Zitat von
ulix
Wie so oft bei Israel-apologetischen Ausführungen, ist es auch hier so dass sich viele Fehler, Verzerrungen und Unwahrheiten in deinem Beitrag finden, dabei ist dein Beitrag noch ein harmloses Beispiel für Pro-Israel-Propaganda.
Da stecken so viele merkwürdige Vorwürfe drin, dass ich gar nicht weiss, wo anfangen. Sag mir bitte einen Satz in meinem Post, der "Israel-apologetisch" ist. Du wirst keinen finden. Und wo sind die vielen Fehler? Falls ich mit dem Apartheid Begriff falsch liegen sollte, wäre das ein Fehler, wo sind die anderen "vielen" Fehler?
Erstens, die Zionazis. Wie ich ja schon sagte ist das nicht der passendste Begriff, da nicht jeder Faschist ein Nazi ist (aber jeder Nazi ein Faschist). Nun ist es aber so, dass anders als du suggerierst, nicht nur NSDAP Mitglieder als Nazis bezeichnet werden. Es gibt etliche Leute die heute existieren, die Nazis sind, die treffenderweise so genannt werden, oder sich sogar stolz selbst so nennen. Und im allgemeinen Sprachgebrauch ist es eingebürgert, dass man jegliche Art von Faschisten als Nazis bezeichnet, auch wenn das nicht 100% korrekt ist.
Du bist nicht auf die von mir angesprochene Problematik eingegangen, dass man sich als deutscher bei gewissen Themen anders äussern sollte, und sich Positionen niemand unabhängig von der eigenen politischen Vergangenheit äussert. Die Korrektheit und Definition des Begriffs Nazi ist eine Sache, Wir könnten uns jetzt an den Punkten der Faschismusdefinition von Umberto Eco abarbeiten, aber darauf habe ich keine Lust.
Das Problem hier ist die historische Dimension. Wenn Opfer das Holocaust und damit der historisch real existierenden Nazis (das gilt übrigens genau) selber als Nazis bezeichnet werden, ist das nicht einfach ein unpassender Begriff, sondern es ist eine explizite Umkehrung der Opfer-Täter Verhältnisse und somit explizit sekundär antisemitisch und hat, gewollt oder ungewollt, eine apologetische Wirkung für NS-Verbrechen.
Der stellvertretende Bürgermeister von Jerusalem ist ein Faschist. Ein echter Faschist. Nicht so eine weichgespülte Version von Faschist wie Marine Le Pen oder Bernd Höcke, sondern ein echter Faschist. Und er ist Zionist.
Das weiss ich nicht, ist möglich, aber für die Diskussion nicht relevant. Wenn du ihn einfach als Faschisten bezeichnet hättest wäre das etwas anderes. Stattdessen hast du das Wortspiel Zionazi verwendet, das ähnlich wie der Begriff Feminazi eine bewusst eine Assoziation zwischen Nationalsozialismus und Zionismus aufstellt. Da Zionismus von faschistischen oftmals als Code für Weltjudentum verwendet wird, und die solche Begriffe selber als Kampfbegriffe verwenden, um die Schuld des Holocausts auf die Juden zu lenken, bedienst du dich hiermit solchen Diskursen und bekräftigst sie dadurch.
Zweitens, der Apartheid-Begriff. Dazu gleich mehrere Punkte:
Die von dir genannten Gruppen mögen Israel als Apartheidsstaat definieren und viele tun dies. Ich halte es dennoch für inkorrekt aus mehreren Gründen. Ich halte grundsätzlich sehr wenig von historischen Vergleichen von Unrechtsregimen. Je mehr man sich mit Genoziden/Kolonialismus/etc. auseinandersetzt, desto mehr ergibt sich ein Bild, wie abhängig die entsprechenden Systeme und Handlungen von den zeitlichen und örtlichen Begebenheten abhängig waren und wie schlecht sie sich meist auf andere Systeme übertragen lassen.
