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    Post [Story]Gekühlter Mangosaft

    Es war ein Vormittag wie gemacht für eine Katerschicht: Ruhig, sonnig, ein laues Lüftchen und eine freie Bank in der Nähe vom Bierstand. Vom Bierstand und … von diesem anderen Stand, der direkt gegenüber aufgemacht hatte, kurz nachdem man Abuyin, seine Teppiche und vor allem seine Wasserpfeifen per städtischer Verordnung aus Khorinis verbannt hatte. Gesundheitsschutz wurde jetzt groß geschrieben, da hatte exotisches Rauchkraut einfach keinen Platz mehr.
    „Diese Stadt, diese Insel, ja dieses ganze Land geht den Bach runter“, sagte Pablo und ließ den Blick über den Galgenplatz schweifen, der schon seit Jahren keinen Gehenkten mehr gesehen hatte – von einem Eingehängten mal ganz zu schweigen, aber Schnaps war im Gegensatz zu öffentlichen Hinrichtungen immerhin noch nicht verboten, es gab also noch Hoffnung.
    „Erzähl’ mir mal was, was ich noch nicht weiß“, erwiderte Peck lapidar und machte sich nicht einmal die Mühe, seinen Gesprächspartner dabei anzusehen. Man verstand sich auch ohne Blicke, oft auch ohne Worte. Es genügte ja, zu wissen, was man letzte Nacht so getrieben hatte, und falls man das doch mal vergessen haben sollte, so etwas kam ja vor, dann hatte man ja noch den Geruchssinn, und diverse körperliche Ausdünstungen konnten nicht lügen.
    „Okay: Ich habe vor ein paar Nächten mal von deiner Schwester fantasiert.“
    Jetzt schaute Peck doch noch auf. Ganz langsam nahm er die Hände von den Schläfen und sah seinem Partner mit großer Müdigkeit, aber auch mit großem Ernst in die wässrigen Augen. Pablo starrte schweigend und völlig ungerührt zurück.
    „Das mach’ ich doch auch regelmäßig.“
    Sie brachen in so lautes Gelächter aus, dass sogar die Tauben vom Kasernendach empört aufschreckten und das Weite suchten. Auch die vereinzelten Stadtbewohner, die gerade vom oder zum Marktplatz gingen, tauschten unsichere Blicke aus und machten einen weiten Bogen um die beiden Milizionäre, aber das wiederum war nichts Ungewöhnliches. Nachdem sich die beiden Männer selbst und teils auch gegenseitig vor Lachen die Oberschenkel blau geschlagen hatten, setzte Pablo plötzlich sich selbst und außerdem noch eine ernste Miene auf. „Weißte was?“, fragte er, nachdem er sich nochmal abschließend mit beiden Händen auf die Schenkel geklatscht hatte. „Ich probier’ das jetzt doch mal.“
    „Waaaaas?“, entfuhr es Peck empört. „Nich’ im Ernst.“
    „Doch, im Ernst.“
    „Aber wieso?“
    „Wieso denn nicht?“
    „Ja, und ich frag’ wieder: Wieso? Sonst brauchst du doch auch für alles tausend Gründe, bevor du es mal machst. Also, wieso?“
    „Einfach so. Aus Neugier. Irgendwas muss an der Sache doch dran sein.“
    „Frisst du demnächst dann auch Scheiße; weil tausend Fliegen können ja nicht irren?“
    „Das kann man doch nicht vergleichen!“
    „Doch“, sagte Peck nun sehr gefasst. „Man kann alles miteinander vergleichen. Das ist ja gerade das Wesen des Vergleichs. Man kann zum Beispiel auch Äpfel und Birnen wunderbar miteinander vergleichen. Das geht das sogar besonders gut.“
    Pablo zog die Augenbrauen hoch. „Wo haste den Kram denn jetzt her?“
    „Von meiner Schwester“, sagte Peck mit nur halbherzig unterdrücktem Stolz. „Auf dem Festland weiß man sowas.“
    Pablo seufzte auf. „Ich hab’s ja schon immer gesagt, diese Studiererei macht die Leute ganz dulle im Kopf. Ist sie immer noch in Geldern?“
    „Ja, sie hat letztens erst wieder geschrieben. Scheint nicht wirklich Heimweh zu haben.“
    „Und wie lange soll das jetzt noch gehen?“
    „Keine Ahnung“, sagte Peck und zuckte mit den Schultern. „Bis sie da auch alle durch hat, würde ich mal vermuten.“
    Pablo entfuhr ein kleiner Grunzer, das war seine berüchtigte Moleratlache. „Hätte mir ja gewünscht, sie hätte vor ihrer Abreise aus Khorinis auch sichergestellt, wirklich alle durch zu haben.“
    Peck sagte darauf nichts. Die beiden Männer blieben noch eine Weile mit weit von sich gestreckten Füßen auf der Bank sitzen, bis sich Pablo noch einmal auf die Schenkel klatschte.
