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  1. #401
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Nein. Er schlug die Augen auf. Nein. Kaum konnte er den Kopf drehen, sie ansehen, da spürte er schon ihren leicht alkoholschwangeren Atem. Nein! Er blinzelte. Sie war noch immer da. Viel zu nah. “Mit dir.“, erwiderte er trocken auf eine Frage, die keine gewesen war. Lang sah er sie kaum an. Richtete den Blick erneut gen Himmel. Er würde nur auf dumme Gedanken kommen. Sehr dumme. „Eine lebendige Familie wäre auch nicht übel. Man kann nicht alles haben.“, resümierte Leif. Wenig gekränkt.


    Man sah ihr an, wie er ihr verbal die Faust ins Gesicht schlug und ihr die Luft auf den Segeln nahm. "Ja-..", sagte sie. Irritiert und das deutlich, man entnahm es ihrer Stimme. "Eins zu null für dich.", seufzte sie und sah trotzdem, vielleicht einen Deut zu lange, auf diese Lippen. Und konnte sich nicht von diesem Gedanken losreißen, und dem Gefühl, dass sich vorhin in die geschlichen hatte. "Ja man-..man kann nich' alles haben.", sprach sie immer leiser. Und verdammt monoton. "Würdest dus trotzdem tun?", fragte sie leise.
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  2. #402
    #16  Avatar von Forenperser
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    Rose und Nisha ließen die Frau ausreden, sie ihren Gefühlen und Sorgen Raum lassend. Die Polizistin filterte die wesentlichen Informationen heraus. Niall schien den Kontakt zu seiner Tante abgebrochen zu haben. Die letzte Verbindung zu seinem alten Selbst. Er war jetzt vollkommen alleine. Ein Ausgestoßener durch eigenen Entschluss. Keine Freunde mehr, keine Familie und wohl auch keine Ehre mehr. Verloren.
    "Ich verstehe ihre Gedanken Miss O`Hara, aber ich weiß nicht ob es schon zu spät dafür ist. Ob sie ihn nicht schon vollkommen verloren haben. Meine Partnerin hatte ihre eigene Begegnung mit ihrem Neffen, ein anderer Kollege von C-Sec seine ganz eigene Erfahrung. Ihr Neffe zeigte sich nicht mehr bereit für Gespräche oder Argumente. Für den "gesunden Menschenverstand" wie man bei ihnen sagt.", erklärte Rose ruhig.
    Weitere Tränen rollten die Wangen der Irin herunter. Nisha kramte Taschentücher aus ihrer Jacke, welche sie dieser reichte.
    "Ihr Angebot in allen Ehren, aber ich denke nicht das er mit ihnen reden wird, oder sie eine große Hilfe sein können.", merkte Nisha an.
    "Er hat den Kontakt mit ihnen abgebrochen, vielleicht zu ihrem Schutz, wohl eher aber zu seinem. Er hat seine eigene Ziele und diese verfolgt er stur und unnachgiebig. Er wandert in der Finsternis, ohne zu merken das ihn diese schon vollkommen umgibt.", erklärte sie bedauernd. Sie konnte verstehen wie hart dies alles für die Frau auf der Bank neben ihnen sein musste. Rose legte ihre Hand auf Siobhans Schulter.
    "Ich habe nicht vor ihn zu töten, meine Arbeit ist jedoch, es zu verhindern das er weiter tötet. Er ist ihr Neffe sie sehen natürlich nur das Beste in ihm. Doch trotz ihren Zweifeln, er ist immer noch ein Mörder was er nie abgestritten hat. Was man auch immer von dem Großteil seiner Opfer halten möchte. Dabei muss er aufgehalten werden.", erklärte sie entschlossen und sah der Rothaarigen fest in die Augen.
    "Es liegt an ihrem Neffen ob er sich festnehmen lässt, es gibt leider Dinge die man als Polizistin nicht komplett in der Hand hat. Wir haben ihm die Möglichkeit gegeben sich zu stellen. Mehrmals. Aber sie werden verstehen das wir nicht zulassen können das weitere Beamte auf dieser Jagd ihr Leben lassen.", sprach sie mit Nachdruck die harte Wahrheit aus.
    "Auch wenn es natürlich unsere Priorität ist ihn festzunehmen. Wir sind nicht an seinem Tod interessiert Miss O'Hara.", erklärte die Inderin wohlwollend. Beide wussten natürlich das sie diesen inzwischen jedoch womöglich in Kauf nehmen mussten.
    "Natürlich nicht.", stimmte Rose ihr zu. Dafür gab es mehr als genügend andere Leute die ihr Neffe sich schon zum Feind gemacht hatte. Und dessen schwache Tarnung ihn nicht ewig davor schützen würde.


    Siobhan O'Hara

    "Danke. Danke für ihre Worte.....ich schätze....mehr kann ich nicht verlangen."
    Natürlich verstand sie. Egal wie sehr sie ihn liebte, er war immer noch eine Gefahr. Und sie konnte nicht verlangen, dass sie ihn anders als jeden anderen gefährlichen Kriminellen behandelten, nur weil er früher einmal selbst ein Polizist gewesen war. Aber dennoch.....dass er einen anderen Polizisten erschossen haben sollte.....das konnte sie immer noch nicht glauben. Es musste mehr dahinter stecken.
    "Ich weiß, dass noch etwas von seinem alten Ich in ihm steckt.....es muss einfach so sein.....und falls Sie ihre Meinung ändern sollten.....bitte, bitte kontaktieren Sie mich. Ich werde kommen, egal wie groß die Gefahr sein sollte.....er ist es das wert."
    Sie wischte sich noch einmal über das Gesicht, putzte ihre Nase und holte tief Luft. "Ich denke ich habe ihre Zeit nun lange genug in Anspruch genommen...."
    Es wunderte sie offen gesagt dass gar nicht die Rede davon war, sie selbst in Gewahrsam zu nehmen. Immerhin hatte sie zuvor eine bewusste Falschaussage getätigt. Aber offensichtlich waren die beiden Beamtinnen willig darüber hinwegzusehen.
    "Viel Erfolg bei den weiteren Ermittlungen....seien Sie beide vorsichtig....und denken Sie bitte darüber nach, was ich gesagt habe."
    Mit noch etwas wackeligen Beinen stand sie auf, schüttelte beiden Polizistinnen die Hand und ging dann. Auch sie hatte nachgedacht. Es gab noch jemanden, mit dem sie darüber sprechen musste: Captain Krzeminski.

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    "Wie verlässlich sind diese Informationen?"
    "Ihre Assistentin hat sie besorgt Boss." erwiderte der dunkle Turianer in die Verbindung. "Wenn sie so gut ist wie Sie denken, sehr verlässlich."
    "Mnh."
    Decius Vhan schwieg einige Momente, offensichtlich nachdenkend. "Ich kann momentan keine Zeit und Ressourcen auf diese Sache verwenden. Ich habe eine Spendengala zu organisieren. Sämtliche Operationen bedürfen einer Umstrukturierung. Und es ist nur eine Frage der Zeit, ehe die Asari wieder auf die Bildfläche tritt. Sie haben in dieser Hinsicht freie Hand."
    Die roten Augen des Hünen leuchteten auf. "Komplett freie Hand, Sir?" "Ja. Denaya wird weiter zu ihrer Verfügung stehen. Aber ich warne Sie: Sollten Sie gefasst werden, sind Sie dieses Mal auf sich gestellt! Ich kann nicht mit Ihnen in Verbindung gebracht werden. Und sorgen Sie dafür dass Denaya nichts passiert, sonst....."
    Damit endete die Verbindung. Petalin deaktivierte das Omni-Tool und sah dann zu Vhan's schweigsamer Assistentin, welche in wenigen Metern Entfernung hinter ihm gestanden und das Gespräch mitverfolgt hatte. "Sie haben es ja gehört. Wir haben Arbeit zu erledigen." sagte er vorfreudig grinsend.


    Malonigrus Petalin

    "Bitte! Ich weiß nicht - "
    "Ich frage noch einmal ganz langsam." hauchte der dunkle Turianer dem in der Luft baumelnden Batarianer leise zu und zog ihn auf wenige Zentimeter Entfernung zu seinem Gesicht heran.
    "Wer ist hinter mir her?"
    "Ich habe keine Ahnung! Wir haben nie mit ihm gesprochen.....oder ihr......es war ein einfacher Auftrag aus dem Darknet! Ein Job! Ich schwöre es....."
    "Hm-hm." gähnte der Hüne gelangweilt und ließ den Zappelnden unsanft zu Boden fallen. Dann kniete er sich zu ihm herunter und platzierte beide Handflächen an seinen Schläfen. Der Batarianer keuchte vor Schmerzen auf und versuchte vergeblich die gewaltigen Klauen mit seinen Händen wegzureißen. "Ich bin mir nicht ganz sicher ob das was du sagst ehrlich genug klingt.....vielleicht musst du ja noch einmal ganz gründlich nachdenken?"
    Petalin spürte eine Hand auf seiner Schulter und sah in das tadelnde Gesicht von Denaya Aldion. "....." "Jaja......ich weiß schon....keine Toten...." seufzte er genervt auf und lockerte den Druck wieder. Also wieder ein totes Ende. Wie viele davon würden sie noch finden?
    "Du hast heute sehr viel Glück mein Freund." Die Atmung des Batarianers ging schnappend. "Aber ein kleines Souvenir von dir nehme ich mir glaube ich trotzdem mit." "Was mein - neeeei - !"
    Grinsend hielt der schwarze Turianer das abgerissene, blutende Ohr in der Hand und sah amüsiert zu wie der kleine Mittelsmann-Ganove sich vor Schmerzen krümmend im Dreck wälzte. "Bei nochmaliger Überlegung hingegen......hier, du kannst es behalten."
    Mit diesen Worten warf er es ihm wieder vor die Füße und wandte sich dann ab. "Gehen wir. Wir haben noch einige neue Freunde zu besuchen....."
    Kopfschüttelnd und mit offensichtlich angewidertem Gesichtsausdruck folgte die schweigsame Turianerin ihm.


