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  1. #101
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Ziemlich wenig war so würdelos wie das hier. Demütigend. Was wohl bedeutete, dass Leif verwöhnt war, denn es war nur Gerede, aber er fühlte sich unwohl dabei. Setzte das Puzzle anders und doch richtig zusammen, denn hierbei ging es um ihn. Um Luceija. Um Odinn. Der Schwede schloss die Augen. Gerade die Fetzen verstehend, die kein Betroffener verstehen wollte, als ein Mann an das Pult neben dem Sarg trat und das Mikrofon ungelenk einstellte. Er trug Uniform. Natürlich tat er das. Und Leif glaubte ihn irgendwoher zu kennen, kam aber nicht auf einen grünen Zweig und sein Ohr hing ohnehin noch irgendwo in diesem Gespräch hinter ihnen fest, als eben dieser Mann dort vorn zu reden begann. "Meine-...Sehr verehrten Kameraden, Freunde und auch Familie des Verstorbenen: Wir haben uns heute hier versammelt, um uns gemeinsam von Staff Commander Odinn MacDarragh zu verabschieden, der nach kurzer, schwerer Krankheit aus dem Leben geschieden ist und uns verlassen hat.", begann der Allianzler. Redet sofort weiter. Leif hörte nur mit einem Ohr zu. Spürte den Druck der anderen Hand auf seiner und lachte dieses verkümmerte, bittere Lachen, als Antwort auf die Worte. Etwas zu laut. Einige Köpfe wandten sich ihm zu. Er sah nur zu Luceija. "Verfickte Scheinheiligkeit.", moserte er ebenso etwas zu deutlich. "Depressionen sind also eine kurze, schwere Krankheit. Wie beschissener Krebs, den irgendein Quacksalber ihm zu spät aus dem Leib geschnitten hat-...Herrgott."


    Sie hielt ihn nicht auf. Normale Menschen hätten einen Ausbruch wie diesen aufgehalten. Hätten versöhnlich reagiert, wären vielleicht auch mit der entsprechenden Person dann wieder nach draußen gegangen, denn, man sah ja, es tat ihm nicht gut und er tendierte dazu, sich laut zu echauffieren. Aber wieder: Sie war nicht normal. Sie beide vielleicht nicht, weil sie seine Hand weiter hielt obwohl sie eben diese Beziehung nicht mehr hatten, nicht einmal mehr wirkliche Freunde füreinander sein konnten, und ihn lamentieren ließ. Verdammt, er hatte ja recht. Dieser Idiot dort vorne, was für ein Gewäsch gab der eigentlich zum Besten? Luci kannte Odinn nicht gut, verdammt, sie interessierte sich, wenn sie ehrlich war, sogar einen Scheiß dafür ob der Ire noch lebte oder nicht -- so erging es ihr mit den meisten Personen -- aber niemand würde vom Himmel oder einer Parallelwelt oder woran auch immer man glaubte herab oder herüber sehen und DAS gut finden. Sagen, oh ja, die Worte waren perfekt. Schwachsinn. "Hör zu, ich versicher dir was..", beugte sich die Sizilianerin leicht zu ihm, flüsterte und sah zu ihm hinauf und direkt in die Augen. "Wenn du vor mir sterben solltest, was - verdammt nochmal nicht passieren wird, okay? Aber FALLS-...dann werd' ich dir das hier nicht antun. Egal wo ich bin, egal was unsere letzten Worte waren, ich versprech' dir: Diesen Schwachsinn da wird keiner ertragen müssen.". Vielleicht war es einigermaßen versöhnlich. Vielleicht hätte sie aber auch besser garnichts gesagt.
    Luceija ist offline

  2. #102
    Provinzheld Avatar von Majonese
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    Zitat Zitat von Majonese Beitrag anzeigen
    Da Rebeccas Vater nach dem Essen zur Arbeit musste, kümmerten sich die beiden Frauen um das Abräumen des Tisches, wobei Rebecca Schwierigkeiten damit hatte das Besteck in die Spülmaschine einzuräumen, da sie die Gabeln immer wieder über ihre Schulter warf. Amaia stellte währenddessen die Reste des Mango Currys in die Abstellkammer neben der Küche.
    "Ach du scheiße!", ertönte ihre Stimme aus dem kleinen Raum, bevor sie zurück in die Küche trat. "Ihr habt da hinten ja genug Essen für einen Monat!"
    "Glaub mir, das hält nicht einmal eine Woche", seufzte Rebecca und legte die Gabeln auf die Anrichte. Vielleicht hatte sie ja bei den Tellern mehr Glück. "Dad verschlingt so viel wie fünf normale Leute."
    "Oder zehn Rebeccas", feixte Amaia und spielte damit auf die winzigen Portionen an, die ihre Freundin für gewöhnlich nur vertilgte. Der Vergleich war allerdings nicht ganz fair, schließlich aß sie selbst auch nicht gerade riesige Mengen.
    Nachdem der Tisch abgeräumt und die Küche wieder sauber war, gingen die beiden nach oben in Rebeccas Zimmer. Draußen herrschte nach wie vor das chaotische Hin und Her zwischen strahlendem Sonnenschein und dichten Wolkendecken, welche alles in ein tristes Grau tauchten. Doch da sie im Haus sicher vor dem kühlen Wind waren, zog Rebecca ihren Poncho aus und legte ihn über die Lehne ihres Schreibtischstuhls.
    "Tut mir leid, dass es ein wenig unordentlich ist", meinte sie über ihre Schulter, als Amaia hinter ihr den Raum betrat. "Hätte ich gewusst, dass du vorbeikommst, hätte ich noch aufgeräumt." Der Zustand ihres Zimmers war zwar nicht unbedingt katastrophal, doch noch immer standen einige nicht ausgepackte Umzugskartons mit Kleidung und anderem Kram herum, ihre Malutensilien waren quer über den Schreibtisch verstreut und auf ihrem nicht gemachten Bett lag ihre Gitarre.
    "Das ist doch harmlos", winkte Amaia mit einem belustigten Schnauben ab. "Du solltest mal mein Zimmer sehen. Mein Stiefvater hat es die letzten drei Jahre als Abstellraum benutzt, da ist alles voll mit seinem Scheiß, wovon die Hälfte wahrscheinlich eh Müll ist. Aber das hier..." Mit einem Ausdruck wachsender Begeisterung schaute sie sich im Zimmer ihrer besten Freundin um. "Wahnsinn! Es sieht alles immer noch genau so aus, wie letztes Mal, als ich hier gewesen bin!" Sie besah sich die Fotos bei Rebeccas Schreibtisch genauer und lächelte über die gemeinsamen Erinnerungen, die dort an der Wand verewigt waren.
    "Fuck off! Nicht alles...hier, schau dir das mal an..." Rebecca fuhr mit ihren Fingern über die Tapete, direkt neben ihrem Bett.
    Amaia beugte sich vor, um genau erkennen zu können, was ihre Freundin ihr zeigen wollte. "Wow! Das warst du?", stellte sie erstaunt fest, als sie die Risse in der Tapete erkannte und man die tiefen Delle in der Wand dahinter erahnen konnte.
    "Jaah, offensichtlich", gab Rebecca mit einem schwachen Grinsen zurück und hielt ihre lädierte Hand hoch. "Die Frage ist nur...warum bist du so hässlich? H-h-h-hässlich! Warum bist du so hässlich?" Die Hitze stieg ihr ins Gesicht. "Tut mir leid, ich wollte nicht..."
    "Ach, Becky, hör auf dich für deine Tics entschuldigen zu wollen", unterbrach Amaia sie ungeduldig. "Du hast es doch so schon schwer genug! Außerdem...du hast ja auch recht damit..."
    "Was? Hey! Nein! Ich finde dich nicht hässlich! Du bist...!"
    "Lass gut sein!"
    Das breite Grinsen auf Amaias Gesicht zeigte Rebecca, dass ihre Freundin sich einen Scherz mit ihr erlaubt hatte. Doch da sie nicht wusste, was sie in ihrer Verlegenheit sagen sollte, übernahm ihr Tourette. "Fuck off!", stieß sie mit entrücktem Gesicht hervor.
    Mit hochgezogener Augenbraue warf Amaia einen Blick auf die Gitarre auf Rebeccas Bett. "Sag mal, hast du versucht darauf zu spielen?"
    Rebecca nickte zur Antwort und ließ sich auf ihrer Bettdecke daneben nieder.
    "Das geht? Mit deinen Tics?"
    "Ja, eigentlich schon", meinte Rebecca und zuckte mit den Schultern. "Wenn ich mich darauf konzentriere, geht es eigentlich. Meine Hand macht mir im Augenblick mehr zu schaffen, wenn ich ehrlich bin."
    "Hey, das ist doch cool! Das heißt ja, dein Tourette kann dir nicht alles wegnehmen", stellte ihre Freundin beeindruckt fest. Sie nahm das Instrument an sich und setzte sich auf den Schreibtischstuhl. "Mal schauen, ob ich auch noch was kann..." Etwas zögerlich fing sie an auf der Gitarre herumzuklimpern. Nachdem sie sich eine Weile mit ein paar einfachen Griffen aufgewärmt hatte, spielte Amaia einen einfachen Rhythmus mit einer simplen Akkordfolge. "Ha! Ich hab's immer noch drauf!", grinste sie.
    Schlagartig fühlte sich Rebecca mehrere Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen.
    Es war einer dieser schönen Sommertage, sie waren gerade von der Schule nach Hause gekommen und weil bald Ferien sein würden, mussten sie sich keine großen Sorgen mehr um Klausuren und Noten machen. Wie so oft hing Amaia bei ihrer besten Freundin herum, um nicht zuhause bei ihrer Mutter sein zu müssen, die wahrscheinlich ohnehin wieder betrunken war. Amaia und Rebecca gingen am Strand spazieren, aßen zusammen, schauten zusammen Filme und Serien, machten zusammen Hausaufgaben oder saßen einfach auf Rebeccas Zimmer, spielten Gitarre und unterhielten sich über alles, was ihnen gerade in den Sinn kam.
    Wahrscheinlich schmiedeten sie gerade Pläne, wo sie in den Sommerferien gemeinsam Urlaub machen wollten, oder Amaia hatte gerade eine coole neue Band gefunden, die sie ihrer Freundin zeigen wollte.
    "Buuuuuuiiiiieeeeh", entfuhr es Rebecca plötzlich lautstark, während sich ihre Nackenmuskeln versteiften und sie ihre Augen zusammenkniff.
    Nein, das hier war nicht das gleiche. Es war toll, keine Frage, nach drei langen Jahren endlich wieder zusammen mit Amaia hier zu sein. Selbst ihre albernen Tics konnten nicht dieses Hochgefühl nicht völlig zerstören. Doch sie erinnerten die junge Frau daran, dass ihre Welt seit einer Weile nicht mehr so sorglos und unbeschwert war. Nun drehte sich für sie alles um ihre Tics, darum, was sie überhaupt noch unbesorgt tun konnte und darum, was sie für einen Schaden anrichten konnte, wenn ihr Tourette die Kontrolle übernahm.
    "We walked these streets like kings, our faces in the wind
    And everywhere we were, we made the city sing
    We sang forever young, we had our fingers crossed
    And when the city sleeps, it dreams of us"

    Als Amaia begann zu singen, schaute Rebecca auf und eine wohlige Wärme breitete sich in ihr aus. Sofort erkannte sie das Lied wieder, es war eines dieser obskuren Stücke, die ihre Freundin vor etlichen Jahren schon aus halb vergessenen Musikepochen ausgegraben hatte. Amaia hatte eine recht tiefe Stimme, was ihrem Gesang eine sehr schöne und gleichzeitig etwas melancholische Note gab. Gebannt lauschte Rebecca dem Lied und bekam dabei nicht einmal mit, wie Amaia hier und da einen Akkord unsauber griff oder einen Ton nicht lange genug hielt. Ohne es zu merken tippte sie mit ihren Fingern im Takt auf ihren Knien herum.
    "Oh, love, it changes shapes; it glows in many shades
    We won't be gone as long as our echoes resonate
    We need no photographs; the past's not only past
    I find us everywhere and that's how the magic lasts"

    Als sie zum Refrain überging und den ersten Akkord schlug, hielt Amaia inne. Der Klang der Gitarre war plötzlich schief. "Ähm...warte.." Ein wenig überfordert probierte sie verschiedene Griffe aus, ohne aber zu finden, wonach sie suchte.
    "Das ist D!"
    "Oh, okay..." Amaia griff um, doch es hörte sich immer noch nicht ganz richtig an. "Heh?"
    "Nein, D Moll!"
    "Ach sag das doch", grinste ihre Freundin und fuhr mit dem Refrain fort.
    "Cause everywhere we've been, we have been leaving traces
    They won't ever disappear
    We were here, we were here, we were really here
    And the rains get rough, but time can't wash us off
    We won't ever disappear
    We were here, it was really love"

    Wieder unterbrach sich Amaia kurz. "Komm schon, lass mich hier nicht so hängen!"
    Rebecca erwiderte das Lächeln nervös, doch sie tat nichts, außer dass sie den Kopf in den Nacken warf und mit zusammengekniffenen Augen einige kehlige Laute ausstieß. Warum sie still blieb konnte sie nicht einmal sagen. Der Rhythmus hatte sie schon lange gepackt und in ihrem Kopf ginge sie den Text schon mit, kannte ihn auswendig und genoss jedes Wort und jeden Ton. Was genau hielt sie zurück? Wovor hatte sie denn Angst? Und dann, gerade als Amaia die nächste Strophe anstimmte, brach es plötzlich aus ihr hervor und sie stimmte mit ein.
    "It's only little things: footmarks and fingerprints, a treasure hunt through town
    It's full of evidence, our monuments are all around
    Everything's on the move; the paint is wet, all colors are new
    But if you look carefully, you'll see us shining through"
    Das Lächeln auf ihren Gesichtern wurde breiter und sie blickten sich an, als ob sie in den Augen der jeweils anderen nach der Bestätigung suchten, dass ihre Freundin dasselbe dachte. Es war wirklich wie früher. Einzigartig. Sie mussten nicht lange üben, um im gleichen Tempo zu sein, mussten sich nicht absprechen, wer welche Stimme sang. Sie taten es einfach und es war perfekt so wie es war. Zumindest in ihrer Welt. Und solange sie hier zusammen in Rebeccas Zimmer saßen, war das die einzige Welt, die wirklich wichtig war.
    "...
    And the rains get rough, but time can't wash us off
    We won't ever disappear
    We were here, it was really love"


    "Tourette Behandlung"
    "Tourette Hirnstimulation"
    "Tourette Hirnstimulation Risiken"
    "Tourette Symptome"
    "Leben mit Tourette"
    "Tics kontrollieren"

    So sahen Rebeccas Extranet-Suchanfragen der letzten Wochen aus. Seit ihrer Notoperation in Wellington, bei der die Mikrochips aus ihrem Kopf entfernt wurden, hatte sie Stunden damit verbracht, auf verschiedensten Webseiten nach Antworten zu suchen. Antworten die ihr die Ärzte in Tauranga nicht hatten liefern können. Natürlich waren die Ergebnisse immer wenig befriedigend gewesen, denn die meisten Diskussionen rund um Tourette im Extranet drehten sich um die Diagnose der Krankheit und die Finanzierung der Operation, bei der die hirnstimulierenden Implantate eingesetzt wurden. Gelegentlich gab es ein paar Anekdoten darüber, wie die Betroffenen bemerkt hatten, dass sie Tics hatten. Viel mehr gab es dort nicht, zumindest nichts aus den letzten Jahrzehnten, seit diese Behandlungsmethode alle bisherigen Therapien restlos ersetzt hatte.
    Rebecca hatte sogar konkret nach Fällen gesucht, bei denen Leute dauerhaft mit Tourette leben mussten, doch sie hatte nichts gefunden, das mit ihrer Situation vergleichbar war. So gab es zum Beispiel Leute, die die Implantierung der Mikrochips ablehnten, da sie schlicht nur sehr wenige und schwache Tics hatten. Laut Dr. Tygan hatte Rebecca aber einen der heftigsten Fälle der Nervenerkrankung, von dem sie je gehört habe. Und offenbar war sie, was das anging, wirklich mehr oder weniger einzigartig.
    Noch immer hatte sie das Gefühl, der einzige Mensch in der Galaxis zu sein, der so mit der Tourette-Krankheit zu kämpfen hatte, ihre Recherchen im Extranet verstärkten diesen Eindruck nur. Denn niemand konnte ihr sagen, wie es wirklich war, mit ihren Tics leben zu können. Es gab praktisch niemanden mehr, der diese Erfahrungen hatte, mit dem sie sich austauschen oder von dem sie Hilfe und Rat bekommen konnte. Alle, die wie Rebecca ihren Alltag mit Tourette hatten bestreiten mussten, hatten vor über einhundert Jahren gelebt.
    Also musste Rebecca bei ihrer Suche weit zurück in die Vergangenheit reisen, in Webseiten und Archive, die schon seit Jahrzehnten kaum noch abgerufen wurden. Manches war auch mehr schlecht als recht erhalten und vor allem half es ihr nur wenig, die Erfahrungsberichte von Leuten zu sehen, die in einer ganz anderen Zeit gelebt hatten.
    Doch seit ihre beste Freundin Amaia vor drei Tagen nach Tauranga zurückgekommen war, hatten sich ihre Suchanfragen stark gewandelt.
    "Gitarre Tutorials"
    "Akkustikgitarre Tutorials"
    "Gitarre Grifftabelle"
    "Popmusik"
    "Popmusik 21. Jahrhundert"
    "Akkordformeln"

    Aus dem Nichts hatte Rebecca eine neue Beschäftigung gefunden. Oder eher, eine Alte. Es war, als hätte Amaia den Funken gebracht, der ihre Begeisterung für das Musizieren wieder entfacht hatte, eine Begeisterung, die sie seit Jahren nicht mehr so gespürt hatte.
    Nicht im Traum hatte Rebecca daran gedacht, ein Lied auf ihrer Gitarre spielen zu können. Natürlich war ihr klar gewesen, dass sie nicht so oft ticcen würde, wenn sie sich auf etwas fokussierte, doch sie hatte völlig vergessen, wie viel Konzentration sie beim Musikspielen benötigte. Sie musste die Akkorde richtig greifen, den Schlagrhythmus halten und gleichzeitig noch auf den Text und ihren Gesang achten. Fast schon kam es ihr unglaublich dumm vor, dass sie das nicht schon viel früher ausprobiert hatte.
    Und jetzt verbrachte sie Stunden damit, in ihrem Zimmer zu sitzen und Stücke zu üben. Zuerst spielte sie die ganzen Lieder, die sie schon vor Jahren zusammen mit Amaia gesungen hatte, wobei sie von einer Welle der Nostalgie begleitet wurde. Dann probierte sie einige neue Stücke aus, suchte sich Akkordtabellen aus dem Extranet und spielte drauf los. Manchmal schlug sie aber auch einfach wild ein paar Akkorde auf und ab, mit zufälligem Tempo und Rhythmus und freute sich über den Klang, den sie auf dem Instrument erzeugte. Sie dachte sich eigene Melodien aus und probierte so lange herum, bis sie in ihren Ohren schön klangen.
    Doch eigentlich war es gar nicht so wichtig, was genau sie spielte. Solange sie irgendeine Melodie klimperte und dazu sang, war sie zufrieden. Immer wenn sie es schaffte, ein Lied von vorne bis hinten ohne Tics zu spielen, war es wie ein gereckter Mittelfinger gegen ihr Tourette und Rebecca genoss jede Sekunde davon.
    Als sie im Erdgeschoss die Haustür ins Schloss fallen hörte, horchte sie auf. Kurz darauf erklangen Schritte und Stimmen, die sich in den Flur bewegten. Rebecca legte ihre Gitarre wieder zur Seite, erhob sich von ihrem Bett und lief zur Tür, um zu lauschen.
    "...kann dir was warm machen, wir haben noch Auflauf übrig."
    "Oh, das klingt gut, ich habe heute praktisch noch gar nichts gegessen..."
    Eilig lief Rebecca die Treppe runter und sah eine Frau Mitte fünfzig mit einem Rollkoffer und einer weiteren Tasche um ihre Schulter gehängt im Hausflur stehen. Sie trug schlichte, aber elegante Alltagskleidung und hatte die langen schwarzen Haare zu einem engen Dutt gebunden.
    "Hey Mom!" Sie trat auf ihre Mutter zu und drückte sie an sich.
    Die ließ die Tasche von ihrer Schulter zu Boden gleiten und erwiderte die Umarmung mit einem freudigen Lächeln. "Na, Becky, alles in Ordnung bei dir?"
    "Klar!" Es war nicht einmal unbedingt eine Lüge, zumindest nicht in diesem Augenblick. "Und, wie wars?"
    "Anstrengend! Aber ansonsten lief es sehr gut..."
    Verena Lynge wirkte mit ihrer schlanken Statur und ihrer durchschnittlichen Größe wenig beeindruckend, doch obwohl ihr Gesicht ein wenig eingefallen aussah, als ob sie seit einigen Tagen nicht genug Schlaf bekommen hätte, ging von ihr eine ungewöhnliche Kraft aus. Der Blick ihrer braunen Augen war aufmerksam und als sie einen Schritt zurücktrat und ihre Tochter musterte, runzelte sie besorgt die Stirn.
    "Was hast du denn an deiner Hand?"
    "Fuck off! Ach das...das ist nur halb so wild..."
    "Was ist passiert?"
    Unangenehm berührt hob Rebecca ihre rechte Hand ein wenig vor sich. Mittlerweile hatte sie einen dicken Verband um ihr Handgelenk und darüber hatte sie einen fingerlosen Wollhandschuh aus schwarzem Stoff gezogen, um ihre Knöchel zu verdecken. Da der Handschuh nicht völlig verschlossen war, konnte man durch die lockeren Maschen die dunkel verfärbte Haut erkennen. "Ich habe einen Tic, bei dem ich immer wieder gegen die Wand bei mir im Zimmer schlage", murmelte sie verdrossen. "Schon seit einigen Tagen..."
    "Wollt ihr nicht erstmal essen kommen?", ertönte die Stimme ihres Vaters aus dem Wohnzimmer, nachdem er die große Schale mit Kartoffelauflauf zum Aufwärmen in den Ofen gestellt hatte und nun den Tisch deckte.