    „So!“, rief er aus. „Jetzt aber.“
    Erst als er sich dann tatsächlich erhob, wurde Peck wieder aufmerksam.
    „Du machst das jetzt echt? Das kannst du doch nicht bringen! Direkt gegenüber vom Freibierstand, der mal für uns, hörst du, für uns aufgemacht worden ist! Für die Moral und wasweißichnichtalles! Und jetzt gehst du zu diesem, zu diesem …“
    „Krieg’ dich mal wieder ein“, sagte Pablo, dessen Haut in der wärmer werdenden Sonne nun schon einen leichten Glanz bekommen hatte. „Probieren geht über studieren. Und wenn du es so sehen willst: Kenne deinen Feind. Ich werd’ dem Bier schon nicht untreu, keine Sorge.“
    „Das kannst du dem Willi dann aber mal schön alleine erzählen“, erwiderte Peck und wies auf den dicklichen Mann mit der schmutzigen Schürze hinter dem hölzernen Freibierstand, an dem gerade nur ein einsamer Novize seine Bierzüge machte. „Guck ihn dir doch an, wie er schaut. Der hat doch schon Tränen in den Augen, wegen dem, was du da machst. Der hat bestimmt alles mitgehört.“
    „Ach Quatsch, der ist doch einfach nur schon wieder besoffen. Und jetzt ist Ruhe im Karton hier, ich mach’s jetzt.“
    „Aber -“
    Pablo ließ seinen Kollegen auf der Bank zurück und marschierte im formvollendeten Milizengang auf den kleinen Stand zu, der im Wesentlichen ein schmales Tischchen war, auf dem zwei große durchsichtige Karaffen und mehrere kleine Gläser aufgereiht waren.
    „Guten Morgen“, sagte der blonde, lange Kerl hinter der improvisierten Theke und lächelte den Milizionär gewinnend an. „Was darf’s sein?“
    „Na was schon“, versuchte Pablo möglichst zurückhaltend zu brummen, bemerkte jetzt aber, dass er sich wohl doch ein bisschen zu weit aus seiner Komfortzone gewagt hatte. Am Freibierstand hatte er nie etwas sagen müssen, da wurde einfach ausgeschenkt und gut war.
    „Du hast doch nur das eine“, setzte Pablo nach.
    Der lange Blonde nickte und lächelte nun umso mehr. „Ich habe nur das eine und alle wollen nur das eine. Also … einen gekühlten Mangosaft dann?“
    „Ich bitte darum!“, bellte Pablo im Befehlston und wollte sich schon ganz gewohnheitsmäßig mit dem Ellenbogen auf dem Tresen abstützen, aber da war kein Platz mehr, während der lange Blonde mit der Karaffe und den Gläsern herumhantierte. Der Mangosaft war sonnengelb, vielleicht ein kleines bisschen dunkler und kräftiger noch, und er sah in der Karaffe mit dem leichten Blaustich wirklich appetitlich aus, musste Pablo zugeben. Wie er dem Blonden beim Ausschenken zusah und sich das Trinkglas immer weiter füllte, lief ihm sogar ein bisschen das Wasser im Munde zusammen.
    „Wie viel macht das denn überhaupt?“, sagte Pablo, während er an seiner Hose herumnestelte.
    „Der erste ist gratis“, sagte der Standinhaber, während er mit den Augen eine offensichtlich vorherbestimmte Füllmenge genau abmaß. Er stand dabei ein wenig vornübergebeugt, auch seiner Größe geschuldet, und sein ohnehin schon sehr luftiges, weit ausgeschnittenes Hemd gab dabei einen Blick auf seine Brust frei. Pablo erkannte sofort, dass der junge Mann nicht untrainiert war. Bei dieser Statur hätte er einen guten Milizionär abgegeben, womöglich sogar einen Gardisten. Fast schon eine Schande, dass er sich stattdessen als Saftschubser verdingte.
    „So, bitteschön“, sagte der Blonde mit sanfter Stimme, nachdem er die Karaffe vorsichtig wieder abgesetzt hatte. „Lass es dir schmecken!“
    „Na da bin ich ja jetzt mal gespannt“, murmelte Pablo, während er das Glas zum Mund führte. Er schmeckte zunächst überhaupt nichts, das Zeug war im ersten Moment neutral wie Wasser, dann aber entfaltete der Mangosaft ein sehr leichtes, zurückhaltendes Aroma, spürbar süß zwar, aber nicht aufdringlich, und dabei deutlich weniger sauer, als Pablo es erwartet hatte. Am meisten überrascht war er aber davon, wie kühl der Mangosaft war, denn er war wirklich kühl, nicht so Freibier-nach-vier-Stunden-in-der-Sonne-kühl, sondern so richtig und ganz wahrhaftig kühl. Als er das Glas wieder absetzte und dem Blonden in seine strahlend blauen Augen schaute, bekam er sogar eine leichte Gänsehaut.