    Decius Vhan

    "Wollen Sie mir damit sagen, dass das gesamte Projekt gescheitert ist?"
    "Nein Sir." Lechis nahm seufzend für einen Moment den Blick von den Monitoren. "Aber ich brauche mehr Zeit.....auch wenn es nur weniger als die Hälfte der gesamten Formel ist, 96% von Alpha sind kompromittiert! Wir können diesen Rückschlag nicht auf die leichte Schulter nehmen. Um weiterhin eine fehlerfreie Gewährleistung unseres Vorhabens zu garantieren, muss Alpha von grund auf modifiziert werden."
    Decius schloss für einen Moment die Augen und ballte frustriert die Faust. Diese verdammte Asari. "Gut, in Ordnung. Sie bekommen weitere Mittel zur Verfügung gestellt.....aber ich will dass Sie ihre Bemühungen verdoppeln! Wir haben schon einige Rückschläge einstecken müssen. Es wird Zeit Ergebnisse zu liefern! Mehr als ein paar Monate, wenn nicht sogar Wochen bleiben uns nicht mehr......"
    "Ja Sir."
    Der galaktische Wendepunkt stand kurz bevor. Und würde sicherlich nicht auf sie warten. "Wie sieht es derweil mit ihrem anderen Projekt aus?"
    "Kommen Sie.....sehen Sie es sich selbst an."
    Wortlos folgte der alte Turianer dem Wissenschaftler in die kleine Kammer. Der Anblick der sich ihm nun bot war schwer in Worte zu fassen. Es war schwer zwischen all den Schläuchen und Drähten den dazugehörigen Körper auszumachen.
    "Er ist seit gestern bei Bewusstsein. Allerdings....wird es noch eine Weile dauern bis er in der Lage sein wird zu sprechen."
    Demonstrativ hob er das Kinn des jungen Biotikers leicht an. Die Augen von Galio Raxh waren geöffnet. Beim Anblick von Decius ging ein merklich hörbarer, tiefer Atemzug durch die Beatmungsgeräte.
    "Die Messungen zeigen, dass sein Hirn weitestgehend unbeschädigt geblieben ist. Abgesehen von ein paar Erschütterungen. Er wird seine Erinnerungen vollständig zurückerhalten. Wie es mit seinen körperlichen und biotischen Fähigkeiten aussieht....das bleibt abzuwarten."
    "Verdoppeln Sie die Dosis." "Sir?" "Nein. Verdreifachen Sie sie." "Sir, ich hoffe Ihnen ist bewusst dass Sie seine Abhängigkeit von der Substanz damit nur vergrößern werden....." "Das ist ein Preis den wir.....er bezahlen muss. Es ist immer noch besser als für den Rest seines Lebens verkrüppelt zu sein. Er ist für unsere Sache zu wertvoll, wir dürfen seine Fertigkeiten nicht verlieren." "Wie Sie wünschen Sir."
    Lechis wandte sich ab. Nun trat Decius selbst an den jungen Biotiker heran, der gerade nur noch wie ein Schatten seiner selbst wirkte. Ein geschundener Körper, an seidenem Faden am Leben gehalten. Doch in den Augen des ehemaligen Kabals sah Decius ein Feuer brennen.
    "Halten Sie durch Raxh." sprach er ihm zu. "Sie bekommen noch ihre Chance...."


    Shell

    "Fort.....einfach.....fort...."
    Die Tränen liefen dem Batarianer über die Wangen. "Wie....wieso? Ich kann nicht......Wieso konnte ich nichts - " Sein Körper bebte. Er war allein. Völlig allein.
    "Es ist gleichgültig." ertönte da plötzlich wieder die Stimme aus seinem Inneren. Die Stimme, die ihn nun schon so lange verfolgte. Seine Stimme. "Du hättest es nicht verhindern können.....ebenso wie du all das zuvor nicht verhindern konntest. Es war alles von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen...."
    Schwer atmend blickte Shell auf seine zitternde Hand. "Meine Erschaffung war ein Fehler......" murmelte er leise.
    "Deine Erschaffung war ein Fehler." bestätigte die Stimme seine Aussage mit einer erbarmungslosen Härte. Dann jedoch schien sie plötzlich etwas sanfter zu werden. Zum allerersten Mal, seit er sie gehört hatte.
    "Es war grausam, was dir angetan wurde.....uns angetan wurde. Ich hatte endlich meinen Frieden gefunden.....bin gestorben für das wofür ich kämpfte und konnte endlich mit meiner Familie sein.....und nun bin ich gezwungen als Echo weiterzuleben. Und du.....bist als Werkzeug in diese Welt gekommen und hast nie etwas anderes kennengelernt außer Gewalt und Furcht. Wieso damit weitermachen?"
    Wie von fremder Hand geführt griff Shell an die Waffe, die an seinem Gürtel gehangen hatte. "Ist es.....ist es schlimm?" fragte er, kindesgleich und angsterfüllt. "Nicht im Geringsten. Im Gegenteil.....es befreit. All der Schmerz wird endlich von dir abfallen. Und wer weiß....vielleicht siehst du sie ja wieder."
    Der Griff um die Waffe wurde fester. Tief einatmend hob er sie an. Der kühle Lauf presste sich an seine Schläfe. Der Finger am Abzug zögerte.
    "Aber ich......ich habe Angst." flüsterte er. "Ich werde bei dir bleiben......bis zum Ende. Niemand sollte alleine sterben."
    Ein schwaches Lächeln zierte das Gesicht des Klons. "Danke....."
    Dann wurde es schwarz.
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  3. #403
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    Leif lachte leise ermüdet. Erst langsam wurde ihm gewahr wie lang der Tag schon war. “Was meinst du?“, wollte er wissen.
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  4. #404
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Leif lachte leise ermüdet. Erst langsam wurde ihm gewahr wie lang der Tag schon war. “Was meinst du?“, wollte er wissen.


    Sie war sich inzwischen recht sicher, dass Leif ein Detail entgangen war. Lucis grüne Augen hafteten immer wieder an seinen Lippen. Immer noch. Wieder. Und die Frage war einfach herausgerutscht. Nun hätte sie sagen können was sie wollte. Sagen können, einfach antworten können, dass sie wissen wollte, ob er sie trotzdem küssen würde. 'Man' zwar 'nicht alles haben könne', aber er es dennoch wagen wollte. Der verräterische Blick blieb. Und zwar sehr, sehr deutlich.
    "Ich weiß nich'.. .", antwortete sie, als verließe sie mittendrin der Mut. "Dass-...was....man-...eigentlich nich' haben kann...? Oder so-..", schien sie selbst zu merken, dass was sie sagte nicht mehr so viel Sinn gab wie sie es sich erhoffte. Und jetzt war der Moment gekommen, an welchem sie ihren bedeutsamen Blick von ihm nahm. Sich die Stirn rieb. Die Frage stellte, was nur verdammt nochmal mit ihr los war. "Ergibt nich' so viel Sinn, ich weiß..". In ihrem Kopf klang alles viel besser. Passender. Optimierter. Heraus kam stattdessen eben dieser Brei, den sie selbst gar nicht zuordnen konnte. Und begann sich dafür zu schämen. Sie.
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  5. #405
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    “Hm…einfach haben was man nicht haben kann?“, setzte Leif zusammen und runzelte die Stirn. Er schien auf eine sehr positive Art und Weise belustigt. „Wäre großartig-…Wenn’s nach mir ginge unbedingt.“, versicherte er, unwissend wie direkt ihre Andeutungen gewesen waren.
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  6. #406
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    “Hm…einfach haben was man nicht haben kann?“, setzte Leif zusammen und runzelte die Stirn. Er schien auf eine sehr positive Art und Weise belustigt. „Wäre großartig-…Wenn’s nach mir ginge unbedingt.“, versicherte er, unwissend wie direkt ihre Andeutungen gewesen waren.


    Es verunsicherte sie massivst, wie locker er reagierte. Wie wenig er verstand. Und wie wenig sie es ausdrücken konnte. Alles schien sich irgendwie verändert zu haben. Vielleicht mit Zoras Worten. Mit dieser Aufforderung, einen Schlussstrich zu ziehen oder ihn für sich zu gewinnen. Luci wusste noch nicht, auf welcher Seite genau sie stand, welche sie schaffte wirklich umzusetzen, obwohl sie sehr genau wusste, welche sie komplett zerstören würde. Alles hatte sich weiter verändert, ohne ihr aktives Zutun, als sie sich hier zu ihm gesetzt und ihr Herz so einen unerwarteten Sprung gemacht hatte. Alles hatte sich geändert. London änderte immer alles, längst war es ein ungeschriebenes Gesetz. Luci antwortete ihm nicht. Sondern sah ihn weiter an. SO an. So verdammt und viel zu sehnsüchtig. So betrunken, so leichtfertig dümmlich und benebelt. Kickten die Tabletten? Eine Möglichkeit bestand. Oder diese Situation war längst repräsentativ dafür, wie wahnsinnig sie in seiner Nähe wurde. Wie verzweifelt. Dass sie ihn ansah und alles wusste. Und alles so verdammt weh tat, dass sie nicht einmal hätte wegrennen können. Nein. Sie sah ihn nur weiter so verdammt deutlich an. Ihn. Diese Lippen. Und irgendwie wurde es verdammt deutlich. Eigentlich viel zu deutlich. Wie verflucht am Ende sie war.
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  7. #407
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    Er verstand nun wirklich nicht. Nicht einmal als er sie wieder ansah. Überrascht davon, wie nah sie war. Ihr Gesicht. Ein eindeutiger und doch kaum zu deutender Blick. Er grinste verwegen. “Wärst du’s gern?“, stellte er ihr eine nicht unähnliche Frage, aber doch anders. “Diese Frau die um die Galaxie jettet und ihre Träume lebt oder-…naja. Insgeheim die ihrer Mutter? Hättest du gern dieses andere Leben?“
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  8. #408
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Er verstand nun wirklich nicht. Nicht einmal als er sie wieder ansah. Überrascht davon, wie nah sie war. Ihr Gesicht. Ein eindeutiger und doch kaum zu deutender Blick. Er grinste verwegen. “Wärst du’s gern?“, stellte er ihr eine nicht unähnliche Frage, aber doch anders. “Diese Frau die um die Galaxie jettet und ihre Träume lebt oder-…naja. Insgeheim die ihrer Mutter? Hättest du gern dieses andere Leben?“


    Luceijas Blick hatte sich verfahren. Sie war angespannt, verdammt, jeder Blinde hätte es vermutlich sehen oder verstehen müssen. Sah er es vielleicht, aber wollte er es nicht? Hätte sie ihm diesen am Tisch schon gar nicht aufdrücken sollen? Sie blinzelte, als sie kurz nicht reagierte und ihn dann verwundert ansah, als wäre er ihr gerade erst aufgefallen. "Wie-..was?", fragte sie, rein rhetorisch. "Nie im Leben.", sagte sie aber recht schnell danach und ließ ihre grünen Augen etwas belebter als vorher sein Gesicht abtasten. "Ich wär' 'ne ziemlich grauenvolle Tussi. Also-..wirklich extrem grauenvoll. Stell dir die Version von mir vom Gericht vor, also, rein optisch, mal tausend. Ungefähr so. Nur mit noch teurerem Täschchen und 'nem eigenen JustFans-Account um noch mehr Millionen zu machen. Die ich sowieso schon hätte. Ich weiß nich'. Schätze ich wär miserabel in dem anderen Leben. Und 'n bisschen sehr leer ohne 'nen Kinderarzt im Haus."
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  9. #409
    Auserwählter Avatar von Shepard Commander
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    Eine Waffe auseinandernehmen und zu reinigen hatte auf Kathy immer einen entspannende Wirkung gehabt. Selbstverständlich hatte man nicht wie früher mit Schmauchspuren und Ruß zu kämpfen, kein Öl welches man auf einen Verschluss oder Schlitten schmieren musste. Sie kannte es noch, in ihren Anfangszeiten hatte sie noch eine alte Pistole gehabt. Mit Kugeln, Magazin, beweglicher Schlitten. Hatte was gehabt. War jedoch nicht mehr zeitgemäß, wenn auch immer noch tödlich.
    Bei ihrer Phalanx konnte sie weniger zerlegen, ohne technische Erfahrung fummelte man nicht am Masseneffektfeld herum und der Metallklotz der als Munitionsquelle diente, musste extrem selten ausgetauscht werden. Bis dahin war das Modell schon oft längst veraltet. Dennoch hinterließ die Hitzeentwicklung auch ihre Spuren in modernen Waffen, allen Kühlsystemen und Waffencomputern zum Trotz. Die Halbasiatin legte den auf sie angepassten Griff der Waffe auf ein kleines Stofftuch, direkt neben den Schacht für das Thermomagazin. Vieles war nicht mehr Original an der Waffe, individuelle Verbesserungen. Lauf, empfindlicherer Trigger. Dinge die man die man bei längerer Benutzung für sich verbesserte. Dennoch hatte Kathy die Pistole gar nicht so lange. Ganz sicherlich war es nicht die Waffe mit der sie am meisten getötet hatte.