    Rebecca war nicht unbedingt begeistert davon, dass sie erstmal von ihrer Hand erzählen musste, immerhin hatte sie das Thema in den vergangenen Tagen mit Amaia, ihrem Vater und den Ärzten im Tauranga Gesundheitszentrum zu Tode geredet. Doch natürlich wollte ihre Mutter wissen, ob es ihr gut ging.
    "Es sieht schlimmer aus, als es ist", erklärte Rebecca, als sie mit ihren Eltern am Tisch saß. "Ich muss nur aufpassen, dass ich die Hand nicht zu sehr belaste."
    "Hm..." Ihre Mutter musterte den Verband noch immer kritisch.
    "Ach, Mom, es ist wirklich nicht so wild!", sagte Rebecca hastig, bevor ihre Mutter sich weiter Sorgen machen konnte. "Nur eine Kleinigkeit, in einer Woche ist das wieder verheilt. Ich kann meine Hand auch ganz normal bewegen und so..." Ihre Worte mochten ein wenig seltsam wirken, schließlich musste sie sich beim Essen fast seitlich zum Tisch setzen, um ihrem Tourette keinen Grund zu geben, wiederholt mit ihrer Hand auf den Tisch zu schlagen. Denn das war eine Art von Belastung, die sie sich im Moment nicht erlauben konnte. Doch ansonsten stimmte, was sie sagte, ihre verletzte Hand schränkte sie lange nicht so sehr ein, wie es ihre Tics ansonsten ohnehin schon taten.
    "Und jetzt erzähl mal, wie lief euer Event?", wechselte Rebecca das Thema.
    Ihre Mutter lehnte sich ein wenig zurück und lächelte zufrieden. "Oh, das war recht gut. Ausnahmsweise lief einmal alles nach Plan und die Resonanz war auch ziemlich positiv."
    Erst vor drei Tagen hatte die Firma von Rebeccas Mutter, Nashan Stellar Dynamics auf einem großen Event ihr erstes eigenes Skycar-Design angekündigt. Als Leiterin der Abteilung für Marketing und PR war die Planung, Vermarktung und Durchführung des Events, sowie die Abhandlung des darauffolgenden Medienechos ihre Verantwortung. Daher war es auch wenig überraschend gewesen, dass sie für zwei Wochen nach California gereist war, um der Veranstaltung beizuwohnen, bei der das Skycar vor einer großen Menge jubelnder Auto-Enthusiasten vorgestellt worden war.
    Rebecca hatte zwar nicht den Livestream des Events verfolgt, sich im Nachhinein aber Videoclips der Präsentation im Extranet angeschaut und auch wenn ihr die an Fanatismus grenzende Begeisterung mancher Leute für ein fliegendes Auto noch immer ein wenig befremdlich war, erfüllte sie es dennoch mit Stolz zu wissen, dass hinter all dem die harte Arbeit ihrer Mutter steckte. Natürlich war sie es nicht gewesen, die das Fahrzeug designt oder bei der Präsentation live auf der Bühne gestanden hatte, doch sie hatte schon seit Monaten mit der Koordination hunderter kleiner und großer Aufgaben rund um das Event hinter den Kulissen zu tun gehabt und letztlich war der Erfolg des Ganzen auch ihr Verdienst.
    Eine Weile erzählte ihre Mutter von der Veranstaltung selbst und ließ auch nicht einige kuriose Anekdoten über andere Dinge aus, die ihr auf ihrer Reise widerfahren waren.
    "Als ich in meinem Hotel in San Diego einchecken wollte, gab es gerade ein riesen Aufruhr wegen einer Asari, die wohl Ärger gemacht hatte. Weiß nicht genau, was genau passiert war, aber sie muss wohl betrunken angefangen haben, mit ihrer Biotik Sachen durch die Gegen zu werfen."
    "Das klingt ziemlich übel", warf ihr Mann mit einem Stirnrunzeln ein. Sein Blick wanderte zwischendurch immer wieder in Richtung des Holo-Displays an der Wand nahe der Tür, wo unter anderem die Uhrzeit angezeigt wurde. Er musste bald wieder an die Arbeit.
    "Sie hat wohl niemanden verletzt", stellte sie klar und zuckte mit den Schultern. "Aber natürlich gab das einen Riesenärger, die wollten sie rausschmeißen und sie hat sich geweigert zu gehen, hat groß in der Lobby herumgezetert."
    Bei dem Gedanken daran, was jemand mit biotischen Kräften anrichten konnte, schüttelte sich Rebecca ein wenig. "Das ist irgendwie gruselig..."
    "Naja, der Chef von dem Hotel hat mit der Polizei gedroht und dann hat sie klein beigegeben."
    "Ich habe eine Waffe!", rief Rebecca auf einmal und zielte mit einer Fingerpistole und entrücktem Gesichtsausdruck auf den Teller vor ihr. "Ich habe...ich habe...ha-ha-ha-haaaa...hey! Ich habe hey! Ich habe hey!"
    Auf ihren lautstarken Tic folgte ein kurzes Schweigen.
    "Sag mal, wie kommst du..."
    "Buuiieeeehhhh!"
    Ihre Mutter ließ sich nicht beirren, auch als ihre Tochter wild den Kopf schüttelte. "Wie kommst du eigentlich mit deinen Vorlesungen hinterher? Klappt das mit dem Heimstudium?"
    "Ach das..." Rebecca rieb sich den schmerzenden Nacken ein wenig. "Also, um ganz ehrlich zu sein...ich habe nicht mehr so viel gemacht. Ich denke schon darüber nach, bis zum Endes des Semesters aufzuhören."
    "Du willst abbrechen?" Überraschung lag in der Stimme ihrer Mutter.
    "Jaah...ich denke schon..."
    "Und weißt du schon, was du stattdessen machen willst?"
    "Ähm...ehrlich gesagt noch nicht. Ich glaube aber nicht, dass ich jetzt noch Lehrerin werden kann. Im Ernst, wie soll ich denn mit meinen Tics jemals unterrichten?"
    Ihre Mutter hob eine Augenbraue und runzelte die Stirn. "Und woher willst du das denn wissen? Hast du es denn schon versucht?"
    "Was? Was soll das heißen? E-e-e-es heißt nichts! Es heißt nichts! Gar nichts! Hey! Fuck off!" Rebecca stieß ein leichtes Schnauben aus. "Schau dir das doch an, Mom, ich kann kaum drei Sätze sagen, ohne zu ticcen."
    "Ich glaube trotzdem nicht, dass das eine gute Idee ist, dein Studium abzubrechen", meinte ihre Mutter abschätzig. "Du solltest lieber erstmal dranbleiben, bis du etwas anderes gefunden hast. Dann kannst du dich immer noch umentscheiden."
    "Du glaubst doch nicht, dass ich mich mit meinen Tics in die Vorlesungen oder die Workshops setzen kann!"

    "Wieso nicht?"
    Ein wenig ungläubig schaute sie ihre Mutter an. "Was glaubst du, wie mich alle angaffen würden? Die würden mich für verrückt halten."
    "Und dich hier zu verkriechen und gar nichts zu machen, ändert nichts daran. Wenn du den Leuten von deinem Tourette erzählst und ihnen erklärst, was es ist, werden sie sich schon daran gewöhnen."
    "Das sagt sich so leicht", gab Rebecca zähneknirschend zurück.
    "Mir ist klar, dass es nicht einfach ist, aber was bleibt dir denn anderes übrig? Du weißt, deine Tics verschwinden nicht einfach so."
    Darauf hatte Rebecca keine Antwort. Nein, ihr blieb auf lange Sicht wirklich nichts anderes übrig, sollte sich ihre Krankheit nicht irgendwie behandeln lassen. Doch genau das war der Punkt; noch immer weigerte sich Rebecca einzusehen, dass man nichts gegen ihr Tourette machen konnte. Sie hegte weiterhin diese vage Hoffnung, dass man doch noch etwas fand, was ihre Tics unterdrücken konnte. Oder zumindest einschränken. Irgendwas. "Aber was, wenn die Ärzte doch noch eine Therapie finden, die funktioniert? Warum glaubst du habe ich jede Woche einen Termin bei Dr. Tygan?"
    "Also ist das dein Plan? Rumsitzen und auf eine Wunderheilung warten?"
    Rebecca spürte Ärger in sich aufsteigen. Ihre Mutter hatte einen wunden Punkt getroffen. Denn irgendwie war es genau das, was Rebecca seit Wochen tat. Nur sah sie gleichzeitig auch keine Lösung dafür am Horizont. "Ich glaube halt einfach nicht, dass es sich lohnt, weiter zu studieren", grummelte sie.
    "Du brauchst etwas für deine Zukunft und zwar besser früher als später. Aber du kannst nicht alles einfach so hinzuschmeißen, weil es gerade ein wenig schwieriger ist!"
    "Ein wenig? Glaubst du, ich habe noch nicht darüber nachgedacht, was ich mit diesen verdammten Tics noch anfangen soll?", entrüstete sich Rebecca und funkelte ihre Mutter an. "Jedes Mal, wenn ich meine Hand gegen die Wand schlage, denke ich darüber nach! Aber es ist halt nicht so einfach! Willst du mich etwa rausschmeißen, wenn ich bis nächsten Monat keinen Job habe?"
    "Das reicht jetzt!", fuhr Rebeccas Vater dazwischen, bevor seine Frau etwas erwidern konnte. Er schaute seine Tochter streng an. "Red' nicht so einen Quatsch! Natürlich werfen wir dich nicht raus", ermahnte ihr Vater sie. Dann wandte er sich seiner Frau zu. "Und du kannst von Rebecca nicht erwarten, dass sie von jetzt auf gleich einen perfekten neuen Plan für ihre Zukunft hat!"
    "Aber ich sage doch nur..."
    "Schatz, ich weiß genau, was du sagst und ich denke, dass es Blödsinn ist! Sie braucht mehr Zeit, um sich an all das hier zu gewöhnen. Wir alle tun das!"
    "Du glaubst doch nicht etwa, dass es ihr irgendetwas bringt, sich ewig zu verkriechen!"
    "Das habe ich auch nicht gesagt."
    "Genau darum geht es doch...!"
    Während ihre Eltern weiter diskutierten, fühlte sich Rebecca irgendwie verloren. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und ihre Gedanken schwirrten wild durch ihren Kopf. Rebecca wunderte sich selbst ein wenig darüber, wie sie ihre Mutter angefahren hatte. Gleichzeitig hatte sie aber das Gefühl, ihre Mutter verstand einfach nicht, was sich seit der Operation in Wellington für sie alles verändert hatte.
    Ein wenig ziellos ließ sie ihren Augen umherschweifen. Dabei fiel ihr Blick auf das halbvolle Glas mit Wasser, das vor ihrer Mutter auf dem Tisch stand und sofort wusste sie, was kam. Doch wie immer reichte die Erkenntnis über das was passieren würde nicht aus, um es zu verhindern.
    "Hey!" In einer ruckartigen Bewegung beugte sich Rebecca vor und stieß mit der flachen Hand das Glas vom Tisch.
    Majonese ist offline

  3. #103
    Waldläuferin Avatar von Natsch
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    Dalan Qin

    "Schätze mal Bryna wird gebraucht als zusätzlicher emotionaler Support." fügte er ihrer humorvollen Bemerkung hinzu.
    Er legte den Arm um sie, als er spürte wie sie sich an ihn lehnte.
    "Warst du Mal bei einer Schießerei?" fragte sie ihn plötzlich.
    Zögerlich sah er zurück in ihre Augen.
    "Bei mir waren es eher......physische Auseinandersetzungen, mit denen ich zu tun hatte." antwortete er, das Geschehene so "blumig" es ging umschreibend.
    "Aber ja..... habe zwar nie eine begonnen und habe auch immer nach Möglichkeit versucht so schnell wie möglich abzuhauen.....aber ich habe auch ein paar Schießereien miterlebt."
    Wie hätte er auch nicht können. Schusswaffen spielten in sämtlichen kriminellen Milieus eine größere oder kleinere Rolle, egal wo und wie.
    "Um ehrlich zu sein....ich habe sogar noch eine Pistole. M-3 Predator. Allerdings keine Munition mehr......ich habe Schusswaffen immer gehasst. Aber irgendwie konnte ich mich nicht dazu durchringen, sie loszuwerden. Nenn es Sentimentalität...."
    Auch wenn er nicht mehr in alte Muster zurückfallen wollte, so war seine Vergangenheit doch immer noch ein Teil seines Selbst und machte ihn aus. Weshalb er sich wohl auch zumindest ein paar Erinnerungsstücke daran behalten wollte.


    So wie Peyton ihre beiden Kollegen kannte, würden sie wahrscheinlich doch nicht mehr den Weg hierher finden, sondern das Überleben Jon's auf eine andere Art und Weise feiern. Und Peyton gönnte es ihren emotional komplett unbeholfenen Freunden, auch wenn sie hoffte, dass sie manchmal mehr reden würden als miteinander zu schlafen. Dann würde es auch nicht so komische Missverständnisse geben, wenn man einmal zusammen unterwegs war und fremd geflirtet wurde. Beide hielten nicht viel von Exklusivität. "Wahrscheinlich, Minus und Minus ergibt bekanntlich Plus.", amüsierte sich also die 22-jährige, spürend wie langsam die Anspannung von ihr wieder abging. Die Anwesenheit des Turianers, seine Wärme und sein Geruch, gaben ihr ein angenehmes Gefühl der Sicher - und Geborgenheit.
    Das Thema, dass sie dann ansprach war kein angenehmes, aber eines was sie durchaus interessierte. Zwar hatte sie aufgrund seiner Herkunft eine vorgefertigte Meinung, aber das was er bisher von seinem Leben erzählt hatte, ließ es sie dennoch vermuten. "Physisch? Wie Kneipenschlägereien?", fragte Peyton nach, den Blick des Gleichaltrigen offen erwidernd. Sie erinnerte sich noch daran, wie ihr Bruder einmal mit einem blauen Auge nach Hause gekommen war. Schlägerei im Purgatory. Sowas schickte sich für einen Allianz-Militär natürlich nicht, aber man wurde nicht immer gefragt, wo man hinein gezogen wurde. Das Dalan tatsächlich in mehreren Schießereien verwickelt gewesen war, erschreckte Peyton dennoch ein wenig. Ihre Hand griff automatisch nach seiner. "Hattest du keine Angst? War das.. 'normal'?", fragte die Brünette nachdenklich. Mehrere Schießereien... sie war schon froh, das sie die eine nicht miterlebt hatte.
    Ihre braunen Augen wurden groß, als der rote Turianer sagte, dass er sogar noch eine Waffe besaß. Sie selbst war Waffen 'gewohnt', ihr Vater hatte früher oft eine getragen und ihr Bruder hatte auch die ein oder andere Waffe, aber die beiden gingen einem anderen Beruf nach als ihr Freund. "Sentimentalität? Ein Erinnerungsstück?", eine ihre feinen Augenbrauen hoben sich und sie musterte Dalan einen Moment nachdenklich. "Hast du damit einmal jemanden getötet?", ihr wäre irgendwie nie in den Sinn gekommen, dass Dalan tatsächlich jemanden getötet haben könnte. Sowas passte nicht in ihr Weltbild.
    WE BURN AND WE PLAYED, WE TRY TO FORGET
    BUT THE MEMORIES LEFT ARE STILL HAUNTING
    THE WALLS THAT WE BUILT FROM BOTTLES AND PILLS
    WE SWALLOW UNTIL WE'RE NOT TALKING
    I - I AM A MAN ON FIRE
    YOU, A VIOLENT DESIRE

    Natsch ist offline

  4. #104
    Drachentöter Avatar von numberten
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    Niall O'Grady

    Wie ein Paukenschlag fiel ihr letztes Wort. Der Rothaarige musste sich zusammenreißen, das Steuer in diesem Moment nicht ungewollt zu weit nach links zu schwenken. Für einige Momente sagte er gar nichts mehr. Sein Inneres drehte sich. Doch schließlich schaffte er es, sich innerlich zu sammeln. Es war wohl bloß eine Frage der Zeit gewesen.
    >>So.<< begann er dann langsam zu antworten. >>Also wissen Sie es.<<
    Es zu leugnen war sinnlos.
    >>Also sind Sie nicht alleine hier Nisha.<<
    Das hatte sie garantiert nicht selbst rausgefunden. Jemand hatte ihr geholfen. Und er ahnte schon, wer es war.
    >>Wieso kommen Sie dann nicht und zeigen sich?<<

    ***

    "Scheint so als würde Joey es wirklich nicht rechtzeitig schaffen. Dann müssen wir ohne ihn anfangen."
    Claude gab den Jungs ein Zeichen ihm zu folgen.
    Tatsächlich waren ihre potenziellen Partner bereits vor Ort. Und es waren mehr als gedacht.
    "Euch hat Golden Mask geschickt?" fragte einer der offensichtlichen Rädelsführer.
    "Hätte gedacht Unterhändlern würde ein wenig mehr Wert zugesprochen werden."
    Er schnaubte leise, überging die Beleidigung aber. "Golden Mask will erst einmal überhaupt wissen, was ihr uns anzubieten habt. Viele Leute wollen sich uns anschließen. Was qualifiziert euch besonders?"


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    Rose Peresa'an & Nisha Kadam

    Maskenmann aka Niall O'Grady

    Hudson drückte sich gegen die Wand. Obwohl es sich um eine verzerrte Stimme handelte, war sich der Detective sicher, dass es sich um den jungen Iren handelte. Nisha Kadam – ob aus Intuition oder Unsicherheit – sagte nichts und schaute auch nicht in die Richtung, in der Hudson sich verborgen hielt. Der Detective schaute zu Ilias und Peresa’an. Er schüttelte den Kopf, aktivierte seinen Funk und murmelte.
    Zwecklos, denke ich. O’Grady ist nicht hier und klingt nicht so, als wäre er nicht zum Gespräch bereit.“ Der Unterton des Maskenmanns verriet, wie sauer er war, wie verraten er sich von Kadam fühlte. Es hätte keinen Sinn, ihm noch einen Grund für das eigene Misstrauen zu geben, wenn er sich außerhalb des Zugriffs der Behörde befand.
    Was sagen Sie, Detective Peresa’an?
    Hanna berührte die Asari am Arm. In ihrem Gesicht spiegelte sich derselbe Zweifel wider, den sie auch bei der Asari zu erkennen glaubte.
    Wie weit ist die Ortung?“ Ihre Gedanken gingen zu Bomben, Präzisionsgewehren oder sonstigen Möglichkeiten die „Verräter“ Kadam und Hudson auszuschalten, sobald O’Grady die Gelegenheit bekam. Die digitalen Marker, die O’Grady seit Beginn des Gesprächs sendete musste eigentlich wie ein Leuchtfeuer brennen.


    Rosere hörte sowohl Hudson, als auch Hanna zu und aktivierte dann mit einem kurzen Nicken ihren Kommkanal.
    "Ungefähr, fünf Minuten Flugzeit von unserer Position. Berechnen gerade die Flugroute, das Fahrzeug scheint sich aber in unsere Richtung zu bewegen.", wurde ihre Frage beantwortet.
    "Er wird doch nicht so dumm sein..", murmelte sie nachdenklich und wechselte zu dem Kanal der Inderin. Der Ire hatte den Vorteil sie in die Irre geführt zu haben, jedoch war er nach Hudsons Aussage mehr als instabil. Gut möglich das er die Konfrontation suchte oder eine andere Art Zeichen setzen wollte um seinen Standpunkt zu verdeutlichen.
    "Kadam, er scheint sich unserer Position zu nähern. Und unter Umständen könnte er Sprengstoff auf der Etage deponiert haben. Brechen sie ab und vermeiden sie es in einem freien Schussfeld zu stehen. Wir wissen nicht was er vorhat.", sagte sie zur Inderin, deren Audioimplantat verhindern würde das Niall mithören konnte. Es war sowieso ein Wunder das die Beiden sich so gut unterhalten konnte. Aber das Geld für die Technik hatte er immerhin nicht in Waffen umgesetzt.

    "Sie haben recht wir wissen es. Leute denen ihre Arbeit, ihr Eid mehr bedeuten haben sich ihrer Verantwortung gestellt. Etwas wozu sie wohl nicht mehr in der Lage sind. Leider."
    , erwiderte sie mit Bedauern und schüttelte leicht den Kopf. Ihre Körperhaltung straffte sich sofort wieder.
    "Aber ich muss sie enttäuschen, ich habe keinen Überraschungsgast den ich ihnen präsentieren kann. Die einzige Person auf dieser Etage bin ich, weswegen es auch wohl auch keinen Sinn macht weiter hier zu verweilen. Ich hatte gehofft sie würden die Chance wahr nehmen, diese Sache friedlich zu beenden. Ohne weiter zu eskalieren und ihren Berufsstand weiter zu beschmutzen. Jedoch, im freien Fall gibt es wohl nur eine Richtung. Abwärts!", fügte sie an und bekam in diesem Moment Rose Funkspruch auf. Es war eh Zeit zu gehen.
    "Leben sie wohl Niall. Wenn sie das sind was sie von sich denken muss ich mir wohl keine Sorgen machen nach Hause zu gehen. Und falls nicht...nun einer mehr auf ihrer Liste, nicht wahr?", verabschiedete sie sich nachdenklich und ging langsam aus dem Licht der Beleuchtung in den Schatten.
    numberten ist offline

  5. #105
    Ritter Avatar von Khardim
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    Sam
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    Zitat Zitat von numberten Beitrag anzeigen
    Jane Sam

    Der Admiral entließ Werner und Jane aus dem Kommandoraum, vermutlich um in aller Ruhe das Fallbeil über den Captain schnellen zu lassen.
    Auch die Admiralität brauchte wohl immer einen Sündenbock. Hätte der Captain anders gehandelt und die Columbia wäre zerstört worden, würde man jetzt wohl einfach eine Plakette auf irgendeine Ehrenwand kleben. In allen Belangen die schlechtere Alternative.
    "Tja, das war so angenehm wie eine Wurzelbehandlung. Mit dem kleinen Unterschied das keinen Nutzen hatte.", meinte er an Jane gewandt nachdem sie etwas Abstand zur Tür gewonnen hatten. An sich waren solche Konferenzen natürlich sehr erhellend für ihn, zeigten sie doch sehr gut die Schattenseiten der Offiziers-Karriere, das "Den Kopf hinhalten".
    "Na ja, wenn die noch einigermaßen Hirn da oben haben, sollten die Konsequenzen für den Captain überschaubar sein.", sagte er dann in einer Art Zweckoptimismus. Sicherlich würde man dafür kein Kriegsgerichtsverfahren anstreben.

    "So genügend, Kaffekränzchen Neumann. Es geht weiter, Dienst nach Vorschrift.", rief ihm Macnab zu nachdem der Führungsstab ohne Captain und Commander den Konferenzsaal verließ. Er Gesicht zeigte nicht unbedingt große Begeisterung, aber dennoch ihr übliches Grinsen.
    "Ach ja, Cohen. Ich habe Russo damit beauftragt ihre Rüstung mit Schubdüsen zu modifizieren, damit sie nicht wieder wie ein Sack Kartoffeln in der Schwebe hängen müssen. Sobald das fertig ist schickt sie Torres zu uns, damit Sergeant Pun sie fit machen kann. Wir wollen ja nicht das sie sich damit umbringen.", meinte sie noch kurz wohlwollend an die Technikerin gewandt, bevor sie dann Richtung Fahrstuhl stiefelte, Werner zu verstehen geben ihr zu folgen.


    ,,ICH KOTZE!“, tönte es aus dem IT-Arbeitsraum, gefolgt von einem lauten Scheppern. Jane, die gerade am Schott zu dem Raum vorbei ging, hielt inne, folgte dann aber ihrer Neugier und schaute hinein.

    Amar saß mit angewinkelten Beinen auf dem Boden, den Rücken gegen ein Regal gelehnt und die linke Hand an der Stirn. Die rechte führte in kurzen Intervallen eine Zigarette zu seinem Mund.
    Jane vergewisserte sich mit einem Blick über die Schulter, dass niemand anders zugegen war, der diesen Verstoß gegen die Bordordnung mitbekommen konnte und schloss dann das Schott. Amar, vom Geräusch aufgeschreckt, bemerkte sie erst jetzt und versuchte hektisch, die Kippe zu löschen, wobei er sich den Handrücken verbrannte.


    ,,Aua … Kacke!“, fluchte er und hielt sich die Hand.
    Jane machte eine beschwichtigende Geste. ,,Alles gut bei dir?“
    Amar ließ ein frustriertes Seufzen hören und schüttelte den Kopf. Er zeigte auf die Ansammlung von Bildschirmen an einem der Arbeitsplätze.
    ,,Diese Alien-Software, mit der der Roboter läuft, den ihr mitgebracht habt, ist komplett Banane. Funktioniert nach keinem nachvollziehbaren Prinzip!“, wetterte er los und gestikulierte entsprechend.
    ,,Ich dachte der Roboter bräuchte einen aktiven Link zur Bord-V.I. um funktionieren zu können?“, fragte Jane und schaute zum leblosen Körper der Maschine, die an den Arbeitsplatz angeschlossen war.

    Amar stand auf und bedeutete Jane mit einem Kopfnicken, zu ihm zu kommen. Er deutete auf die Bildschirme: ,,Im Prinzip hast Du Recht, aber die Plattform braucht eine gewisse Basis, auf die die V.I. zugreifen kann, um Kontrolle auszuüben. Kopf und Gliedmaßen bewegen und so, verstehst du?“
    Jane nickte, während Amar auf mäandernde Zeilen von Code auf einem der Bildschirme zeigte.
    ,,Diese Basis zu finden war überhaupt kein Problem, aber seit dem geht hier nichts mehr voran. Ich komme mir vor, als würde die Software mich verarschen!“, erklärte er.
    ,,Passagen, auf die ich eben noch zugreifen konnte, sind im nächsten Moment einfach weg. Nicht verschlüsselt oder zugriffsgeschützt, sondern einfach weg. Und wenn, oder besser falls sie dann wieder auftauchen, hat sich der Inhalt verändert: Andere Zuordnungen, komplett andere Objekte im Container und so weiter. Ich habe so etwas noch nicht erlebt.“
    ,,Und wenn das die Methode der Verschlüsselung ist, die von den Aliens benutzt wird?“, schlug Jane vor.
    ,,Wehrt Eindringlinge nicht nur ab, sondern demütigt sie auch noch. Klingt ziemlich effektiv, finde ich.“

    Amar ließ ein freudloses Lachen, eher ein Schnauben hören und schüttelte den Kopf. ,,Mag sein, vielleicht spielen die 4D-Schach mit mir, ohne das ich es merke. Oder ich bin einfach dumm und unfähig“, mutmaßte Amar und wandte sich von den Bildschirmen ab.
    ,,Oder beides“, ergänzte Jane und zuckte unschuldig mit den Achseln.
    Amar lachte. ,,Das kann natürlich auch sein, richtig.“
    Seine Laune schien sich deutlich gebessert zu haben.

    ,,Wie kommst du eigentlich hier her, Cohen? Suchst du was Bestimmtes?“, wechselte er das Thema.
    ,,Ich war eigentlich auf dem Weg zu den Quartieren der Marines, als ich dich habe Fluchen hören. Ich hatte befürchtet, du hättest den V.I.-Overlord entfesselt und wollte zu deiner Rettung eilen, damit du nicht bis in alle Ewigkeiten hier sitzen und alle Nachkommastellen von Pi berechnen musst“, erklärte Jane und gab ihr Bestes, um ihr ernstes Gesicht aufrecht zu erhalten.
    ,,Vermutlich hast du eher unseren V.I.-Overlord davor bewahrt, von mir aus der nächsten Luftschleuse gejagt zu werden, aber ich erkenne deine ehrbare Absicht“, gab Amar grinsend zurück.

    ,,Und was suchst du bei den Marines? Deine neuen Buddies, seit ihr zusammen im Event-Horizon-Remake mitgespielt habt?“
    ,,Event Horizon?“, fragte Jane stirnrunzelnd.