    Geändert von John Irenicus (13.05.2021 um 14:20 Uhr)

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    „Ich versteh’s nicht“, murmelte Peck. „Wie macht er das nur?“
    „Ich weiß es ja auch nicht“, antwortete Pablo. „Aber ich kann’s dir sagen: Kühl wie sonst nur Nadja, wenn sie dir sagt, dass die Zeit jetzt um ist. Und da ist noch was …“
    „Was?“, fragte Peck mit vor Neugier geweiteten Augen.
    „Ich habe keinen Kater mehr.“
    „Wie, was?“, rief Peck aus und war fast aufgesprungen, aus Reflex mit der Hand am Griff seiner Waffe. „Also jetzt verarschst du mich aber!“
    „Na gut, na gut, erwischt“, sagte Pablo grinsend. „Aber so ein ganz kleines bisschen besser ist mir jetzt nach dem Trinken glaube ich schon. Funktioniert jedenfalls keinen Deut schlechter als ein Konterbier.“
    „Und das funktioniert bekanntermaßen ja gar nicht“, maulte Peck.
    „Weil du es ja auch nicht richtig trinkst!“, belehrte Pablo ihn nicht zum ersten Mal.
    „Wie trinkt man es denn richtig?“
    „Das kann man nicht erklären, das muss man halt wissen. Entweder man kann’s, oder man kann’s nicht. So einfach ist das.“
    „Ist gut, dann weiß ich ja jetzt Bescheid.“
    Sie verfielen wieder in Schweigen. Hier in der Amtsstube ließ es sich aushalten, die Sonne draußen hatte sie hineingetrieben und dazu gebracht, Papierkram zu erledigen oder zumindest so zu tun als ob. In Wahrheit machten sie überhaupt nichts und saßen bloß herum, und die anderen Milizionäre ließen sich davon bei ihrem eigenen Nichtstun auch nicht stören. Die städtische Miliz war eine gut geölte Maschine.
    „Ich könnt’ mir glatt noch einen holen.“
    „Jetzt hör’ aber mal auf!“
    „Nein, wirklich“, bekräftigte Pablo. „Das Zeug ist gar nicht so schlecht. Willst du diesmal vielleicht mitkommen?“
    „Ich glaub’ es geht los“, erwiderte Peck patzig.
    „Der erste ist sogar umsonst“, versuchte Pablo ihn zu locken.
    „Du meinst wohl gratis“, korrigierte Peck ihn. „Und das ist mir scheißegal.“
    „Du musst ihn ja nicht selber trinken und kannst ihn mir geben“, bettelte Pablo weiter.
    „Gar nichts mach’ ich.“
    Und damit war das Thema auch erledigt. Sie verbrachten noch eine ganze Weile in der dunklen Amtsstube der Kaserne, jeder für sich in Erinnerungen schwelgend oder wahlweise den eigenen Kopf ganz auf Durchzug geschaltet. Auch das war eine eingespielte und bewährte Vorgehensweise für die erste Schicht nach dem Wochenende, und für gewöhnlich ließ Pablo in diesen Momenten noch einmal detailliert Revue passieren, wie sie den Abend zuvor verlebt hatten, denn auch das taten sie immer gleich: Vorglühen, dann eine Runde durch die Kneipen bis runter zum Hafen auf Kosten des jeweiligen Hauses, und zum Abschluss in der Roten Laterne nochmal so richtig den Milizionär raushängen lassen. Heute aber fiel das Erinnern nicht so leicht, und das lag weniger an alkoholbedingten Gedächtnislücken, sondern vielmehr daran, dass sich zwischen die inneren Bilder von all den Verheißungen, die auch nächstes Wochenende wieder auf ihn warten würden, immer wieder auch Einsprengsel von prallen Mangos mischten, und wie ein junger, blonder Mann hinter dem Mangostand den süßen und vor allem kühlen Fruchtsaft in ein formschönes Glas hineingoss. Pablo schüttelte die Bilder von sich.
    „Was bist’n so unruhig?“, murrte Peck, der einige Armlängen entfernt auf einem alten Lehnstuhl saß und mit dem Kinn auf der Brust vor sich hin dämmerte. „Hörst du schon die Blutfliegen kommen?“
    „Nee“, sagte Pablo, dessen Wangen sich mit einem Mal unerträglich heiß anfühlten. „Ich musste nur gerade wieder an die Sache auf Akils Hof denken.“
    „Der Brudermord?“ Peck hob die Stimme an, dass es beinahe von den Steinwänden widerhallte. „Was soll damit sein? Wir haben das Ding doch schon totgeschrieben. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Naja, in diesem Fall mal nicht. Aber erledigt ist die Sache trotzdem.“
    „Weiß ich nicht, ob man von erledigt sprechen kann, wenn sich da zwei gegenseitig totschlagen haben, oder besser gesagt der eine den anderen. Ich geh’ nochmal raus auf Ermittlungen.“
    „Nochmal?“, rief Peck entsetzt aus. „Wir waren doch schonmal da! Der eine Bruder sagt nix und vom Rest der Bagage will auch niemand was gesehen oder gehört haben. Was willste denn da noch groß machen?“
    „Einfach nochmal nachfragen.“
    „Wen willste denn fragen?“ Peck wurde jetzt immer lauter. „Willste jetzt noch die Schafe fragen oder was, ob die was gesehen haben? Aus denen krichste doch genau so viel raus wie aus den anderen Schafsköpfen da. Was haste denn jetzt auf einmal mit der ganzen Sache wieder?“
    „Du musst ja nicht mitkommen.“
    „Nee, muss ich auch nicht“, maulte Peck, wirkte jetzt aber schon deutlich entspannter. „Ich frag’ mich nur, warum du da jetzt auf einmal so fickerig bist. Aber mir egal, deine Sache. Mach’ halt, was du willst. Machst du ja eh.“
    „So isses“, sagte Pablo nur, griff nach seinem Waffengürtel und verließ die Amtsstube, wo sein Kollege kopfschüttelnd zurückblieb.