    Yuika stand entspannt an der Tischkante. Die Japanerin trug ihre Rüstung und spreizte dabei die Aufklärungskapuze die locker in ihrer linken Hand lag. Eine ihrer Drohnen umkreiste die Söldnerin wie ein kleiner Satellit. Oder ein Todesstern, wenn man es genau bedachte. Airi trug ebenfalls ihre Rüstung, saß aber am Tisch, ihre Helm lag vor ihr, mit all den kleinen Scharten und Kratzern die ihn überzogen.
    "Vielleicht war es keine kluge Idee einen lebenden Boten zu schicken? Ich meine der Kerl könnte genauso gut vom nächsten Skycar überfahren worden sein, nachdem ihn Delaney abgesetzt hat.", merkte sie an und beobachtete dann die Projektion der Tips vor ihnen, bei welcher ein paar der orangen Gebäude leicht rot eingefärbt waren. Kathy warf ihr einen kritischen Blick zu.
    "Vielleicht. Oder er hat sich den Kopf gestoßen und es vergessen. Wenn die Zeit abgelaufen ist lasse ich Delaney ein Pad mit einem Text in leichter Sprache auf einer Leiche platzieren. Nur um sicher zu gehen.", erwiderte sie sarkastisch und wischte mit einem Spezialtuch an einer Waffenmod herum.
    "Ein Kopf in einem Paket funktioniert auch. Altmodisch, war aber in der Unterwelt unserer Heimatstadt sehr beliebt.", meinte Airi mit einem Schulterzucken. Yuika schüttelte leicht seufzend den Kopf bei dieser Antwort und steckte dann ihre Kapuze weg.
    "Delaney trifft also die Vorbereitungen. Was ist unsere Aufgabe, Orlowski-san?", erkundigte sie sich.
    "Er hat sie getroffen, während sie geschlummert haben. Für solche Sachen habe ich ihn und sein Team. Sie beide habe ich für ein wenig subtilere Aufgaben. Oder falls sich dieser batarianische Bastard doch noch meldet."
    Airi stand kurz auf und verschwand im vorderen Bereich, während Yuika zur Halbasiatin herantrat. "Was wäre das genau?"
    "Ich möchte das sie die verschwundenen Frauen finden. Bevor sie irgendwohin verschifft werden. Eine Aufgabe die ich C-Sec nicht zutraue."
    Yuika machte ein kritisches Gesicht. In Anbetracht der Tips war das nicht unbedingt eine leichte Aufgabe.
    "Dabei würde es helfen ob denn die Smiles wirklich die Angreifer waren. Oder doch jemand anderes.", merkte sie an.
    "Stimmt. Wäre es einfach würde ich nicht sie damit beauftragen. Aber es gibt selbst in den Tips nicht hunderte Stellen wo man eine solche Fracht ungesehen verschicken kann.", erwiderte die Halbasiatin und legte die Modifikation ab.
    "Sind sie für Besuch empfänglich?", meldete sich plötzlich Airi über Funk aus dem vorderen Bereich.

    *

    Kathy bezweifelte das Charis sie ohne Grund besuchen würde und rechnete deshalb mit einer dummen Spectre Anfrage zur absolut falschen Zeit. Wie sich herausstellte hatte sie damit nicht unrecht, auch wenn die Anfrage sie nicht sonderlich forderte. Und tatsächlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten lag, dank ihres dubiosen britischen Angestelllten aus dem Raum London.
    Kathy beantwortete Charis darauf folgende Frage hinsichtlich ihres Status nicht, sondern gebot der Asari zunächst mit einer stummen Geste und mildem Lächeln, Platz zu nehmen. Sie reichte den Zettel an Yuika weiter.
    "Delaney soll da mal seine Kontakte anklingeln. Sobald diese Sache erledigt ist.", wies sie die Japanerin an, welche ergeben nickte und den Zettel verschwinden ließ. Sie hatte keine Ahnung was T'Saari eigentlich wissen wollte, aber das war nicht ihr Problem.
    "Mache ich einen gestressten Eindruck? Ich merke schon, wir beide kennen uns da wohl schon zu lange.", sprach sie dann schmunzelnd zu Charis, bevor ihr Blick wieder einen ernsten Ausdruck annahm. In ihren erschöpften Augen blinkte die alte, kühle Entschlossenheit.
    "Unglücklicherweise haben sie Recht. Ich bin in der unangenehmen Situation wohl jemanden erschießen zu müssen, allerdings weiß ich noch nicht wen.", erklärte sie und begann dabei ihre Pistole gemächlich wieder zusammen zu setzen.
    "Jemand hat mir wohl Krieg erklärt, ob wissentlich oder unwissentlich, am Resultat ändert das nichts. Eigentum von mir wurde zerstört, Mitarbeiter umgebracht oder ins Krankenhaus geprügelt. Personen die unter meinen Schutz standen verschleppt. Die Ironie an der Sache ist, das diejenigen welche dafür verantwortlich sind, vermutlich nicht wissen wem sie da auf die Füße getreten. Eine Unschuldsmiene wie meine, hat wohl manchmal ihren Nachteil.", erklärte sie offen die Situation gegenüber der Asari.
    "Ich hoffe die Antwort war jetzt nicht zuviel, falls sie nur höflich sein wollten.", fügte sie an und lächelte kurz entschuldigend. Ihre Finger setzten mit einem letzten Handgriff die Pistole wieder zusammen. Kathy legte sie vor sich ab, ohne ein Magazin zu laden.
    "Hm, wo sie gerade hier sind. Ich könnte vielleicht ihre Hilfe gebrauchen. Keine Sorge, nichts wo sie ihren Körper gefährden. Wir sind hier nicht auf Korlus. Ich brauche nur ihren reichhaltigen Erfahrungsschatz.", sagte sie dann nach kurzer Überlegung.
    "Wie groß ist ihre Kenntnisse der örtlichen Schmugglerszene. Und wie viele von denen sind degeneriert genug um Sklavenhandel zu praktizieren?", erkundigte sie sich, ihre Missbilligung über dieses Geschäftsfeld nicht verstellend.
    "Ich weiß, gerade ich sollte nicht über andere urteilen. Aber es gibt gewisse Geschäftsfelder die ich einfach nicht mag.", fügte sie erläuternd hinzu.
    "Und aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit ihnen, nehme ich jetzt einfach mal gutgläubig an das diese Art von Ware nicht zu ihrem Transportgeschäft gehört.", gestand sie der Asari Schmugglerin wohlwollend zu.