    Amar seufzte, setzte zu einer Erklärung an und ließ es dann doch auf sich beruhen.

    ,,Vergiss es. Also: Die Marines?“
    ,,Einer von denen will mir zeigen, wie ich die neuen Steuerdüsen benutzen kann, die sie mir an die Rüstung gebaut haben. Ich lerne fliegen!“, erklärte Jane und grinste.
    ,,Ach, sie werden so schnell erwachsen…“, seufzte Amar und bedachte Jane mit seinem besten Papa-ist-stolz-auf-dich-Blick, den Jane mit einem liebevoll ausgestreckten Mittelfinger quittierte, bevor sie den IT-Raum verließ.


    *


    ,,Um zwei Prozent erhöhen, nicht um zwanzig!“, schimpfte Pun und reichte Jane eine Hand, um ihr aus dem Stapel Mako-Reserveräder herauszuhelfen, in den die neuen Steuerdüsen sie soeben geschleudert hatten.

    ,,Alles in Ordnung?“, fragte er, während er Jane mit den Augen auf offensichtliche Verletzungen hin absuchte.
    ,,Ich kann fliegen“, murmelte Jane grinsend über das Klingeln in ihren Ohren und den leichten Schwindel hinweg, während Adrenalin und Dopamin sich ein Wettrennen in ihrem zentralen Nervensystem lieferten.

    ,,Ja, so wie eine Kanonenkugel fliegen kann. Und mit vergleichbarem Effekt!“, kommentierte Adam das Geschehen. Jane und Pun hatten sich den Montagebereich für die Einsatzfahrzeuge, Adams Reich, zum Üben ausgesucht. Kein Raum an Bord hatte höhere Decken und mehr Platz als die weitläufige Werkstatt, in der sogar eine Hebebühne für gepanzerte Radfahrzeuge zur Verfügung stand.

    Pun schüttelte den Kopf. ,,Die Schubdüsen sind zur Navigation in der Schwerelosigkeit gedacht. Wenn du dauerhaft so viel Schub darauf gibst, dass du gegen die Schwerkraft damit abheben kannst, ist die Energie in wenigen Minuten aufgebraucht.“

    ,,Willst du damit sagen, ich bin fett?“, fragte Jane spöttisch und stemmte die Hände in die Hüften.

    Pun rang sichtlich um Fassung, während Adam hinter einem Regal verschwand, damit Pun sein Grinsen nicht sehen konnte.
    ,,Ich will damit sagen, dass du mit den Düsen besser keinen Sturmangriff anführst, weil Dir zu früh der Sprit ausgehen würde und du beim nächsten Ausfall der Schwerkraft wieder wie ein Heliumballon unter der Decke hängst“, erklärte Pun sachlich, ohne auf Janes neckische Provokation einzugehen.
    Die Technikerin seufzte theatralisch und reduzierte den Schub auf den Düsen auf das von Pun empfohlene Maß. Ein weiterer Testlauf erbrachte zwar nichts weiter als das Gefühl von Leichtigkeit in den Füßen und einen zufriedenen Gesichtsausdruck auf Puns Gesicht, aber immerhin bewahrte die Folgsamkeit sie davor, am Ende vielleicht noch Reifen sortieren und stapeln zu müssen.
    Zitat Zitat von BlackShial Beitrag anzeigen
    Khardim ist unser Äquivalent für Brüste oder eben Hintern.
    Schön anzusehen und man denkt gern daran
    Khardim ist offline

  6. #106
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    Werner Neumann

    Jane Cohen

    Wir sollten uns nicht mehr so oft sehen“, sagte Liz‘ Duong. Die Halb-Kambodschanerin drehte sich auf den Bauch. Das weiße Laken, das sie bis zu den Achseln hochgezogen hatte, hüllte sich um sie wie ein elegantes Ballkleid und rutschte von ihren Füßen. Liz kreuzte die nackten Waden und schaute Fraser vom schmalen Bett der Koje her mit belustigter Miene an.
    Hast du gehört, was ich gesagt habe?“, fragte sie und schaute zu, wie der Schotte sich die Jeans hochzog und seinen Reißverschluss verschloss. Der Schotte bejahte, worauf sich Liz wieder auf den Rücken drehte. Er wusste, dass sie es nicht ernst meinte. Sie wollte bloß reden um des Redens Willen. Seichter, post-koitaler Smalltalk.
    Nicht, dass die Crew mal etwas mitbekommt und zu reden anfängt“, seufzte die Waffenwartin, die in diesen paar Quadratmetern von Privatsphäre ihren weichen Kern offenbaren mochte.
    Darüber würde ich mich keine Sorgen machen“, kommentierte Fraser. Derlei Gerüchte hätten für ihn keine Bedeutung. Vermutlich war Liz schlauer als er, denn wer weiß, was die Winkeladvokaten der Allianz auf Geheiß von Captain Mitchell zusammendichten mochten, wenn eine so geartete Beziehung ans Licht kam. Im schlimmsten Falle gäbe es für ihn einen Klaps auf die Finger.
    Wo wohnst du eigentlich?“, sprach Liz weiter und übte sich darin, die Decke mit ihrem Augenaufschlag zu betören.
    Überall“, antwortete der Schotte wahrheitsgemäß. Den Großteil des Jahres war er tatsächlich faktisch überall und nirgends. „Ich habe eine Wohnung auf der Arcturus-Station gemietet. Oft bin ich da aber nicht.
    Die würde ich gerne mal sehen.
    Fraser lachte. Seine Wohnung hatte etwas von Studentenwohnung. Ein altes, eigentlich auseinanderfallendes, aber urgemütliches Stoffsofa mit Echtholzrahmen bildete gewissermaßen den Nukleus der Junggesellenwohnung. Hunderte Bücher stopften überquellende Regale voll, braune Ledersessel, ein King-Size-Bett und Kunstdrucke an den Wänden, gemischt mit allem möglichen Kram, den seine Ex-Frauen und Kinder ihm entweder überlassen oder geschenkt hatten. Bei erstgenannten Gebern handelte es sich vermehrt um Geschenke in Form von Lampen, Tellern oder so etwas nutzlosem wie gewebten Tischtüchern; bei zweiteren um selbstgemalte Bilder oder mal etwas gebasteltes. Trainingsgeräte wie ein Ruderzug, Kettlebells oder die Hantelbank sowie der übertrieben große Fernseher mit mehreren Spielekonsolen rundete das Bild eines Alleinstehenden komplett ab.
    Ich glaube nicht, dass es dir gefallen würde“, sagte Fraser und meinte es auch so. Liz schmollte.
    Willst du mich dort etwas nicht haben?
    „Das habe ich nicht gesagt.“
    Aber…?
    Fraser drehte sich um und sah der Waffenwartin in die braunen Augen.
    „Ich glaube nicht, dass es dir gefallen würde.“
    Da wartete aber keine andere Frau auf dich, oder?“, setzte die Nackte spitzfindig nach.
    Ich bin zweimal geschieden. Dieser Job ist nicht für längerfristige Beziehungen gemacht“, antwortete Fraser. Es konnte sein, dass diese Wahrheit Liz kränken würde, dennoch war es nur ehrlich.
    Der Schotte hatte sich mittlerweile komplett angezogen.
    Sehen wir uns heute noch?“, fragte Liz, den Kopf auf eine Hand abgestützt. Fraser drehte sich einmal um die eigene Achse.
    Das hier ist ein kleines Schiff und wir sind mitten im Weltall. Ich kann nirgendwo anders hin.

    *

    Sam war gerade einmal gut zwanzig Schritt von Liz‘ Koje entfernt, als Lieutenant Neumann um die Ecke bog. Der Deutsche legte den üblichen schnellen Schritt und den strengen, teutonischen Blick an den Tag, der ihn vermutlich bis zu seinem aktuellen Rang verholen hatte. Neumann war um einiges größer als der Schotte, was in diesem Gang wesentlich deutlicher zur Geltung kam, als in Besprechungsräumen oder Stationen, die auch von Riesen hätten erbaut werden können.
    Lieutenant“, sagte Fraser und trat dem zackigen Schritt des Deutschen in den Weg. „Haben Sie einen Moment?
    Neumanns blaue Augen legten sich auf das Gesicht des Schotten. Er sah zu ihm herab.
    Ich wollte mich für Ihre Ehrlichkeit bedanken“, sagte Fraser. Neumann würde das sofort einordnen, war die Befragung durch Konteradmiral Camara ja nur gut zwei Tage her – je nach Standort in der Galaxie.
    Ich weiß, dass Sie mir damit keinen Gefallen tun wollten und sicherlich Druck bekommen haben. Sie wissen ja, was man über die Hühnerleiter des Militärs sagt: Die Scheiße fällt immer von Oben nach Unten und wird dabei mehr.
    Er wartete auf eine Reaktion des Deutschen, bekam aber keine.
    Gerade deshalb also mein Dank. Erspart mir eine Menge Gerede mit den Lamettaträgern.“ Fraser verschränkte die tätowierten Arme vor der Brust und fuhr fort: „Was ich mich allerdings nach wie vor frage ist genau das, was Camara Sie fragte. Unabhängig der Befehlskette: Denken Sie, dass ich falsch gehandelt habe?
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  7. #107
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    Zitat Zitat von Luceija Beitrag anzeigen

    Sie hielt ihn nicht auf. Normale Menschen hätten einen Ausbruch wie diesen aufgehalten. Hätten versöhnlich reagiert, wären vielleicht auch mit der entsprechenden Person dann wieder nach draußen gegangen, denn, man sah ja, es tat ihm nicht gut und er tendierte dazu, sich laut zu echauffieren. Aber wieder: Sie war nicht normal. Sie beide vielleicht nicht, weil sie seine Hand weiter hielt obwohl sie eben diese Beziehung nicht mehr hatten, nicht einmal mehr wirkliche Freunde füreinander sein konnten, und ihn lamentieren ließ. Verdammt, er hatte ja recht. Dieser Idiot dort vorne, was für ein Gewäsch gab der eigentlich zum Besten? Luci kannte Odinn nicht gut, verdammt, sie interessierte sich, wenn sie ehrlich war, sogar einen Scheiß dafür ob der Ire noch lebte oder nicht -- so erging es ihr mit den meisten Personen -- aber niemand würde vom Himmel oder einer Parallelwelt oder woran auch immer man glaubte herab oder herüber sehen und DAS gut finden. Sagen, oh ja, die Worte waren perfekt. Schwachsinn. "Hör zu, ich versicher dir was..", beugte sich die Sizilianerin leicht zu ihm, flüsterte und sah zu ihm hinauf und direkt in die Augen. "Wenn du vor mir sterben solltest, was - verdammt nochmal nicht passieren wird, okay? Aber FALLS-...dann werd' ich dir das hier nicht antun. Egal wo ich bin, egal was unsere letzten Worte waren, ich versprech' dir: Diesen Schwachsinn da wird keiner ertragen müssen.". Vielleicht war es einigermaßen versöhnlich. Vielleicht hätte sie aber auch besser garnichts gesagt.


    Es gelang ihm keine Antwort. Keine wirkliche Antwort. Seine Augen fingen ihren Blick ein oder viel eher umgekehrt, doch Leif sagte nichts, obgleich er zutiefst dankbar war. Hierfür. Und für dieses Versprechen. Er wollte gerade zu gern sofort umfallen. Einfach sterben. Nicht diesen vernichtenden Riss mitten durch seine Brust spüren, den der Anblick vom Sarg seines Freundes dort hinterlassen hatte. Er fragte sich, ob sie je echte Freunde gewesen waren. Oder ob er nie einer hatte sein können, weil er Odinns dunkler Strudel war. Geklemmt an eines seiner Beine, ihn weit in die Tiefe ziehend. Ein Freund hätte immerhin gewusst, wie sehr oder wie wenig ihm eine Zeremonie wie diese hier zusagte. Die Anwesenheit der Allianz, wenigstens diesem Bruchteil bekannter Gesichter, hätte ihn vermutlich geehrt. Das hätte er nicht zugeben wollen, vermutete Leif, aber er war doch genau das gewesen, was er immer hatte sein wollen, als er der Allianz diente. Richtig? Und dann waren da noch andere. Familie. Ein regelrecht winzig kleiner Kreis von Leuten in erster Reihe, die nicht die geübte Zurückhaltung der Soldaten besaßen, die weinten, schluchzten und mit ihrer offenen Trauer diesen eigenwilligen Kontrast zu jenen herstellten, die schon mehr als einen Freund unter die Erde gebracht hatten. Eben nicht unüblich beim Militär. Und Leif hasste das Gefühl. Er schenkte alldem immer weniger Aufmerksamkeit. Bis zu diesem jungen Mann. Nach vielen anderen. Jung im Gegensatz zu einigen anderen Anwesenden, aber doch wohl irgendwo in Leifs Alter. Der Schwede sah auf. Legte den Kopf schief und lauschte mit einem Gefühl von Nostalgie, die er gar nicht hierfür würde entwickeln können (nicht wirklich) seiner Ausführung. "...sind zusammen in 'n Kindergarten gegangen, bis er...bis er weggezogen ist. Für 'ne kleine, irische Familie wie meine war's unbegreiflich, aber dieser Kerl da...", der Mann mit dem goldblonden Haar deutete mit seiner Linken auf den Sarg hinter sich, als kündigte er der versammelten Mannschaft eine Palette gekühlten Bieres an, "...wusste schon immer was er wollte. War also nur klar, dass der Karriere beim Militär machen würde. Leider haben wir uns dann immer weniger gesehen. Nur bei seiner Hochzeit mal. Auf die hat er mich eingeladen, was ziemlich cool von ihm war.", versicherte der Redner und brachte einige Leute damit zu bedächtigen, taktvollen Lachern, während Leif sich fragte, ob der Mann an einer geistigen Behinderung litt oder schlicht immer so flapsig war. Der erste Gedanke kam ihm ohne Vorurteil, denn der Mann schien nicht nur in seiner Sprache sehr langsam und bedächtig, sondern auch in seinen Bewegungen, während er doch ebenso wenig einen allzu großen Aufwand darin betrieb, die Allianzler durch besonders respektvolle Sprache zu beeindrucken, sondern einfach redete, offensichtlich dem Militär nicht angehörend. Und grinste, als sei er auf einer Geburtstagsparty, die sich doch gerade als gar nicht SO schlecht herausgestellt hatte. "Seitdem haben wir uns auch nich' mehr gesehen, aber ich erinner mich gut an diesen Abend. Und an Odinns Begeisterung für sein Land und seine Herkunft, die er nie vergessen hat. Hat er auch mit mir 'nich. Hab ihm und Grace dazu ein uraltes Gedicht von James Orr vorgetragen. Ich hab's so'n bisschen damit und deswegen will ich ihm den Gefallen heute nochmal tun, also sperrt die Lauscher gut auf, ich fang' an.", versprach der Typ und Leif fand den 'Fehler'. Der Mann war nicht irgendwie eingeschränkt, er war schlicht und ergreifend sturzbesoffen. Denn noch bevor er loslegte, auch nur ein Wort weitersprach, torkelte er heldenhaft geschwind zur vorderen Reihe, angelte dort aus der Hand einer verbündeten Frau eine Flasche Whisky und taumelte zurück, wo er die Flasche hob, in seiner Hand gemischt mit einem knisternden Zettel. Den Zettel brauchte er nicht, wie er bewies. Noch murmelte, dass das alles völlig aus dem Kontext gerissen, aber gut genug sei. Leif sah Luceija vielsagend und peinlich berührt an. Dann donnerte der Vers regelrecht durch die Kapelle. Mehr noch ein Singsang.



    "We dring-..drink the memory of the brave,
    The faithful and few -
    Some lie far off beyond the wave,
    Some sleep in Ireland, too;
    All, all are gone - but still lives on
    The fame of those who died;
    All true men, like you, men,
    Remember them with pride."


    Stille. Niemand sagte einen Ton. Es konnte das Brechen peinlichen Schweigens oder Rührung sein, als ein unbeholfener Mann im Mittelfeld plötzlich leise klatschte. Der Redner sich mit seinem Blick an diesem Mann festhielt, euphorisch grinste und die Flasche noch ein weiteres Mal hob. So weit, als wolle er seinen Arm zum Mond schicken. "Cheerio!", gröhlte er feierlich, setzte die Flasche an und rauschte erst davon, als er einige Schlucke getankt hatte. Leif wurde rot, als sei es sein eigener Auftritt gewesen und musste doch leise und ein wenig heimlich lachen. Er hatte Odinn wohl wirklich schlecht gekannt. Wenigstens nicht gut genug. Unbewusst hielt er sich an der Hand seiner Begleiterin fest. Immer noch. Fester. Er sah sie wieder an. Nicht minder blass, aber weniger verkrampft. Die Leute hinter ihnen wurden nebensächlich. Das hier machte er nicht für die, sondern für Odinn. Für ihn ganz allein. "Danke.", sagte der Arzt nur zu Luceija. Er sah weiter nach vorn. Doch kein einziges Wort dieses Reverents dort vorn interessierte ihn recht. Die Reden liefen einfach weiter. Und Leif saß hier. Mit Luci. Aber wenigstens waren sie hier.
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  8. #108
    #16  Avatar von Forenperser
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    Zitat Zitat von eis engel Beitrag anzeigen
    Forschungsbasis / Nigeria; Afrika; Erde

    Ziel: Benston und Kato
    ~ Farbcodes: Mira ~ Nellie ~ Liz ~ Stephen ~ Crusher ~ Lucia ~

    Zwei Männer betraten den Raum. Der eine ca. 1,85m groß, mit silber grauem Schopf und Bart und der andere ein 1,70m großer Japaner, mit wildem, dunkelbraunem Haar. Die Wachmänner gingen zur Seite und salutierten.
    Benston und Kato schoss es dem Blondschopf durch den Kopf und versuchte sich energisch aus seiner Fixierung zu befreien.
    "Gib dir keine Mühe, Connor. Meine Leute wissen, wie sie Gefangene fesseln müssen." gab Benston amüsiert von sich.
    "Und was geschieht jetzt?" wollte Stephen wissen, nachdem er den Versuch aufgegeben hatte, sich von den Fesseln zu befreien. "Unsere Chefin hat was besonderes für euch geplant." gab der Japaner hinterhältig grinsend von sich. Benston wandte sich an Kato und die beiden Wachmänner. "Kato, du und der Großteil der Männer hier, fliegt gleich mit mir. Kümmer dich darum." Der Japaner verbeugte sich und verließ den Raum. "Ihr beide kümmert euch darum, dass die beiden Gefangenen ruhig gestellt und für den Transport nach Terra Nova bereit sind, euer Flug geht in einer Stunde." befahl Benston und kontaktierte via Omni Tool jemanden. Stephen warf Marco einen nachdenklichen Blick zu, ehe die beiden Wachmänner auf sie zu kamen und sie mit einem gezielten Schlag auf den Kopf bewusstlos schlugen.
    "Chefin, wir haben Connor und Lagos. Die Kroganerin, der Turianer, der Batarianer und der Salarianer hat Kato ausgeschaltet. Wo die anderen sind, wissen wir nicht, aber da wir den Kontakt zu Watanabe verloren haben, gehen wir davon aus, dass er tot ist. Wir sind jetzt auf dem Weg zu ihnen." Das war das letzte, was Stephen noch mitbekam....

    Es war schon Jahre her, als Liz das letzte mal auf der Erde war. Damals war sie in England gewesen und sollte dort über Zora Terrence, die Frau von Vigilio Ascaiath den Cerberus Boss ausspionieren. Was natürlich gründlich schief ging. Denn plötzlich brach das totale Chaos los, überall wurde geschossen, sie landete mit Mister Ascaiath und seinem Leibwächter Donal in einem Auto, eine wilde Verfolgungsjagd begann und endete damit, dass Liz aus einem fahrenden Auto sprang. Das sie mal für Mister Ascaiath, bzw. Cerberus arbeiten würde, hätte sie sich bis Dato auch nicht vorstellen können.
    Noch weniger konnte sie sich allerdings vorstellen, sobald wieder auf die Erde zu kommen und dann auch noch am Arsch der Welt, mitten im Nirgendwo.

    Mira, Nellie und Liz hatten den Nav-Punkt erreicht, den sie von Crusher bekommen hatte, der sie auch erleichtert begrüßte.
    "Gut das ihr hier seid. Ich hab den Kontakt zu Stephen und Marco verloren und ich glaube, die stecken in der Klemme." erklärte der Kroganer und betrachtete die drei Frauen fragend. "Wo ist Fox?" "Die hat sich als Verräterin entpuppt, wir mussten sie töten." "Verstehe." nickte der Kroganer knapp ab. Er hatte kein Mitleid mit Verrätern, auch wenn Fox schon lange zu dieser Truppe gehört hatte.
    "Hast du schon was aus Bekenstein gehört?" fragte die Quarianerin ein wenig besorgt. "Bisher nicht. Aber darum können wir uns kümmern, wenn Stephen und Marco wieder bei uns sind. Kurz zur Lage..... vor einer halben Stunde hat ein Transporter die Basis verlassen und ein zweiter wird für die Abreise geladen, wenn Stephen und Marco noch hier sind, müssen wir uns beeilen." erklärte der Kroganer und führte die Mädels zum Tunneleingang, wo ein komplett verschnürtes Päckchen in Form von Lucia in einer Ecke kauerte.
    "Was machen wir mit ihr?" wollte Liz leise wissen."Die werden wir wohl mit nehmen müssen." knurrte der Kroganer verächtlich und schnitt die Fußfesseln los, damit sie wenigstens laufen konnte.

    Die Truppe schlich unbemerkt durch den Tunnel und erreichte auch recht zügig das Erdgeschoss des großen Gebäudes, wo Stephen und Marco Benston vermutet hatten. "Findet ihr nicht, dass es hier ziemlich ruhig ist?" merkte die Asari flüsternd an. Von draußen hörten sie plötzlich Motoren Geräusche, Triebwerke liefen warm. Routiniert scannte Crusher den Platz vor dem Hauptgebäude ab, doch da stand nichts, was diese Geräusche verursachen konnte. "Das Dach." flüsterte der Kroganer und die Truppe lief zum Aufzug. Der Aufzug kam und sie fuhren nach oben.
    Oben angekommen, mussten sie nun auf die gegenüberliegende Seite. Doch mehrere bewaffnete Wachmänner standen ihnen im Weg, ein paar von ihnen suchten noch einige Gegenstände zusammen, die sie nicht zurück lassen durften. Andere waren im hinteren Raum.
    Crusher, Mira, Nellie, Lucia und Liz gingen hinter einer kleinen Trennwand in Deckung und beobachteten das ganze. "Hast du schon gehört? Kato soll die Kroganerin, den Turianer, den Batarianer und den Salarianer regelrecht hingerichtet und auf Bekenstein unter Felsen begraben haben." erzählte einer der Wachmänner seinem Kollegen. Mira, Nellie und Liz warfen sich entsetzte Blicke zu, während Crusher vor Wut zitterte.
    Spannung lag in der Luft. "Crusher, nicht." flüsterte Mira, die genau wusste, was jetzt passieren würde. Doch Crusher hörte nicht zu. Der Schmerz, den der Verlust seiner Partnerin verursachte brannte so tief, dass er nur noch eines wollte. RACHE! Das Blut in ihm kochte, bis es sich explosionsartig zum Blutrausch entwickelte. Brüllend sprang er aus der Deckung und griff die überrumpelten Wachmänner an.
    "Was ist denn hie.....? Scheiße!...... Holt die Gefangenen, wir müssen sofort weg!" schrie ein weiterer Wachmann, der aus dem hinteren Raum kaum. Der Kroganer rannte auf den schreienden Wachmann zu. Mira, Nellie und Liz gaben Crusher Rückendeckung und passten auf, dass ihm nichts geschah. Im Chaos ergriff Lucia die Flucht.
    Kurz darauf war das Massaker zu ende und ein wütend, schnaubender Kroganer stand zwischen Leichen. Mira ging zu Crusher und versuchte ihn zu beruhigen, während Nellie und Liz nach den Gefangenen schauten.
    Stephen und Marco lagen bewusstlos und fest verschnürt am Boden. Sie lösten ihre Fesseln und verabreichten den beiden Medigel. Langsam kamen die beiden zu sich.
    "Wir müssen nach Terra Nova." sagte Stephen leise und schaute sich um. "Wo ist Crusher?" Liz blickte wortlos zur Tür, wo Crusher und Mira gerade den Raum betraten.
    "Ich werde dieses Miststück töten!"


    Marco Lagos

    Wieder Ohnmacht, wieder mit einem brummenden Schädel aufwachen, und so kurz nach dem letzten Mal auch noch.
    "Verdammt....."
    Noch bevor er überhaupt wieder richtig gucken konnte, hörte er bereits Stephen's Stimme an seinem Ohr. Es dauerte einige Momente, ehe sowohl sein Gehör als auch seine Sehkraft wieder vollständig zurück waren.
    "Ihr?" fragte er schließlich erstaunt, als er erkannte wer bei ihnen war. "Wo seid ihr denn auf einmal - "
    Bevor er den Satz beenden konnte, sah er das Blutbad um ihn herum. Der Mund blieb ihm offen stehen. "Was zur Hölle ist denn hier passiert?"