    Geändert von John Irenicus (16.05.2021 um 09:53 Uhr)

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    Während Pablo sich noch den Hang hinauf quälte, beobachtete Akil ihn bereits mit grimmiger Miene, die baumstammartigen Arme vor der Brust verschränkt. Es war nicht auszuschließen, dass der Bauer sich schon auf der Anhöhe vor seinem Haupthaus platziert hatte, als Pablo grußlos das östliche Stadttor passiert hatte – der Kerl konnte die die Miliz ja förmlich von Weitem riechen.
    „Hallo“, sagte Akil dann, noch bevor der schwer atmende Pablo ganz bei ihm angekommen war. „Was gibt’s?“
    „Ermittlungen“, sagte Pablo nur. Er wollte das Gespräch mit dem Bauern knapp halten – einerseits, weil er sich seine Kurzatmigkeit nicht anmerken lassen wollte, andererseits, weil er wegen jemand anderem hier war.
    „Hier gibt’s nichts zu ermitteln“, brachte Akil in seinem typisch bäuerlichen Dialekt hervor, bei dem man das Gefühl hatte, dass es die Worte immer nur gerade so mit Ach und Krach über die Ziellinie schafften. „Ihr wart doch erst letzte Woche hier.“
    „Und weil da keiner was gesagt hat, versuche ich es jetzt noch einmal“, sagte Pablo möglichst bestimmend. Die Sonne knallte ihm unangenehm auf den Kopf, überall stank es nach Gülle und die ganzen umherfliegenden Viecher – Mücken, Bremsen, weiß Beliar was noch – schienen ihn in Gänze auffressen zu wollen. Er war hier eindeutig auf feindlichem Terrain. Pablo konnte es sich einfach nicht erklären, wie man sich für ein Leben auf einem Hof entscheiden konnte, wo man morgens aus dem Haus ging und dann direkt schon mit einem Bein mitten in der Scheiße stand. Aber vermutlich hatten es sich die wenigsten der Bauern ausgesucht, Bauern zu sein. Er selbst war ja auch nur aus reiner Not in die Miliz gegangen, ein uneheliches Kind versorgte sich ja schließlich auch nicht von selbst.
    „Ermittelt mal lieber in der Stadt“, wies Akil ihn furchtlos zurecht. „Hier auf dem Land habt ihr nichts zu suchen und nichts zu finden.“
    „Die städtische Miliz ist für die gesamte Insel zuständig“, erklärte Pablo ihm nicht zum ersten Mal. „Das gilt formal sogar für das Minental.“
    „Dann geh’ doch ins Minental und ermittel’ da.“
    „Nein.“
    „Warum nicht?“
    „Keinen Bock. Oder hat Ehnim da auch jemanden erschlagen? Soll ich ihn mal fragen?“
    Akil stemmte nun die Fäuste in die Hüfte und baute sich vor Pablo auf. Er war einen Kopf größer als er – aber auch nur, weil das hügelige Gelände ihm ein bisschen half. „Du und dein Kollege, ihr habt uns letzte Woche über Stunden hinweg ausgefragt. Wie kann es da sein, dass du immer noch nicht verstanden hast, dass es ein Unfall war? Egill wurde von einem herunterfallenden Sack am Seilzug unserer Scheune erschlagen. Wir haben ihn bereits in der Nähe vom alten Steinkreis begraben. Für uns ist das alles auch nicht einfach. Wir sind hier wie eine Familie. Sein Bruder ist außer sich vor Trauer. Und da habt ihr von der Miliz den Nerv, ihm einen Mord anzuhängen? Wer hat euch diesen Floh überhaupt ins Ohr gesetzt?“
    „Das geht dich einen Scheißdreck an“, sagte Pablo, der sich diese allgemeinverständliche Übersetzung für Das verrate ich nicht, weil die wichtigste Zeugin geschützt werden muss bereits im Vorhinein zurechtgelegt hatte. Beim letzten Mal hatte Kati ihn mit einem nur sehr dürftig überschminkten Veilchen am linken Auge begrüßt. Wer wusste schon, was der Dreckskerl Akil ihr antat, wenn er spitzbekam, dass sie es war, die sich bei einem Marktgang an die Miliz gewandt hatte, weil sie den Streit zwischen Ehnim und Egill mitbekommen hatte: Die Drohungen, das dumpfe Poltern, und schließlich … das Schleifgeräusch.
