Sorry ich bauchte auch meine Zeit bis ich dazu kam auf deinen Post zu antworten..
Zitat von
ulix
Ich bin kein Täter, und die Opfer des Holocaust in Israel sind eine kleine Minderheit. Ist halt 75 Jahre her, dieses schlimmste Verbrechen der Menschheitsgeschichte, begangen hauptsächlich von Deutschen, begangen von Mitgliedern meiner Familie, ein Verbrechen das niemals vergessen werden darf. Ich halte aber absolut gar nichts vom Konzept der Erbschuld, und noch weniger davon die Beurteilung von Aussagen davon abhängig zu machen, wer diese tätigt. In dem Sinne, dass die nationale, ethnische, religiöse Identität der Person keine Rolle spielen sollte, natürlich sollte man beurteilen dürfen was die Person vorher so gesagt hat. Wenn jemand der früher von der jüdischen Weltverschwörung faselte auf einmal nur noch Israel kritisiert ist das was anderes, als wenn (z.B.) ich das tue.
Naja ich finde du machst es dir etwas einfach. Natürlich bist du als Individuum nicht für den Holocaust verantwortlich, das steht ausser Frage. Aber im Bezug auf politische und soziale Fragen sprechen wir eben nicht nur als unabhängige Individuen sondern als Teil von bestimmten Gruppen, in unserem Fall von Weissen europäischen Männern. (Ich gehe mal davon aus, dass das auf dich zutrifft) Unsere Geschichte, unsere Privilegien prägt unser denken, unser Weltbild und vor allem unsere Machtposition, ob wir das wollen oder nicht. Es spielt auch keine Rolle, ob deinen Vorfahren direkte Schuld am Holocaust gegeben werden kann oder nicht.
Wichtig ist, dass wir unsere Geschichte und die Rolle unserer Gruppen berücksichtigen, wenn wir uns politisch mit anderen Gruppen, insbesondere jenen, die historisch von uns unterdrückt wurden, auseinandersetzen. Ob schuldig oder unschuldig, wir haben unsere Privilegien unter anderem durch die Verbechen unserer Vorfahren erhalten. Wir stehen somit in der Verantwortung für diese Verbrechen, solange andere Völker unter diesen Verbrechen leiden. Und der Israel-Palästinakonflikt ist nunmal unter anderem eine Folge des europäischen und insbesondere deutschen Antisemitismus. (Ich als Schweizer fühle mich hier nicht minder Verantwortlich, da unsere Regierung die Grenze gegenüber jüdischen Flüchtenden von dem Holocaust zugemacht hat und generell mit dem Naziregime zusammenarbeitete.) Ähnlich sehe ich es übrigens mit europäischer Kritik an arabischem und insbesondere palästinensischem Antisemitismus. Wir sind schlichtweg nicht in der Position, diesen zu kritisieren, oder sollten dabei zumindest sehr vorsichtig sein, wie wir solche Kritik äussern.
Meinetwegen kann ich aber auch den ganzen Tag Israelis und Juden zitieren, die inhaltlich auch nix anderen sagen als ich. Gibt ja genug, vor allem in den USA.
Diese Leute mögen recht haben oder nicht. Aber auch Rassisten finden Schwarze, die ihre Meinung bestätigen oder Sexisten Frauen etc. Damit will ich mir nicht anmassen, dass die Leute auf die du anspielst falsch liegen, aber als Argument reicht das noch nicht.
Eben genau die Verwendung dieses polemischen Begriffs aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den Juden im die Opfer der echten Nazis handelt, halte ich für falsch. Da es sich wie gesagt, um eine Opfer Täter umkehrung handelt. Es gibt X andere Begriffe, die man für Faschisten verwenden kann. Und ich werfe den meisten, die diesen Begriff verwenden vor, dass sie unterbewusst genau so eine Opfer-Täter Umkehrung machen wollen. Man kann die israelische Regierung und Faschisten auch kritisieren, ohne dabei mit der jüdischen Vergangenheit zu spielen.
Zumal der Begriff, wenn er ohne Kontext in den Raum gestellt wird, als gleichsetzung von Zionismus und Nationalsozialismus verstanden werden kann und auch so verwendet wird.
Historische Vergleiche sind bei jeder Beurteilung der Gegenwart unabdingbar, wenn diese seriös sein soll. Und unbewusst tust auch du das ständig. Jeder tut es.
Du findest ja auch Israels Taten nicht so schlimm wie die des 3. Reiches (ich auch nicht), machst also im Kopf irgendeine qualitative und/oder quantitative Abwägung.