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    Zitat Zitat von Natsch Beitrag anzeigen

    So wie Peyton ihre beiden Kollegen kannte, würden sie wahrscheinlich doch nicht mehr den Weg hierher finden, sondern das Überleben Jon's auf eine andere Art und Weise feiern. Und Peyton gönnte es ihren emotional komplett unbeholfenen Freunden, auch wenn sie hoffte, dass sie manchmal mehr reden würden als miteinander zu schlafen. Dann würde es auch nicht so komische Missverständnisse geben, wenn man einmal zusammen unterwegs war und fremd geflirtet wurde. Beide hielten nicht viel von Exklusivität. "Wahrscheinlich, Minus und Minus ergibt bekanntlich Plus.", amüsierte sich also die 22-jährige, spürend wie langsam die Anspannung von ihr wieder abging. Die Anwesenheit des Turianers, seine Wärme und sein Geruch, gaben ihr ein angenehmes Gefühl der Sicher - und Geborgenheit.
    Das Thema, dass sie dann ansprach war kein angenehmes, aber eines was sie durchaus interessierte. Zwar hatte sie aufgrund seiner Herkunft eine vorgefertigte Meinung, aber das was er bisher von seinem Leben erzählt hatte, ließ es sie dennoch vermuten. "Physisch? Wie Kneipenschlägereien?", fragte Peyton nach, den Blick des Gleichaltrigen offen erwidernd. Sie erinnerte sich noch daran, wie ihr Bruder einmal mit einem blauen Auge nach Hause gekommen war. Schlägerei im Purgatory. Sowas schickte sich für einen Allianz-Militär natürlich nicht, aber man wurde nicht immer gefragt, wo man hinein gezogen wurde. Das Dalan tatsächlich in mehreren Schießereien verwickelt gewesen war, erschreckte Peyton dennoch ein wenig. Ihre Hand griff automatisch nach seiner. "Hattest du keine Angst? War das.. 'normal'?", fragte die Brünette nachdenklich. Mehrere Schießereien... sie war schon froh, das sie die eine nicht miterlebt hatte.
    Ihre braunen Augen wurden groß, als der rote Turianer sagte, dass er sogar noch eine Waffe besaß. Sie selbst war Waffen 'gewohnt', ihr Vater hatte früher oft eine getragen und ihr Bruder hatte auch die ein oder andere Waffe, aber die beiden gingen einem anderen Beruf nach als ihr Freund. "Sentimentalität? Ein Erinnerungsstück?", eine ihre feinen Augenbrauen hoben sich und sie musterte Dalan einen Moment nachdenklich. "Hast du damit einmal jemanden getötet?", ihr wäre irgendwie nie in den Sinn gekommen, dass Dalan tatsächlich jemanden getötet haben könnte. Sowas passte nicht in ihr Weltbild.


    Dalan Qin

    "Kneipen waren auch hin und wieder der Schauplatz, ja. Meist jedoch der Straßenboden....."
    In seinem Viertel hatte man schlechte Karten gehabt, wenn man sich nicht zur Wehr setzen konnte. Und Bedarf an gewisser "Arbeit" hatte es auch genug gegeben.....da jeder gewusst hatte, wie verzweifelte gewisse Leute waren um sich und ihre Familie über Wasser zu halten. Leute wie er.
    "Natürlich hatte ich Angst." erwiderte Dalan und erwiderte den Griff ihrer Hand. "Jedes einzelne Mal. Ebenso wie jeder vernünftige Turianer, Mensch, Salarianer, was auch immer. Jeder, der dir etwas anderes erzählt, lügt entweder oder ist verrückt."
    Lügner und Psychopathen. Von beidem gab es eindeutig zu viele in der Galaxis. "Es gab kein Normal." Einige Erinnerungen kamen plötzlich zurück. Er erwiderte den Griff ihrer Hand.
    "Wenn man so will, ja....keines, welches mich an gute Zeiten erinnert. Aber du weißt ja wie es ist.....man tut sich oft schwer damit, sich von seiner Vergangenheit zu trennen. Selbst von den schlechten Teilen."
    Einige Momente herrschte Stille. "Hast du damit einmal jemanden getötet?"
    Es war nur natürlich danach zu fragen. "Nein." antwortete Dalan, ohne eine Spur der Unaufrichtigkeit in seiner Stimme. "Ich.....habe einige Male geschossen um zu verwunden. Aber niemals um zu töten. Den Großteil der Zeit bin ich einfach nur davon gelaufen, wenn geschossen wurde....."
    Mit ruhiger Miene betrachtete Dalan ihre ineinander verschränkten Finger. So verschiedenen. Und doch hatten sie durch irgendeine verrückte Fügung zueinander gefunden. "Ich.....glaube nicht dass ich mir noch selbst ins Gesicht sehen könnte.....wenn ich....."
    Er beendete den Satz nicht.

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    Zitat Zitat von Shepard Commander Beitrag anzeigen
    Hudson drückte sich gegen die Wand. Obwohl es sich um eine verzerrte Stimme handelte, war sich der Detective sicher, dass es sich um den jungen Iren handelte. Nisha Kadam – ob aus Intuition oder Unsicherheit – sagte nichts und schaute auch nicht in die Richtung, in der Hudson sich verborgen hielt. Der Detective schaute zu Ilias und Peresa’an. Er schüttelte den Kopf, aktivierte seinen Funk und murmelte.
    Zwecklos, denke ich. O’Grady ist nicht hier und klingt nicht so, als wäre er nicht zum Gespräch bereit.“ Der Unterton des Maskenmanns verriet, wie sauer er war, wie verraten er sich von Kadam fühlte. Es hätte keinen Sinn, ihm noch einen Grund für das eigene Misstrauen zu geben, wenn er sich außerhalb des Zugriffs der Behörde befand.
    Was sagen Sie, Detective Peresa’an?
    Hanna berührte die Asari am Arm. In ihrem Gesicht spiegelte sich derselbe Zweifel wider, den sie auch bei der Asari zu erkennen glaubte.
    Wie weit ist die Ortung?“ Ihre Gedanken gingen zu Bomben, Präzisionsgewehren oder sonstigen Möglichkeiten die „Verräter“ Kadam und Hudson auszuschalten, sobald O’Grady die Gelegenheit bekam. Die digitalen Marker, die O’Grady seit Beginn des Gesprächs sendete musste eigentlich wie ein Leuchtfeuer brennen.


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    Zitat Zitat von numberten Beitrag anzeigen
    Rosere hörte sowohl Hudson, als auch Hanna zu und aktivierte dann mit einem kurzen Nicken ihren Kommkanal.
    "Ungefähr, fünf Minuten Flugzeit von unserer Position. Berechnen gerade die Flugroute, das Fahrzeug scheint sich aber in unsere Richtung zu bewegen.", wurde ihre Frage beantwortet.
    "Er wird doch nicht so dumm sein..", murmelte sie nachdenklich und wechselte zu dem Kanal der Inderin. Der Ire hatte den Vorteil sie in die Irre geführt zu haben, jedoch war er nach Hudsons Aussage mehr als instabil. Gut möglich das er die Konfrontation suchte oder eine andere Art Zeichen setzen wollte um seinen Standpunkt zu verdeutlichen.
    "Kadam, er scheint sich unserer Position zu nähern. Und unter Umständen könnte er Sprengstoff auf der Etage deponiert haben. Brechen sie ab und vermeiden sie es in einem freien Schussfeld zu stehen. Wir wissen nicht was er vorhat.", sagte sie zur Inderin, deren Audioimplantat verhindern würde das Niall mithören konnte. Es war sowieso ein Wunder das die Beiden sich so gut unterhalten konnte. Aber das Geld für die Technik hatte er immerhin nicht in Waffen umgesetzt.

    "Sie haben recht wir wissen es. Leute denen ihre Arbeit, ihr Eid mehr bedeuten haben sich ihrer Verantwortung gestellt. Etwas wozu sie wohl nicht mehr in der Lage sind. Leider."
    , erwiderte sie mit Bedauern und schüttelte leicht den Kopf. Ihre Körperhaltung straffte sich sofort wieder.
    "Aber ich muss sie enttäuschen, ich habe keinen Überraschungsgast den ich ihnen präsentieren kann. Die einzige Person auf dieser Etage bin ich, weswegen es auch wohl auch keinen Sinn macht weiter hier zu verweilen. Ich hatte gehofft sie würden die Chance wahr nehmen, diese Sache friedlich zu beenden. Ohne weiter zu eskalieren und ihren Berufsstand weiter zu beschmutzen. Jedoch, im freien Fall gibt es wohl nur eine Richtung. Abwärts!", fügte sie an und bekam in diesem Moment Rose Funkspruch auf. Es war eh Zeit zu gehen.
    "Leben sie wohl Niall. Wenn sie das sind was sie von sich denken muss ich mir wohl keine Sorgen machen nach Hause zu gehen. Und falls nicht...nun einer mehr auf ihrer Liste, nicht wahr?", verabschiedete sie sich nachdenklich und ging langsam aus dem Licht der Beleuchtung in den Schatten.


    Niall O'Grady

    >>Sie haben ihren Standpunkt klar gemacht, also mache ich nun meinen klar.<<

    Niall blickte argwöhnisch immer wieder auf die Entfernungsanzeige auf dem Rand des Displays. Nur noch ein wenig......

    >>Ich werde ihren Weg nicht mehr kreuzen. Und Sie den meinen nicht mehr. Ich werde meine Arbeit nicht unfertig beenden.<<

    Endlich zeigte die Anzeige grünes Licht. Er drückte den Zünder.

    >>Auf Wiedersehen Nisha.<<

    Er hört den ohrenbetäubenden Knall für den Bruchteil einer Sekunde, ehe die Verbindung abriss. Mehr als die platzierte Puppe und seinen alten Kampfanzug hatte die Ladung nicht in Mitleidenschaft gezogen. Aber sie hatten sie gehört. Und nicht bloß sie.

    ***

    "Was war das?"
    Claude fuhr erschrocken herum, blickte in Richtung des alten Parkhauses, aus welchem der Lärm gekommen war. "Was zur Hölle war - "
    Blamm
    Die Wucht der Explosion neben ihm riss ihn von den Füßen.
    Mit pfeifenden Ohren tastete er sich ab. Wie durch ein Wunder war er heil geblieben. "Was läuft hier?" brüllte er wütend und sah zu seinen Jungs, welche nach ihren Waffen griffen.
    "Wir haben - !"
    Weiter kam sein zuvoriger Gesprächspartner nicht mehr. Schüsse fielen. Reflexartig rollte Claude zur Seite und rannte hinter den Müllcontainer in Deckung.
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie einer seiner Jungs von mehreren Projektilen getroffen zu Boden fiel.
    "Sie haben uns auflaufen lassen! Macht sie fertig!" brüllte er durch den ohrenbetäubenden Projektilhagel.
    "Joey verdammt, wo bist du?!"
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  9. #109
    Provinzheld Avatar von Majonese
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    Zitat Zitat von Majonese Beitrag anzeigen

    "Tourette Behandlung"
    "Tourette Hirnstimulation"
    "Tourette Hirnstimulation Risiken"
    "Tourette Symptome"
    "Leben mit Tourette"
    "Tics kontrollieren"

    So sahen Rebeccas Extranet-Suchanfragen der letzten Wochen aus. Seit ihrer Notoperation in Wellington, bei der die Mikrochips aus ihrem Kopf entfernt wurden, hatte sie Stunden damit verbracht, auf verschiedensten Webseiten nach Antworten zu suchen. Antworten die ihr die Ärzte in Tauranga nicht hatten liefern können. Natürlich waren die Ergebnisse immer wenig befriedigend gewesen, denn die meisten Diskussionen rund um Tourette im Extranet drehten sich um die Diagnose der Krankheit und die Finanzierung der Operation, bei der die hirnstimulierenden Implantate eingesetzt wurden. Gelegentlich gab es ein paar Anekdoten darüber, wie die Betroffenen bemerkt hatten, dass sie Tics hatten. Viel mehr gab es dort nicht, zumindest nichts aus den letzten Jahrzehnten, seit diese Behandlungsmethode alle bisherigen Therapien restlos ersetzt hatte.
    Rebecca hatte sogar konkret nach Fällen gesucht, bei denen Leute dauerhaft mit Tourette leben mussten, doch sie hatte nichts gefunden, das mit ihrer Situation vergleichbar war. So gab es zum Beispiel Leute, die die Implantierung der Mikrochips ablehnten, da sie schlicht nur sehr wenige und schwache Tics hatten. Laut Dr. Tygan hatte Rebecca aber einen der heftigsten Fälle der Nervenerkrankung, von dem sie je gehört habe. Und offenbar war sie, was das anging, wirklich mehr oder weniger einzigartig.
    Noch immer hatte sie das Gefühl, der einzige Mensch in der Galaxis zu sein, der so mit der Tourette-Krankheit zu kämpfen hatte, ihre Recherchen im Extranet verstärkten diesen Eindruck nur. Denn niemand konnte ihr sagen, wie es wirklich war, mit ihren Tics leben zu können. Es gab praktisch niemanden mehr, der diese Erfahrungen hatte, mit dem sie sich austauschen oder von dem sie Hilfe und Rat bekommen konnte. Alle, die wie Rebecca ihren Alltag mit Tourette hatten bestreiten mussten, hatten vor über einhundert Jahren gelebt.
    Also musste Rebecca bei ihrer Suche weit zurück in die Vergangenheit reisen, in Webseiten und Archive, die schon seit Jahrzehnten kaum noch abgerufen wurden. Manches war auch mehr schlecht als recht erhalten und vor allem half es ihr nur wenig, die Erfahrungsberichte von Leuten zu sehen, die in einer ganz anderen Zeit gelebt hatten.
    Doch seit ihre beste Freundin Amaia vor drei Tagen nach Tauranga zurückgekommen war, hatten sich ihre Suchanfragen stark gewandelt.
    "Gitarre Tutorials"
    "Akkustikgitarre Tutorials"
    "Gitarre Grifftabelle"
    "Popmusik"
    "Popmusik 21. Jahrhundert"
    "Akkordformeln"

    Aus dem Nichts hatte Rebecca eine neue Beschäftigung gefunden. Oder eher, eine Alte. Es war, als hätte Amaia den Funken gebracht, der ihre Begeisterung für das Musizieren wieder entfacht hatte, eine Begeisterung, die sie seit Jahren nicht mehr so gespürt hatte.
    Nicht im Traum hatte Rebecca daran gedacht, ein Lied auf ihrer Gitarre spielen zu können. Natürlich war ihr klar gewesen, dass sie nicht so oft ticcen würde, wenn sie sich auf etwas fokussierte, doch sie hatte völlig vergessen, wie viel Konzentration sie beim Musikspielen benötigte. Sie musste die Akkorde richtig greifen, den Schlagrhythmus halten und gleichzeitig noch auf den Text und ihren Gesang achten. Fast schon kam es ihr unglaublich dumm vor, dass sie das nicht schon viel früher ausprobiert hatte.
    Und jetzt verbrachte sie Stunden damit, in ihrem Zimmer zu sitzen und Stücke zu üben. Zuerst spielte sie die ganzen Lieder, die sie schon vor Jahren zusammen mit Amaia gesungen hatte, wobei sie von einer Welle der Nostalgie begleitet wurde. Dann probierte sie einige neue Stücke aus, suchte sich Akkordtabellen aus dem Extranet und spielte drauf los. Manchmal schlug sie aber auch einfach wild ein paar Akkorde auf und ab, mit zufälligem Tempo und Rhythmus und freute sich über den Klang, den sie auf dem Instrument erzeugte. Sie dachte sich eigene Melodien aus und probierte so lange herum, bis sie in ihren Ohren schön klangen.
    Doch eigentlich war es gar nicht so wichtig, was genau sie spielte. Solange sie irgendeine Melodie klimperte und dazu sang, war sie zufrieden. Immer wenn sie es schaffte, ein Lied von vorne bis hinten ohne Tics zu spielen, war es wie ein gereckter Mittelfinger gegen ihr Tourette und Rebecca genoss jede Sekunde davon.
    Als sie im Erdgeschoss die Haustür ins Schloss fallen hörte, horchte sie auf. Kurz darauf erklangen Schritte und Stimmen, die sich in den Flur bewegten. Rebecca legte ihre Gitarre wieder zur Seite, erhob sich von ihrem Bett und lief zur Tür, um zu lauschen.
    "...kann dir was warm machen, wir haben noch Auflauf übrig."
    "Oh, das klingt gut, ich habe heute praktisch noch gar nichts gegessen..."
    Eilig lief Rebecca die Treppe runter und sah eine Frau Mitte fünfzig mit einem Rollkoffer und einer weiteren Tasche um ihre Schulter gehängt im Hausflur stehen. Sie trug schlichte, aber elegante Alltagskleidung und hatte die langen schwarzen Haare zu einem engen Dutt gebunden.
    "Hey Mom!" Sie trat auf ihre Mutter zu und drückte sie an sich.
    Die ließ die Tasche von ihrer Schulter zu Boden gleiten und erwiderte die Umarmung mit einem freudigen Lächeln. "Na, Becky, alles in Ordnung bei dir?"
    "Klar!" Es war nicht einmal unbedingt eine Lüge, zumindest nicht in diesem Augenblick. "Und, wie wars?"
    "Anstrengend! Aber ansonsten lief es sehr gut..."
    Verena Lynge wirkte mit ihrer schlanken Statur und ihrer durchschnittlichen Größe wenig beeindruckend, doch obwohl ihr Gesicht ein wenig eingefallen aussah, als ob sie seit einigen Tagen nicht genug Schlaf bekommen hätte, ging von ihr eine ungewöhnliche Kraft aus. Der Blick ihrer braunen Augen war aufmerksam und als sie einen Schritt zurücktrat und ihre Tochter musterte, runzelte sie besorgt die Stirn.
    "Was hast du denn an deiner Hand?"
    "Fuck off! Ach das...das ist nur halb so wild..."
    "Was ist passiert?"
    Unangenehm berührt hob Rebecca ihre rechte Hand ein wenig vor sich. Mittlerweile hatte sie einen dicken Verband um ihr Handgelenk und darüber hatte sie einen fingerlosen Wollhandschuh aus schwarzem Stoff gezogen, um ihre Knöchel zu verdecken. Da der Handschuh nicht völlig verschlossen war, konnte man durch die lockeren Maschen die dunkel verfärbte Haut erkennen. "Ich habe einen Tic, bei dem ich immer wieder gegen die Wand bei mir im Zimmer schlage", murmelte sie verdrossen. "Schon seit einigen Tagen..."
    "Wollt ihr nicht erstmal essen kommen?", ertönte die Stimme ihres Vaters aus dem Wohnzimmer, nachdem er die große Schale mit Kartoffelauflauf zum Aufwärmen in den Ofen gestellt hatte und nun den Tisch deckte.



    Rebecca war nicht unbedingt begeistert davon, dass sie erstmal von ihrer Hand erzählen musste, immerhin hatte sie das Thema in den vergangenen Tagen mit Amaia, ihrem Vater und den Ärzten im Tauranga Gesundheitszentrum zu Tode geredet. Doch natürlich wollte ihre Mutter wissen, ob es ihr gut ging.
    "Es sieht schlimmer aus, als es ist", erklärte Rebecca, als sie mit ihren Eltern am Tisch saß. "Ich muss nur aufpassen, dass ich die Hand nicht zu sehr belaste."
    "Hm..." Ihre Mutter musterte den Verband noch immer kritisch.
    "Ach, Mom, es ist wirklich nicht so wild!", sagte Rebecca hastig, bevor ihre Mutter sich weiter Sorgen machen konnte. "Nur eine Kleinigkeit, in einer Woche ist das wieder verheilt. Ich kann meine Hand auch ganz normal bewegen und so..." Ihre Worte mochten ein wenig seltsam wirken, schließlich musste sie sich beim Essen fast seitlich zum Tisch setzen, um ihrem Tourette keinen Grund zu geben, wiederholt mit ihrer Hand auf den Tisch zu schlagen. Denn das war eine Art von Belastung, die sie sich im Moment nicht erlauben konnte. Doch ansonsten stimmte, was sie sagte, ihre verletzte Hand schränkte sie lange nicht so sehr ein, wie es ihre Tics ansonsten ohnehin schon taten.
    "Und jetzt erzähl mal, wie lief euer Event?", wechselte Rebecca das Thema.
    Ihre Mutter lehnte sich ein wenig zurück und lächelte zufrieden. "Oh, das war recht gut. Ausnahmsweise lief einmal alles nach Plan und die Resonanz war auch ziemlich positiv."
    Erst vor drei Tagen hatte die Firma von Rebeccas Mutter, Nashan Stellar Dynamics auf einem großen Event ihr erstes eigenes Skycar-Design angekündigt. Als Leiterin der Abteilung für Marketing und PR war die Planung, Vermarktung und Durchführung des Events, sowie die Abhandlung des darauffolgenden Medienechos ihre Verantwortung. Daher war es auch wenig überraschend gewesen, dass sie für zwei Wochen nach California gereist war, um der Veranstaltung beizuwohnen, bei der das Skycar vor einer großen Menge jubelnder Auto-Enthusiasten vorgestellt worden war.
    Rebecca hatte zwar nicht den Livestream des Events verfolgt, sich im Nachhinein aber Videoclips der Präsentation im Extranet angeschaut und auch wenn ihr die an Fanatismus grenzende Begeisterung mancher Leute für ein fliegendes Auto noch immer ein wenig befremdlich war, erfüllte sie es dennoch mit Stolz zu wissen, dass hinter all dem die harte Arbeit ihrer Mutter steckte. Natürlich war sie es nicht gewesen, die das Fahrzeug designt oder bei der Präsentation live auf der Bühne gestanden hatte, doch sie hatte schon seit Monaten mit der Koordination hunderter kleiner und großer Aufgaben rund um das Event hinter den Kulissen zu tun gehabt und letztlich war der Erfolg des Ganzen auch ihr Verdienst.
    Eine Weile erzählte ihre Mutter von der Veranstaltung selbst und ließ auch nicht einige kuriose Anekdoten über andere Dinge aus, die ihr auf ihrer Reise widerfahren waren.
    "Als ich in meinem Hotel in San Diego einchecken wollte, gab es gerade ein riesen Aufruhr wegen einer Asari, die wohl Ärger gemacht hatte. Weiß nicht genau, was genau passiert war, aber sie muss wohl betrunken angefangen haben, mit ihrer Biotik Sachen durch die Gegen zu werfen."
    "Das klingt ziemlich übel", warf ihr Mann mit einem Stirnrunzeln ein. Sein Blick wanderte zwischendurch immer wieder in Richtung des Holo-Displays an der Wand nahe der Tür, wo unter anderem die Uhrzeit angezeigt wurde. Er musste bald wieder an die Arbeit.
    "Sie hat wohl niemanden verletzt", stellte sie klar und zuckte mit den Schultern. "Aber natürlich gab das einen Riesenärger, die wollten sie rausschmeißen und sie hat sich geweigert zu gehen, hat groß in der Lobby herumgezetert."
    Bei dem Gedanken daran, was jemand mit biotischen Kräften anrichten konnte, schüttelte sich Rebecca ein wenig. "Das ist irgendwie gruselig..."
    "Naja, der Chef von dem Hotel hat mit der Polizei gedroht und dann hat sie klein beigegeben."
    "Ich habe eine Waffe!", rief Rebecca auf einmal und zielte mit einer Fingerpistole und entrücktem Gesichtsausdruck auf den Teller vor ihr. "Ich habe...ich habe...ha-ha-ha-haaaa...hey! Ich habe hey! Ich habe hey!"
    Auf ihren lautstarken Tic folgte ein kurzes Schweigen.
    "Sag mal, wie kommst du..."
    "Buuiieeeehhhh!"
    Ihre Mutter ließ sich nicht beirren, auch als ihre Tochter wild den Kopf schüttelte. "Wie kommst du eigentlich mit deinen Vorlesungen hinterher? Klappt das mit dem Heimstudium?"
    "Ach das..." Rebecca rieb sich den schmerzenden Nacken ein wenig. "Also, um ganz ehrlich zu sein...ich habe nicht mehr so viel gemacht. Ich denke schon darüber nach, bis zum Endes des Semesters aufzuhören."
    "Du willst abbrechen?" Überraschung lag in der Stimme ihrer Mutter.
    "Jaah...ich denke schon..."
    "Und weißt du schon, was du stattdessen machen willst?"
    "Ähm...ehrlich gesagt noch nicht. Ich glaube aber nicht, dass ich jetzt noch Lehrerin werden kann. Im Ernst, wie soll ich denn mit meinen Tics jemals unterrichten?"
    Ihre Mutter hob eine Augenbraue und runzelte die Stirn. "Und woher willst du das denn wissen? Hast du es denn schon versucht?"
    "Was? Was soll das heißen? E-e-e-es heißt nichts! Es heißt nichts! Gar nichts! Hey! Fuck off!" Rebecca stieß ein leichtes Schnauben aus. "Schau dir das doch an, Mom, ich kann kaum drei Sätze sagen, ohne zu ticcen."
    "Ich glaube trotzdem nicht, dass das eine gute Idee ist, dein Studium abzubrechen", meinte ihre Mutter abschätzig. "Du solltest lieber erstmal dranbleiben, bis du etwas anderes gefunden hast. Dann kannst du dich immer noch umentscheiden."
    "Du glaubst doch nicht, dass ich mich mit meinen Tics in die Vorlesungen oder die Workshops setzen kann!"