    „Wo ist er?“
    „Wer?“
    „Vergiss es einfach“, schnauzte Pablo und wandte sich von Akil ab. Die Feldarbeiter, die während der Auseinandersetzung zu ihnen herübergeschaut hatten, machten sich jetzt wieder an die Arbeit und taten, als sei nichts gewesen. Pablo ging einmal um das Haupthaus herum und fand dort Ehnim an einer erloschenen Feuerstelle im Schatten sitzen. Der kräftige, untersetzte Mann Mitte zwanzig lehnte an der Hauswand und starrte angestrengt ins sonnenverbrannte Gras.
    „Miliz“, sagte Pablo zur Begrüßung.
    Ehnim sagte nichts.
    „Miliz“, sagte Pablo noch einmal, trat an die Feuerstelle heran und ließ sich direkt gegenüber von Ehnim in eine unbequeme Hocke nieder. „Ich will noch einmal mit dir reden.“
    Der Bauer murmelte irgendetwas Unverständliches.
    „Bitte?“
    „Ich hab’ gesagt: Das seh’ ich doch“, grollte der Bauer und blickte auf. „Dass du von der Miliz bist, meine ich. Diese roten Gauklerklamotten trägt ja sonst keiner.“
    Pablo ließ sich davon gar nicht provozieren. Er hatte sich die Farben seiner Uniform ja auch nicht ausgesucht.
    „Ich will dir noch einmal die Chance geben, zu erzählen, was mit Egill passiert ist.“
    „Haben dir doch alle schon erzählt“, brummte Ehnim. „Es war ein Unfall. Am Seilzug.“
    „Ja, aber die Geschichte glaubt kein Mensch. Es stirbt doch kein Bauer am Seilzug und wird dann sofort irgendwo im Wald verscharrt. Das kannst du mir doch nicht erzählen. Da ist doch mehr an der Sache dran.“
    „Sagt wer?“ Ehnims Miene war völlig unbewegt.
    „Sagt mir mein kriminalistischer Spürsinn“, antwortete Pablo. „Hier läuft doch irgendwas.“
    „Setz deinen kriminalistischen Spürsinn mal lieber im Hafen ein oder so“, gab Ehnim unbeeindruckt zurück. „Ich habe gehört, die handeln da mit Sumpfkraut.“
    „Ist schon auffällig“, sagte Pablo, und spielte dabei beiläufig mit einem kleinen Stein an der Feuerstelle herum, „dass ihr Bauern uns immer sofort loswerden wollt, wenn wir mal bei euch auf dem Hof sind. Findest du das nicht verdächtig?“
    „Ich fände es eher verdächtig, wenn ein Bauer euch Pappnasen gerne bei sich hätte.“
    Ehnim war schlagfertig. Sein breites, plattes Gesicht und seine beständig stierenden Augen ließen es nicht vermuten, aber der Bauer hatte Grips. Grips genug, um eine Leiche verschwinden zu lassen. Pablo machte eine längere Pause, türmte nun kleine Figürchen mit Kieselsteinen aufeinander. Irgendwie musste diese Nuss doch zu knacken sein.
    „Ehnim“, sagte er dann nach einer Weile. „Weißt du, was Notwehr ist?“
    Der Bauer lachte schnaubend auf. „Vergiss es“, sagte er und erhob dann seinen massigen Körper aus dem Gras. „So lockst du mich nicht in die Falle. Und jetzt lass mich in Frieden, ich muss weiterarbeiten. Ich habe dir nichts mehr zu sagen.“
    Einen kurzen Moment lang dachte Pablo darüber nach, Ehnim festzuhalten und dann vielleicht sogar noch Radikaleres zu tun, um doch noch etwas aus der Vernehmung herauszuholen. Dann jedoch ließ er den Bauern ziehen. Alles andere wäre zu diesem Zeitpunkt strategisch unklug gewesen. Nicht, dass Pablo Probleme mit seinen Vorgesetzten bekommen hätte – solange man Maß hielt, wurden auch härtere Vernehmungsmethoden gedeckt und notfalls mit jeder Menge Papierarbeit totgeschrieben. Da fragte dann niemand weiter nach. Aber wenn man zu früh zuschlug, konnte man sich wichtige Ermittlungsansätze verbauen, und damit machte man sich bei Vorgesetzten und Kollegen schon eher unbeliebt. Zudem war Pablo alleine auf einem ihm nicht gerade wohlgesonnenen Hof voller grobschlächtiger Bauern – da fiel ihm die Entscheidung, die Hände in den Taschen zu lassen, nur umso leichter.
