Zitat von
Majonese
Einen Vorteil hatte es tatsächlich, dass im Harmony Einiges los war. Denn wann immer Rebecca ungewollt etwas lauter wurde, gingen ihre verbalen Tics in dem ausgelassenen Stimmgewirr und der gemütlichen Hintergrundmusik ein wenig unter. Und wenn sie doch einmal gut hörbar wurde, war es vermutlich recht leicht, sie als eine Betrunkene abzustempeln.
Eine Weile erzählte Amaia von ihrer Zeit in Alaska. Vom Leben im verschlafenen Fairbanks, von ihrer Erfahrung mit den Leuten dort und von ihrer Arbeit im Buchladen. Als Andrew erwähnte, dass er auch schon ein paar Wildnisausflüge mit seinem Vater in Kanada gemacht hatte, verglichen die beiden ihre Eindrücke vom Wetter und den offenbar atemberaubend schönen Landschaften, welche die nördlichsten Regionen Amerikas prägten.
Während ihre Freunde sich munter unterhielten, blieb Rebecca etwas im Hintergrund. Ihr Redeanteil war ohnehin immer schon etwas kleiner als der ihrer Begleiter gewesen. Nun erregte sie aber auf andere Art Aufmerksamkeit.
Eigentlich verging keine halbe Minute, in der sie nicht auf die eine oder andere Weise ticcte. Rebecca kniff die Augen zusammen, warf ihren Kopf umher, stieß hohe Laute aus, schlug auf den Tisch, glücklicherweise mit ihrer linken Hand, verzog das Gesicht oder warf zusammenhanglose Wortfetzen in die Runde. "Fuck off!" Manchmal schaffte sie es, sich noch rechtzeitig ein wenig abzuwenden oder zurückzulehnen, um mit ihren Tics nicht ganz so in die Runde zu platzen, dennoch warfen ihre Freunde - abgesehen von Amaia natürlich - ihr ständig skeptische Blicke zu. Immer wenn sie anfing mit ihrer Hand unkontrolliert herumzufuchteln, zuckte Luca, der links neben ihr saß, instinktiv ein wenig zurück.
Es war eine sehr vorausschauende Entscheidung gewesen, ihr Getränk in ihrer speziellen Sportflasche zu bestellen. Wenn sie ihren Becher in die Hand nahm, passiert es nicht selten, dass sie mit der flachen Hand von oben draufklatschte oder anfing, ihn wild zu schütteln. Bei einem gewöhnlichen Glas hätte sie vermutlich den kompletten Inhalt in der Bar verteilt, ohne auch nur einen einzigen Schluck zu trinken. Einmal griff sie nach dem Behältnis, doch anstatt es zum Trinken an ihren Mund zu führen, hielt sie es mit ausgestreckten Arm über den Tisch, als wolle sie es der ihr gegenübersitzenden Madison geben. Dabei hielt sie ihre Augen starr auf den Plastikbecher gerichtet.
"Willst du nichts trinken?", fragte Amaia nach einigen Sekunden mit einem Grinsen.
"Ich kann nicht!", presste Rebecca hervor. Schlimm genug, dass ihr Arm nicht tat, was er sollte, doch nun versteifte sich auch ihr Nacken und ihre rechte Gesichtshälfte zuckte unkontrolliert.
Sämtliche Augen am Tisch waren auf sie gerichtet.
Andrew lehnte sich mit gerunzelter Stirn leicht vor. "Ähm...kannst du dich wirklich nicht bewegen?"
"Nngghhh...nein!"
"Brauchst du...Hilfe?"
So plötzlich wie der Tic gekommen war, ließ er auch schon wieder von ihr ab und Rebeccas Muskeln entspannten sich. "Danke, aber es geht schon", gab sie mit einem Seufzen zurück. Sehr wohl bewusst, dass alle Blicke auf ihr lagen, versteckte sie sich hinter ihrem Becher und nahm einen tiefen Schluck.
"Was trinkst du eigentlich?", fragte Luca, sichtlich bemüht sie bloß nicht auf den Tic anzusprechen.
"Einen K-K-K-K-KiBa."
"Der gute KiBa..."