    Hmm, klingt ungünstig“, sagte Charis. Mittlerweile hatte sie bei Orlowski weniger Angst, dass die Menschenfrau angestaute Aggressionen bei der Schmugglerin ablud, als früher einmal; selbst wenn die Schwarzhaarige direkt vor ihr mit einer Waffe hantierte. Nicht einmal Orlowski würde sich wegen einer solchen Nichtigkeit wie Charis mit der Spectre anlegen, obwohl es vermutlich in keinen allzu großen Konflikt ausarten würde. Nein, diese Waffe war für jemand anderen reserviert – jemand, der noch nichts von seinem Glück wusste.
    Hm, wo sie gerade hier sind. Ich könnte vielleicht ihre Hilfe gebrauchen. Keine Sorge, nichts wo sie ihren Körper gefährden. Wir sind hier nicht auf Korlus. Ich brauche nur ihren reichhaltigen Erfahrungsschatz“, schwenkte Orlowski um, nachdem sie zugesagt hatte der Bitte der Spectre nachzukommen. Das war natürlich wieder typisch für Charis. Kaum hatte sie die Worte „Überbringen Sie eine Nachricht“ und „Orlowski“ aus dem Mund T’Saaris vernommen wusste sie, dass es sicherlich nicht bei einer Zettelübergabe bleiben würde.
    Wie groß ist ihre Kenntnisse der örtlichen Schmugglerszene. Und wie viele von denen sind degeneriert genug um Sklavenhandel zu praktizieren? Ich weiß, gerade ich sollte nicht über andere urteilen. Aber es gibt gewisse Geschäftsfelder die ich einfach nicht mag. Und aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit ihnen, nehme ich jetzt einfach mal gutgläubig an das diese Art von Ware nicht zu ihrem Transportgeschäft gehört.
    Nein, wirklich nicht“, antwortete die Asari. „Also, das mit dem Sklavenhandel. Nicht mein Feld. Ich hätte nicht einmal die Kapazitäten. Ich hab mal einen Kopfgeldjäger und seine Beute geschmuggelt, aber für mehr reicht es dann nicht“, erzählte Charis, merkte, dass sie abdriftete und von Katharinas geschäftigem Blick gemessen wurde und sagte rasch: „Ich kenne tatsächlich den ein oder anderen, den ich mal fragen könnte. Bei manchen müsste ich wohl etwas nachhelfen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Sie ließ die Fingerknöchel knacken und war sich sicher, dass Orlowski verstand. Charis musste unwillkürlich lächeln. Ein Gefallen für die Menschenfrau, eine weitere Verflechtung. Orlowski deutete das Lächeln und quittierte es mit einem fragenden Blick.
    Ach, es ist nur: Kaum erwähnt jemand Ihren Namen tauchen Sie in meinem Leben auf wie ein Meta-Flashback. Es gibt doch diesen Menschenmythos vom Flaschengeist. So in die Richtung.“ Die Asari wippte auf ihrem Stuhl und überlegte, was sie bei der ganzen Sache für sich herausholen konnte. Sie beschloss, Orlowski um nichts zu bitten. Nicht, weil sie eine negative Konsequenz erwartete, sondern weil man sich unter „Freunden“ auch mal einen Gefallen tun konnte.
    Ich höre mich um, versprochen“, sagte sie. „Sklaven also. Frauen, nehme ich an?
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  10. #410
    Provinzheld Avatar von Majonese
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    Eigentlich hatte Rebecca einen Moment befürchtet, dass sie es nicht mehr rechtzeitig nachhause schaffen würde. Sie lief gerade den Weg zwischen den grasbewachsenen Dünen nach oben, als das schwache Tropfen in einen stetigen Guss überging. Eilig beschleunigte die junge Frau ihre Schritte, hastete über die Straße und rettete sich schließlich unter das Vordach ihres Zuhauses. Mehr als ein paar Tropfen hatte sie nicht abbekommen. Als sie die Tür hinter sich schloss, verging Tauranga gerade in einem dichten Regenschauer.
    Da sie jeden Moment damit rechnete, dass Amaia kam, setzte sie sich im Flur auf die Treppe und scrollte ein wenig weiter auf InSync herum. Es war keine wirklich sinnvolle Beschäftigung aber eine, mit der man sehr gut die Zeit totschlagen konnte. Zu ihrer Überraschung dauerte es nur ein paar Minuten, bis es an der Tür schellte. Im ersten Moment zweifelte Rebecca, dass es ihre beste Freundin war. Es wäre untypisch für Amaia, sie nicht mindestens eine Viertelstunde warten zu lassen.
    Doch als sie zur Haustür ging und aufmachte, war sie gleich doppelt überrascht. Es war tatsächlich die schwarzhaarige Maori, ungewöhnlich früh dran für ihre Verhältnisse. Und zudem auch noch mit einem ziemlich verdrossenen Gesichtsausdruck, der wiederum ganz gut zur ihrer Erscheinung passte. Amaia sah aus, als hätte sie gerade noch schnell einen Abstecher ins Meer gemacht, sie war von oben bis unten völlig durchnässt. Ihre kurze Sommerkleidung war komplett mit Regenwasser vollgesogen, ebenso wie ihre langen Haare, die ihr in schweren Strähnen vom Kopf hingen. Tropfend und triefend stand sie vor Rebecca, trotzdem lächelte sie beim Anblick ihrer besten Freundin. "Hey!"
    "Äh...hi..." Einen Moment musterte Rebecca die junge Frau vor ihr. Ihr fiel auf, dass Amaia ein wenig außer Atem wirkte. "Du...du bist nicht etwa den ganzen Weg zu mir gelaufen, oder?"
    "Doch, schon...", grinste Amaia leidig zur Antwort und schüttelte ihre Arme. "Ich dachte halt, ich schaff's noch rechtzeitig..." Wie ein begossener Pudel stand sie nun vor der Tür und erwiderte etwas peinlich berührt Rebeccas Blick. "Ähm...kann ich...trotzdem reinkommen?"
    Irgendwie dauerte es einen Moment, bis die Komik der Situation Rebecca völlig erreichte und zu ihr hindurchdrang. "Warte kurz!", prustete sie los. "Ich hol' dir schnell ein Handtuch. Statt dass du einfach den Bus nimmst..." Mit einem Kichern ließ sie ihre beste Freundin vor der Tür stehen, eilte kurz ins Badezimmer und schnappte sich vom Stapel mit den frischen Badetüchern das Oberste.
    Als sie zur Haustür zurückkehrte, versuchte Amaia gerade ihre Haare ein wenig auszuwringen. Der Anblick rief ihr ein Bild ins Gedächtnis. Es war sehr vage, nichts Konkretes, doch ihrem Tourette reichte das schon aus. "Hey! Eine Meerjungfrau! Holt die Harpunen!"
    "Danke!" Amaia griff nach dem dargebotenen Handtuch und begann sich notdürftig ein wenig abzutrocknen. "Das macht keinen Sinn, hast du schon mal eine Meerjungfrau mit Beinen gesehen?", scherzte sie über den Tic.
    Rebecca grinste. "Stimmt schon..." Ihre Krankheit hatte dafür aber auch eine Antwort. Ihr Kopf ruckte in den Nacken und sie rief: "Sie ist ein Gestaltwandler! Buuiieeeh!"
    "Oh nein, du kennst mein Geheimnis", lachte Amaia trocken. "Aber erzähl's keinem, ja?"
    "Niemals!"
    Mit einem Mal sah die Welt wieder so völlig anders aus. Zwar war sie es, die ihrer besten Freundin Zuflucht vor den Regenmassen draußen bot, doch auch ganz ohne es zu wissen, tat Amaia für sie in diesem Moment sehr viel mehr.
    "Du hast etwas von Überraschung geschrieben...", merkte sie grinsend an.
    "Oh ja! Ich glaube das wird dir gefallen..." Amaia klopfte auf ihre Tasche, die sie um die Schulter trug und die ähnlich durchnässt war wie ihre Kleidung.
    Rebecca reckte den Kopf ein wenig, als ob sie versuchen wollte, einen Blick auf den Inhalt zu ergattern. Natürlich konnte sie durch das Leinen nicht hindurchschauen. "Wieso? Was ist es?"
    "Wirst du schon sehen!"
    "Ach, Mann..." Mit einem Anflug von Ungeduld wartete Rebecca, bis Amaia sich soweit abgetrocknet hatte, dass sie nicht mehr eine Spur aus Regenwasser hinter sich verlor.
    Ihre beste Freundin trat schließlich ein und zog ihre Schuhe aus, während Rebecca die Haustür hinter ihr schloss und das laute Prasseln des Regens zu einem gedämpften Rauschen wurde. "Ich hoffe, das ist nicht so schlimm...", sagte Amaia mit einem Blick auf die nassen Schuhabdrücke, die sie im Flur hinterlassen hatte.
    "Ach was", winkte Rebecca ab. "Das ist...schlimm! Das ist schlimm! Schlimm! Schlimm! Keiner mag dich!" Mit einem Seufzen schüttelte sie den Kopf, doch schon setzte ihr Tourette hinterher: "Das stimmt nicht! Ich mag dich. Ich liebe dich."
    "Hey, zumindest eine, die mich mag", witzelte Amaia, doch Rebecca entging der bittere Unterton nicht.
    Einen Moment überlegte sie, ob sie etwas sagen sollte. "Wie...sieht's bei dir Zuhause aus?"
    "Naja...ist wie immer", meinte Amaia leichthin und machte damit klar, dass sie nicht mehr dazu sagen wollte. Ihre Worte beantworteten ohnehin jede weitere Frage. "Also, wollen wir hochgehen?"
    Noch immer sah Rebeccas Zimmer so aus wie vor einigen Wochen, als sie nach Tauranga zurückgekommen war. Eigentlich waren es nur ein paar Kartons, die sie noch auspacken musste, doch sie fand einfach keine Energie dafür. Es gab keinen bestimmten Grund dafür, ihr erschien es einfach nur...unwichtig. Schließlich war es nicht so, dass sie die Sachen unbedingt brauchte oder irgendetwas damit anfangen wollte.
    "Uhhh! Was ist das denn?", wollte Amaia wissen und trat an den Schreibtisch ihrer besten Freundin heran, auf dem noch immer der halb bemalte Holzvogel lag. Sie besah sich die bunten Muster etwas genauer. "Das sieht ja cool aus!"
    "Danke dir", grinste Rebecca, während sie hinter sich die Tür schloss. "War echt teuer das Teil, also wollte ich mir besonders viel Mühe geben."
    "Sieht man."
    "So, jetzt aber mal raus mit der Sprache", sagte Rebecca und schaute ihre Freundin erwartungsvoll an. "Was wolltest du mir zeigen?"
    Ein breites Lächeln erschien auf Amaias Gesicht. "Dann halt dich mal fest...", kicherte sie und kramte in ihrer Tasche herum. "Ich hab's heute Morgen gefunden, als ich bei mir im Zimmer ein wenig aufgeräumt habe..." Sie zog ein Datapad hervor und hielt es ihrer besten Freundin feierlich entgegen.
    Rebecca klappte die Kinnlade herunter und sie nahm es entgegen.
    Das Gerät selbst war zunächst nicht allzu besonders. Es war ein recht gewöhnliches schwarzes Pad, etwa mit der Größe eines gebundenen Buches. Vor allem die Kanten waren von der jahrelangen Benutzung ein wenig lädiert, doch es war insgesamt noch in einem recht guten Zustand. Das Auffälligste waren aber die zahlreichen Aufkleber, die das Pad zierten. Blumen, niedliche Tiere, Tafeln mit heiteren Sprüchen und abstrakte Muster, die farbenfrohe Vielfalt der Motive war wie eine kunterbunte Wundertüte. Lediglich ein schlichtes, weißes Schild stach sehr unspektakulär hervor, auf dem handgeschrieben stand: 'Eigentum von Rebecca Lynge'.
    Das Chaos und die Willkür der optischen Verzierungen waren Zeugnis davon, wie alt das Gerät mittlerweile war. Heute beklebte Rebecca ihre Sachen nicht mehr derart exzessiv mit Stickern, heute dachte sie in Maßstäben von Farbpaletten und Bildkompositionen und hatte sehr viel höhere Ansprüche an ihre Dekorationen. Doch als Kind war ihre Devise offenbar noch gewesen 'hauptsache bunt'.
    "Wow!", stieß sie hervor und betrachtete ihr Eigentum mit großen Augen. "Und ich dachte, ich hätte das damals in der Schule verloren!"
    Amaia verschränkte mit zufriedenem Ausdruck die Arme vor der Brust. "Tjaaah...weißt du noch? Du hattest mir das Pad ja zum Lernen ausgeliehen, weil ich meine letzte Prüfung erst später gehabt hatte. Nur ich hatte auch irgendwie gedacht, dass ich es dir danach wiedergegeben hatte..."
    Obwohl es erst drei Jahre her war, wusste Rebecca selbst nicht mehr so genau, wie sie ihr Schul-Pad verloren hatte. In ihrem Kopf hatte sie es irgendwann in der Schule liegen lassen und dann nie wieder gesehen. Glücklicherweise war das nach ihren Abschlussprüfungen gewesen, sonst hätte sie sehr dumm dagestanden. Schließlich hatte sie auf dem Gerät all ihre Lernstoffe aus zwölf Jahren Schule abgespeichert.
    Es war ganz normal, dass jeder Schüler ein eigenes Datapad hatte, auf dem man Aufgaben bearbeitete, Texte las, Unterrichtsmaterialien vom Lehrer bekam und die Angebote des Schulnetzwerkes wahrnahm. Die meisten Schüler hatten im Laufe ihres Werdegangs zwei oder drei verschiedene Pads, mal weil das Alte kaputtging oder man irgendwann unbedingt die neueste Hardware haben wollte. Doch Rebeccas Pad war fast schon so alt wie sie selbst, sie hatte es damals bei ihrer Einschulung von ihren Eltern bekommen und seitdem immer gut darauf Acht gegeben. Es nun wieder in den Händen zu halten war wie eine Reise um fünfzehn Jahre zurück in die Vergangenheit.
    "Wahnsinn!" Mit einem Grinsen ließ sich Rebecca auf ihrem Bett nieder und schaltete das Pad an. Auf dem Holo-Display erschien ihr Hintergrundbild, eine Aufnahme vom Strand von Papamoa Beach an einem strahlenden Sommertag. Sogleich erkannte sie die zahlreichen Ordner wieder, in denen sie ihre Schulmaterialien archiviert hatte. Für jedes Jahr hatte sie einen eigenen Ordner angelegt und dort wiederum für jedes Schulfach einen extra Unterordner. Alles war systematisch beschriftet und genau dort, wo es hingehörte. Nicht, dass Rebecca diese Sachen noch brauchte. Für ihr Studium war der Großteil des Lehrstoffs aus der Schule völlig unwichtig gewesen und in ihrer derzeitigen Lage würde sie diese Materialien ohnehin so schnell nicht mehr benötigen. Doch es war ein so schön nostalgisches Gefühl, sich durch die Dateien zu klicken, die sie ein Großteil ihres Lebens begleitet hatten. Sie warf einen Blick zu ihrer besten Freundin und schlug sich hart gegen die Schulter. "Danke, Mai! Hätte echt nicht mehr gedacht, dass ich das mal wiedersehe."
    "Tja, was würdest du nur ohne mich machen...?"
    Rebecca legte den Kopf schief. "Naja...also ohne dich wäre es nie verschwunden", merkte sie kichernd an. "Eigentlich warst du ja erst diejenige, die es verloren hat!"
    "Nicht verloren", stellte Amaia richtig. "Nur...verlegt. Für eine Weile..."
    "Über drei Jahre, um genau zu sein..."
    "Dann sei halt nicht so genau! Oh, aber das Highlight kommt noch..." Sie zog Rebecca das Datapad wieder aus der Hand und warf das Handtuch über den Schreibtischstuhl, bevor sie sich darauf niederließ. Ihre Kleidung war noch immer recht nass. "Ich habe nämlich etwas gefunden..."
    Der hinterlistige Tonfall in ihrer Stimme gefiel Rebecca überhaupt nicht. "Was meinst du? Hey! Was meinst du? Was meinst du? Was...was...wa-wa-wa..." Sie warf ihren Kopf hin und her. "Fuck off!"
    "Ich wollte mir eigentlich bloß ein paar alte Unterrichtseinheiten anschauen...der guten alten Zeiten wegen..." Ihr Augenzwinkern verriet ihren Sarkasmus. "Und dabei bin ich auf etwas...Interessantes gestoßen..."
    "Jetzt sag schon!"
    "Einen Moment...wo war es denn gleich nochmal..." Amaia tippte auf dem Holodisplay herum und navigierte offenbar durch verschiedene Ordner. Obwohl sich Rebecca etwas nach vorne lehnte, konnte sie nicht genau erkennen, was für Dateien ihre beste Freundin gerade suchte. "Ahhh, hier ist es doch..."
    "Was...?"
    "Dann halt dich mal fest, Becky!" Mit einem übertriebenen Räuspern und einem theatralischen Luftholen begann Amaia etwas vom Display vorzulesen:
    "Ich mag den Sommer!
    Ich mag den Sommer, da ist es schön warm
    Ich mag auch den Himmel und die Blumen,
    die Vögel und das Meer,
    Nur Winter mag ich nicht, der ist lahm!"