    "Wieso nicht?"
    Ein wenig ungläubig schaute sie ihre Mutter an. "Was glaubst du, wie mich alle angaffen würden? Die würden mich für verrückt halten."
    "Und dich hier zu verkriechen und gar nichts zu machen, ändert nichts daran. Wenn du den Leuten von deinem Tourette erzählst und ihnen erklärst, was es ist, werden sie sich schon daran gewöhnen."
    "Das sagt sich so leicht", gab Rebecca zähneknirschend zurück.
    "Mir ist klar, dass es nicht einfach ist, aber was bleibt dir denn anderes übrig? Du weißt, deine Tics verschwinden nicht einfach so."
    Darauf hatte Rebecca keine Antwort. Nein, ihr blieb auf lange Sicht wirklich nichts anderes übrig, sollte sich ihre Krankheit nicht irgendwie behandeln lassen. Doch genau das war der Punkt; noch immer weigerte sich Rebecca einzusehen, dass man nichts gegen ihr Tourette machen konnte. Sie hegte weiterhin diese vage Hoffnung, dass man doch noch etwas fand, was ihre Tics unterdrücken konnte. Oder zumindest einschränken. Irgendwas. "Aber was, wenn die Ärzte doch noch eine Therapie finden, die funktioniert? Warum glaubst du habe ich jede Woche einen Termin bei Dr. Tygan?"
    "Also ist das dein Plan? Rumsitzen und auf eine Wunderheilung warten?"
    Rebecca spürte Ärger in sich aufsteigen. Ihre Mutter hatte einen wunden Punkt getroffen. Denn irgendwie war es genau das, was Rebecca seit Wochen tat. Nur sah sie gleichzeitig auch keine Lösung dafür am Horizont. "Ich glaube halt einfach nicht, dass es sich lohnt, weiter zu studieren", grummelte sie.
    "Du brauchst etwas für deine Zukunft und zwar besser früher als später. Aber du kannst nicht alles einfach so hinzuschmeißen, weil es gerade ein wenig schwieriger ist!"
    "Ein wenig? Glaubst du, ich habe noch nicht darüber nachgedacht, was ich mit diesen verdammten Tics noch anfangen soll?", entrüstete sich Rebecca und funkelte ihre Mutter an. "Jedes Mal, wenn ich meine Hand gegen die Wand schlage, denke ich darüber nach! Aber es ist halt nicht so einfach! Willst du mich etwa rausschmeißen, wenn ich bis nächsten Monat keinen Job habe?"
    "Das reicht jetzt!", fuhr Rebeccas Vater dazwischen, bevor seine Frau etwas erwidern konnte. Er schaute seine Tochter streng an. "Red' nicht so einen Quatsch! Natürlich werfen wir dich nicht raus", ermahnte ihr Vater sie. Dann wandte er sich seiner Frau zu. "Und du kannst von Rebecca nicht erwarten, dass sie von jetzt auf gleich einen perfekten neuen Plan für ihre Zukunft hat!"
    "Aber ich sage doch nur..."
    "Schatz, ich weiß genau, was du sagst und ich denke, dass es Blödsinn ist! Sie braucht mehr Zeit, um sich an all das hier zu gewöhnen. Wir alle tun das!"
    "Du glaubst doch nicht etwa, dass es ihr irgendetwas bringt, sich ewig zu verkriechen!"
    "Das habe ich auch nicht gesagt."
    "Genau darum geht es doch...!"
    Während ihre Eltern weiter diskutierten, fühlte sich Rebecca irgendwie verloren. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte und ihre Gedanken schwirrten wild durch ihren Kopf. Rebecca wunderte sich selbst ein wenig darüber, wie sie ihre Mutter angefahren hatte. Gleichzeitig hatte sie aber das Gefühl, ihre Mutter verstand einfach nicht, was sich seit der Operation in Wellington für sie alles verändert hatte.
    Ein wenig ziellos ließ sie ihren Augen umherschweifen. Dabei fiel ihr Blick auf das halbvolle Glas mit Wasser, das vor ihrer Mutter auf dem Tisch stand und sofort wusste sie, was kam. Doch wie immer reichte die Erkenntnis über das was passieren würde nicht aus, um es zu verhindern.
    "Hey!" In einer ruckartigen Bewegung beugte sich Rebecca vor und stieß mit der flachen Hand das Glas vom Tisch.


    Egal wie häufig ihre Mutter betonte, dass sich Rebecca nicht so viele Gedanken um die Sache mit dem Wasser machen sollte, war Rebecca dennoch ziemlich elend, als sie schließlich in ihr Zimmer zurückkehrte. Zwar war das Glas wie durch ein Wunder nicht zersprungen und es war zum Glück nur Wasser gewesen, das sie ihrer Mutter in den Schoß und über den Boden verteilt hatte, dennoch hasste sie es, wenn sie anderen Leuten solche Scherereien einbrachte, Tourette hin oder her. Und das ausgerechnet nach der hitzigen Diskussion. Es musste ausgesehen haben, als hätte sie ihrer Mutter aus reinem Trotz eine auswischen wollen.
    Aber das stimmte nicht, es war bloß ein zufälliger Tic gewesen, Rebecca hatte nichts dergleichen tun wollen. Oder...etwa doch...?
    Eigentlich hatte sie sich so sehr darauf gefreut, dass ihre Mutter nach Hause zurückgekommen war. Doch als sie sich jetzt an ihren Schreibtisch setzte, war die Freude einem Gefühl tiefer Unzufriedenheit gewichen. Eine Unzufriedenheit, die sie sich selbst nicht so recht erklären konnte.
    Sie wusste nicht, was sie erwartete hatte, doch sicherlich nicht, dass ihre Mutter so viel Unverständnis für ihre Situation zeigen würde. Klar, sie war immer schon etwas strenger gewesen und hatte auch immer darauf geachtet, dass ihre Tochter ihre Zukunftsplanung nicht vernachlässigte, sei es schon früh bei ihren Schulleistungen oder auch später bei der Frage, was sie nach ihrem Abschluss machen wollte. Doch eigentlich hatte ihre Mutter sie bislang immer bei Allem unterstützt, selbst als sie ihr Medizinstudium abgebrochen hatte, um auf Lehramt zu wechseln. Warum sie ihre Tochter ausgerechnet jetzt so sehr unter Druck setzte, wo Rebecca doch wieder so schwer mit ihren Tics zu kämpfen hatte, konnte sich die junge Frau beim besten Willen nicht erklären.
    Oder wollte es vielmehr einfach nicht wahrhaben.
    Denn die leise Stimme in ihrem Hinterkopf wollte ihrer Mutter immer noch Recht geben. Wurde es langsam nicht wirklich Zeit, dass sie sich Gedanken darum machte, wie es nun weiter gehen sollte? Dass sie sich eine richtige Beschäftigung suchte...aber was eigentlich? Ein Studium? Ein Job? Aber als was? Was konnte sie denn machen, bei dem ihre Tics ihr nicht rund um die Uhr zur Last fallen würden? Nicht zum ersten Mal kam ihr dabei der Gedanke an einen Bürojob, wo sie den ganzen Tag in einem eigenen Büro hocken und mit ihren Tics nichts kaputtmachen und niemanden stören würde. Aber alleine die Vorstellung an diesen Arbeitsalltag löste bei ihr heftige Abscheu aus. Aber was für andere Optionen blieben ihr denn noch?
    Rebecca driftete bald schon in die selben Gedankenspiralen ab, die sie schon seit Wochen beinahe tagtägliche begleiteten. Eine zufriedenstellende Antwort bekam sie dennoch nicht. Und hinter all dem stand nun auch noch diese unangenehme Frage danach, wie ihre Mutter nun mit ihr umgehen würde. War sie wütend? Vielleicht ein wenig wegen der Sache mit dem Wasser, doch auf Rebecca hatte es eher den Eindruck gemacht, ihre Mutter wäre enttäuscht gewesen. Aber war da vielleicht doch mehr?
    Verloren in ihren wenig fruchtbaren Überlegungen, merkte Rebecca im ersten Moment gar nicht den Ping an ihrem Armband. "Buuuiieeeh!" Mit einem Seufzen schaute sie auf das Holo-Display, um zu sehen, was das Gerät ihr mitteilen wollte und ihr Herz machte einen Hüpfer. Sie wollte den Anruf sofort entgegennehmen, doch stattdessen reckte sie den Kopf in den Nacken und kniff die Augen zusammen.
    "Mai?", fragte sie kaum dass sie den Voice-Call angenommen hatte.
    "Hey, Becky", ertönte die Stimme ihrer besten Freundin am anderen Ende. "Wie geht's dir?"
    "Mir...ähm...ich..." Der Wunsch die Frage rasch mit einem 'Ja' abzuwinken rang mit dem Verlangen, sich ihre Sorgen von der Seele zu reden.
    Natürlich bemerkte Amaia ihr Zögern. "Alles in Ordnung?"
    Rebecca gab sich einen Ruck. "Ähm...jaah, alles gut..."
    "Bist du dir sicher? Du klingst irgendwie komisch!"
    "Hm..." Sie atmete tief durch und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. "Ach...es ist eigentlich nicht wirklich...meine Mom ist vorhin nachhause zurückgekommen und wir...naja...wir haben uns ein wenig gestritten."
    "Ach, wirklich, ihr auch?", gab Amaia mit einem Schnauben zurück. "Worum ging es denn?"
    "Es war eigentlich nicht so schlimm, aber...sie hat gemeint..." Rebecca hielt inne und wunderte sich über sich selbst. Wollte sie wirklich ausgerechnet Amaia die Ohren über diese kleine Auseinandersetzung volljammern, wo ihre beste Freundin mit so viel mehr zu kämpfen hatte? "Naja, egal, es war nur eine Kleinigkeit...", versuchte sie abzuwinken.
    "Also hat sie dir nicht gesagt, sie wünscht sich, du wärst nie geboren worden?" Erst jetzt war die Bitterkeit in Amaias Stimme zu hören und eine unangenehme Stille folgte ihren Worten.
    "Wie meinst du das?", fragte Rebecca behutsam, auch wenn die Worte ihre Ahnung bereits bestätigten.
    "Tjaah...das bekomme ich von meiner Mutter zu hören, wenn wir uns streiten."
    Rebecca hatte das Gefühl, sie hätte gerade auf dem Weg nach unten eine Treppenstufe verpasst. "Oh mein Gott! Dei-Deine Mutter? Aber...das hat sie nicht wirklich...?"
    "Jaah...doch, schon." Amaia lachte freudlos auf. "Naja, sie war halt betrunken..."
    "Was ist denn passiert?"
    "Ach, ihr Freund ist ein mieser Arsch, das ist passiert. Ich habe eigentlich nur unsere Küche sauber gemacht- du hättest das sehen sollen, überall dreckiges Geschirr, Essensreste, Schimmel- und dann beschwert er sich natürlich, dass plötzlich etwas anders ist als vorher. Und dann...naja, du weißt ja, wie das mit ihm immer ist...wir haben uns angeschrien und irgendwann kam Mom dazu, hat sich eingemischt und...hat mir halt irgendwann Einiges an den Kopf geworfen..."
    "Oh Mann...das tut mir wirklich so leid, Mai. Nein, tut es nicht! Doch, tut es! Tut es nicht! Nein, wirklich, ich meine es ernst! Tue ich nicht! Ach, halt doch die Klappe!", fuhr sie sich selbst an und brachte ihr Tourette zum Schweigen. Vorerst. "Sorry..."
    Doch von Amaia ertönte ein leises Kichern über den Tic. "Das ist schon irgendwie süß. Aber dein Tourette hat recht, Rebecca, es braucht dir nicht leidtun." Ihre Stimme nahm einen verächtlichen Ton an. "Du kannst ja nichts dafür, dass mein Vater ein Kinderschänder ist und mein Stiefvater ein dummes Arschloch..."
    Rebecca hielt unwillkürlich die Luft an. Amaia sprach eigentlich so gut wie nie über ihren leiblichen Vater.
    "Tut mir leid, Becky, ich wollte dir echt nicht die Stimmung vermiesen", meinte Amaia plötzlich mit einem verlegenen Lachen.
    "Fuck off! Ist schon okay, wirklich..." Im Angesicht von der kaputten Familie ihrer besten Freundin kam Rebecca der Streit mit ihrer Mutter nun unglaublich harmlos, ja fast schon irgendwie albern vor. "Mai? Du kannst immer mit mir darüber reden, wenn du möchtest, okay?", sagte sie behutsam.
    Auf ihre Worte folgten einige Sekunden Stille. "Das ist wirklich lieb von dir, aber...naja, ich mein' das gar nicht böse, aber...das würde auch nichts daran ändern, was meine Mutter...es ist halt..." Amaia stieß ein Seufzen aus. "Ach, ist ja auch egal, ich wollte dich nicht anrufen, um über meine Familie rumzuheulen. Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du Lust hast morgen Abend mit ins Harmony zu gehen!"
    "Oh...ins Harmony? Wirklich?"
    "Klar, wieso nicht? Ich bin ja schon ewig nicht mehr da gewesen und ich hätte echt mal wieder Lust. Also wie sieht's aus, willst du?"
    "Ähm..."
    Eigentlich wollte Rebecca sofort 'ja' sagen. Noch nie hatte sie einen Abend im Harmony abgelehnt. Es war eine wahnsinnig gemütliche Musikbar nicht weit von ihrer Wohngegend und früher waren sie dort gefühlt jede Woche mit Freunden gewesen. Selbst nachdem Amaia nach Alaska gezogen war, hatte Rebecca dort gerne Zeit verbracht. Doch nun wusste sie plötzlich nicht so recht, ob sie Lust darauf hatte. Sie war schließlich noch nie mit ihren Tics dort gewesen.
    Amaia schien zu bemerken, dass Rebecca mit sich haderte. "Ich wollte noch ein paar Leute zusammentrommeln, dann können wir uns einen schönen Abend machen, wie früher. Komm schon, das wird super!"
    "Ach...ich weiß nicht..."
    "Bittöööö", jammerte ihre Freundin übertrieben. "Wenn du nicht mitkommst, habe ich auch keine Lust."
    Rebecca entfuhr ein Lachen. "Hey, ich zwinge dich nicht...buuuiieeh! Ich zwinge dich nicht, meine Finger zu brechen! Iiiiiich zwinge dich nicht...zwing mich nicht...zwing mich nicht dir wehzutun!" Die Vorstellung davon in einer vollen Bar zu sitzen behagte ihr überhaupt nicht und die Tatsache, dass Amaia noch ihre anderen Freunde in Tauranga einladen wollte, half ihr nur bedingt, sich besser zu fühlen. Denn außer Amaia wusste keiner von ihnen von Rebeccas Tourette. Wenn man von Ben mal absah, aber der war weit weg auf der Citadel. Ein 'Nein' wollte ihr aber trotzdem einfach nicht über die Lippen kommen. Zu gut gefiel ihr die Vorstellung, einen Abend im Harmony mit ihrer besten Freundin zu verbringen. "Ahhh...na gut...aber dann habe ich was gut bei dir!", scherzte sie und stieß ein Seufzen aus. Sie hoffte inständig, dass sie ihre Zusage nicht bereuen würde.
    "Yaay! Wirst schon sehen, wir haben einfach ein bisschen Spaß, da ist nichts dabei..."
    "Na, wenn du das sagst...Fuck off! Hey!"
    Sie plauderten noch ein wenig, bis Amaia sich schließlich verabschiedete, um noch ein paar ihrer alten Freunde anzurufen oder anzuschreiben. Schon einige Minuten später erstellte sie eine Messenger-Gruppe, wo Amaia nach und nach eine Reihe von ihren alten Schulfreunden einlud. Im Laufe des restlichen Abends füllte sich die Gruppe mit einigen vertrauten Namen und Rebecca spürte diese leise Vorfreude über ein bevorstehendes Treffen mit Freunden in sich aufkeimen, die sie schon seit Wochen nicht mehr so gespürt hatte.
    Doch wie üblich warf ihr Tourette einen hässlichen Schatten über dieses Gefühl. Der Streit mit ihrer Mutter zeigte ihr, wie sehr ihre verdammte Krankheit alles in ihrem Leben gegen sie richten konnte. Nicht zum ersten Mal fragte sich Rebecca, wie ihre alten Schulfreunde auf ihre Tics reagieren würden und malte sich schon das Schlimmste aus. Ein Teil von ihr wusste aber, dass ihr gar nichts anderes übrig bleiben würde, als sich früher oder später ihren Freunden zu zeigen. Und so sehr sie auch versuchte, diese leise Stimme in ihrem Hinterkopf zu ignorieren, sie musste sich eingestehen, dass ihre Mutter Recht hatte. Es würde nur schlimmer für sie werden, je länger sie sich zuhause in ihrem Zimmer versteckte.
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  10. #110
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Zitat Zitat von AeiaCarol Beitrag anzeigen

    Es gelang ihm keine Antwort. Keine wirkliche Antwort. Seine Augen fingen ihren Blick ein oder viel eher umgekehrt, doch Leif sagte nichts, obgleich er zutiefst dankbar war. Hierfür. Und für dieses Versprechen. Er wollte gerade zu gern sofort umfallen. Einfach sterben. Nicht diesen vernichtenden Riss mitten durch seine Brust spüren, den der Anblick vom Sarg seines Freundes dort hinterlassen hatte. Er fragte sich, ob sie je echte Freunde gewesen waren. Oder ob er nie einer hatte sein können, weil er Odinns dunkler Strudel war. Geklemmt an eines seiner Beine, ihn weit in die Tiefe ziehend. Ein Freund hätte immerhin gewusst, wie sehr oder wie wenig ihm eine Zeremonie wie diese hier zusagte. Die Anwesenheit der Allianz, wenigstens diesem Bruchteil bekannter Gesichter, hätte ihn vermutlich geehrt. Das hätte er nicht zugeben wollen, vermutete Leif, aber er war doch genau das gewesen, was er immer hatte sein wollen, als er der Allianz diente. Richtig? Und dann waren da noch andere. Familie. Ein regelrecht winzig kleiner Kreis von Leuten in erster Reihe, die nicht die geübte Zurückhaltung der Soldaten besaßen, die weinten, schluchzten und mit ihrer offenen Trauer diesen eigenwilligen Kontrast zu jenen herstellten, die schon mehr als einen Freund unter die Erde gebracht hatten. Eben nicht unüblich beim Militär. Und Leif hasste das Gefühl. Er schenkte alldem immer weniger Aufmerksamkeit. Bis zu diesem jungen Mann. Nach vielen anderen. Jung im Gegensatz zu einigen anderen Anwesenden, aber doch wohl irgendwo in Leifs Alter. Der Schwede sah auf. Legte den Kopf schief und lauschte mit einem Gefühl von Nostalgie, die er gar nicht hierfür würde entwickeln können (nicht wirklich) seiner Ausführung. "...sind zusammen in 'n Kindergarten gegangen, bis er...bis er weggezogen ist. Für 'ne kleine, irische Familie wie meine war's unbegreiflich, aber dieser Kerl da...", der Mann mit dem goldblonden Haar deutete mit seiner Linken auf den Sarg hinter sich, als kündigte er der versammelten Mannschaft eine Palette gekühlten Bieres an, "...wusste schon immer was er wollte. War also nur klar, dass der Karriere beim Militär machen würde. Leider haben wir uns dann immer weniger gesehen. Nur bei seiner Hochzeit mal. Auf die hat er mich eingeladen, was ziemlich cool von ihm war.", versicherte der Redner und brachte einige Leute damit zu bedächtigen, taktvollen Lachern, während Leif sich fragte, ob der Mann an einer geistigen Behinderung litt oder schlicht immer so flapsig war. Der erste Gedanke kam ihm ohne Vorurteil, denn der Mann schien nicht nur in seiner Sprache sehr langsam und bedächtig, sondern auch in seinen Bewegungen, während er doch ebenso wenig einen allzu großen Aufwand darin betrieb, die Allianzler durch besonders respektvolle Sprache zu beeindrucken, sondern einfach redete, offensichtlich dem Militär nicht angehörend. Und grinste, als sei er auf einer Geburtstagsparty, die sich doch gerade als gar nicht SO schlecht herausgestellt hatte. "Seitdem haben wir uns auch nich' mehr gesehen, aber ich erinner mich gut an diesen Abend. Und an Odinns Begeisterung für sein Land und seine Herkunft, die er nie vergessen hat. Hat er auch mit mir 'nich. Hab ihm und Grace dazu ein uraltes Gedicht von James Orr vorgetragen. Ich hab's so'n bisschen damit und deswegen will ich ihm den Gefallen heute nochmal tun, also sperrt die Lauscher gut auf, ich fang' an.", versprach der Typ und Leif fand den 'Fehler'. Der Mann war nicht irgendwie eingeschränkt, er war schlicht und ergreifend sturzbesoffen. Denn noch bevor er loslegte, auch nur ein Wort weitersprach, torkelte er heldenhaft geschwind zur vorderen Reihe, angelte dort aus der Hand einer verbündeten Frau eine Flasche Whisky und taumelte zurück, wo er die Flasche hob, in seiner Hand gemischt mit einem knisternden Zettel. Den Zettel brauchte er nicht, wie er bewies. Noch murmelte, dass das alles völlig aus dem Kontext gerissen, aber gut genug sei. Leif sah Luceija vielsagend und peinlich berührt an. Dann donnerte der Vers regelrecht durch die Kapelle. Mehr noch ein Singsang.



    "We dring-..drink the memory of the brave,
    The faithful and few -
    Some lie far off beyond the wave,
    Some sleep in Ireland, too;
    All, all are gone - but still lives on
    The fame of those who died;
    All true men, like you, men,
    Remember them with pride."


    Stille. Niemand sagte einen Ton. Es konnte das Brechen peinlichen Schweigens oder Rührung sein, als ein unbeholfener Mann im Mittelfeld plötzlich leise klatschte. Der Redner sich mit seinem Blick an diesem Mann festhielt, euphorisch grinste und die Flasche noch ein weiteres Mal hob. So weit, als wolle er seinen Arm zum Mond schicken. "Cheerio!", gröhlte er feierlich, setzte die Flasche an und rauschte erst davon, als er einige Schlucke getankt hatte. Leif wurde rot, als sei es sein eigener Auftritt gewesen und musste doch leise und ein wenig heimlich lachen. Er hatte Odinn wohl wirklich schlecht gekannt. Wenigstens nicht gut genug. Unbewusst hielt er sich an der Hand seiner Begleiterin fest. Immer noch. Fester. Er sah sie wieder an. Nicht minder blass, aber weniger verkrampft. Die Leute hinter ihnen wurden nebensächlich. Das hier machte er nicht für die, sondern für Odinn. Für ihn ganz allein. "Danke.", sagte der Arzt nur zu Luceija. Er sah weiter nach vorn. Doch kein einziges Wort dieses Reverents dort vorn interessierte ihn recht. Die Reden liefen einfach weiter. Und Leif saß hier. Mit Luci. Aber wenigstens waren sie hier.



    Luceija hatte abgesehen von der Rede dieses Betrunkenen, auf den sie alleine durch Leifs Blick aufmerksam gemacht wurde, nicht zugehört. Und auch diesem nur halb, denn seit sie hier drin war, an dem für sie vielleicht unheiligsten Ort überhaupt, fühlte sie sich unwohler denn je. Da waren zu viele Gedanken die sie ablenkten und ihren Kopf vollkommen überfluteten. Sich wahnsinnig leer fühlen ließ. Es war auch der Blick auf seine Hand. Ihre Hand. Die ineinander geschlungen auf ihrem Oberschenkel auflagen und sich nicht los ließen, als wäre es eine schmerzliche Metapher. Übelkeit, Panik, Zittern, all das kombinierte sich zu einem ekelerregenden Knoten in ihrem Hals, der sie am Liebsten hätte weinen lassen - aber nicht über den Toten, der wenige Meter von ihr entfernt lag. Sondern sie beide. Ihr selbstverschuldetes Schicksal. Aber sie gab sich diese Blöße nicht. Nicht hier. Vor allem nicht hier.

    Immer wieder sah sie ihn an. Nicht nach vorn, nicht einmal im Ansatz diese anderen Leute an, selbst an den Sprechern knapp vorbei, desinteressiert, sich selbst abgeschottet. Aber sie sah ihn. An und wirklich. Immer nur ihn. Nicht immer bemerkte er es. Vielleicht kaum. Dachte nur, dass sie auf ihn reagierte, wenn er etwas sagte. Dabei war sie viel mehr bei ihm als irgendwo anders. Ihre Finger schoben sich sanft zwischen seine, faltete ihre Hand in seine Hand und hielt ihn noch näher.