"Wohl eher KaBi", witzelte Andrew.
"Achja, stimmt!", sprang Luca darauf an. "Der gute Karsch-Binane..."
Obwohl es nicht nur ein ziemlich lahmer Spruch war, sondern darüber hinaus auch derselbe alberne Witz war, den Luca und Andrew jedes Mal rissen, wenn sich jemand Kirsch-Bananensaft bestellte, musste Rebecca grinsen. Irgendwie hatte ihr das alles hier wirklich gefehlt. Das Harmony, die Zeit mit ihren Freunden, das Zusammensitzen am Tisch, selbst die dummen Sprüche. Wenn sie jetzt nur nicht diese Tics hätte...
Wie üblich zerstreuten sich die Konversationen mit der Zeit ein wenig. David und Andrew unterhielten sich angeregt über Autos und sprachen über technische Dinge, bei denen Rebecca gefühlt nur jedes zweite Wort verstand. Madison versuchte anfangs noch sich mit einzubringen, doch auch ihr Verständnis über Motoren, Getriebe und die Detailunterschiede zwischen einem normalen Auto und einem Skycar reichten offenbar nicht aus, um der Unterhaltung wirklich folgen zu können und so fing sie irgendwann an, mit ihrem Omni-Tool auf Social-Media herum zu scrollen.
Amaia und Luca hingegen unterhielten sich begeistert über ihre Pen and Paper-Runde und da sie genau zwischen den beiden saß, bekam Rebecca alles mit, ohne sich wirklich am Gespräch beteiligen zu können. Denn auch was Fantasy und Rollenspiele anging, war ihr Vokabular sehr schnell erschöpft.
"Sag mal, hätten wir bei dem Kampf gegen den Rakshasa noch mehr rausfinden können?", wollte Amaia wissen.
"Ahhh, das kann ich nicht verraten", wich Luca der Frage aus. "Das könnte noch relevant werden."
"Wieso das denn? Wir haben Azoth doch getötet!"
"Hmm...sagen wir einfach, es gibt noch ein paar Sachen, die ihr nicht herausgefunden habt", meinte Luca geheimnisvoll. "Wenn ihr euch noch länger mit ihm unterhalten hättet, hätte er vielleicht noch etwas mehr verraten..."
"Ich wusste es doch! Wir hätten ihn gefangen nehmen sollen!", ärgerte sich Amaia. "Das eine Mal, dass ich keinen kritischen Treffer landen darf, würfle ich natürlich 'ne 20 und töte ihn..."
"War aber vielleicht auch besser so. Hätte der Kampf noch länger gedauert, hätte Azoth seinen letzten Level-Vier-Zauber benutzt und den Kampf damit vielleicht noch rumgedreht..."
"Wäre er dann abgehauen oder hätte er uns versucht zu töten?"
"Azoth war viel zu stolz gewesen, um zu fliehen. Er war immerhin einer der drei Dämonenfürsten."
"Oh, stimmt ja! Hey, das heißt ja, dass wir jetzt schon zwei von denen erledigt haben, oder?"
"Jap."
"Wow!"
"Wow!", echote Rebecca unwillkürlich dazwischen. "Wow! Wooow! Woooooow! Fuck off!" Ihr Ausruf wurde bei jedem Mal lauter und sarkastischer.
Amaia entfuhr ein Kichern. "Du musst aufpassen, Becky! Luca nimmt sich Kritik an seiner Geschichte immer sehr zu Herzen. Sag ein schlechtes Wort über seine Arbeit und er fällt in tiefe Depressionen."
"Hey!"
"Tut mir Leid!", versicherte Rebecca zum hundertsten Mal. Plötzlich ruckte ihr Kopf nach vorne. "Tut es gar nicht! Ihr Nerds! Buuuiieeh!"
Nun brach Amaia in lautes Gelächter aus und auch Luca stimmte nach kurzem Zögern mit ein.
"Mann, Becky, du musst unbedingt auch mal DnD mitspielen!", sagte Amaia mit unverhohlener Begeisterung. "Das macht echt Spaß!"