    Der Platz, auf der bis eben noch Ehnim gesessen hatte, zeichnete sich wie ein Krater im Gras ab. Man konnte meinen, jemand hätte dort vier zentnerschwere Säcke abgestellt, so plattgedrückt war das Gras. Neben einem akkurat aufgetürmten Holzhaufen entdeckte Pablo ein angelaufenes Metallkännchen und einen schiefen Tonbecher. Pablo vermutete Bier oder Wacholderschnaps, es war ja allgemein bekannt, wie sehr draußen auf den Höfen gesoffen wurde. Aber als er die Kanne anhob und einen kleinen Schluck ausschenkte, plätscherte eine gelbe Flüssigkeit ohne Schaum in den Becher. Weil Pablo die Lippen lieber nicht an den Becher legen wollte, kostete er nur mit dem Finger. Es war Mangosaft. Lauwarm zwar, aber eindeutig Mangosaft.
    Geändert von John Irenicus (31.05.2021 um 12:03 Uhr)

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    Die Behauptung, dass die Sommerhitze am Mittag stets am größten sei, konnte nur von irgendeinem weltfremden Gelehrten in einer schattigen Schreibstube aufgestellt worden sein, denn jetzt am späteren Nachmittag knallte die Sonne derart unerbittlich, dass es Pablo bei seiner Rückkehr in die Hafenstadt direkt wieder an den Mangosaftstand trieb. Der befand sich zu dieser Tageszeit zwar nicht im Schatten, aber da Pablo von außen ohnehin schon völlig verbrannt war, wollte er wenigstens eine Austrocknung von innen vermeiden. Außerdem hatte er ein paar Fragen an den jungen Mann, der den goldenen, süßen Saft ausschenkte, und die würde ihm Willi vom Freibierstand nunmal nicht beantworten können. Die Theke wurde gerade frei, eine sommerlich gekleidete Frau, höchstwahrscheinlich aus der Unterstadt, hatte gerade ihr Glas geleert. Pablo gab ihr einen Seitenblick, war dabei aber nicht sehr engagiert, denn die Zeiten, in denen man als Milizionär einen Schlag bei den Frauen hatte, waren längst vorbei, da waren sich auch alle seine Kollegen einig, auch wenn man über die Gründe dafür noch immer kontrovers diskutierte.
    „Einen Mangosaft bitte“, sagte Pablo und legte einen behaarten, sonnenverbrannten Arm auf die Theke.
    Der junge Blonde, heute in ein anderes, aber wieder ungewöhnlich weit ausgeschnittenes Oberhemd gekleidet, hatte sich gerade unter die Theke gebeugt um dort zwischen ein paar Kisten und kleinen Fässern herumzukramen. Als er aufsah, lächelte er. „Für dich doch immer.“
    Pablo hätte sich fast geschmeichelt gefühlt, so begrüßt zu werden, wenn er nicht fest damit gerechnet hätte, dass der Blonde das schlicht zu jedem Kunden sagte. Es war ein Verkaufstrick. Und trotzdem fühlte sich hier Pablo besser als er sich je am Freibierstand gegenüber gefühlt hatte, frei Saufen hin oder her. Das war schon was anderes als vom dicken Willi missmutig angegrunzt zu werden.
    Der Mangosaft lief in ein frisches Glas und Pablo lief das Wasser im Munde zusammen. Der kleine Tropfen, den er vor gut einer Stunde auf Akils Hof stibitzt hatte, hatte ihn ja schon irgendwie angefixt. Und jetzt bekam er endlich wieder ein ganzes Glas voll davon …
    „Das macht dann zwei Goldstücke“, sagte der Blonde. „Freundschaftspreis.“
    Auch das war ein Verkaufstrick, aber auch der fühlte sich alles andere als schlecht an. Pablo legte die zwei Goldstücke auf den Tresen und wartete begierig darauf, dass sein Glas endlich gefüllt war. Der Blonde schien den Moment auszukosten und grinste breit, als er die Karaffe endlich absetzte und Pablo das Glas hinschob. „Wohl bekomm’s.“
    Pablo bedankte sich mit einem flüchtigen Nicken, umfasste das leicht schwitzende Glas und ließ sich den kühlen Mangosaft in den Mund träufeln. Es war der schiere Genuss, gefühlt viel intensiver noch als beim ersten Mal. Als er das Glas wieder absetzte, spiegelte sich seine eigene Zufriedenheit in den verschmitzten blauen Augen des Blonden wider.
    „Direkt noch eins?“, fragte der Inhaber des Mangosaftladens, und Pablo hätte fast reflexhaft eingewilligt, aber dann besann er sich doch noch eines Besseren. Er wollte ja erst einmal mit dem Typen reden.