    Rebecca brauchte einen Moment um zu begreifen, was sie sich gerade anhörte und kaum erreichte sie diese Erkenntnis, stöhnte sie laut auf und spürte förmlich den Scham in sich aufsteigen. Amaia kämpfte unterdessen mit einem Kicheranfall und musste sich sichtlich zusammenreißen, um weiterlesen zu können.
    "Ich mag den Sommer, meine Lieblingszeit
    Dann geh ich schwimmen und esse Eis,
    Reise mit meinen Eltern durchs ganze Land,
    Und kriege hoffentlich keinen Sonnebrand"

    Es war die reinste Folter und trotzdem konnte Rebecca nicht anders, als mit geschlossenen Augen ein gequältes Lachen auszustoßen. "Oh nein...!"
    "Oh doch! Und es geht weiter...
    Ich mag den Sommer, kommt alle mit raus!
    Die Welt sieht jetzt viel besser aus.
    Wir rennen über das grüne Gras
    und haben eine Menge Spaß..."

    Amaia brach in lautes Gelächter aus, während Rebecca ein jämmerliches Seufzen von sich gab und das Gesicht in den Händen vergrub. Bei diesen Zeilen schüttelte es sie richtig und das nicht nur, weil die Reime so unglaublich schlecht waren.
    "Geschrieben von...Rebecca Lynge!", merkte ihre beste Freundin genüsslich an. "Na, hat es dir gefallen?"
    Rebecca würdigte die Frage gar nicht erst mit einer Antwort sondern blickte Amaia anklagend an, auch wenn sie das leidige Grinsen auf ihrem Gesicht nicht verstecken konnte. "Das war bestimmt aus der zweiten Klasse, da war ich doch nicht älter als sieben", verteidigte sie sich und riss ihren Kopf mit weit aufgerissenen Augen zurück. "Buuiieeeh! Verbrennt es! Fuck off!"
    "Jetzt wissen wir immerhin, dass du den Sommer magst, nicht?" Amaia wirkte äußerst zufrieden mit sich, dass ihr diese fiese Überraschung gelungen war.
    Im Leben hätte sie nicht erwartet, jemals nochmal eines ihrer eigenen, furchtbaren Gedichte zu hören, die sie als Kind in der Schule geschrieben hatte. "Das kriegst du zurück!", schwor Rebecca ihr und noch während sie sprach wusste sie auch schon, wie sie sich revanchieren konnte. Denn Amaia schien vergessen zu haben, dass sie auf dem Schul-Pad nicht nur ihre Gedichte aus der Schulzeit gespeichert hatte. Sie sprang auf und schnappte sich von ihrer besten Freundin das Pad. "Deine Reime waren doch kein bisschen besser!"
    Amaia hob eine Braue. "Hm? Was meinst du?"
    Nun war es Rebecca, die heimtückisch grinste, während sie sich mit einem Finger durch die Ordner auf ihrem Schulpad durchklickte. Zwar hatte sie das Gerät seit ein paar Jahren nicht mehr in der Hand gehabt, doch sie wusste noch sehr genau, wo sie was abgespeichert hatte. In dem unscheinbaren Ordner 'Austausch' wurde sie schließlich fündig. Austausch - Amaia - Gedichte...
    "Wie wäre es hiermit...wie wäre es mit...wie wäre es mit...wie wäre es mit...Meeresfrüchte! Einhundertprozent Bio. Nur 10.99. Nur solange der Vorrat reicht! Hey!" Rebecca schüttelte ihren Kopf wild umher. "Hier habe ich was...'Reise um die Welt'...geschrieben von Amaia Campbell...wahrscheinlich auch zweite oder dritte Klasse..."
    Amaias Augen weiteten sich vor Schreck, als ihr klar wurde, dass der Spieß nun umgedreht wurde. "Nicht dein Ernst! Du hast doch nicht ernsthaft noch meine alten Gedichte auf deinem Pad!"
    "Klar doch!", antwortete Rebecca. "Ich habe doch alle immer gefragt, ob sie mir ihre Gedichte zuschicken können, weil ich die so schön fand."
    "Schön", wiederholte ihre beste Freundin mit einem Schnauben. "Ist klar..."
    "Also...Reise um die Welt...
    Nach London und Shanghai
    Würde ich gerne gehen
    Viele tolle Orte
    Hab ich noch nie gesehen

    Hey, ist bis hierhein eigentlich gar nicht so verkehrt
    ", feixte sie und erfreute sich am leidigen Ausdruck auf Amaias Gesicht. Nun war sie es nämlich, die sich die peinlichen Reime ihres kindlichen Selbst anhören musste.
    "Oh, Mann, das habe ich echt verdient", stellte ihre lachend Freundin mit einem Blick an die Decke fest. "Karma, richtig?"
    "Ja", grinste Rebecca genüsslich. Plötzlich lehnte sie sich nach vorne, drückte den Rücken durch und rief in einer für sie ungewöhnlich hämischen Stimme: "Schau mich an! Karma is' ne Bitch! Hey! Genau wie du!" Sie erstarrte, erschrocken über ihre eigenen Worte. Eine unangenehme Stille setzte ein, in der sie die junge Maori mit großen Augen anstarrte. "Das tut mir leid!", versicherte sie Amaia hastig. "Das wollte ich nicht..."
    Doch ihre beste Freundin nahm es ihr ganz und gar nicht übel. Stattdessen brach sie in schallendes Gelächter aus und warf ihre Arme triumphierend in die Luft. "Das ist ein Kreuz im Kalender! Dass ich mal 'Bitch' aus deinem Mund höre...ich bin echt stolz auf dich!"
    Ein wenig errötend erwiderte Rebecca das Grinsen. "Das zählt nicht, das war nicht ich..."
    "Jaja, red dir das nur ein! Ich weiß, was ich gehört habe, das reicht mir."
    "Pfff..." Sie wusste nicht, wie sie sich da wieder rausreden konnte. Eigentlich gar nicht, dafür war Amaia fiel zu begeistert von der Tatsache, dass sie ein fieses Wort gesagt hatte. Trotzdem war sie es, die in diesem Moment noch die Oberhand hatte, denn sie hielt noch immer das Datapad in der Hand, auf der Amaias Gedicht geöffnet war.


    "Freunde
    Freunde kommen
    Freunde kommen und
    Freunde kommen und halten
    Freunde kommen und halten zusammen
    Für immer"