"Ach, ich weiß nicht...", druckste Rebecca herum und schnaubte belustigt. "Um ehrlich zu sein, habe ich nichts von dem, was ihr gesagt habt, verstanden."
"Wir könnten dir ja mal alles ganz in Ruhe erklären", meinte Luca.
Amaia nickte zustimmend. "Ja, so schwer sind die Regeln jetzt auch nicht und man kommt eigentlich recht schnell rein..."
Es war nicht der erste Versuch, Rebecca davon zu überzeugen, bei ihrer Pen and Paper-Runde mitzuspielen. Bisher hatte sie das Angebot aber immer abgelehnt. Wenn sie ihre Freunde voller Begeisterung über die gemeinsamen Abende reden hörte und über die fantastischen Geschichten, die sie sich erzählten, dann bekam sie doch ein wenig Lust, auch mal bei diesen Sessions mitzumachen. Andererseits hatte sie diesen Fantasywelten rund um Elben, Zwerge, böse Zauberer und magische Artefakte, in denen das Spiel stattfand, nie viel abgewinnen können. Und Dungeons and Dragons klang nach einem unheimlich komplizierten Spiel, mit unzähligen Klassen, Charakterwerten und einem Regelwerk, welches ein kleines Buch füllen könnte. Und es wahrscheinlich sogar tat.
Gleichzeitig schien es fast so, als ob ihre Freunde ihr Tourette vergessen hätten. Es war mehr als optimistisch zu glauben, dass sie bei so einem Spiel nicht ziemlich stören würde und sie wollte ihren Freunden sicherlich nicht die DnD-Abende mit ihren Tics versauen.
"Aaach, ich weiß nicht...", wand sich Rebecca um eine klare Antwort herum und seufzte innerlich. Ein Teil von ihr hätte liebend gerne einfach nur 'Ja gerne!' gesagt. "Mal schauen...Eh-eh-e-e-e-Fuck off! Hey!"
"Warte nur ab, irgendwann krieg ich dich dazu mitzumachen!", schwor ihr Amaia.
Eigentlich saßen sie einfach nur zusammen und quatschten. Es war wenig aufregend und wenig besonders und trotzdem genau das, was Rebecca so sehr vermisst hatte. Erst jetzt wurde deutlich, wie lange sie nicht mehr mit ihren Freunden gesprochen hatte. So hörte sie zum ersten Mal davon, dass Andrew seine Polizeiausbildung angefangen und Madison sich vor einigen Wochen ein kleines Kätzchen zugelegt hatte. Als David erzählte, wie er vor Kurzem sein Maschinenbaustudium abgeschlossen hatte, bemerkte Rebecca erst, dass sie bis dahin noch gar nicht gewusst hatte, was Madisons Freund überhaupt machte. Zum ersten Mal wurde ihr klar, was ihre Isolation wirklich bedeutete. Es war nicht nur die quälende Einsamkeit und die Sehnsucht nach einem normalen Leben. Rebecca verlor auch den Anschluss am Leben ihrer Mitmenschen.
Mehr als einmal erzählten Luca, Andrew und Madison von gemeinsamen Ausflügen, die sie in den letzten Wochen unternommen hatten und es war jedes Mal ein leichter Stich in der Magengegend für Rebecca, denn sie selbst hatte in dieser Zeit Zuhause gesessen und Löcher an die Decke gestarrt. Obwohl sie jeden Einzelnen in der Runde seit mindestens einigen Jahren kannte, keimte für einen winzigen Moment dieses vage Gefühl auf, an einem Tisch voller Fremder zu sitzen. Dabei war Amaia diejenige, die seit drei Jahren den Kontakt mit ihren Freunden nur online gepflegt hatte und dennoch schien sie sich alles andere als unwohl zu fühlen.
Um ein wenig auf andere Gedanken zu kommen, ließ Rebecca den Blick durch das Harmony schweifen, das sich mit Voranschreiten des Abends weiter füllte. Man merkte, dass heute ein Musikabend war, denn es war etwas mehr los als sonst. Entweder das, oder das Harmony war generell besser besucht, als Rebecca in Erinnerung hatte.