    „Für den Moment ist’s erstmal gut, danke. Aber sag’ mal, für den Fall, dass ich später nochmal Brand bekomme, also in der Nacht oder so, wenn dein Stand geschlossen ist und du zu Hause bist … verkaufst du auch zum Mitnehmen, also so auf Vorrat oder so?“
    „Größere Mengen ja“, sagte der Blonde. „Dann muss jemand aber wenigstens ein kleines Fässchen kaufen, fünfzehn Liter sind das Minimum. Und das Wichtigste: Kühl bleibt der Saft dann nicht mehr, das ist er nur hier am Stand direkt nach Ausschank. Wieso fragst du? Willst du ein Fässchen kaufen?“
    „Jetzt direkt nicht, ich wollte nur mal wissen, was so meine Möglichkeiten sind. Ist ja schon ganz gutes Zeug. Da könnte ich mir glatt das Bier abgewöhnen!“ Pablo setzte sein geselligstes Lachen auf, und es gelang ihm gut, denn allzu sehr gelogen war das alles ja nicht. Klar, Bier musste sein, aber wenn man ihn jetzt an so einem Katernachmittag fragte, wo so sein Kopf schmerzte und die Sonne so erbarmungslos knallte …
    „Wie kriegst du das denn eigentlich hin? Dass der Mangosaft so kühl ist, meine ich.“
    Der Blonde kniff vergnügt die Augen zusammen und lachte leise auf, sein Brustkorb hob und senkte sich dabei sichtbar. „Also, so freizügig bin ich dann auch nicht. Das ist natürlich ein Geschäftsgeheimnis. Wenn ich das verrate, dann kommt direkt der nächste, macht einen größeren Stand auf und dann bin ich raus. Das kann ich natürlich nicht zulassen. Wer weiß denn schon, ob der Herr gegenüber dann nicht auch Mangosaft ausschenkt.“
    Pablo lachte schallend. „Der Herr gegenüber ist übrigens Willi, der ist alt, doof in der Birne und nahezu stocktaub, und da kann ich dir versichern, dass der nicht einmal weiß, wie man das Wort ’Mango’ ausspricht, geschweige denn, wie das schmeckt oder wie man da Saft draus macht. Also, vor dem brauchst du nun wirklich keine Angst haben, der macht dir so schnell keine Konkurrenz.“
    Der Blonde verzog den Mund zu einem subtilen Lächeln. „Naja, da wäre ich mir nicht so sicher. Man kann nie wissen, was in den Leuten steckt. Menschen sind immer für Überraschungen gut.“
    „Willi nicht, da lege ich meine Hand für ins Feuer.“
    Der Blonde zuckte daraufhin mit den Schultern und grinste, sagte aber weiter nichts dazu.
    „Gab’s da denn schon Abnehmer?“, fragte Pablo rasch hinterher, um das Gespräch noch ein wenig zu verlängern. „Die sich so ein Fass Mangosaft nach Hause gestellt haben?“
    „Hier und da ja“, sagte der Blonde. „Eher von außerhalb der Stadt. Wer hier wohnt, kann ja jeden Tag vorbeikommen.“
    „Bauernhöfe?“, fragte Pablo so beiläufig wie möglich.
    Der Blonde nickte. „Gibt ja sonst kaum Leute, die außerhalb der Stadt wohnen. Ein Jäger war auch mal dabei.“
    „Also schon inselweit bekannt, der Mangosaftstand, was?“, mutmaßte Pablo laut vor sich hin. „Scheint ja gut zu laufen, das Geschäft. Oder ist das jetzt auch etwas, was du lieber nicht verraten willst, weil das ein Geheimnis ist?“
    Jetzt lachte der Blonde wieder. „Oh nein, das darf und soll natürlich jeder wissen, dass die Leute hier Schlange stehen für meinen Saft! Am besten funktioniert so etwas ja von Mund zu Mund. Und wenn man schon den ein oder anderen Stammkunden gewonnen hat, der sich öfter hier am Stand sehen lässt, vielleicht sogar jemand mit Ansehen, zum Beispiel ein Milizionär …“
    Pablo runzelte unwillkürlich die Stirn, erkannte dann aber noch schnell genug, dass das nicht gerade der richtige Augenblick war, um sich über so eine Bemerkung irritiert zu zeigen.
    „Jaja, natürlich!“, bestätigte er. „Die Miliz hat hier in Khorinis nach wie vor einen guten Ruf! Inselweit, eigentlich. Das hat schon einen Einfluss, wo wir einkaufen oder wo wir einkehren. Uns hat eigentlich jeder Ladenbesitzer gerne da, auch schon allein wegen der Sicherheit und so weiter. Normalerweise freuen sich alle, wenn wir irgendwo vorbeikommen -“
    „Pablo du Eimer! Da bist du ja endlich! Bist du bei den Bauern beim Schnapstrinken versackt oder was?“
    Pablo und der Blonde wandten sich nahezu synchron nach links, wo gerade Peck aus Richtung der Kaserne angestiefelt kam. Gang, Gesichtsausdruck und allgemeines Gebaren drückten schon von Weitem ein ungeheures Maß an Missmut aus.
    „Was lungerst du denn da wieder am Saftstand herum, du Fruchtlutscher? Ich will auch endlich Feierabend machen!“
    „Ja dann mach doch Feierabend!“, blaffte Pablo über den Galgenplatz hinweg. Die Umstehenden am Freibierstand interessierte das alles überhaupt nicht. Wenn die Miliz brüllte, hörte hier schon längst keiner mehr zu.