    Irgendwann endeten die Reden. Irgendwann klang Musik - Kirchenmusik - dröhnend und aufdringlich durch die Kapelle, die sie fertig machte. Und Bewegung geriet in den winzigen Ort. Ein paar standen auf, hauptsächlich die Vordersten, wahrscheinlich Verwandte? Ein älteres Pärchen-...sie kannte niemanden davon. Tat es Leif? Wieder sah sie zu ihm - etwas verloren - und fragend. Sie war nie bei einer Beerdigung gewesen. Nicht mal bei denen, bei denen es relevant gewesen wäre.
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  11. #111
    Drachentöter Avatar von numberten
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    "Kommen sie noch einen!"
    , motivierte Werner den auf der Hantelbank liegenden Taft. Der Afroamerikaner schüttelte den Kopf, sein Gesicht bestätigte die Geste. Der Offizier griff an die Hantelstange und legte diese in die entsprechende Halterung. Schnaufend setzte sich der Unteroffizier auf und wischte sich mit dem von Werner gereichten Handtuch die Stirn ab.
    "Danke.", sprach er und schwang sein Bein über die Bank, sich seitlich auf diese setzend. Werner blieb locker neben ihm stehen.
    "Sie machen sich gut Lieutenant.", lobte ihn der Dunkelhäutige und nahm einen Schluck aus seiner Trinkflasche.
    "Als Trainingspartner?", scherzte der Deutsche woraufhin Bill schmunzeln musste.
    "Das kann ich noch nicht einschätzen, ich meinte als Leader. Ihre Leistung bei der Station hat sich im Platoon rumgesprochen. Man weiß jetzt schon das sie was bringen. Ich glaube so früh kommt der Trupp selten zu so einer Einschätzung.", erklärte er.
    "Ich denke die wenigsten Offiziere mussten auch am Anfang ihres Flottenpraktikums auf einer alten Protheanerstation rumturnen."
    "Natürlich, aber würden sie deswegen direkt gut rumturnen? Nehmen sie ein Kompliment einfach an. Niemand glaubt Leuten die immer bescheiden wirken. Pun bezeichnete sie als effizient, aus seinem Mund ist das viel wert.", entgegnete der Afroamerikaner lächelnd.
    "Es freut mich natürlich das zu hören. Gut das wir mit allen wieder lebend rausgekommen sind.", stimmte ihm Werner ebenfalls lächelnd zu.
    "Ja, das hilft einen guten Eindruck zu machen. Ich habe gehört Hernandez steht ein wenig auf sie. Inoffizielles Gerücht natürlich, Lieutenant. Aber sie mag es eh grande und rubio, deswegen wäre es plausibel.", merkte der Sergeant neckisch an. Werner grinste leicht.
    "Sehr schmeichelhaft, Bill. Aber ich denke sowas ist doch eher unprofessionell.", wiegelte er freundlich ab.
    "Das müssen sie ihr sagen, falls sie Schritte in der Art unternehmen sollte. Aber dem Captain wird ihre Einstellung gefallen. Sie mag keine Insubordination. Ich meine sie toleriert es, sie ist ja nicht weltfremd. Aber sie meint immer, das hier ist ein Kriegsschiff und nicht das Loveboat. Und das man sich zwischen den Landgängen wohl zusammenreißen kann.", erklärte Bill lachend. Werner lachte ebenfalls kurz. Er konnte sich gut vorstellen wie die Schottin so eine Tirade vom Stapel gelassen hatte.
    "Und ihre Meinung dazu?" "Wissen sie Neumann..sie sind neu im All. Aber wenn man monatelang in einer eisernen Hülle zusammengepfercht ist, dann ist es menschlich das sich die Leute hier näher kommen. Langeweile, lebensgefährliche Einsätze, Heimweh. Da entsteht Druck. Entweder man baut ihn selbst ab, oder man sucht sich jemanden dafür.", erklärte der Schnauzbartträger und stützte sich grinsend ab.
    "Welcher von den beiden Typen sind sie?", fragte Werner scherzhaft und verschränkte die Arme.
    "Ich bin glücklich verheiratet Lieutenant.", entgegnete der Afroamerikaner unschuldig lächelnd. "Nun, das ist wohl eine Erklärung für ihre trainierten Arme.", erwiderte Werner trocken, woraufhin Bill laut lachen musste und ihn dann beim aufstehen auf die Schulter klopfte.
    "Ich denke sie sind dran, Lieutenant.", meinte er lächelnd und wischte die Hantelbank für den Deutschen ab.

    **

    Das Auftauchen des Schottens kam recht unerwartet, als Werner um die Ecke bog und dieser ihn anhielt. Der Schotte wurde ungewöhnlich oft im Bereich der Marines gesichtet. Da Marines in Freizeit immer langweilig war und eine Wache am Eingang des Schotts stand, fiel sowas natürlich auf, vor allem da er anders als sein Team nicht die üblichen Orte besuchte, wie den Fitnessbereich.
    Werner war die Sache ziemlich egal, war sich aber sicher das jemand der nicht in den Alltagsdienst eingebunden war, verdammt viel Freizeit und Langeweile hatte. Und das nach dieser Sache mit Captain Mitchell der Bereich der Marines wohl ein Müh besser war als der des Navy Personal. Auch wenn es weder Captain Mitchell, noch der Commander breitgetreten hatten. Bei seiner letzten Unterrichtseinheit mit der Inderin hatte diese es mit keiner Silbe erwähnt oder sich anders verhalten als sonst.
    Dem Deutschen wäre diese Einstellung im Moment auch sehr liebt gewesen, aber Fraser schien in dieser Hinsicht noch Redebedarf zu haben. Neben einem Dankeschön, wünschte er sich eine erneute Einschätzung der Situation. Offensichtlich nahm er an das Werner vor dem Admiral nicht so frei gesprochen hatte, wie man es in einem Schiffsflur konnte.
    "Was ich damals gesagt habe, meinte ich auch so. Den Fehler bemerkt man erst wenn man ihn begangen hat, hinterher ist man immer schlauer. Aber ja, auf eine Art Emissär schießen auch wenn es nur ein Automat war, hielt ich nicht für den richtigen Schritt. Letztendlich musste dieser Erstkontakt dann feindlich ablaufen und das Ergebnis fliegt jetzt atomisiert im All.", antwortete der Lieutenant nach kurzem Nachdenken.
    "Was aber nur auf meiner damaligen Einschätzung basiert. Vielleicht waren die Drohungen viel prägnanter und jedes Zögern hätte dazu das diese Station die Columbia hinter unserem Arsch zerschießt. Oder Captain Mitchell das Ding zerstört um die Besatzung zu schützen.", fügte er noch ebenfalls leicht die Arme verschränkend. Ein Squad war im Ernstfall weniger wert als ein ganzes Schiff.
    "Alle haben überlebt die Station wurde zerstört. Also nochmals nein, ich fand ihren Präventivschlag nicht falsch. Ich hätte wohl nur anders gehandelt, mit der Gefahr das mein Zögern andere Konsequenzen hat.", beschied der Deutsche dem Schotten. Entscheidungen fällen und mit den Konsequenzen von diesen leben. Das war letztendlich die Aufgabe eines Offiziers und natürlich hinterfragte man diese. Fraser tat das, Mitchell tat das sicher auch und Werner hätte es auch getan wenn er den Befehl gehabt hätte.
    "Eine Frage aus Neugier, wenn sie erlauben. Wie hätten sie reagiert wenn es kein Automat gewesen wäre, sondern..nennen wir es eine Art mumifizierter Protheaner das Gespräch geführt hätte. Also ein richtiger Erstkontakt, mit einer richtigen lebenden Spezies. Anwesend, aber vielleicht nicht direkt erreichbar. Und dieser exakt die gleichen Drohungen ausgestoßen hätte?", fragte Werner den Schotten. Die Frage hatte er sich letztens für sich gestellt, als er wieder an die Sakrophage denken musste. Und ihren vermeintlichen Inhalt.
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  12. #112
    Provinzheld Avatar von Majonese
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    Zitat Zitat von Majonese Beitrag anzeigen

    Egal wie häufig ihre Mutter betonte, dass sich Rebecca nicht so viele Gedanken um die Sache mit dem Wasser machen sollte, war Rebecca dennoch ziemlich elend, als sie schließlich in ihr Zimmer zurückkehrte. Zwar war das Glas wie durch ein Wunder nicht zersprungen und es war zum Glück nur Wasser gewesen, das sie ihrer Mutter in den Schoß und über den Boden verteilt hatte, dennoch hasste sie es, wenn sie anderen Leuten solche Scherereien einbrachte, Tourette hin oder her. Und das ausgerechnet nach der hitzigen Diskussion. Es musste ausgesehen haben, als hätte sie ihrer Mutter aus reinem Trotz eine auswischen wollen.
    Aber das stimmte nicht, es war bloß ein zufälliger Tic gewesen, Rebecca hatte nichts dergleichen tun wollen. Oder...etwa doch...?
    Eigentlich hatte sie sich so sehr darauf gefreut, dass ihre Mutter nach Hause zurückgekommen war. Doch als sie sich jetzt an ihren Schreibtisch setzte, war die Freude einem Gefühl tiefer Unzufriedenheit gewichen. Eine Unzufriedenheit, die sie sich selbst nicht so recht erklären konnte.
    Sie wusste nicht, was sie erwartete hatte, doch sicherlich nicht, dass ihre Mutter so viel Unverständnis für ihre Situation zeigen würde. Klar, sie war immer schon etwas strenger gewesen und hatte auch immer darauf geachtet, dass ihre Tochter ihre Zukunftsplanung nicht vernachlässigte, sei es schon früh bei ihren Schulleistungen oder auch später bei der Frage, was sie nach ihrem Abschluss machen wollte. Doch eigentlich hatte ihre Mutter sie bislang immer bei Allem unterstützt, selbst als sie ihr Medizinstudium abgebrochen hatte, um auf Lehramt zu wechseln. Warum sie ihre Tochter ausgerechnet jetzt so sehr unter Druck setzte, wo Rebecca doch wieder so schwer mit ihren Tics zu kämpfen hatte, konnte sich die junge Frau beim besten Willen nicht erklären.
    Oder wollte es vielmehr einfach nicht wahrhaben.
    Denn die leise Stimme in ihrem Hinterkopf wollte ihrer Mutter immer noch Recht geben. Wurde es langsam nicht wirklich Zeit, dass sie sich Gedanken darum machte, wie es nun weiter gehen sollte? Dass sie sich eine richtige Beschäftigung suchte...aber was eigentlich? Ein Studium? Ein Job? Aber als was? Was konnte sie denn machen, bei dem ihre Tics ihr nicht rund um die Uhr zur Last fallen würden? Nicht zum ersten Mal kam ihr dabei der Gedanke an einen Bürojob, wo sie den ganzen Tag in einem eigenen Büro hocken und mit ihren Tics nichts kaputtmachen und niemanden stören würde. Aber alleine die Vorstellung an diesen Arbeitsalltag löste bei ihr heftige Abscheu aus. Aber was für andere Optionen blieben ihr denn noch?
    Rebecca driftete bald schon in die selben Gedankenspiralen ab, die sie schon seit Wochen beinahe tagtägliche begleiteten. Eine zufriedenstellende Antwort bekam sie dennoch nicht. Und hinter all dem stand nun auch noch diese unangenehme Frage danach, wie ihre Mutter nun mit ihr umgehen würde. War sie wütend? Vielleicht ein wenig wegen der Sache mit dem Wasser, doch auf Rebecca hatte es eher den Eindruck gemacht, ihre Mutter wäre enttäuscht gewesen. Aber war da vielleicht doch mehr?
    Verloren in ihren wenig fruchtbaren Überlegungen, merkte Rebecca im ersten Moment gar nicht den Ping an ihrem Armband. "Buuuiieeeh!" Mit einem Seufzen schaute sie auf das Holo-Display, um zu sehen, was das Gerät ihr mitteilen wollte und ihr Herz machte einen Hüpfer. Sie wollte den Anruf sofort entgegennehmen, doch stattdessen reckte sie den Kopf in den Nacken und kniff die Augen zusammen.
    "Mai?", fragte sie kaum dass sie den Voice-Call angenommen hatte.
    "Hey, Becky", ertönte die Stimme ihrer besten Freundin am anderen Ende. "Wie geht's dir?"
    "Mir...ähm...ich..." Der Wunsch die Frage rasch mit einem 'Ja' abzuwinken rang mit dem Verlangen, sich ihre Sorgen von der Seele zu reden.
    Natürlich bemerkte Amaia ihr Zögern. "Alles in Ordnung?"
    Rebecca gab sich einen Ruck. "Ähm...jaah, alles gut..."
    "Bist du dir sicher? Du klingst irgendwie komisch!"
    "Hm..." Sie atmete tief durch und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. "Ach...es ist eigentlich nicht wirklich...meine Mom ist vorhin nachhause zurückgekommen und wir...naja...wir haben uns ein wenig gestritten."
    "Ach, wirklich, ihr auch?", gab Amaia mit einem Schnauben zurück. "Worum ging es denn?"
    "Es war eigentlich nicht so schlimm, aber...sie hat gemeint..." Rebecca hielt inne und wunderte sich über sich selbst. Wollte sie wirklich ausgerechnet Amaia die Ohren über diese kleine Auseinandersetzung volljammern, wo ihre beste Freundin mit so viel mehr zu kämpfen hatte? "Naja, egal, es war nur eine Kleinigkeit...", versuchte sie abzuwinken.
    "Also hat sie dir nicht gesagt, sie wünscht sich, du wärst nie geboren worden?" Erst jetzt war die Bitterkeit in Amaias Stimme zu hören und eine unangenehme Stille folgte ihren Worten.
    "Wie meinst du das?", fragte Rebecca behutsam, auch wenn die Worte ihre Ahnung bereits bestätigten.
    "Tjaah...das bekomme ich von meiner Mutter zu hören, wenn wir uns streiten."
    Rebecca hatte das Gefühl, sie hätte gerade auf dem Weg nach unten eine Treppenstufe verpasst. "Oh mein Gott! Dei-Deine Mutter? Aber...das hat sie nicht wirklich...?"
    "Jaah...doch, schon." Amaia lachte freudlos auf. "Naja, sie war halt betrunken..."
    "Was ist denn passiert?"
    "Ach, ihr Freund ist ein mieser Arsch, das ist passiert. Ich habe eigentlich nur unsere Küche sauber gemacht- du hättest das sehen sollen, überall dreckiges Geschirr, Essensreste, Schimmel- und dann beschwert er sich natürlich, dass plötzlich etwas anders ist als vorher. Und dann...naja, du weißt ja, wie das mit ihm immer ist...wir haben uns angeschrien und irgendwann kam Mom dazu, hat sich eingemischt und...hat mir halt irgendwann Einiges an den Kopf geworfen..."
    "Oh Mann...das tut mir wirklich so leid, Mai. Nein, tut es nicht! Doch, tut es! Tut es nicht! Nein, wirklich, ich meine es ernst! Tue ich nicht! Ach, halt doch die Klappe!", fuhr sie sich selbst an und brachte ihr Tourette zum Schweigen. Vorerst. "Sorry..."
    Doch von Amaia ertönte ein leises Kichern über den Tic. "Das ist schon irgendwie süß. Aber dein Tourette hat recht, Rebecca, es braucht dir nicht leidtun." Ihre Stimme nahm einen verächtlichen Ton an. "Du kannst ja nichts dafür, dass mein Vater ein Kinderschänder ist und mein Stiefvater ein dummes Arschloch..."
    Rebecca hielt unwillkürlich die Luft an. Amaia sprach eigentlich so gut wie nie über ihren leiblichen Vater.
    "Tut mir leid, Becky, ich wollte dir echt nicht die Stimmung vermiesen", meinte Amaia plötzlich mit einem verlegenen Lachen.
    "Fuck off! Ist schon okay, wirklich..." Im Angesicht von der kaputten Familie ihrer besten Freundin kam Rebecca der Streit mit ihrer Mutter nun unglaublich harmlos, ja fast schon irgendwie albern vor. "Mai? Du kannst immer mit mir darüber reden, wenn du möchtest, okay?", sagte sie behutsam.
    Auf ihre Worte folgten einige Sekunden Stille. "Das ist wirklich lieb von dir, aber...naja, ich mein' das gar nicht böse, aber...das würde auch nichts daran ändern, was meine Mutter...es ist halt..." Amaia stieß ein Seufzen aus. "Ach, ist ja auch egal, ich wollte dich nicht anrufen, um über meine Familie rumzuheulen. Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du Lust hast morgen Abend mit ins Harmony zu gehen!"
    "Oh...ins Harmony? Wirklich?"
    "Klar, wieso nicht? Ich bin ja schon ewig nicht mehr da gewesen und ich hätte echt mal wieder Lust. Also wie sieht's aus, willst du?"
    "Ähm..."
    Eigentlich wollte Rebecca sofort 'ja' sagen. Noch nie hatte sie einen Abend im Harmony abgelehnt. Es war eine wahnsinnig gemütliche Musikbar nicht weit von ihrer Wohngegend und früher waren sie dort gefühlt jede Woche mit Freunden gewesen. Selbst nachdem Amaia nach Alaska gezogen war, hatte Rebecca dort gerne Zeit verbracht. Doch nun wusste sie plötzlich nicht so recht, ob sie Lust darauf hatte. Sie war schließlich noch nie mit ihren Tics dort gewesen.
    Amaia schien zu bemerken, dass Rebecca mit sich haderte. "Ich wollte noch ein paar Leute zusammentrommeln, dann können wir uns einen schönen Abend machen, wie früher. Komm schon, das wird super!"
    "Ach...ich weiß nicht..."
    "Bittöööö", jammerte ihre Freundin übertrieben. "Wenn du nicht mitkommst, habe ich auch keine Lust."
    Rebecca entfuhr ein Lachen. "Hey, ich zwinge dich nicht...buuuiieeh! Ich zwinge dich nicht, meine Finger zu brechen! Iiiiiich zwinge dich nicht...zwing mich nicht...zwing mich nicht dir wehzutun!" Die Vorstellung davon in einer vollen Bar zu sitzen behagte ihr überhaupt nicht und die Tatsache, dass Amaia noch ihre anderen Freunde in Tauranga einladen wollte, half ihr nur bedingt, sich besser zu fühlen. Denn außer Amaia wusste keiner von ihnen von Rebeccas Tourette. Wenn man von Ben mal absah, aber der war weit weg auf der Citadel. Ein 'Nein' wollte ihr aber trotzdem einfach nicht über die Lippen kommen. Zu gut gefiel ihr die Vorstellung, einen Abend im Harmony mit ihrer besten Freundin zu verbringen. "Ahhh...na gut...aber dann habe ich was gut bei dir!", scherzte sie und stieß ein Seufzen aus. Sie hoffte inständig, dass sie ihre Zusage nicht bereuen würde.
    "Yaay! Wirst schon sehen, wir haben einfach ein bisschen Spaß, da ist nichts dabei..."
    "Na, wenn du das sagst...Fuck off! Hey!"
    Sie plauderten noch ein wenig, bis Amaia sich schließlich verabschiedete, um noch ein paar ihrer alten Freunde anzurufen oder anzuschreiben. Schon einige Minuten später erstellte sie eine Messenger-Gruppe, wo Amaia nach und nach eine Reihe von ihren alten Schulfreunden einlud. Im Laufe des restlichen Abends füllte sich die Gruppe mit einigen vertrauten Namen und Rebecca spürte diese leise Vorfreude über ein bevorstehendes Treffen mit Freunden in sich aufkeimen, die sie schon seit Wochen nicht mehr so gespürt hatte.
    Doch wie üblich warf ihr Tourette einen hässlichen Schatten über dieses Gefühl. Der Streit mit ihrer Mutter zeigte ihr, wie sehr ihre verdammte Krankheit alles in ihrem Leben gegen sie richten konnte. Nicht zum ersten Mal fragte sich Rebecca, wie ihre alten Schulfreunde auf ihre Tics reagieren würden und malte sich schon das Schlimmste aus. Ein Teil von ihr wusste aber, dass ihr gar nichts anderes übrig bleiben würde, als sich früher oder später ihren Freunden zu zeigen. Und so sehr sie auch versuchte, diese leise Stimme in ihrem Hinterkopf zu ignorieren, sie musste sich eingestehen, dass ihre Mutter Recht hatte. Es würde nur schlimmer für sie werden, je länger sie sich zuhause in ihrem Zimmer versteckte.