Eine Gestalt, welche sich in Richtung Bühne bewegte, erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war nicht unüblich, dass die Karaoke-Abende im Harmony etwas schleppend anliefen. Schließlich wollte niemand der Erste sein, der sich gut sichtbar und vor allem gut hörbar auf die Bühne stellte, aber eigentlich war es immer nur eine Frage der Zeit, bis jemand den ersten Schritt tat. Eine Frau, etwa gegen Ende dreißig, trat nun auf die Bühne und an einem der benachbarten Tische wurde Beifall laut, was sie mit einem etwas nervösen Lächeln quittierte. Mit neugieriger Erwartung beobachtete Rebecca, wie die Frau an dem Terminal, welches sich auf der Bühne befand, ein Lied aussuchte und nach einem der Mikrofone griff, die dort hingen.
Amaia erhob sich, weil sie auf Toilette gehen wollte und auch Andrew entschuldigte sich kurz, weil er plötzlich einen Anruf auf seinem Omni-Tool erhielt. Kaum waren die beiden weg, herrschte mit einem Mal eine merkwürdige Stille an ihrem Tisch. Luca beobachtete mit einem leicht träumerischen Ausdruck auf dem Gesicht die Bühne, offensichtlich trat die Wirkung des Joints ein und er schien ein wenig abwesend zu sein. David hingegen hatte sich mit verschränkten Armen zurückgelehnt und Rebecca bemerkte, dass er seiner Freundin säuerliche Blicke zuwarf.
Wieder einmal ticcte Rebecca und schlug sich hart gegen ihre Schulter, bevor sie mit zusammengekniffenen Augen ihren Kopf umherwarf. Sie bemerkte, dass Madison sie etwas verschreckt beobachtete, als ob sie Angst vor ihr hätte. Kaum trafen Rebeccas Augen ihre, lächelte Madison nervös. "So...ähm...jaah...wie geht's denn eigentlich James?"
"Hm?" Rebecca blinzelte überrascht und es dauerte einen Moment, bis sie überhaupt verstand, worauf ihre Freundin hinauswollte. "Achso...ähm...wir sind nicht mehr zusammen."
"Oh! Sorry, das wusste icht nicht...was ist denn passiert?"
"Ich habe ihn abgestochen!", ließ ihr Tourette sie mit einem breiten Lächeln sagen. "Buuuiieeeh! Und vergraben. Bei dir im Garten." Rebecca lachte nervös auf, als Madison sie erschrocken anstarrte. "Keine Angst, ich habe ihn nicht umgebracht...doch habe ich! Glaube mir kein Wort! Hey! Wir haben uns schon vor einer ganzen Weile getrennt..." Schon vor fast einem halben Jahr um genau zu sein und Rebecca war sich eigentlich sicher, dass sie schon lange davon erzählt hatte. Sie hatte beim besten Willen nicht damit gerechnet, nochmal auf ihren Ex-Freund angesprochen zu werden.
"Ahh, okay..."
Wieder trat unbehagliches Schweigen ein. Trotz der Geräuschkulisse um sie herum war es eine merkwürdig auffällige Stille. Einen Moment dachte Rebecca fieberhaft an ein Thema, über das sie sprechen konnten, doch irgendwie wollte ihr nichts einfallen. Dass sie bereits wieder ticcte und mit zusammengekniffenen Augen in die Hände klatschte, half sicherlich wenig. Glücklicherweise ertönte nun auf den Lautsprechern der Bar ein munterer Pop-Song, als die Sängerin auf der Bühne ihren Song gewählt hatte, und brachte etwas Ablenkung von der sonderbaren Stimmung an ihrem Tisch. Recht schnell zeigte sich, dass die Frau sehr gut singen konnte und Rebecca war längst nicht die einzige, die ihre Aufmerksamkeit in Richtung der Bühne gerichtet hatte.
Es dauerte nicht lange und Amaia kehrte zurück. Wenn ihr etwas am Verhalten ihrer Freunde auffiel, ließ sie es sich nicht anmerken. "Hey, Luca, bist du gut drauf?", zog sie ihren Kumpel auf, dem deutlich anzusehen war, dass seine Sinne etwas benebelt waren.
