du immer an deinen Zigaretten gesaugt hast.“
„
Fick dich! Du kannst froh sein, dass ich dir deine kleinen Eier nicht wegballer“, keifte die Asari wütend. Hinter ihr regte sich der kroganische Wachmann. „
Du Hundesohn, ich hab dir bei deinem Aufstieg geholfen.“
„
Und ich hab‘ dich wie besprochen bezahlt. Ich kann doch nichts dafür, wenn du deinen Lohn gleich durch deine Nase ziehst oder beim Glücksspiel versetzt.“ Charis funkelte ihn böse an. Ray hielt dem Blick stand, dann seufzte er und richtete den Sitz seiner Kunstlederjacke.
„
Also gut…“
*
„
Ja, ja, ich weiß. <<<chhrr>>> Nein, das ist kein Problem. Ich habe extra noch ein paar Leute engagiert, die die Fracht in Schach halten. <<<chhhrrr>>> Ja, mir ist klar, dass… Ja. Ja, wird erledigt.“
Omon Vornost beendete das Telefonat, holte tief Luft und ließ sie zischend entweichend, wie es die Art der Volus war.
„
Arschloch. <<<chrrr>>>“
„
Hallo Omon.“
„
Wa…“
Der Volus-Schmuggler wirbelte plump herum. Gerade eben erst hatte er sein Büro betreten und mit seinem Auftraggeber gesprochen. Fast bereute er, dass er diesen Auftrag angenommen hatte, aber Omon brauchte Geld – viel Geld und möglichst sofort. Als der Volus nun stark hechelnd gegen das Licht einer Lampe blinzelte, erkannte er, wer da auf dem drehbaren, kleinen Stuhl an seinem Arbeitstisch saß.
„
Charis? Verdammt, was machst du denn hier? Was willst du, du blaues Miststück?“
Die Asari schnalzte missbilligend mit der Zunge.
„
Ich an deiner Stelle wäre nicht so vorlaut.“ Der Volus zog mehrere Sekunden lang scharf die Luft ein. Er ahnte Schreckliches.
„
Du solltest verschwinden, sofort!“, sagte Omon mit all der Bestimmtheit, die er in seine Stimme legen konnte. Er machte einen mit allem Mut getränkten Schritt auf Charis zu.
„
Na, na, na“, sagte die Asari und zeigte die Pistole, die sie auf dem Schreibtisch vor sich gelegt hatte. „
Mach jetzt keinen Fehler, sonst öffne ich dir den Anzug.“
„
Das ist nicht dein Stil“, erwiderte der Volus erschrocken.
„
Glaub mir, es wäre mit eine Freude, so wie du Bastard mich behandelt hast.“
„
Ich hätte dich auf der Straße verrecken lassen sollen“, fluchte der Volus. Charis hob zuckend die Schultern sowie Augenbrauchen und spitzte abwertend die Lippen.
„
Wir werden uns jetzt unterhalten. Und dann muss ich jemanden anrufen.“