Es mag sein, dass in der UN-Resolution Apartheid als universeller Begriff verwendet wird. Die emotionale Assoziation ist jedoch eng mit dem Fall Südafrika verknüpft, so wie der Begriff Nationalsozialismus mit dem dritten Reich assoziiert wird. Wenn du den Begriff googelst, zeigt sich das. Anders sieht es bei Begriffen wie Kolonialismus, Rassentrennung oder Faschismus aus, denn diese werden im allgemeinen Sprachgebrauch mit verschiedenen Systemen assoziiert. Bei Gruppen wie BDS geht es nicht darum, eine korrekte ANalysekategorie zu finden, für was in Israel/Palästina passiert, sondern eine emotionale Bindung zu Südafrika herzustellen, da dort effektiv boykottiert werden konnte. Es handelt sich also schlichtweg um eine politische Instrumentalisierung eines Unrechtsregimes für die Bekämpfung eines Anderen und davon halte ich nichts.
C) Es gibt in der politischen Bewegung Palästinas keine relevanten Strömungen, die nicht anerkennen, dass Israel ein Apartheidsstaat ist.
Ich gehe davon aus, dass es sich wie gesagt um politische Instrumentalisierungen des Begriffs handelt. Aber ich würde mir nicht einfallen lassen, den Palästinensern vorzuschreibeb, welche Begriffe sie verwenden sollen und welche nicht.
Das liegt auch nicht daran dass - anders als Israel-Apologeten gern insinuieren - alle Palästinenser, oder besser noch "die Araber" alle Antisemiten sind, sondern daran dass der Begriff passt.
Also zunächst einmal, inwiefern ist die Ablehnung des Begriffs Apartheids apologetisch. Nur weil man der Ansicht ist, dass der Begriff zu unterschiedlich ist, um hier zu passen, heisst noch nicht viel. Nur weil es nicht Apartheid ist, ist es ja nicht weniger verabscheuenswert, was dort passiert. Es geht ja nur darum, ob der Begriff analytisch passt oder nicht. Wie das ganze zu verurteilen ist, ist eine andere Frage.
D) Deshalb nennen auch sehr viele - es werden mehr und mehr - linke Juden Weltweit das Kind beim Namen, und erkennen an dass Israel ein Apartheidsstaat ist. Manche, wie Chomsky, bringen den korrekten Einwand, dass es eigentlich, genau genommen, eine Verharmlosung ist, Israel Apartheid zu nennen, da die Situation für die meisten Entrechteten dort eben deutlich prekärer ist als im Südafrika der Apartheid.
Chomsky setzt sich auch dafür ein, dass Holocaustleugner an Universitäten frei dozieren können. Wieso der innerhalb der Linken so eine Ikone ist, ist mir schleierhaft. Aber wenn er recht hat, dann würde es ja meine Aussage bestätigen, das der Begriff nicht korrekt ist. Es ist nunmal etwas anderes, was in israel passiert, als damals in Südafrika. Die Diskussion, was schlimmer ist, halte ich für grundfalsch und unnötig. Eine Oppressions-Olympiade bringt niemandem etwas. Vor allem wir in unserem gemütlichen Privilegiensessel sollten und mit Urteilen zurückhalten.
E) Auch linke Israel-Apologeten neigen zu schwarz-weiß Denken. Da wird so getan als sei Israel ein Monolith, und sich nur auf die Positionen rechter, rassistischer (oft faschistischer) Israels bezogen, und diese werden als gut und richtig dargestellt. Die Stimmen linker Israelis werden komplett ausgeblendet.
Das mag in vielen Fällen zutreffen, aber der Punkt ist: Israelische und palästinensische Linke sind in der Position, die israelische Regierung zu kritisieren, wie sie wollen. Denn sie sind entweder direkt betroffen oder privilegiert durch die Situation. Weisse Menschen sind in der Position, dass sie einen unaussprechlich grausamen Völkermord am jüdischen Volk und eine abscheuliche Kolonialgeschichte mit arabischen Völkern hinter sich hat, und sich damit zurückhalten soll, diese unreflektiert zu kritisieren.