Noch immer mit einem seligen Grinsen auf den Lippen, gab er nur ein "Hm?" von sich.
Doch die junge Frau ging nicht weiter darauf ein und wandte sich nun auch interessiert der Bühne zu. Sie lehnte sich ein wenig zu ihrer besten Freundin rüber, um nicht so laut sprechen zu müssen. "Sie ist echt gut!", meinte Amaia mit einem anerkennenden Nicken.
Rebecca stimmte ihr zu. "Und ich mag den Song, ihre Stimme passt total gut dazu..."
"Ist das von Domino Masque?"
"Glaube schon..."
"Hey, wie sieht's aus, wollen wir beide danach auch mal?"
Die Frage traf Rebecca unvorbereitet und sie zögerte einen Moment. "Ähm...naja...lieber nicht...lieber nicht...lieber nicht...lieber doch! Ich liebe dich! Fuck off!"
"Wieso nicht?"
Nun runzelte Rebecca die Stirn und blickte ihre Freundin verwundert an, ihr Tourette übernahm das Sprechen. "Weil ich zu gut für euch bin! Ein wunderschöner Schmetterling! Hey!"
"Ach, komm schon!" Amaia versuchte es scherzhaft mit ihrem Schmollmund und Welpenblick. "Nur ein Lied!"
"Mai, du weißt genau warum ich mich nicht auf die Bühne stellen werde..."
"Aber wieso denn nicht?" Ihre beste Freundin schüttelte mit einem ungläubigen Lächeln den Kopf. "Du hast keine Tics, wenn du singst, oder? Das hast du selbst gesagt."
Es stimmte, Rebecca hatte bereits festgestellt, dass ihr das Musizieren dabei half, ihre Tics zu unterdrücken. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie am Tag von Amaias Rückkehr zusammen gesungen hatten. Aber es war eine Sache, zuhause in ihrem Zimmer zusammen mit ihrer besten Freundin ein bisschen zu jammen. Das hier war anders, hier konnten sie gut einige Dutzend Leute sehr gut sehen und hören. Auch früher schon war sie jedes Mal ziemlich nervös gewesen, wenn sie an den Karaoke-Abenden auf dieser Bühne gestanden hatte. Nun würde ihre Krankheit das alles nur schlimmer machen. Da war sie sich sicher.
"Heute nicht", wich sie aus. "Vielleicht...ähm...wann anders..." Es war eine recht lahme Ausrede, doch Amaia gab sich mit einem Schulterzucken zufrieden, auch wenn sie einen leicht sehnsüchtigen Blick in Richtung der Bühne warf. Rebecca war ihr sehr dankbar dafür, dass sie nicht weiter danach drängte.
Schweigend beobachteten sie, wie die Sängerin ihre Lieder performte und dabei sichtlich Freude hatte. Und den Zuhörern gefiel es ebenfalls. Als sie nach dem dritten Song schließlich wieder zu ihrem Tisch zurückkehrte, brandete Beifall auf und von irgendwo ertönte ein übermütiges "Du bist atemberaubend!"
Die Aufmerksamkeit der Leute war wohl der Teil, der Rebecca am wenigsten an Karaoke reizte. Was sie so sehr daran mochte war vielmehr dieses unbeschwerte Gefühl, wenn die Musik anfing zu spielen und die Luft um sie herum ausfüllte. Wenn der Rhythmus den Körper zu tragen schien und die Melodie auf ihre ganz eigene Weise zu singen begann. Wenn jedes Wort, welches über die Lippen kam, Dinge zum Ausdruck brachte, welche ansonsten unaussprechlich wirkten. Einen winzigen Moment lang wurde ihr ganz elendig zumute, als ihr der Gedanke kam, dass sie vielleicht nie wieder auf dieser Bühne stehen und dieses Gefühl erleben würde. Zumindest solange sie ihre Tics hatte.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Luca sich gerade Bier nachfüllte und während er gerade den Pitcher zurück in die Mitte des Tisches stellte, wurde ihr klar, dass sein Glas praktisch direkt vor ihr stand. Es war, als hätte ihr Tourette nur auf diesen Augenblick gewartet.
"Mögt ihr Scherben?"