    „Dafür brauch ich aber dich, Papierkram und so weiter!“, rief Peck und blieb auf Höhe des Galgens stehen. „Also mach mal hinne jetzt und schwing deinen Arsch hier rüber!“
    „Wie kann man da nein sagen?“, murmelte Pablo und entlockte dem Blonden damit ein weiteres Grinsen. „Dann schwing ich meinen Arsch mal rüber.“
    „Tu das“, sagte der Blonde. „Und … bis zum nächsten Mal?“
    „Auf alle Fälle“, sagte Pablo, klopfte zum Abschied zweimal auf das Holz der Theke und wandte sich Richtung Kaserne ab, wo der ungeduldige Peck in der Ferne bereits die Steintreppe hinaufmarschierte. Dann aber, in einem Moment der Eingebung, fast unwillkürlich, drehte sich Pablo noch einmal um.
    „Wie heißt du eigentlich?“
    „Erik“, sagte der Blonde.
    „Ah“, machte Pablo. „Ich bin Pablo.“
    Erik nickte. „Habe ich schon gehört.“
    Pablo hob die Hand zum Abschied und machte sich dann endlich auf den Weg zur Kaserne. Unterwegs, nachdem er sich nun aus dem Gespräch mit Erik gelöst hatte, bemerkte er erst so richtig, wie heftig er sich in der Sonne verbrannt hatte. Ihm war sogar schon ganz schwindelig deswegen. Umso erleichterter war er daher, als er endlich im schattigen Gemäuer der Kaserne angekommen war. Seine Augen mussten sich erst einmal umgewöhnen, so grell war es draußen gewesen.
    „Na endlich, der verlorene Sohn kehrt nach Hause zurück“, ätzte Peck. „Hätte beinahe schon einen kleinen Suchtrupp zusammengestellt.“
    „Jaja“, sagte Pablo nur und blieb vor Peck stehen, der wieder auf seinem angestammten Platz hockte wie ein Schluck Wasser in der Kurve. „Was wolltest du denn jetzt so dringend?“
    „Nur ein Durchsuchungsprotokoll“, sagte Peck, hob ein Blatt Papier vom kleinen Tisch vor ihm auf und reichte es Pablo an. Dieser nahm es in die Hand und überflog die Angaben kurz. Grüne und violette Farbkleckse wanderten sein Blickfeld auf und ab und ließen sich auch durch Blinzeln nicht vertreiben. Diese verdammte Sonne.
    „Warst du alleine da?“
    „Sonst müsstest du ja jetzt nicht im Nachhinein unterschreiben. Ich hatte spontan Lust, aber es war kein zweiter Mann da, dann bin ich halt alleine los und dachte mir, ich schnappe mir später den Erstbesten, der dann auch noch seine Unterschrift draufsetzt. Und der Glückliche bist du.“
    Pablo nickte, griff nach der Schreibfeder im Tintenfass und setzte seinen Namen auf das Dokument direkt neben den von Peck. Dann las er noch einmal genauer.
    „Waren ja doch schon einige Gramm, hat sich ja gelohnt“, kommentierte Pablo. „Wo hatte er das denn versteckt?“
    „Hatte er gar nicht versteckt, steht übrigens auch drin. Der hatte das Kraut einfach auf seinem Tisch herumliegen, als ich reinkam.“
    Pablo sah vom Protokoll auf. „Wie geht denn sowas? Bist du da hereingeschlichen oder was?“
    „Gar nicht mal“, sagte Peck und grinste. „Bin da einfach normal rein, aber der Typ hat das erst gar nicht mitbekommen, weil der gerade damit beschäftigt war, seine Alte zu knallen. Wenn’s denn mal seine Alte war. Da hatte er einfach nicht die Zeit, noch irgendwas anderes außer seinen Schwanz zu verstecken.“
    „Hmhm. Und?“
    „Ja was, und?“
    „Na die Alte.“
    Peck zuckte mit den Schultern. „Hafenviertel halt. Kaum noch Zähne.“
    „Kann ja manchmal auch von Vorteil sein“, sagte Pablo und gab das Durchsuchungsprotokoll an Peck zurück.
    „Die Firma dankt“, sagte Peck. „Rauchst du einen mit? Ich lad’ dich ein.“
    „Keinen Bock“, murrte Pablo.
    „Ja wie, keinen Bock? Was ist mit dir?“
    „Gar nix. Hab’ halt keinen Bock. Bin auch so schon müde genug. Und ich habe mir ’nen mordsmäßigen Sonnenbrand geholt.“
    „Ja, selbst Schuld“, urteilte Peck. „Brauchste jetzt aber nicht einen auf Mimose machen deshalb.“
    „Bist du jetzt beleidigt, weil ich mit dir kein Kraut rauchen will?“
    „Nee, bin ich nicht. Dann rauche ich’s halt alleine.“
    „Ja, mach.“
    „Mach ich auch!“
    „Gut!“
    „Ja!“
    Und damit trennten sich Pablos und Pecks Wege für diesen Tag.

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