    Der strahlende Sonnenschein, der Rebecca vor dem Tauranga Gesundheitszentrum warm in Empfang nahm, war purer Hohn. Das helle Licht, welches das Land in einen warmen Schein tauchte, das saftige Grün der Büsche und Bäume, das tiefe Blau des Himmels, die belebte Stadt um sie herum, in der das Summen von Motoren, das Zwitschern von Vögeln und die ausgelassenen Stimmen der Menschen zu einem aufgeladenen Rauschen und Brummen wurde, all das sprang ihr beim Verlassen des Gebäudes entgegen, als wolle es ihr all die schönen Dinge zeigen, die sie in ihrer niedergeschlagenen Stimmung verpasste.
    Eigentlich hätte es ein wunderschöner Freitag sein sollen. Gestern erst war ihre Mutter endlich wieder nachhause gekommen und sie war später am Abend mit Amaia und einigen anderen Freunden in ihrer Lieblingsbar verabredet. Aber nichts davon war im Augenblick ein sonderlich aufmunternder Gedanke. Dass die Besuche bei ihrer Neurologin Dr. Tygan hier im Gesundheitszentrum ihre Laune nicht unbedingt besserten, war nichts Neues, denn wie zu erwarten gab es immer noch keine Fortschritte bei der Behandlung ihres Tourettes. Doch an diesem späten Vormittag erreichten die Untersuchungen einen traurigen Tiefpunkt.
    In Gedanken versunken trottete Rebecca zur Bushaltestelle direkt vor dem Gebäudekomplex. Sie stellte sich ein wenig abseits der anderen Wartenden und starrte betrübt die Straße herunter, ohne wirklich etwas zu sehen. Es war nicht ungewöhnlich, dass Rebecca mit dem Bus nach hause fahren musste. Ihr Vater musste mittags häufig arbeiten und ihre Mutter war heute schon früh am Morgen nach Auckland gefahren, um dort ihre Schwester und deren Familie zu besuchen. Tatsächlich war es Rebecca aber im Moment sogar lieber, dass sie für sich sein konnte. Sie brauchte ein wenig Zeit für sich, musste ihre Gedanken ordnen und die Neuigkeiten verarbeiten.
    Nach wenigen Minuten bog ein großer, selbst fahrender Bus mit schwarz-blauer Lackierung in die Straße ein und kam an der Haltestelle zum Stehen. Ein paar Leute stiegen aus, bevor die Wartenden schließlich das Fahrzeug betraten. Wie üblich stellte sich Rebecca ganz am Ende an, um nicht mitten in der Menschenmenge zu sein. Eine gute Entscheidung, denn sie fing an, die Augen zusammenzukneifen und ihre Hände an die Schläfen zu halten, als wolle sie Hörner an ihrem Kopf andeuten. Dennoch hatte sie offenbar Glück, als sie einstieg, es waren noch ein paar Sitzplätze übrig.
    Rebecca ging nach ganz vorne zu einer Vierersitzgruppe. Auf einem der Sitze saß eine Frau um vierzig, daneben ein kleiner Junge, kaum älter als acht. Die anderen zwei Sitze wurden von einem großen Stoffbeutel und einigen Plastiktüten, gefüllt mit Lebensmitteln belegt. "Entschuldigung, ist hier noch frei?", erkundigte sie sich höflich.
    "Aber natürlich", erwiderte die Frau und zog ihre Einkaufstüten von den Sitzen runter zu ihren Füßen, um Rebecca Platz zu machen.
    "Danke!" Sie ließ sich am Fenster nieder und lehnte sich mit einem Seufzen zurück. Anders als etwa Amaia machte es Rebecca glücklicherweise nichts aus, rückwärts zu fahren.
    Schon fuhr der Bus an und setzte seinen Weg durch Tauranga fort. Gedankenverloren stützte sich Rebecca mit ihrem Ellbogen auf den unteren Rand des großen Seitenfensters und beobachtete ohne große Aufmerksamkeit das Treiben, welches um sie herum herrschte. Plötzlich ruckte ihr Kopf nach vorne und sie gab einige kehlige Laute durch ihren geschlossenen Mund von sich. Zwar bildete sie sich ein, den ein oder anderen verwunderten Blick auf sich zu ziehen, versuchte aber trotzdem so zu tun, als wäre nichts passiert und hielt ihre Augen weiter nach draußen gerichtet. Auch wenn ihr die Hitze ins Gesicht stieg.
    Die Scheiben des Busses waren wie bei der Linie üblich mit Holo-Projektoren ausgestattet, welche über Augmented Reality-Einblendungen die unterschiedlichen Busverbindungen live in der Stadt anzeigte. So wurden die Routen der öffentlichen Verkehrsmittel als farbliche Linien auf den Straßen dargestellt und an jeder Haltestelle gab es eine Auflistung aller An- und Abfahrten mit den entsprechenden Uhrzeiten und Zielorten. Es war äußerst nützlich, um zu jedem Zeitpunkt zu wissen, wo man sich gerade befand und bei welcher Haltestelle man aussteigen musste, selbst wenn man sich hier nicht auskannte.
    Rebecca schenkte all dem aber mittlerweile keine Beachtung mehr. Sie kannte die Stadt in- und auswendig und brauchte keine Holo-Anzeigen, die ihr sagten, wo der Bus gerade entlangfuhr. Ihre Gedanken waren woanders.
    Eigentlich war es keine echte Überraschung, dass ihr Hirntumor zurückkehrte. Es war nicht das erste Mal und es würde sicherlich auch nicht das letzte Mal sein. So viel wusste Rebecca mittlerweile. Solange es irgendwo in ihrem Kopf noch defekte Zellen gab, war es nur eine Frage der Zeit, bis das nächste Geschwür heranwachsen würde. Natürlich sollte es kein allzu großes Problem sein, der Tumor war noch klein und es würde durch moderne Strahlentherapie nicht länger als eine Woche dauern, bis die krankhaften Zellen nahezu vollständig abgetötet waren. Rebecca hatte diese Erfahrung zuletzt vor sieben Jahren gemacht und es damals auch ohne Probleme überstanden. Streng genommen war das alles wirklich nur eine Kleinigkeit.
    Dennoch setzte ihr der Gedanke an all diese Dinge, die in ihrem Kopf passierten und offenbar völlig schief gingen, sehr zu. Dass ihr Nervensystem völlig wahllos Dinge tat, die sie nicht wollte. Dass es etwas in ihrem Kopf gab, was sie früher oder später umbringen konnte, wenn sie nicht rechtzeitig einen Arzt aufsuchte. Dass immer die Möglichkeit blieb, dass sich Tumorzellen im umliegenden Gewebe verbargen und somit unentdeckt blieben, nur um irgendwann das nächste Geschwür zu bilden. Und natürlich blieb diese quälende Frage danach, inwiefern all das ihr Tourette beeinflussen würde. Noch immer hatten die Ärzte im Gesundheitszentrum keine Antwort auf die Frage gefunden, warum die Mikroimplantate für die Hirnstimulation versagt hatten. Eine der Vermutungen, die Dr. Tygan gegenüber Rebecca geäußert hatte, war allerdings ihr Tumor.
    Einen winzigen Moment lang spürte die junge Frau diesen impulsiven Wunsch danach, all diese kaputten Zellen in ihrem Kopf zu packen und herauszureißen und am besten alles, was für ihr Tourette verantwortlich war, gleich mit dazu.
    Rebecca zwang sich dazu tief durchzuatmen. Sie schloss die Augen und versuchte die Gedanken an das Geschwür in ihrem Gehirn zu vertreiben. Es war nur ein Tumor, redete sie sich ein. Nichts, was man mittlerweile nicht einfach behandeln konnte. Genau wie Tourette, meldete sich eine hämische Stimme in ihrem Kopf zu Wort. Das lässt sich mit moderner Medizin auch problemlos behandeln...
    Unwillkürlich warf sie den Kopf in Nacken und kniff die Augen zusammen. Mit einem frustrierten Schnauben wandte Rebecca ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Umgebung zu. Der Bus hatte soeben Papamoa Beach erreicht, doch es waren noch immer einige Haltestellen bis zu ihrer Station. Die junge Frau ließ ihren Blick ohne großen Fokus durch den Bus schweifen.
    Die Fahrgäste setzten sich aus praktisch allen Alters- und Berufsgruppen zusammen, welche in Tauranga zu finden waren. Kinder, die vermutlich gerade von der Schule nach Hause fuhren, waren hier ebenso wie Berufspendler, aber auch Leute, die ihre Einkäufe tätigten oder andere Erledigungen in der Stadt anstellten. Die meisten von ihnen saßen schweigend auf ihren Sitzplätzen und gingen ihren eigenen Gedanken nach, auch wenn gelegentlich ein Paar oder eine Gruppe von Freunden munter miteinander plauderten.
    Plötzlich fiel Rebecca etwas auf, das ihr ein wenig sonderbar vorkam. Wegen des schönen Wetters trug sie einen weißen Rock mit Blumenmuster, der ihr bis knapp über die Knie reichte und dazu ein hellblaues T-Shirt. Und irgendwie bekam sie das Gefühl, dass die Augen des Jungen, der ihr gegenübersaß, auf ihren Schritt gerichtet waren. Sein Blick war recht starr und ging leicht nach unten, fast schon so als ob wollte er unter ihren Rock spähen. Nicht, dass es ihm von seinem Sitz aus gelingen konnte, die Blickrichtung wirkte allerdings schon etwas verdächtig...vielleicht war es auch bloß Zufall, vielleicht dachte er gerade bloß über das Mittagessen nach und merkte gar nicht, wo er hinblickte...
    Auch wenn es nicht unbedingt notwendig war, lehnte Rebecca ihre Beine leicht zur Seite und zog den Saum der Kleidung ein wenig nach unten. Vielleicht war es ihre Bewegung, vielleicht etwas anderes, doch in diesem Moment hob der Junge kurz die Augen. Und für eine Sekunde wirkte er etwas erschrocken, als er bemerkte, dass sie seinen Blick erwiderte, bevor er beschämt in Richtung Boden schaute.
    Also doch? Irgendwie wusste die junge Frau nicht so recht, ob sie verärgert oder amüsiert sein sollte. Es war ja schließlich nur ein neugieriges Kind, was war schon groß dabei? Andererseits war der Gedanke daran, so angestarrt zu werden, trotzdem ziemlich unangenehm, egal wie alt der Junge war...
    Und in diesem Augenblick passierte es.
    "Hast du schonmal eine Vagina gesehen? Hey!"

    Für einen schrecklichen Moment stand die Welt still. Ihre Worte schienen durch das Fahrzeug zu hallen, als hätte sie in einen langen Tunnel hineingerufen. Eine Sekunde, eine winzige Sekunde lang, hoffte Rebecca, niemand hätte sie gehört. Leise waren ihre verbalen Tics aber noch nie gewesen. Wie auf Kommando drehten sich zahlreiche Köpfe in ihre Richtung. Die Blicke, die auf ihr lagen, reichten von Neugier und Verwunderung bis hin zu Entsetzen und Empörung.
    "Also bitte!", entrüstete sich ein älterer Herr und bedachte die junge Frau mit einem tadelnden Kopfschütteln.
    Ausgerechnet der Junge vor ihr schien nicht zu verstehen, was passierte. Ein wenig erschrocken darüber so unvorbereitet von Rebecca angesprochen worden zu sein, registrierte er die geschockte Stille, die um ihn herum eingesetzt hatte und wandte sich verwirrt an seine Mutter. "Mom, was ist eine...?"
    Doch die Frau hatte ihre vor Schock weit aufgerissenen Augen voll und ganz auf Rebecca gerichtet. Langsam lief eine Bewegung durch ihren Körper und sie schien anzuschwellen. Alle Luft schien aus ihren Lungen gewichen, als sie keuchte: "Wie können Sie es wagen?"
    "Es tut mir leid!", stieß Rebecca hastig hervor, ihr wurde mit einem Mal übel. "Ich wollte nicht..."
    "Wie können Sie es wagen...?", wiederholte die Mutter des Jungen und sie wurde immer größer und größer. Während sie sprach rutschte sie auf die Kante ihres Sitzes und lehnte sich drohend nach vorne.
    "Das war ein Tic, ich habe..."
    Doch die Frau ließ Rebecca nicht zu Wort kommen. "Was fällt Ihnen eigentlich ein? So etwas zu meinem Sohn zu sagen...! Ich glaube es ja wohl nicht...!"
    "Das war nicht mit Ab-"
    "Zu einem Achtjährigen! Sind Sie noch ganz dicht? Nehmen Sie gefälligst Rücksicht auf andere, das gibt es doch nicht mehr!"
    "Bitte hören Sie doch!", versuchte sich Rebecca verzweifelt Gehör zu verschaffen, auch wenn ihre zittrige Stimme unter den lautstarken Empörungen der Frau unterzugehen drohte. "Ich habe Tourette..."
    "Tourette?", keifte die Frau verständnislos. "Was soll das sein?"
    "Es ist eine Krankheit! Es tut mir wirklich leid, ich k-"

    "Eine Krankheit? Und dann setzen Sie sich zu uns?" Die Augen der Frau traten hervor und sie schob sich leicht vor ihren Sohn, als wolle sie ihn beschützen.
    "Nein, nicht so...es is-"

    "Das ist doch wohl das Letzte, machen Sie, dass Sie hier wegkommen!"

    "Nun lassen Sie das Mädchen doch mal zu Wort kommen!", schaltete sich eine Frau aus der benachbarten Sitzreihe dazu.
    "Sagen Sie mir nicht, was ich tun soll!", erboste sich die Mutter mit einem aufgebrachten Blick auf die andere Seite. "Haben Sie gehört, was diese Frau gerade zu meinem Sohn gesagt hat?"
    "Ja schon, aber..."
    "Ich lasse doch nicht zu, dass jemand so mit meinem Kind spricht!"

    "Es ist...es ist nicht ansteckend", versuchte Rebecca mit bebender Stimme zu erklären. Ihr Verstand war wie gelähmt, das Blut rauschte in ihren Ohren. Es war ihr kaum noch möglich, einen klaren Gedanken zu fassen. "Tourette ist...Hey! Es ist Hey! Erstklassiges Hey! Es ist...ähm...Meeresfrüchte!" Sie schlug mit der Faust hart gegen ihre Schulter.
    Das Gesicht der Frau vor ihr war mittlerweile bedeckt mit roten Flecken. Als Rebecca abermals ticte wandelte sich ihre Miene zu blankem Entsetzen und sie wirkte, als würde sie jeden Moment völlig durchdrehen. Auch die anderen Fahrgäste wirkten etwas verstört.
    Rebecca schrumpfte auf ihrem Sitz noch weiter zusammen. "Es ist eine Nervenkrankheit!", würgte sie hervor und versuchte die aufsteigende Panik zu bremsen. "Ich mache Dinge, ohne es zu wollen. Es tut mir so leid...ich kann das nicht kontrollieren!"
    Einen Moment starrte die Mutter Rebecca an, als wäre sie ein Monster. "Was für ein Blödsinn!", erzürnte sie sich und war drauf und dran, von ihrem Sitz aufzuspringen. "Was für ein Lügenmärchen soll das denn jetzt sein...?"
    "Nein...wirklich! Ich wollte das nicht...!"
    "Ach was! So einen Schwachsinn habe ich ja noch nie gehört. Wollen Sie mich etwa für dumm verkaufen?"
    "Vielleicht hat sie wirklich keine Kontrolle darüber", versuchte ein junger Mann, welcher hinter der aufgebrachten Mutter saß, schlichtend einzugreifen. "Warum sonst sollte sie...?"
    "Die weiß genau, was sie gesagt hat!", zeterte sie über die Schulter und auch der Mann duckte sich ein wenig, als sie sich vor ihm aufbäumte. "Die weiß es verdammt nochmal ganz genau! Ich sage Ihnen was; das ist genau das, was dieses pädophile Gesindel macht! Genau so versuchen die unschuldige Kinder anzulocken!" Außer sich vor Zorn wandte sich die Frau wieder Rebecca zu. "Ich sollte Sie anzeigen!"
    Mittlerweile konnte Rebecca nicht einmal mehr etwas erwidern, ihre Kehle war wie zugeschnürt, ihr Atem ging flach und ihre Sicht begann zu verschwimmen. All diese Dinge, die sie sagen wollte, um sich zu erklären, um die Situation zu entschärfen, all die Worte, die sie sich für solche Momente zurechtgelegt hatte...nichts davon kam ihr in den Sinn. Die aufgebrachten Worte der Frau hatten alles in ihrem Kopf davongespült und es verblieb nichts außer einer lähmenden Leere.
    Ein weiterer Mann trat aus dem hinteren Teil des Busses nach vorne und sprach die vor Zorn schwer atmende Mutter an. "Ma'am, könnten Sie bitte etwas leiser sein, sie brüllen den ganzen Bus zusammen!"
    "Den Teufel werde ich tun!", rief die Angesprochene. "Dieses Mädchen...!" Sie zeigte mit ihrer plumpen Hand auf Rebecca. "...hat gerade meinen Sohn belästigt!"
    "Das ist noch kein Grund, so einen Aufruhr zu veranstalten. Vielleicht sollten Sie..."

    Der Mann hatte offenbar ins Hornissennest gestochen. Nun sprang die Frau auf und stellte sich unmittelbar vor ihn. Er war immer noch gut einen Kopf größer, doch sie schien sich nicht daran zu stören. "Wagen Sie es nicht mir zu sagen, was ich tun kann und was nicht! Eine echte Mutter wird doch nicht zulassen, dass jemand so mit ihrem Kind umgehen kann und ungestraft davonkommt! So etwas wie die da gehört weggesperrt! Die ist doch verrückt!"
    In diesem Moment wurde der Bus langsamer und kam schließlich sanft an der nächsten Haltestelle zum Stehen. Ohne nachzudenken sprang Rebecca auf. Eigentlich war es noch nicht ihre Zielstation, doch in dem Moment war ihr das egal. Ihr war alles egal. Sie wollte nur weg von hier. Doch als sie sich an der erzürnten Mutter vorbeidrängen wollte, packte sie deren Hand plötzlich grob am Arm.
    "Sie bleiben gefälligst hier!", herrschte sie die junge Frau an.
    "Also wirklich, lassen Sie das Mädchen doch gehen!"

    "Auf keinen Fall, die ist gemeingefährlich!"

    Ein wildes Stimmengewirr setzte ein, doch in Rebeccas Ohren war es nur ein unverständliches Summen. "Bitte...! Lassen Sie los...!", krächzte sie, doch ihr schwacher Protest ging in dem Tumult völlig unter. Verzweifelt versuchte sie, ihren Arm aus dem eisernen Griff der Mutter zu befreien, lehnte sich mit ihrem geringen Körpergewicht gegen die Kraft der Frau. Als die wiederum ihren Griff verstärkte, stöhnte Rebecca vor Schmerz auf. Tränen liefen ihr heiß über die Wangen. "Lassen Sie mich...Ahh!"
    Auf einmal griffen weitere Hände dazu, jemand anderes packte sie an der Schulter und zog sie nach hinten, eine andere Hand griff nach den Fingern der Mutter, um die schmerzhafte Umklammerung um Rebeccas Oberarm zu lösen. Ein aufgebrachter Schrei ertönte... "Fassen Sie mich nicht an! Lassen Sie ihre dreckigen Finger von mir!" Und plötzlich gab es einen Ruck, der Griff um ihren Arm wurde gelöst, und Rebecca stolperte rücklings in den Gang.
    Ihr Fuß blieb an irgendetwas hängen und sie stürzte der Länge nach zu Boden. Durch den dichten Schleier an Tränen sah sie kaum etwas, doch sie rappelte sich schluchzend auf, lief hastig zur Seitentür und taumelte aus dem Fahrzeug.
    Als die Türen des Busses sich hinter ihr wieder schlossen und das Fahrzeug seinen Weg von alleine fortsetzte, verstummte das Gezeter der Frau. Ihre Worte aber blieben Rebecca im Kopf, als stünde sie noch immer neben ihr. Sie bemerkte um sich herum einige Leute, doch sie ignorierte die Blicke und Stimmen und hastete einfach weiter. Dass sie noch gut zwanzig Minuten Fußweg vor sich hatte, war ihr egal. Egal waren ihr auch das dumpfe Pochen in ihrem Knie und der blaue Fleck durch den Sturz. Und die Tränen, die über ihr Gesicht liefen.
    Den ganzen Weg nach Hause wurde sie von den Worten der Frau begleitet, die in ihrem Kopf herumspukten. 'Gemeingefährlich!' 'So etwas wie die gehört weggesperrt!' 'Die ist doch verrückt!'
    Als sie etwas später schließlich leise schluchzend in ihrem Bett lag und mit völlig verheulten Augen an die Zimmerdecke starrte, keimte in ihr der Wunsch heran, niemals wieder einen Fuß vor die Tür zu setzen. Es war völlig egal, was Dr. Tygan oder ihre Eltern oder sonst irgendjemand erzählte, wie sie doch mit ihrem Tourette und ihren Tics am Besten umgehen sollte, wie sie darauf reagieren sollte, was sie sagen sollte. Denn es brachte nichts. Sie konnte es einfach nicht. Niemand konnte das.
    In diesem Augenblick wünschte sie sich nichts sehnlicher, als woanders zu sein. Jemand anderes zu sein. Irgendjemand anderes als Rebecca mit Tourette.
    Majonese ist offline

  13. #113
    Waldläuferin Avatar von Natsch
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    Dalan Qin

    "Kneipen waren auch hin und wieder der Schauplatz, ja. Meist jedoch der Straßenboden....."
    In seinem Viertel hatte man schlechte Karten gehabt, wenn man sich nicht zur Wehr setzen konnte. Und Bedarf an gewisser "Arbeit" hatte es auch genug gegeben.....da jeder gewusst hatte, wie verzweifelte gewisse Leute waren um sich und ihre Familie über Wasser zu halten. Leute wie er.
    "Natürlich hatte ich Angst." erwiderte Dalan und erwiderte den Griff ihrer Hand. "Jedes einzelne Mal. Ebenso wie jeder vernünftige Turianer, Mensch, Salarianer, was auch immer. Jeder, der dir etwas anderes erzählt ,lügt entweder oder verrückt."
    Lügner und Psychopathen. Von beidem gab es eindeutig zu viele in der Galaxis. "Es gab kein Normal." Einige Erinnerungen kamen plötzlich zurück. Er erwiderte den Griff ihrer Hand.
    "Wenn man so will, ja....keines, welches mich an gute Zeiten erinnert. Aber du weißt ja wie es ist.....man tut sich oft schwer damit, sich von seiner Vergangenheit zu trennen. Selbst von den schlechten Teilen."
    Einige Momente herrschte Stille. "Hast du damit einmal jemanden getötet?"
    Es war nur natürlich danach zu fragen. "Nein." antwortete Dalan, ohne eine Spur der Unaufrichtigkeit in seiner Stimme. "Ich.....habe einige Male geschossen um zu verwunden. Aber niemals um zu töten. Den Großteil der Zeit bin ich einfach nur davon gelaufen, wenn geschossen wurde....."
    Mit ruhiger Miene betrachtete Dalan ihre ineinander verschränkten Finger. So verschiedenen. Und doch hatten sie durch irgendeine verrückte Fügung zueinander gefunden. "Ich.....glaube nicht dass ich mir noch selbst ins Gesicht sehen könnte.....wenn ich....."
    Er beendete den Satz nicht.


    Wie schon bei ihrem Besuch in seinem alten Bezirk, war es für Peyton nur schwer vorstellbar, wie es sein musste, so zu leben. So aufzuwachsen. Sie wäre wahrscheinlich dort untergegangen und kaum älter als 16 Jahre alt geworden. Das Dalan hier saß und - bis auf das was sie von ihm wusste, was sie auch gekonnt verdrängte - so anständig auf sie wirkte, ließ eine solche Vergangenheit kaum bis gar nicht vermuten. Das Lächeln auf Peytons Lippen wurde wieder ein wenig traurig, während sie seinen Ausführungen folgte. Es war falsch anzunehmen, dass es für ihn 'normal' gewesen sein musste, wer definierte schon, was normal war. Vor allem in solchen Bezirken. "Gut zu wissen, dass du nicht verrückt bist.", Peyton musterte ihre ineinander verschränkten Hände.
    Peyton konnte auch nostalgisch sein und an alten Dingen festhalten wie kaum eine Zweite, doch sie war sich unsicher, ob sie so an einer Waffe festhalten würde. An etwas gefährlichem, was man vielleicht sogar gegen sie verwenden konnte. "Vielleicht auch als Mahnmal - wo man halt nicht mehr hinmöchte.", sie nickte und musterte den Turianer einen langen Moment nachdenklich. Es war verrückt ihn in ihr Leben zu lassen. Verrückt und unklug und alles andere als typisch für sie. Sie zog Stabilität und Sicherheit der Ungewissheit vor und war es da nicht absolut widersprüchlich, dass sie sich bei einem Mann geborgen fühlte, der solch eine Vergangenheit - und zum Teil auch Gegenwart - hatte? Peyton konnte nach ihrer kurzen gemeinsamen Zeit nur die Spitze des Eisbergs sehen und sich den Rest wahrscheinlich nicht einmal vorstellen. "Ich kann es aber verstehen... Ich habe auch so etwas - oder viel mehr, so jemanden.", ihre Gedanken drifteten zu Airell und die Geschichte die sie mit ihm verband. Was sie... angefangen bei einem Gefühl der Verpflichtung, nun mit dem Jungen verband war etwas besonderes. Am Anfang hatte sie nur versucht, dem Weg ihrer Mutter zu folgen und dem Jungen - der nichts für die Taten seines Vaters konnte - zu helfen. Dass sie sich letzten Endes selbst damit geholfen hatte, erkannte Peyton erst viel später.
    Peyton kam nicht umhin, ehrliche Erleichterung zu spüren, als Dalan sagte, dass er nie jemanden damit getötet hatte. Sie wüsste auch nicht, wie sie reagiert hätte und war froh, dass er sie mit seiner Antwort nicht in solch eine unangenehme Situation brachte. "Ich glaube mir würde es auch schwer fallen, dir ins Gesicht zu gucken...", gab sie ehrlich zu. Es fiel ihr schon schwer sich vorzustellen, wie er die Freundin - oder Exfreundin - seines Vaters bedrängt hatte, ein Gedanke der kaum zu ertragen war, dann noch ein Mord? Das wäre wahrscheinlich mehr als sie verkraften konnte. Schnell schob die 22-jährige die Erinnerung an ihr erstes Gespräch beiseite.
    WE BURN AND WE PLAYED, WE TRY TO FORGET
    BUT THE MEMORIES LEFT ARE STILL HAUNTING
    THE WALLS THAT WE BUILT FROM BOTTLES AND PILLS
    WE SWALLOW UNTIL WE'RE NOT TALKING
    I - I AM A MAN ON FIRE
    YOU, A VIOLENT DESIRE

    Natsch ist offline

  14. #114
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    Luceija hatte abgesehen von der Rede dieses Betrunkenen, auf den sie alleine durch Leifs Blick aufmerksam gemacht wurde, nicht zugehört. Und auch diesem nur halb, denn seit sie hier drin war, an dem für sie vielleicht unheiligsten Ort überhaupt, fühlte sie sich unwohler denn je. Da waren zu viele Gedanken die sie ablenkten und ihren Kopf vollkommen überfluteten. Sich wahnsinnig leer fühlen ließ. Es war auch der Blick auf seine Hand. Ihre Hand. Die ineinander geschlungen auf ihrem Oberschenkel auflagen und sich nicht los ließen, als wäre es eine schmerzliche Metapher. Übelkeit, Panik, Zittern, all das kombinierte sich zu einem ekelerregenden Knoten in ihrem Hals, der sie am Liebsten hätte weinen lassen - aber nicht über den Toten, der wenige Meter von ihr entfernt lag. Sondern sie beide. Ihr selbstverschuldetes Schicksal. Aber sie gab sich diese Blöße nicht. Nicht hier. Vor allem nicht hier.

    Immer wieder sah sie ihn an. Nicht nach vorn, nicht einmal im Ansatz diese anderen Leute an, selbst an den Sprechern knapp vorbei, desinteressiert, sich selbst abgeschottet. Aber sie sah ihn. An und wirklich. Immer nur ihn. Nicht immer bemerkte er es. Vielleicht kaum. Dachte nur, dass sie auf ihn reagierte, wenn er etwas sagte. Dabei war sie viel mehr bei ihm als irgendwo anders. Ihre Finger schoben sich sanft zwischen seine, faltete ihre Hand in seine Hand und hielt ihn noch näher.

    Irgendwann endeten die Reden. Irgendwann klang Musik - Kirchenmusik - dröhnend und aufdringlich durch die Kapelle, die sie fertig machte. Und Bewegung geriet in den winzigen Ort. Ein paar standen auf, hauptsächlich die Vordersten, wahrscheinlich Verwandte? Ein älteres Pärchen-...sie kannte niemanden davon. Tat es Leif? Wieder sah sie zu ihm - etwas verloren - und fragend. Sie war nie bei einer Beerdigung gewesen. Nicht mal bei denen, bei denen es relevant gewesen wäre.