    "Wahnsinn", stöhnte Amaia mit halb gespieltem Leid in der Stimme. "So was Kitschiges habe ich damals geschrieben?"
    "Offensichtlich!", gab Rebecca amüsiert zurück und reichte das Datapad zurück an ihre beste Freundin. "Immerhin war es recht kurz, nicht? Nicht? N-n-nicht? Ni-ni-ni-niemand. Niemand liebt dich! Ich liebe dich! Fuck off!"
    "So, jetzt bist du wieder dran..." Amaia tippte auf dem Pad herum, um das nächste Gedicht zu öffnen und vorzutragen. Sie lachte auf. "Du hast nicht ernsthaft ein Gedicht 'Pizza und Pasta' genannt!"
    Rebecca entfuhr ein Kichern. "Das ist wahrscheinlich über unseren Familienurlaub damals auf Sardinien...muss schon ewig her sein..."
    Abwechselnd lasen sie sich gegenseitig die alten Schulgedichte der jeweils anderen vor und amüsierten sich über die schlechten Reime und den oft sehr abgedroschenen oder schlichtweg lächerlichen Inhalt. Obwohl es für die Verfasserin des Gedichts recht unangenehm werden konnte mit der eigenen kindlichen Dichtkunst konfrontiert zu werden, war es ein unerwartet spaßiger Zeitvertreib. Und immerhin wurde die Qualität der Poesie besser, je weiter sie in der Zeit vorankamen. Man merkte deutlich, dass das Vokabular größer wurde, die Bildsprache ausdrucksstärker und die ausgedrückten Gedanken komplexer. Vor allem Amaia hatte viele Gedichte geschrieben, häufig mehr, als von den Lehrern gefordert worden war und so kitschig manche ihrer Texte auch waren, war es doch spürbar, wie viel Mühe sie sich beim Schreiben gegeben hatte.
    Sie beide wurden zurückgeworfen in ihre Schulzeit, sahen sich zusammen im Unterricht sitzen und ihre Gedichte schreiben, während sie alle paar Sekunden auf das Datapad der jeweils anderen schielten und ihre Werke miteinander verglichen. Es war eine dieser gemeinsamen Leidenschaften gewesen, von denen sie so viele hatten.
    Doch so spaßig dieses gemeinsame Rückerinnern an vergangene Zeiten auch war, nach einer Weile schien sich bei Rebecca in der Brust ein Knoten zu bilden und ihr Gelächter drang nicht mehr ganz so unbeschwert aus ihr heraus. Diese innere Unruhe von zuvor kehrte schleichend wieder zurück und legte sich über sie wie ein Schleier, durch den alles plötzlich so viel weniger farbenfroh und ausgelassen war. Die Gedichte zu hören war nur noch halb so lustig und die schönen Erinnerungen wurden bitter. Selbst der Regen draußen schien bedrohlich anzuschwellen, als wolle er eine Sturmflut heraufbeschwören.
    Fast schon fühlte es sich falsch an, in diesen Erinnerungen zu schwelgen, wo es doch alles so lange her war und sich so viel seitdem geändert hatte.
    "Becky? Ist was?"
    Erst als sie Amaias Stimme hörte bemerkte Rebecca, dass sie mit leerem Blick aus dem Fenster gestarrt hatte. Doch obwohl sie mit ihrer Aufmerksamkeit wieder im Hier und Jetzt war, reagierte ihr Körper nicht. Sie wollte sich eigentlich zu ihrer besten Freundin umdrehen, doch sie schaffte es nicht, den Gedanken in eine Bewegung umzusetzen. Sie war wie gefangen in ihrer eigenen Haut. Einige sehr unangenehme Sekunden vergingen.
    "Ähm...Rebecca?" Amaia klang nun etwas besorgt. "Alles okay?"
    Und mit einem Mal ließ der Tic wieder von ihr ab. "Jaja, schon gut", meinte Rebecca mit einem müden Grinsen und rieb sich den Nacken. "Das Übliche..."
    "Ah, okay. Falscher Alarm also", atmete ihre beste Freundin auf. "Aber mal im Ernst, ich frage mich manchmal...was ist eigentlich, wenn du dich verletzt oder...keine Ahnung, 'nen epileptischen Anfall hast oder sowas...woher wüsste ich denn, ob du nur einen Tic hast oder es doch was Schlimmeres ist?"
    Etwas verblüfft erwiderte Rebecca ihren Blick. "Also...um ehrlich zu sein...keine Ahnung. Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht."
    "Naja...weil manchmal weiß ich halt echt nicht, ob ich mir Sorgen machen muss. Das ist schon ein bisschen unheimlich." Amaia überlegte einen Moment. "Vielleicht brauchst du sowas, wie ein Codewort", schlug sie grinsend vor.
    Rebecca stieß ein ungläubiges Lachen aus. "Ein...Codewort?"
    "Ja! Sowas wie 'Sonnenfinsternis' oder 'Alligatorangriff' oder..."
    "Meeresfrüchte! Hey!"
    "Zum Beispiel", stimmte Amaia zu, während ihre beste Freundin mit ihren Händen unkontrolliert herumfuchtelte. "Irgendwas, was du halt normalerweise nicht sagen würdest. Dann weiß ich sofort, dass etwas nicht stimmt. Es könnte auch ein Satz sein...vielleicht 'Amaia, du bist die Beste!'"
    "Stimmt, das würde ich nie sagen", behauptete Rebecca frech, bevor ihr Tourette gnadenlos fortfuhr. "Amaia du bist...du bist...hässlich! Du bist hässlich, Amaia! Hahaha! Haha! Amaia, du bist hässlich!" Das laute und doch spürbar künstliche Lachen aus ihrem eigenen Mund ließ ihr die Nackenhaare zu Berge stehen. "Okay, das würde ich aber wirklich nie zu dir sagen!"
    "Du vielleicht nicht, aber dein Gehirn schon."
    Zur Antwort lächelte Rebecca schwach, kommentierte es aber nicht weiter. Ihre Gedanken blieben an Amaias Worten zu ihrem Tic hängen. 'Ein bisschen unheimlich...' Es mochte als Scherz gemeint sein, doch es hatte einen wahren Kern, der Rebecca gar nicht behagte. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass ihr jemand erzählte, ihre Tics seien unheimlich. Sie selbst hatte nicht die geringste Ahnung wie es eigentlich aussah, wenn sie ticcte, doch wenn sie an die Reaktionen anderer Leute auf ihr Tourette dachte, musste es ziemlich grotesk und absonderlich wirken. Fast so, als würde man einem Monster gegenüberstehen. Wer wollte das schon über sich ergehen lassen müssen?
    Um sich selbst von ihren düsteren Gedanken abzulenken, wandte Rebecca ihre Aufmerksamkeit wieder dem Datapad zu, das sie in der Hand hielt und scrollte durch den Inhalt des Ordners auf der Suche nach dem nächsten Gedicht von Amaia. "Das hier heißt 'Sommergewitter'."
    "Huuh...daran kann ich mich ja gar nicht mehr erinnern...", meinte Amaia und überlegte angestrengt. "Von wann ist das?"
    Rebecca prüfte das Datum der Datei. "Müsste vierte Klasse gewesen sein."
    "Dann leg mal los!"
    "Draußen regnet es mal wieder,
    alles wird nass.
    Ich sitze zuhause und schau aus dem Fenster,
    den ganzen Tag.
    Am liebsten wäre ich bei meinen Freunden,
    doch keiner hat Zeit.
    Alle sind unterwegs, haben Wichtiges zu tun,
    nur nicht ich."

    "Klingt ja fast so, als hätte ich das Reimen komplett aufgegeben", kicherte Amaia.
    Rebecca hielt einen Moment inne. Die Zeilen klangen irgendwie düsterer als das, was ihre beste Freundin damals sonst so geschrieben hatte. Dunkel regte sich etwas in den Tiefen ihres Gedächtnisses, doch sie fuhr schon mit dem Gedicht fort:
    "Letzte Woche war so viel schöner gewesen,
    als die letzten Tage.
    Doch jetzt ist plötzlich alles irgendwie
    ganz anders.
    Mein..."

    Beim Anblick des restlichen Verses kehrte die Erinnerung an das Gedicht siedend heiß zurück und ließ Rebecca entsetzt verstummen. Jetzt fiel ihr auch wieder ein, was es mit dem Gedicht auf sich hatte. Warum es so deprimiert klang. Am liebsten hätte sie das Pad einfach ausgeschaltet und so getan, als wäre nichts, doch Amaia hatte schon längst bemerkt, dass etwas nicht stimmte.
    "Was ist?", wollte sie mit hochgezogener Augenbraue von ihrer Freundin wissen.
    "Ähm..." Rebecca saß auf glühenden Kohlen. Ihre Augen waren weiterhin auf den Vers gerichtet, so als erhoffte sie sich von der geöffneten Datei irgendeinen Hinweis für einen Ausweg aus dieser Situation. Das Atmen fiel ihr mit einem Mal überraschend schwer und ihr Herz pochte sehr viel schneller. In ihrem Kopf wirbelten die Möglichkeiten wild durcheinander. Sie konnte die Wahrheit sagen. Oder sich eine Ausrede einfallen lassen. Vielleicht den Vers einfach überspringen, oder sich etwas ausdenken. Ihr Tourette nutzte das Chaos in ihrem Kopf sofort aus. "Hey! Schau mich an! Schau mich aah-a-a-a-an! Ich zeige dir mein...mein...mein...Haus! Ich zeige dir meinen Tumor! Hahaha!"
    Amaia ließ sich von dem Tic nicht beirren und beobachtete Rebecca aufmerksam. "Was ist los? Was habe ich denn geschrieben?"
    Mit einem verzweifelten Seufzen gab sie sich geschlagen und räusperte sich, bevor sie mit belegter Stimme fortfuhr:
    "Mein Dad ist ein schlechter Mensch,
    ich darf ihn nicht mehr sehen.
    Und niemand will mir wirklich sagen,
    was los ist..."