Meine Forderung an Linke weltweit - aber insbesondere in Deutschland - ist: hört auf die israelische Linke. Diese haben Positionen die weitgehend deckungsgleich sind zur palästinensischen Linken. Das kommt von so einem angestaubten Konzept namens internationaler Solidarität. Auf der anderen Seite wird so getan, als seien auch Palästinenser ein ideologischer Monolith. Als gäbe es keinen Unterschied zwischen säkulären BDS-Anhängern und Hamas-Mitgliedern. Hier spiegelt sich dann oft ziemlich offensichtlicher anti-arabischer Rassismus wider.
Grösstenteils stimme ich zu, nur das auch die israelische Linke kein Monolith. Und die Frage ist, ob man wirklich Solidarität zeigt, indem man antisemitische Muster reproduziert.
Wenn so genannte Linke die Talking Points der Vertreter einer rechten völkischen Bewegung nachplappern, dann fass ich mir an den Kopf. Das ist etwas, was es so wirklich nur in Deutschland gibt.
Nein, Linke, die rechtes Geschwafel gibt es überall auf der Welt und nicht nur im Zug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt. Siehe Sara Wagenknecht oder Noam Chomsky.
Anti-Deutsche sind das kartoffeligste überhaupt.
Gut aber hier sind soweit ich weiss keine Anti-Deutschen. Nur weil man sich kritisch mit Themen wie sekundärem Antisemitismus auseinandersetzt, ist man kein Antideutscher.
Das typisch Deutsche erklärt aber - anders als Jean-Luc andeutet - nicht die deutsche Außenpolitik zu Israel. Es erklärt sie teilweise. Aber bis auf Irland hat beinahe jedes europäische Land ein gutes, also unkritisches - Verhältnis zu Israel. Ja klar, es wird mal hier und da offen kritisiert. Reale Konsequenzen gibt es in 99-100% der Fälle, und seit Jahrzehnten: keine.
Das ist noch einmal eine Diskussion für sich, aber Deutschland ha aus historischen Gründen an der Spitze von Israel-Gegnern nichts verloren.
Es mag zynisch klingen, aber Sam Seder sagt am Ende etwas Wahres - Glück im Unglück sozusagen:
Israel verliert innerhalb der amerikanischen Linken (und auch anderswo) langsam (aber sicher) seinen Propagandakrieg. Der Konsens bröckelt. In 5 oder 10 Jahren werd ich vielleicht für palästinensische Menschenrechte eintreten können ohne (von Linken!) Antisemit genannt zu werden, und Juden werden es tun können ohne als "selbsthassende Juden" verunglimpft zu werden. Mal sehen. Wär schön.
Noch schöner wärs natürlich, wenn Palästinenser bis dahin demokratische Rechte hätten. Aber machen wir uns nix vor.
Dieser Teil deines Posts zeigt das Problem am deutlichsten: Vielen (ob linken oder nicht-linken) Israelritikern geht es nicht um die Rechte der Palästinenser, sondern um das Recht, Israel kritisieren zu können, wie man will, ohne den eigenen Antisemitismus zu hinterfragen. Judenhass ist nach einer jahrhunderlangen Geschichte von Antijudaismus und späterem Antisemitismus tief im europäischen Bewusstsein verankert und Linke sind davon genau so betroffen wie rechte. Und dieser Antisemitismus zeigt sich auch in der Israelkritik weisser Menschen, bzw. wurde sogar zu einem der Hauptventile für versteckten Antisemitismus, da er sich dort moralisch rechtfertigen lässt. Und wenn Linke in 10 Jahren auf ihren Antisemitismus nicht mehr für ihren Antisemitismus kritisiert werden, dann nur, weil dieser Salonfähig geworden ist. Und das ist nichts, worüber man sich freuen sollte.