Du hast recht, ich muss mich hier korrigieren: Ich habe kein Problem mit historischen Vergleichen, sondern mit Gleichsetzungen, vor allem bei so problematischen Themen.
Umso mehr man sich mit den von dir angesprochenen Themen auseinander setzt, umso eindeutiger werden die Parallelen, siehe das Gespräch zwischen Michael Brooks und Jeff Halper das ich verlinkt habe. Ich kann dir hier also nur direkt und vehement widersprechen, ich sehe das wirklich genau andersherum wie du es siehst, ich sehe es also so wie die meisten Historiker es sehen, und so wie die meisten Gesellschaftswissenschaftler und Linken es sehen.
Was den Apartheidsbegriff angeht, lass ich deine Aussagen so stehen. Ich denke ich habe klargemacht, warum ich ihn für unkorrekt und nicht angebracht halte, und ich habe die gleiche Kritik für die von dir genannten Organisationen, aber ichs sehe es als Aussichtslos hier gegen Definitionen des Internationalen Rechts anzugehen, darum lass ich es besser.^^ Ich will nur gesagt haben, dass ich nicht glaube dass emotionale Argumente beim Verfassen solcher Definitionen keine Rolle spielen und ich davon ausgehe, dass bei der Definition des Begriffs der Nahostkonflikt im Hinterkopf war.
Das ist ziemlich nichtssagend, und eine nicht nachvollziehbare Kritik. Ich habe das ja eben schon angedeutet. Wenn du politisch irgendwas erreichen willst, dann musst du auch emotional argumentieren, anders wirst du niemals Mehrheiten rekrutieren können. Die Kommunisten der Vergangenheit haben auch nicht "Das Kapital" an die arbeitenden Massen verteilt, sondern das "Kommunistische Manifest." Aus genau diesem Grund.
Chomsky ist hier nur konsistent. Er hatte schon immer ein absolutes Verständnis der Meinungsfreiheit. Er ist halt Anarchist. Soll er dann einen Brief nicht unterschreiben, bloß weil die falschen Leute das (in seinen Augen) Richtige sagen?
Das soll jetzt nicht in einer Diskussion über Chomsky ausarten. Aber ein zwei Worte hier zu. Chomsky mag sich als Anarchist bezeichnen, aber es gibt mehr als genug Anarchisten, die seinen Anarchismus in Frage stellen, aber selbst wenn es so wäre: Die Forderung von Chomsky ist nicht wirklich anarchistisch, sondern eher radikal liberal. Die wenigsten Anarchisten, die ich kenne, sind der Meinung, das Faschisten an Universitäten frei reden sollten.
Die herrschende Klasse Israels sind alte, weiße Männer.
Juden sind nicht per se Weisse, zumindest nicht in dem Sinne wie wir es sind. (Wie gesagt, in deinem Falle sind das Mutmassungen meinerseits.) Es gibt zwar weisse Juden, aber genau so gibt es weisse Araber, weisse Latinos und whitepassing-Schwarze. Trotzdem sind sie nicht weiss.
https://forward.com/scribe/405016/no...ionally-white/
Ich sehe als grossen Fehler der antiimperialistischen Linken, den Israel als weissen Kolonialstaat zu sehen. Es ist ein Kolonialstaat, aber eben kein weisser, sondern ein Kolonialstaat in dem die Herrschende Ethnie ebenfalls unter der white-supremacy zu leiden hat. Gerade aus diesem Grund halte ich Vergleiche mit einem explizit weissen Kolonialstaaten wie Südafrika für unangebracht.
Theodor Herzl hat den europäischen Kolonialismus verehrt, und auf dessen Basis den Zionismus entwickelt. Das ist ein historischer Fakt. Der Zionismus steht in direkter Tradition der abscheulichen europäischen Kolonialgeschichte in Bezug auf die Araber, die du ja richtig anerkennst. Aber um das zu erkennen, braucht es eben historisches Interesse und historischen Kontext, und bei dir scheint es mir so als würdest du beides gern ausblenden um dich nicht mit unangenehmen Fakten konfrontiert zu sehen.
DU schätzt mich falsch ein denke ich. Was du hier schreibst ist richtig, (darum halte ich z.b. auch einen Begriff wie Siedlerkolonie für viel passender als Apartheid) aber es hat nichts mit dem zu tun, was ich geschrieben habe, bzw. zumindest widerspricht es dem nicht.