    Obwohl sie ihre Stimme senkte, in der Hoffnung, dass sie unter dem Prasseln des Regens einfach untergehen würden, schienen ihre Worte plötzlich einen eisigen Wind heraufzubeschwören, der durch das Zimmer fegte. Das Unwetter schwoll an und selbst das diesige Licht von draußen wurde auf einmal schwächer. Rebecca spürte diesen heftigen Stich in der Magengegend und hob besorgt den Blick. "Amaia..."
    Ihre beste Freundin seufzte schwer und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, die Augen in Richtung Decke gerichtet. "Jaah...stimmt ja...hätte ich mir denken können, dass sowas kommt", murmelte sie. "Vierte Klasse...das war ja genau die Zeit..."
    "Es tut mir so leid...ich hatte ganz vergessen, dass du über deinen Dad geschrieben hast..." Rebecca warf das Datapad an das Fußende ihres Betts, als ob es sie persönlich beleidigt hatte.
    Amaia winkte ab. "Ach was, ist doch nicht deine Schuld. Ich habe doch selbst auch nicht mehr daran gedacht..."
    Selten hatte Rebecca eine so unangenehme Stille zwischen ihnen beiden erlebt. Ihr lag alles Mögliche auf der Zunge, doch in ihrem Kopf klangen alle Worte, die ihr einfielen, hohl und unpassend.
    Es dauerte eine Weile, bis Amaia die Stimme hob. "Wusste gar nicht mehr, dass ich ein Gedicht darüber geschrieben hatte", versuchte sie mit einem schwachen Grinsen zu scherzen, doch es schien ihre Laune nicht zu bessern. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und drehte den Stuhl leicht hin und her, während sie weiterhin nach oben starrte. Plötzlich lachte sie freudlos auf. "Weißt du...es ist schon irgendwie verrückt, wenn ich mich daran zurückerinnere...Ich bin halt irgendwann einfach von der Schule nachhause gekommen und Dad war weg. So...von jetzt auf gleich, einfach weg. Und mir wurde erklärt, dass er wohl etwas Schlimmes gemacht haben soll. Aber damals konnte niemand so richtig sagen, was eigentlich. Jahrelang hieß es immer nur: 'Er hat diesem Mädchen was ganz Schlimmes angetan' und das war halt der Grund, weshalb ich ihn nicht mehr sehen konnte. Aber ich wusste überhaupt nicht, was das heißen soll."
    Rebecca blieb stumm und beobachtete weiterhin aufmerksam ihre Freundin. Noch nie hatte Amaia so direkt darüber gesprochen, hatte das Thema nach Möglichkeit immer vermieden und kaum mehr als nötig über ihre Gefühle preisgegeben. Also wollte sie das nicht unnötig unterbrechen. Ihr fiel ohnehin nichts ein, was sie sagen konnte.
    "Es hat Jahre gedauert, bis mir Mom endlich sagen wollte, was genau passiert ist. Und dann...naja...ich hatte halt immer gedacht, dass es leichter werden würde, wenn ich erstmal verstehe, was Dad getan hat. Aber irgendwie war's das nicht..."
    "Warum?", fragte Rebecca zaghaft.
    "Hm...es war..." Amaia dachte angestrengt nach. Es fiel offensichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden. "Ich habe dann halt angefangen mich zu fragen, ob er schon immer so gewesen war...ob es denn nicht irgendwelche Anzeichen gegeben hatte und ob..." Sie spielte nervös mit einer ihrer nassen Haarsträhnen herum. "Naja...ob er...ob er uns nicht vielleicht auch..." Auch ohne dass sie es aussprach, war klar, was sie versuchte auszudrücken. "Ich meine...alle Erinnerungen, die ich an ihn hatte waren plötzlich...anders. In meiner Vorstellung hatte halt alles, was er je gesagt oder gemacht hatte plötzlich diese...Hintergedanken."
    Rebecca konnte sich gut vorstellen, was ihre Freundin meinte. Dass dieser Mann, den sie selbst als etwas zurückhaltenden, aber gutmütigen Familienvater kennengelernt hatte, ein Kinderschänder sein sollte, war auch für sie damals ein ziemlicher Schock gewesen. Genau dieselben Gedanken hatten sie damals auch geplagt und es musste für die eigene Tochter ungleich schwerer gewesen sein. Vor allem, wenn sie sich daran zurückerinnerte, wie glücklich Amaia mit ihren Eltern einst zusammen gewesen war.
    "Das war eigentlich das Schlimmste...", stellte Amaia mit starrem Blick fest. "Ich wusste halt plötzlich nicht mehr, was ich von ihm halten soll. Weil...naja...er war halt trotz allem noch immer mein Dad..."
    "Hast du denn...noch irgendwas von ihm gehört?"
    Amaia schüttelte den Kopf und seufzte schwer. "Nein, nichts. Ich habe ihn auch seit der Gerichtsverhandlung nicht mehr gesehen. Mittlerweile müsste er eigentlich schon wieder draußen sein. Keine Ahnung, wo er ist oder was er macht. Er hat sich nie wieder bei uns gemeldet. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, ob ich das wollte oder nicht..."
    Obwohl ihre Stimme ruhig war, spürte Rebecca sehr genau, wie schmerzlich es für Amaia war, davon zu erzählen. Am liebsten hätte sie ihre beste Freundin in den Arm genommen, sie versucht zu trösten. Doch Rebecca war klar, dass sie hier nicht helfen konnte. Weder konnte sie die Vergangenheit ungeschehen machen, noch Amaia sagen, was sie am besten tun oder denken sollte.
    Wieder herrschte ein Moment der Stille zwischen ihnen beiden, doch dann lachte Amaia plötzlich auf. "Tut mir leid!", sagte sie verlegen und sah ihre Freundin entschuldigend an. "Ich wollte uns wirklich nicht die Stimmung mit so was Heftigem versauen. Es...kam einfach irgendwie wieder hoch..."
    "Schon in Ordnung, wirklich!", versicherte Rebecca ihr. Sie konnte Amaia wirklich keinen Vorwurf machen. Eigentlich war sie selbst es gewesen, die schon wieder alles versaut hatte. Hatten sie nicht vor ein paar Minuten noch Spaß gehabt und ausgelassen über ihre Dichtkunst gelacht? War es nicht schön gewesen, sich an die gemeinsame Schulzeit zurückzuerinnern? Sie hätte doch einfach ein anderes Gedicht von Amaia vorlesen können. Eines, das nicht wie ein Schlag ins Gesicht war und diese schlimmen Erinnerungen aufwärmte. Stattdessen war die Stimmung in ihrem Zimmer nun so unterkühlt wie das Wetter draußen und sie schwiegen sich schon wieder an.
    Sichtbar bemüht, ein wenig von der Heiterkeit zurückzubringen, die sie verloren hatten, stand Amaia auf und griff nach Rebeccas Gitarre, die wie immer in der Ecke des Zimmers an der Wand lehnte. "Wie sieht's aus, Lust auf ein bisschen Musik?"
    Die ehrliche Antwort wäre wahrscheinlich 'nein' gewesen. Doch Rebecca wusste ohnehin nicht, was sie im Augenblick überhaupt wollte und was nicht, also stimmte sie mit einem halbherzigen "Hmmm" zu.
    Amaia setzte sich wieder auf den Stuhl und legte das Instrument auf ihrem Schoß ab. Um sich ein etwas warmzuspielen, schlug sie ein paar Akkorde und zupfte die Saiten ein wenig. "Ach ja...", seufzte sie zufrieden. "Das klingt einfach so viel besser!"
    "Was meinst du?"
    "Deine Gitarre. Ich habe ja noch diese blöde Klassische und die ist auch noch uralt und klingt nicht so gut. Ich finde Westerngitarren hören sich schöner an. Irgendwie...voller und nicht so dumpf..."
    "Die klingen schon besser", stimmte Rebecca zu und warf einen Blick auf die dicken Stahlsaiten, "aber tun dafür auch mehr weh beim Spielen."
    Amaia zuckte mit den Schultern. "Ist nur 'ne Sache der Gewöhnung, ein paar Wochen auf einer Westerngitarre und man hat genug Hornhaut an den Fingern. Ich werde auf jeden Fall mal bei Gelegenheit mein Konto plündern und mir auch so ein Stück zulegen. Die alte Gitarre kann dann meine Schwester haben, wenn sie möchte."
    Zwar entgegnete Rebecca darauf nichts, machte sich aber bei Amaias Worten eine Notiz im Kopf.
    "Also dann...was wollen wir spielen?", wollte Amaia wissen.
    Es war wieder diese Art von Frage, mit der sie im Augenblick wirklich gar nichts anfangen konnte. Eigentlich gab es im Moment kein Lied, das sie wirklich hören wollte. Oder vielmehr war es ihr egal. Doch bevor sie das zum Ausdruck bringen konnte, sprang ihr plötzlich eine Melodie ins Gedächtnis. "Wie wäre es vielleicht mit...'Fit back in'?"
    Ihre beste Freundin nickte begeistert. "Oh ja, gute Idee! Aber gib mir einen Moment, ich weiß die Akkorde nicht mehr..." Sie öffnete ihr Omni-Tool und suchte im Extranet nach einer Grifftabelle für das Lied. Es war nicht ganz so einfach, denn das Lied war bereits fast zweihundert Jahre alt und obwohl es noch recht umfassende Archive gab, in denen man Guides und Tutorials zum Spielen solch alter Musik fand, musste man sich in der Regel ein wenig durch verschiedene Seiten wühlen. Und Apps, die solche Tabellen automatisch anhand der Musik selbst generierten, waren alles andere als billig. Zumindest die, die auch was taugten.
    "Weißt du, eigentlich sollte jemand mal diese Musik neu auflegen!", meinte Amaia nach einer Weile, noch immer auf der Suche nach den Akkorden.
    "Wieso...wieso...wieso? WIESO? Eh-e-e-e-eeeeh...fuck off! Wieso das?"
    "Naja, es gab halt wirklich coole Musik um 2000 rum, aber alles, was heute immer wieder neu gecovert wird, sind solche Sachen wie...keine Ahnung, Michael Jackson oder Queen..."
    "Queen?"
    Amaia schnaubte. "Das ist wohl 'ne Rock-Band, die damals total berühmt gewesen war. Angeblich...angeblich...eine der besten Bands aller Zeiten. Zumindest hat das mein Ex immer behauptet. Er war auch total beleidigt gewesen, dass ich noch nie von denen gehört hatte..."
    Auch wenn sie den Kommentar mit einem Lächeln quittierte, spürte Rebecca einen weiteren Stich in ihrer Brust. Dass Amaia ihr geschrieben hatte, sie habe sich von ihrem Freund in Fairbanks getrennt, musste schon einige Monate her sein und trotzdem kam es ihr noch vor, wie letzte Woche. Es war schmerzlich daran zu denken, wie viel seitdem passiert war und wie wenig ihr davon wirklich noch etwas bedeutete. Alles, was ihr nun in Erinnerung blieb, waren die entmutigenden Erfahrungen mit ihrer Krankheit. Der Gedanke an Beziehungen und Ex-Freunde wirkte plötzlich wie aus einem ganz anderen Leben.
    Schließlich wurde Amaia fündig und rief eine Seite auf, die die gesuchten Grifftabellen hatte. "Bin soweit. Du auch?"
    Rebecca nickte zur Antwort. Den Text brauchte sie nicht noch einmal im Extranet nachschauen. Sie hatte diese Musik schon so oft gehört und selbst gesungen, sie konnte sich an jedes Wort und jede Note erinnern. Viel schwieriger als das Singen selbst würde es sein, ihren Fokus zu behalten, um die Tics zu unterdrücken.
    "Okay, dann...1...2...3...4..."
    "Feeling like a stranger in my city, and my skin
    Nothing around here reminds me of anything
    Evenings growing shorter, and the swallows spread their wings
    Dislocate me, bend me, shake me,
    Make me fit back in"

    Das muntere Gitarrenspiel war ein seltsamer Kontrast zu dem eher schwermütigen Gesang, doch Rebecca mochte genau das. Die Musik schien genau den Widerspruch zum Ausdruck zu bringen, den sie selbst in sich spürte. Wie sie sich so unwohl und fehl am Platz fühlte, obwohl sie all das um sich herum hatte, was sie sonst immer so glücklich machen konnte. Über diese Dinge zu singen hatte etwas eigenartig Befreiendes, so als würde sie sich ihre Probleme bei einem Therapeuten von der Seele reden.
    "And another half won't shine in half a light
    I wish I could keep the days from passing by
    Drift upstream, and travel back in time
    Find your hand and hold it tight in mine"

    Sie schaute auf und erwiderte Amaias Blick mit einem Lächeln.
    "Moon-set, sunrise, time doesn't heal
    It just goes by, it just goes by"

    Und völlig aus dem Nichts rollte eine Welle über sie hinweg. Hoffnungslosigkeit, Angst, Frustration und die Erinnerungen an alles was in den letzten Wochen geschehen war brachen über sie hinein. Ihre Kehle schnürte sich zu, ihre Sicht verschwamm.
    "Sunset, moon-rise, time doesn't heal
    It just goes by, it just goes by"

    Ihre brüchige Stimme riss ab und Rebecca kämpfte verzweifelt gegen die Flut an Eindrücken an. Es war vergeblich. Ohne, dass sie es verhindern konnte, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie beugte sich nach vorne, unfähig, sich dem Sturm entgegenzustellen, die Zähne zusammengebissen und das Gesicht verzerrt, als ob sie Schmerzen hätte.
    "Rebecca?"
    So viele Erinnerungen, so viele Gefühle fielen über sie her, es war unmöglich, auch nur einen klaren Gedanken zu formen. Bilder aus ihrer Vergangenheit, so klar wie Fotos, kamen hoch, sie sah sich auf Ausflügen mit ihren Freunden, sah Amaias Familie glücklich zusammen, sah sich selbst zufrieden mit ihrem Schulabschluss und einer ganzen Welt an offenen Möglichkeiten für ihre Zukunft. Gleichzeitig erinnerte sie sich daran, wie sorglos und unbeschwert alles noch vor ein paar Monaten gewesen war, als sie noch in Wellington mit ihren Kommilitonen herumgehangen hatte. Doch dann dachte sie an die schockierten und empörten Blicke, die nun so oft auf ihr lagen, dachte an den Streit mit ihrer Mutter, an die Strahlentherapie, die ihr bevorstand, um ihren Hirntumor zu behandeln. An die Schmerzen in ihrer Hand und ihrer Schulter, an Amaias Vater und ihren Stiefvater, an die aufgebrachte Mutter während der Busfahrt, an den Moment, als ihr der Neurologe im Krankenhaus sagte, ihr Tourette sei nicht mehr zu behandeln...
    Rebecca bekam kein Wort mehr heraus. Stattdessen entfuhr ihr ein lautes Schluchzen. Und plötzlich schienen alle Dämme zu brechen. Von einem Moment auf den nächsten verlor sie jede Kontrolle über ihren Körper, doch dieses Mal war es kein Tic. Sie beugte sich vornüber und vergrub ihr Gesicht in den Händen, als wolle sie sich verstecken. Ein jämmerliches Heulen drang aus ihrer Kehle, das immer lauter wurde, unterbrochen von Schluchzern und den abgehackten Atemzügen, welche wie die einer Ertrinkenden klangen.
    "Hey!" Verschwommen nahm sie wahr, wie Amaia die Gitarre zu Boden legte, aufstand und zu ihrem Bett kam. Sie setzte sich neben ihre beste Freundin. "Hey, was ist los? Hm?", fragte sie sanft.
    "Es ist alles kaputt...!", heulte sie, doch sie schaffte es nicht sich weiter zu erklären, bevor sie ein weiterer Heulkrampf durchschüttelte. Speichel tropfte ihr aus dem Mund auf ihre Beine, gefolgt von dicken Tränen.
    "Na komm her...!" Amaia legte ihr eine Hand an die Schulter und zog sie sachte zu sich. Sie schien nicht zu wissen, wie sie ihre Freundin trösten sollte und so schwieg sie und hielt die junge Frau in den Armen.
    Noch nie in ihrem Leben hatte Rebecca dieses Gefühl so sehr verspürt, das Gefühl, niemals wieder glücklich sein zu können. Es schien keinen anderen Weg zu geben, ihren Schmerz auszudrücken und so weinte sie so hemmungslos und jämmerlich wie ein kleines Kind. Welle um Welle an Tränen rann heiß über ihre Wangen, während sich ihre Verzweiflung durch laute Schluchzer und bitterliches Heulen ausdrückte. Das einzige, das Rebecca abseits ihres eigenen Elends überhaupt wahrnahm, waren die Arme, die sich eng um sie gelegt hatten und die ruhigen Atemzüge über ihr.
    Majonese ist offline Geändert von Majonese (19.07.2021 um 13:17 Uhr)

  11. #411
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    Leif lachte etwas zu ausgelassen für einen Moment wie diesen, aber wenigstens war es ehrlich. So euphorisch dass sich diese winzigen Fältchen rund um seine Augen schlugen. “Kinderarzt!“, beschwerte er sich mit liebevoller Strenge und blieb in seiner Begeisterung für ihren Witz eine Sekunde zu lang an ihren Lippen hängen. Und noch eine. Und dann eine weitere. Sein Lachen schwand, aber gefesselt schien er dennoch. Allerdings nicht von Worten. „Womöglich werd ich ja noch einer, sobald meine Zulassung wieder zu was Nutze ist, wer weiß? Ich bin sicher grandios!“, frotzelte der Schwede und sein Atem stob einige wenige ihrer Haare auf. Ja, sie war wirklich verdammt nah.
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  12. #412
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    Leif lachte etwas zu ausgelassen für einen Moment wie diesen, aber wenigstens war es ehrlich. So euphorisch dass sich diese winzigen Fältchen rund um seine Augen schlugen. “Kinderarzt!“, beschwerte er sich mit liebevoller Strenge und blieb in seiner Begeisterung für ihren Witz eine Sekunde zu lang an ihren Lippen hängen. Und noch eine. Und dann eine weitere. Sein Lachen schwand, aber gefesselt schien er dennoch. Allerdings nicht von Worten. „Womöglich werd ich ja noch einer, sobald meine Zulassung wieder zu was Nutze ist, wer weiß? Ich bin sicher grandios!“, frotzelte der Schwede und sein Atem stob einige wenige ihrer Haare auf. Ja, sie war wirklich verdammt nah.


    Oh verdammt. Sie war am Arsch. Das wusste sie sofort, sie war sowas von absolut am Arsch und besessen von diesem Anblick. Diesem viel zu süßen Lächeln, dass sie - verdammt sie - als ein 'süßes Lächeln' bezeichnete. Vollkommen ernsthaft. Sie war vollkommen und umfänglich von ihm eingenommen. Bemerkte seinen Blick und wie er sich senkte. Spürte seinen Atem. Es war nicht der sanfte Wind. "Das bist du.", gab sie zu und bemühte sich nicht mal, es zu umschreiben. Er war großartig. Das sagten ihm sicherlich viel zu viele. "Auch irgendwie idiotisch, aber mit Sicherheit gran-di-os.", grinste sie ihm verklärt entgegen.
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  13. #413
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    “Idiotisch also…“, kicherte er wieder, obwohl es gar nichts wirklich lustiges daran gab. Er war wohl einfach verlegen. Musste irgendetwas sagen, um nicht vollends in ihren Augen zu versinken und an ihren Lippen festzuhängen. Fuck. Es passierte schon wieder und Leif merkte nicht einmal das sie beide betroffen waren. Ahnte es. Irgendwie. Wagte aber kaum zu viel Hoffnung. Und gleichzeitig doch genug, um ihr näher zu kommen. Absolut unbewusst. „Aber…grandios…“, säuselte er verliebt. Ganz und gar offensichtlich.
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  14. #414
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    “Idiotisch also…“, kicherte er wieder, obwohl es gar nichts wirklich lustiges daran gab. Er war wohl einfach verlegen. Musste irgendetwas sagen, um nicht vollends in ihren Augen zu versinken und an ihren Lippen festzuhängen. Fuck. Es passierte schon wieder und Leif merkte nicht einmal das sie beide betroffen waren. Ahnte es. Irgendwie. Wagte aber kaum zu viel Hoffnung. Und gleichzeitig doch genug, um ihr näher zu kommen. Absolut unbewusst. „Aber…grandios…“, säuselte er verliebt. Ganz und gar offensichtlich.


    Ihre Augen. Seine. Sie waren beide in einem absolut anderen Bereich ihres Daseins gefangen. Begriffen es vielleicht und vielleicht auch nicht, aber es schien egal. Sie roch den Whiskey in seinem Atem, lächelte ihm zart entgegen, weil so klar sein musste was irgendwann, irgendwie vielleicht folgte. Wenigstens aber war es ein gutes Gefühl. Ein perfektes. Genau dieses. Genau diese, wenigen Sekunden, das Prickeln, der gegenseitige Atem, das Lächeln, dass sie sich zuwarfen und vermutlich keiner wirklich sah. Oder doch. Es schien egal. Auch Worte, die sie nur noch flüsterte. "Hmm-...vielleicht mehr idiotisch als grandios, aber ja..", grinste sie frech. Doch auch das wich. Zu nur noch diesem Blick. Diesem-...eindeutigen Blick.
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  15. #415
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    Wie zwei verknallte Teenager lagen sie an diesem Pool. Zu alt um wirklich noch derart rosarote Brillen zu tragen, weil sie wenigstens einmal im Leben enttäuscht worden waren und doch ließen sie sich immer wieder voneinander hinreißen. Ein Moment der in ihrem Fall regelrecht nach Störung rief. Nur war da keine. Noch nicht. Eine Tatsache-…nein, da war diese Ahnung, dass Leif Dinge nicht würde sagen können, die ihm auf der Zunge lagen. Und andererseits war da diese ständige Angst abgewiesen zu werden. Das hatte sie schon oft getan. Nur hatte ausgerechnet er kein Recht es ihr vorzuwerfen.
    Sein Lächeln verfiel dennoch nicht. Konnte es gar nicht. Ihr Anblick sorgte dafür. Er presste die Lippen aufeinander und wollte sich bremsen, aber es brachte nichts. “Ohne Müslischleuder wäre mein Leben auch verdammt leer.“, sagte der Arzt leise. „Der grandiose Idiot hofft übrigens-..das du zuerst mit ihm tanzt, statt mit Donal oder irgendwem sonst.“, gab er zu.
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  16. #416
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    Wie zwei verknallte Teenager lagen sie an diesem Pool. Zu alt um wirklich noch derart rosarote Brillen zu tragen, weil sie wenigstens einmal im Leben enttäuscht worden waren und doch ließen sie sich immer wieder voneinander hinreißen. Ein Moment der in ihrem Fall regelrecht nach Störung rief. Nur war da keine. Noch nicht. Eine Tatsache-…nein, da war diese Ahnung, dass Leif Dinge nicht würde sagen können, die ihm auf der Zunge lagen. Und andererseits war da diese ständige Angst abgewiesen zu werden. Das hatte sie schon oft getan. Nur hatte ausgerechnet er kein Recht es ihr vorzuwerfen.
    Sein Lächeln verfiel dennoch nicht. Konnte es gar nicht. Ihr Anblick sorgte dafür. Er presste die Lippen aufeinander und wollte sich bremsen, aber es brachte nichts. “Ohne Müslischleuder wäre mein Leben auch verdammt leer.“, sagte der Arzt leise. „Der grandiose Idiot hofft übrigens-..das du zuerst mit ihm tanzt, statt mit Donal oder irgendwem sonst.“, gab er zu.


    Ihr Blick sah kurz von seinen Lippen ab und hing sich an den Augen auf. Da war kein Lächeln mehr, aber es war so eindeutig klar, dass noch mehr in der Luft lag. "-..kann ich vielleicht einrichten.", glaubte sie ihm ermöglichen zu können und ihn an dieser langen, verführerischen Leine zu halten, bevor sie etwas sagte, worüber sie kaum nachdachte, weil ihr Hirn definitiv nur noch auf eines abzielte und das war, was ihr Blick im nächsten Moment erneut einfing und sich bezaubern ließ. Von diesen Lippen, viel zu nah. Nicht nah genug. Sie flüsterte in diesem eindeutigen Dialekt: "-..aber wird dich was kosten.".
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  17. #417
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    Wieder dieses Kichern. Dabei versuchte Leif sich an einem zunehmend ernsten Gesichtsausdruck und zog seine Braue hoch. “Ist das so…?“, wisperte er selbst belustigt, nicht zuletzt aber auch betrunken. „Dann los. Ich bin offen für Verhandlungen.“
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  18. #418
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    Wieder dieses Kichern. Dabei versuchte Leif sich an einem zunehmend ernsten Gesichtsausdruck und zog seine Braue hoch. “Ist das so…?“, wisperte er selbst belustigt, nicht zuletzt aber auch betrunken. „Dann los. Ich bin offen für Verhandlungen.“


    "Hmm-..nein. Darum muss man nich' verhandeln. Musst dich einfach nur trauen.", erklärte sie simpel und merkte selbst kaum, wie sie dieses unbedeutend winzige bisschen näher kam. Nah genug um keinen Zweifel mehr zuzulassen und ihn selbst mit ihrem whiskeygeschwängerten Atem einzunehmen.
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