Dieser sekundäre Antisemitismus ist eine deutsche Erfindung, eine Erfindung eines alten weißen deutschen Mannes. Eines ziemlichen Arschloches noch dazu. Auch eines Juden, ja. Aber Henrik M. Broder irgendeine seriöse Betrachtung zuteil werden zu lassen, das macht niemand außerhalb Deutschlands. Deshalb gibt es dieses Konzept auch nur in der deutschen Forschung. Im Prinzip beruht es darauf, berechtigte Kritik an Israel zu delegitimieren, indem man sagt: "Mag ja stimmen was du sagst, aber Nazis sagen das auch!"
Wie gesagt machst es du dir zu einfach. Ich kenne die Geschichte der Forschung bezüglich des sekundären Antisemitsmus nicht gut. EIne kurze Recherche ergab, dass der Begriff nicht von Henrik Broder, sondern vom israelischen Psychiater Zvi Rex stammt. Ich bin kein Broder Fan, aber ich sollte hier dennoch festgestellt werden, dass Broder soweit ich weiss damals noch ein Linker war. Wie viele Ex-Linke hat er allerdings den Fehler gemacht, nach berechtigter Kritik an der Linken, sich unkritisch konservative Standpunkte anzueignen, anstatt eine linke Anschaung ohne Widersprüche anzustreben.
Aber zurück zum sekundären Antisemtismus. Ich muss zugeben, dass ich mich mit der Frankfurter Schule und sekundärem Antisemitismus nicht allzu tief befasst habe. Dafür jedoch mit Rassismus, und dort gibt es den sogenannten Covert Racism, was bei weitem keine Weisse Erfindung, sondern für viele Schwarze eine Realität ist. Ähnliche Phänomene gibt es bei Islamophobie, Homophobie oder Sexismus. Warum du als linker solche Konzepte grundsätzlich abzulehnen scheinst, ist mir schleierhaft. Da wir allein einer rassistischen, sexistischen und antisemitistischen Gesellschaft aufgewachsen sind, wäre es ein Wunder, wenn wir nicht selber solche Denkmuster verinnerlicht hätten, so links und wie wir uns auch sehen mögen.
Da du gerne Youtube-Links teilst, wenn ich dazu komme schaue ich mir die auch gerne an, verlinke ich hier auch mal eines.
Shooting the messenger schon wieder, Kontaktschuld schon wieder, die Lieblingsinstrumente der israelischen (und Israel-apologetischen) Propaganda. Dazu siehe der Punkt weiter oben. Natürlich sollte man schauen, wenn jemand Israel kritisiert, in welchen inhaltlichen Kontext dies passiert, was hat die Person vorher gesagt und geschrieben, mit wem umgibt sie sich politisch, etc. Aber dafür braucht es kein so unscharfes, den Rufmord einladendes Konzept wie den sekundären Antisemitismus, der dann so Blüten treibt wie dass kritische Juden keine Vorträge in Deutschland halten dürfen, weil sie zu israelkritisch sind.
Hier will ich nur noch einmal feststelen, dass gegen Nazis zu sein, kein Freiticket dafür ist, sich von Antisemitismusvorwürfen zu befreien, die Problematik geht nämlich viel tiefer.
Die Beispiele dafür sind zahlreich, hier eines davon:
https://taz.de/Umstrittene-Konferenz...furt/!5415933/
Der wichtigste Historiker Israels durfte in Deutschland nicht auftreten, weil einige deutsche Israel-Apologeten meinten, das würde Israel delegitimieren.
Ja Leute, Herr Beck, Frau Dittfurth, wenn die historischen Fakten Israel delegitimieren, was soll dann diese Scheiße?
Im Artikel steht, dass der Hauptkritikpunkt nicht historische Fakten, sondern die BDS-Unterstützung darstellt. Bei einer Organisation die es vermehrt verpasst hat, sich von Antisemitischen Mitgliedern zu distanzieren, kann ich sowas nachvollziehen.
Ich halte es für realistisch, dass Israel in den nächsten Jahren international Verbündete verliert, dass mehr und mehr Leute die Zusammenarbeit mit Israel in Frage stellen, dass die Verbrechen Israels nüchterner betrachtet werden. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass das schneller geht.
Leider halte ich es für deutlich weniger realistisch, dass die Palästinenser von Israel Bürgerrechte kriegen, oder selbst einfach nur universelle Menschenrechte.
Meine Frage an dich hier wäre. Wenn du hoffst das Israel Verbündete (ich gehe hier von Staaten aus) verliert, sind diese Staaten in deinen Augen weniger problematisch als Israel? Sollten diese Staaten nicht ebenso viele Verbündete verlieren?