    Das der Schwede sich keinen Millimeter rührte, schien niemanden weniger zu verunsichern als Luceija. Sie saß mit ihm hier, blieb es auch und ließ nicht einmal seine Hand los, als zuerst die Reihe vor ihnen sich langsam leerte (nach der Reihe vor eben dieser Reihe) und dann, im Anschluss, auch ihre eigene Reihe sich zu bewegen begann. Als der Dominoeffekt bei ihnen beiden angekommen war, seufzte jemand entnervt, weil sie sich nicht bewegten. Ein anderer murmelte etwas, das nach einem Schimpfen klang. Leif schien sich fester an die Hand seiner Exfreundin zu klammern, als er es bisher getan hatte. Sein Blick aber ging nicht zu ihr, sondern zu Boden. "Ich würde nachher gern nochmal hingehen. Zu ihm. Aber am liebsten dann, wenn die anderen schon weg sind.", gab der Blonde geknickt zu. Er verlangte viel. Die Beerdigung hatte gerade erst richtig begonnen und er wollte nur hier sitzen und-...warten, so als sei er im Grundsatz menschenscheu. Dabei klangen einfach die Worte in seinem Ohr nach, die er vorhin aus einer der hinteren Reihen vernommen hatte.
    AeiaCarol ist offline

  15. #115
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Das der Schwede sich keinen Millimeter rührte, schien niemanden weniger zu verunsichern als Luceija. Sie saß mit ihm hier, blieb es auch und ließ nicht einmal seine Hand los, als zuerst die Reihe vor ihnen sich langsam leerte (nach der Reihe vor eben dieser Reihe) und dann, im Anschluss, auch ihre eigene Reihe sich zu bewegen begann. Als der Dominoeffekt bei ihnen beiden angekommen war, seufzte jemand entnervt, weil sie sich nicht bewegten. Ein anderer murmelte etwas, das nach einem Schimpfen klang. Leif schien sich fester an die Hand seiner Exfreundin zu klammern, als er es bisher getan hatte. Sein Blick aber ging nicht zu ihr, sondern zu Boden. "Ich würde nachher gern nochmal hingehen. Zu ihm. Aber am liebsten dann, wenn die anderen schon weg sind.", gab der Blonde geknickt zu. Er verlangte viel. Die Beerdigung hatte gerade erst richtig begonnen und er wollte nur hier sitzen und-...warten, so als sei er im Grundsatz menschenscheu. Dabei klangen einfach die Worte in seinem Ohr nach, die er vorhin aus einer der hinteren Reihen vernommen hatte.


    Irgendwie schien sie erst zu verstehen was er sagte, als sie längst aufgestanden waren und wie automatisiert hinter dem Zug hertrotteten - nicht lange genug. Sie wusste nicht ob der Impuls auch von Leif gekommen war oder jemals wäre, aber sie tat, was für sie natürlich und richtig schien, leitete ihn an seiner Hand eben aus diesem Trott und blieb mit ihm an der Seite stehen - wenn auch kurz. Sie sah es ähnlich wie er: Zuschauer oder besser noch mehr "Geleit" durch diese Allianzwitzfiguren brauchten sie nicht. Nicht bei dem was wohl beide aufgeschnappt hatten und vielleicht der Grund war, warum sie sich jetzt nicht mehr so recht in die Augen sahen. "Lass uns 'nen Moment warten bevor wir da hin gehen oder-...vielleicht 'nen Umweg nehmen. Komm.", sagte sie bedacht und nahm statt den geraden Weg nach vorne einen anderen, der nach rechts führte und einen Bogen machte, bevor er wieder auf den anderen mündete. "Ich wusste ja, dass es scheiße wird, aber so-..", seufzte sie.
    Luceija ist offline

  16. #116
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    Irgendwie schien sie erst zu verstehen was er sagte, als sie längst aufgestanden waren und wie automatisiert hinter dem Zug hertrotteten - nicht lange genug. Sie wusste nicht ob der Impuls auch von Leif gekommen war oder jemals wäre, aber sie tat, was für sie natürlich und richtig schien, leitete ihn an seiner Hand eben aus diesem Trott und blieb mit ihm an der Seite stehen - wenn auch kurz. Sie sah es ähnlich wie er: Zuschauer oder besser noch mehr "Geleit" durch diese Allianzwitzfiguren brauchten sie nicht. Nicht bei dem was wohl beide aufgeschnappt hatten und vielleicht der Grund war, warum sie sich jetzt nicht mehr so recht in die Augen sahen. "Lass uns 'nen Moment warten bevor wir da hin gehen oder-...vielleicht 'nen Umweg nehmen. Komm.", sagte sie bedacht und nahm statt den geraden Weg nach vorne einen anderen, der nach rechts führte und einen Bogen machte, bevor er wieder auf den anderen mündete. "Ich wusste ja, dass es scheiße wird, aber so-..", seufzte sie.


    Als würde das Wetter ihre Feststellung unterstreichen wollen, begann es zu regnen. Was hatte er erwartet? Sie waren immerhin in Irland. Auf diesem Friedhof. Luceija marschierte voraus, als gehöre ihr dieses Stück Land. Leif folgte ihr. Seine Blicke glitten ein paarmal auf das ferne Gefolge Odinns und blieben schließlich an der Sizilianerin selbst hängen. Gehüllt in ein viel zu kurzes, dünnes Kleid. Was hatte er sich gedacht? Mit alldem hier? "Schon. Nimmst du trotzdem mein Jackett? Ich mach mir Sorgen du könntest krank werden."
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  17. #117
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Als würde das Wetter ihre Feststellung unterstreichen wollen, begann es zu regnen. Was hatte er erwartet? Sie waren immerhin in Irland. Auf diesem Friedhof. Luceija marschierte voraus, als gehöre ihr dieses Stück Land. Leif folgte ihr. Seine Blicke glitten ein paarmal auf das ferne Gefolge Odinns und blieben schließlich an der Sizilianerin selbst hängen. Gehüllt in ein viel zu kurzes, dünnes Kleid. Was hatte er sich gedacht? Mit alldem hier? "Schon. Nimmst du trotzdem mein Jackett? Ich mach mir Sorgen du könntest krank werden."


    "Ist nur Regen.", versicherte sie sich und ihm gleichzeitig. Wirklich kalt war es, rein von der Temperatur, wirklich nicht, immerhin Frühsommer. Aber Luceija war Wärme gewohnt und zitterte schon, wenn das Thermometer unter 25 Grad kroch. Nicht, dass sie das in irgendeiner Form zugegeben hätte. Stattdessen winkte sie leicht ab - nicht, dass Leif das jemals abgehalten hätte wenn er es drauf anlegte.
    Die Trauernden waren nunmehr an einem Grab zum Stehen gekommen. Relativ schön gelegen für einen Militärfriedhof, ein paar Bäume waren hier wenigstens, die Fläche aber plattplaniert und bolzengerade. Irgendwie, so glaubte Luci, passte das zu dem was es war. Sie schnaubte. Führte Leif wieder etwas näher an die Szenerie heran. Blicke ignorierend, die noch immer nervtötend waren. "Willst du dir das anhören?", fragte sie, mit einem Nicken gen Reverent deutend, während der Regen auf sie beide herunterprasselte und wenigstens sie zwei überraschte, während wohl jeder an einen Schirm gedacht hatte.
    Luceija ist offline

  18. #118
    #16  Avatar von Forenperser
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    Zitat Zitat von Natsch Beitrag anzeigen

    Wie schon bei ihrem Besuch in seinem alten Bezirk, war es für Peyton nur schwer vorstellbar, wie es sein musste, so zu leben. So aufzuwachsen. Sie wäre wahrscheinlich dort untergegangen und kaum älter als 16 Jahre alt geworden. Das Dalan hier saß und - bis auf das was sie von ihm wusste, was sie auch gekonnt verdrängte - so anständig auf sie wirkte, ließ eine solche Vergangenheit kaum bis gar nicht vermuten. Das Lächeln auf Peytons Lippen wurde wieder ein wenig traurig, während sie seinen Ausführungen folgte. Es war falsch anzunehmen, dass es für ihn 'normal' gewesen sein musste, wer definierte schon, was normal war. Vor allem in solchen Bezirken. "Gut zu wissen, dass du nicht verrückt bist.", Peyton musterte ihre ineinander verschränkten Hände.
    Peyton konnte auch nostalgisch sein und an alten Dingen festhalten wie kaum eine Zweite, doch sie war sich unsicher, ob sie so an einer Waffe festhalten würde. An etwas gefährlichem, was man vielleicht sogar gegen sie verwenden konnte. "Vielleicht auch als Mahnmal - wo man halt nicht mehr hinmöchte.", sie nickte und musterte den Turianer einen langen Moment nachdenklich. Es war verrückt ihn in ihr Leben zu lassen. Verrückt und unklug und alles andere als typisch für sie. Sie zog Stabilität und Sicherheit der Ungewissheit vor und war es da nicht absolut widersprüchlich, dass sie sich bei einem Mann geborgen fühlte, der solch eine Vergangenheit - und zum Teil auch Gegenwart - hatte? Peyton konnte nach ihrer kurzen gemeinsamen Zeit nur die Spitze des Eisbergs sehen und sich den Rest wahrscheinlich nicht einmal vorstellen. "Ich kann es aber verstehen... Ich habe auch so etwas - oder viel mehr, so jemanden.", ihre Gedanken drifteten zu Airell und die Geschichte die sie mit ihm verband. Was sie... angefangen bei einem Gefühl der Verpflichtung, nun mit dem Jungen verband war etwas besonderes. Am Anfang hatte sie nur versucht, dem Weg ihrer Mutter zu folgen und dem Jungen - der nichts für die Taten seines Vaters konnte - zu helfen. Dass sie sich letzten Endes selbst damit geholfen hatte, erkannte Peyton erst viel später.
    Peyton kam nicht umhin, ehrliche Erleichterung zu spüren, als Dalan sagte, dass er nie jemanden damit getötet hatte. Sie wüsste auch nicht, wie sie reagiert hätte und war froh, dass er sie mit seiner Antwort nicht in solch eine unangenehme Situation brachte. "Ich glaube mir würde es auch schwer fallen, dir ins Gesicht zu gucken...", gab sie ehrlich zu. Es fiel ihr schon schwer sich vorzustellen, wie er die Freundin - oder Exfreundin - seines Vaters bedrängt hatte, ein Gedanke der kaum zu ertragen war, dann noch ein Mord? Das wäre wahrscheinlich mehr als sie verkraften konnte. Schnell schob die 22-jährige die Erinnerung an ihr erstes Gespräch beiseite.


    Dalan Qin

    "Immerhin etwas, nicht wahr." erwiderte er auf ihre erste Bemerkung mit einem etwas gequältem Lachen.
    "Das auch. Definitiv." stimmte er ihrer Ergänzung zu. "Ich habe es dort raus geschafft.....und ich will dazu beitragen, dass andere es auch schaffen. An diesem Leben ist nichts erstrebenswert, *ehrenwert* oder sonstiges, was einem die schwachsinnigen Videos oft vermitteln wollen."
    Wenn er eines nie verstanden hatte, dann die Romantisierung von Verbrechen in der Fiktion.
    Wahrscheinlich sprach sie von dem kleinen Turianer-Jungen. Er kannte immer noch nicht alle Details, aber es war wirklich gut, dass er bereits früh genug eine Chance bekommen hatte aus diesem schädlichen Umfeld wegzukommen und ein besseres Leben zu führen. Mit Peytons Hilfe. Und nun, wo Dalan Teil ihres Lebens wurde, wohl auch mit seiner Hilfe.
    "Ich glaube mir würde es auch schwer fallen, dir ins Gesicht zu gucken..." gab sie schließlich noch ehrlich zu.
    Und wer mochte es ihr verübeln? Das was er getan hatte wog sicherlich schon schwer genug. Auch wenn er darüber dankbar war, so verstand ein Teil von ihm es immer noch nicht ganz wieso sie ihm eine Chance gegeben hatte. Wo er sie nicht bloß einmal, sondern ganze dreimal gewarnt hatte. Doch hier waren sie nun. Und er hatte nicht vor, diese Chance zu verspielen.
    "Ich weiß nicht wie es dir geht...." begann er nach einer längeren Pause plötzlich wieder. ".....aber ich glaube nicht, dass deine Freundin oder irgendeiner deiner Kollegen heute noch einmal zurückkommen wird. Und ich fühle mich irgendwie erschlagen.....ich denke ich werde mich gleich hinlegen."
    Viel zu tragen hatte er zwar nicht gehabt, aber es war immerhin ein ganz neues Kapitel in seinem Leben. Etwas Schlaf, bevor es morgen richtig begann, würde sicher gut tun.
    Forenperser ist offline

  19. #119
    Ritter Avatar von Khardim
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    Zitat Zitat von Shepard Commander Beitrag anzeigen
    Viel Gewese um nichts, so in Etwa ließ sich der unangekündigte Besuch des Decius Vhan im Allgemeinen beschreiben. Genauso gut traf es wohl die menschengemachte Phrase „Mehr Schein, als Sein“. Der knappen, aber präzisen Zusammenfassung des Manns in Schwarz zufolge war Vhan nur aufgetaucht, um irgendeine krude Art der Biografie bei Van Zan abzuladen, ohne diesen als seinen Ghostwriter gewinnen zu wollen. Der alte Turianer hatte seine Erzählung mit der unvermeidbaren Drohung und dem Wort, dass wohl schon jeder Held von einem Schurken zu hören bekommen hatte: Dreh um, ehe es zu spät ist. Ebenso wenig, wie die Helden auf den Leinwänden aller Spezies umgedreht waren, würden Seeva und ihr dreckiges Zweidrittel-Dutzend den Kampf aufgeben. Sie fragte sich, ob Vhan wirklich so dumm oder so von der eigenen Überlegenheit überzeugt war, dass er hoffte einen Spectre auf diese Art und Weise einzuschüchtern. Oder galt die Nachricht wirklich nur Van Zan? Wenn ja, wollte der alte Turianer jetzt jedem Mitglied aus ihrer Gruppe mitteilen, dass eine Aufgabe die bessere Option war?

    Die einzige echte Überraschung war, dass Seeva bereits den Vorteil der Geheimhaltung verloren hatte, ohne es zu wissen. Während sie ihren Feind von Anfang an kannte, tappte Vhan zuerst im Dunkeln. Selbst bei dem Angriff auf ihre Basis war sie davon ausgegangen, dass man sie nicht als Spectre erkennen würde. Dass Vhan sie nun kannte und trotzdem nicht kürzertrat, im Gegenteil sogar in die Offensive ging, warf weitere Fragen über Vhans Hybris auf. Van Zan hatte berichtet, wie Vhan erzählte, wie er sein Vermögen bekanntermaßen aus den Platinminen seines Heimatplaneten gewann, dass er die Alleinherrschaft über das Unternehmen durch den erweiterten Selbstmord seine ehemaligen Freundes gewonnen hatte und dass er diesen Reichtum einsetzte, um die Ziele einer Organisation zu unterstützen, deren Existenz Vhan zwar angedeutet hatte, jedoch nicht in ihrer Gänze beschrieb. Die Asari vermutete, dass es sich beim von Van Zan berichteten „Das Ganze ist viel Größer“ um eine reine Schutzbehauptung handelte. Niemand, nicht einmal Decius Vhan, handelte Böse aus dem Selbstzweck des Bösen heraus. Seeva war sich sicher, dass der alte Turianer wirklich glaubte, was er gegenüber Van Zan geäußert hatte.

    *

    Die starre Maske, die das Gesicht von Tiberias Qatar war, war das erste was Van Zan sah, als er den Operationsraum durch die Zugangstür betrat. Seeva fragte sich, wie sich der Mann in Schwarz als halbseidener Krimineller wohl fühlen musste, als er mit seinem Alias „Pennyworth“ und der Bezeichnung „technischer Berater“ durch die Sicherheitsschleusen das Gelände des salarianischen Militärs auf der Citadel betreten hatte. Die Salarianer setzten auf Kameras, Sicherheitsmechs und ein paar wachhabende Scharfschützen. Van Zan konnte sich mit einer für ihn hinterlegten Karte Zutritt zu gewissen Bereichen innerhalb der militärischen Zone verschaffen. Ein Sicherheitsmech der LOKI-Art eskortierte, bessergesagt begleitete, Van Zan bis zu dem Raum, den Seeva für ihre Zwecke beanspruchte. Da Decius Vhan schon wusste, wer hinter ihm her war, brauchte Seeva auch keine geheimen Basen errichten. Zumindest nicht dauernd.

    In dem ausgedehnten, fast leeren Raum, der mit seiner niedrigen Decke wie eine flache Schachtel wirkte, befanden sich neben der Spectre noch der Turianer Qatar, Odessa und nun Van Zan. Die Attentäterin saß etwas entfernt auf einem Stuhl, wippte nervös mit den überschlagenen Beinen und kaute im heftigen Rhythmus eines Sklavengaleerentrommlers auf einem Kaugummi. Sie nickte dem Mann in Schwarz kurz zu. Es war das erste Mal, dass sich die beiden seit dem verheißungsvollen Feuergefecht im Industrieviertel wiedersahen.

    Seeva manövrierte mittels ihres Omnitools verschiedene Holo-Bildschirme so, dass die Wandfront beinahe komplett von den Bildschirmen verdeckt war. Eine zeigte ein Sternensystem, ein weiterer die Position eines Schiffes mitsamt diversen danebenstehenden technischen Daten. Antrieb, Größe, Stauraum, Besatzung. Noch ein Monitor zeigte die Position eines zweiten Schiffes, dessen Namen im Pendant der Leiste des ersten Schiffs aufflackerte. Agony. Der letzte der Bildschirme zeigte die Echtzeitübertragung von mehreren bunten Punkten in dem 2D-Umriss eines Schiffes.

    Hi.“ Odessa hatte sich von ihrem Stuhl erhoben und war an Van Zan herangetreten. Sie stellte das hektische Kaugummikauen ein, verschränkte die Arme vor der Brust und warf den Kopf zurück.
    Ich… wollte mich bedanken; bei Ihnen. Ich weiß, dass Sie es waren, der mich geholt hat. Sie wissen schon, nachdem ich… angeschossen wurde. Ohne Sie wäre ich vermutlich nicht hier, denke ich mal.“ Das Kauen wurde intensiver. „Wollte ich nur sagen.“ Ein verschüchtertes Lächeln huschte kurz über ihr Gesicht; Unsicherheit lag darin.

    Alles klar“, hallte Seevas Stimme durch den Raum und verlangte nach Aufmerksamkeit. Sie bedeutete dem Trio sich zu sammeln. Auf dem Bildschirm, der die Punkte zeigte, kam Bewegung auf.
    Wir werden gleich Zeuge des Enterns des Frachters Auxilium durch den batarianischen Angriffskreuzer Agony. Dieser Frachter gehört zu der Versorgungslinie von Quod Puritas.“ Auf dem Bildschirm, der die Position des Frachters aufzeigte, tauchte am äußersten Rand die Signatur der Agony auf. Die Auxilium würde den Kreuzer und seine Absichten bald enttarnt haben, Colonel Andor aber war ein erfahrener Pirat. Er verringerte den Abstand zu dem sich linear bewegenden Frachter, indem er einen Halbkreis beschrieb und erst den Anschein eines zufälligen Treffens vermittelte. Die Turianer fielen auf die Finte rein und änderten ihren Kurs erst, als Andors Schiff sich ihnen auf direktem Kurs näherte. Seeva verfolgte, wie der Frachter nun selbst abdrehte und eine andere Richtung zu wählen begann. Sie wusste, dass es zu spät war. Schon eröffnete die Agony das Feuer und zerstörte Teile des Triebswerks. Die Spectre öffnete durch das Umlegen eines Knopfes einen Funkkanal.
    Colonel Andor, Sie haben den Angriff begonnen“, stellte Seeva nüchtern fest.
    So ist es, Commander. Die Fliege ist ins Netz gegangen, sozusagen“, antwortete der Batarianer und ließ ein kehliges Lachen hören. Die Audioübertragung und das, was sich in 2D als Entermannschaft darstellte war das Beste, was die Batarianer auf diese Entfernung zustande bekommen hatten.
    Machen Sie weiter wie besprochen, Colonel. Funkstille bis Erfolg.
    Aye!“, knirschte Andor voller Kriegslust und schloss den Kanal.

    *

    „In der Kammer haben sich ein paar letzte Widerstandler verschanzt, Colonel“, sagte der schwer gepanzerte Lieutenant der Entertruppe.
    Dort?“, fragte Andor und zeigte auf einen verriegelten und verrammelten Schott am Ende des schmalen Korridors, der zum Laderaum führte. Ein gutes Dutzend Batarianer stand vor der Tür, die Läufe ihrer Waffen auf sie gerichtet.
    „Aye, Sir“, antwortete der Lieutenant.
    Die kleine Crew der Auxilium hatte kaum eine Chance gegen die an Mannschaftsstärke und Feuerkraft überlegenen Batarianer, dennoch hatten sie wie Löwen gekämpft und jeden eigenen Toten doppelt vergolten. Es war ein verlustreicher Sieg für Colonel Andor, der im Stillen die Asari verfluchte und sich wünschte, er hätte einen einfachen Volus-Händler aufgemischt. Jetzt aber war er zu weit gegangen und wollte es nur noch zu Ende bringen und im besten Fall jemanden dafür leiden lassen.
    Legt nicht alle um“, befahl er darum, während sich zwei Batarianer mit einem Hacking-Tool von Omegas Schwarzmarkt an dem Bedienpanel der Tür zu schaffen machten. Es begann mit einem regelmäßigen Piepsen. Die Abstände zwischen den Tönen wurden schnell geringer. Andor zog die Revenant von seinem Rücken. Zischend dekomprimierte sich das große Gewehr. Der Batarianer prüfte sein Magazin, dann seine Schilde. Das Hacking-Tool piepste nun beinahe sekündlich.
    Macht euch bereit, Jungs…“, rief der Colonel. Zustimmendes Knurren kam von seinen Piraten. Dann richteten sie wie ein Mann die Waffen auf das Loch, dass sich dort zischend auftat.


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    Zitat Zitat von Shepard Commander Beitrag anzeigen

    Andor klang angestrengt und wütend. Eine schlechte Kombination bei Batarianern. „Diese ganze Aktion kostet mehr, als sie wert ist. Ich habe ein gutes Dutzend Männer verloren“, sagte der Pirat aufgebracht.
    Bleiben Sie auf das Ziel fokussiert, Colonel“, sprach die Spectre ruhig in den geöffneten Funkkanal. Sie hörte, wie der Batarianer laut in sein Helm-Komm-Link atmete.
    Diese Kisten…
    Gehören Ihnen. Wie weit sind Sie mit dem Herunterladen der Daten? Hat mein Tool funktioniert?
    Hat es“, antwortete der Batarianer. Seeva hatte Andor ein von Pater Lacan entwickeltes Omnitool mit Hacking-Software mitgegeben, das der Pirat an einen der Zugriffspunkte des Hauptsystems anschließen sollte. Dort durchbrach es die lapidare Firewall und sog jetzt Daten.
    Was ist mit dem Typen? Der mit dem automatischen Geschütz?
    Ignorieren Sie ihn. Verladen Sie die Fracht und laden Sie die Daten hoch, sobald Sie wieder auf der Agony sind.
    Okay“, knurrte Andor, offenbar alles andere als zufrieden. Der Turianer hinter der Barriere schützte scheinbar eine sehr wertvolle Fracht. Eine Fracht, die die vielen Toten ausgleichen würde.

    *

    Ununterbrochen trommelten Projektile gegen die in Bernsteinfarben schimmernde Barriere. Batarianer brüllten zornig und entleerten ein Thermomagazin nach dem nächsten.
    Wie sieht es auf?“, rief Andor, der selbst ein paar Schuss aus seiner Revenant abgegeben hatte.
    Nichts. Stabil wie eh und je“, antwortete ein Batarianer, der in einem anderen Leben bei den Kampftechnikern der Hegemonie gewesen war, ehe er seine Uniform gegen das monomolekulare Entermesser eingetauscht hatte. „Ich denke, dass er die Barriere mit der gesamten Schiffsenergie speist. Die Schilde der Auxilium sind unten, der Antrieb deaktiviert, die Geschütze offline – alles verteidigt diesen Punkt.
    Colonel Andor fluchte und feuerte ein paar vergebliche Schüsse auf die Barriere. Dann winkte er seine Männer zum Abzug.

    *

    Sind Sie sicher, Commander?“, fragte der batarianische Schiffskommandant.
    Ja.
    Wir könnten…
    Sparen Sie sich das“, sagte Seeva scharf. „Ausführung!
    Wie Sie wünschen.
    Der Batarianer nickte den Geschütztechnikern zu, die mit angehaltenem Atem zu der kleinen Holo-Asari geschaut hatten. Diese wandte sich zum Fenster, legte die Hände hinter dem Rücken zusammen und betrachtete, wie zwei große Vierlingsgeschütze ausgerichtet wurden. „Feuer“, sagte Andor. Und so feuerten sie. Die schweren Projektile zerschlugen die ungeschützte Hülle der Auxilium wie ein Stein eine leere Muschelschale. Das Schiff zerbarst in Einzelteile die ihrerseits wiederum explodierten.
    Gut gemacht, Colonel. Schicken Sie mir die Daten“, sagte die Asari. Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, beendete sie die Übertragung.


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    Decius Vhan

    "Was erzählen Sie mir da, Vorix?"
    Mit zusammengekniffenen Augen sah Decius auf die Übertragung seines Omni-Tools. "Wie konnte das passieren? Wie konnten Sie das zulassen? Unser Zeitplan war genauestens abgestimmt!"
    "Es tut mir Leid Vhan, ich - keine Ahnung - aufspüren - "
    Die Übertragung wurde für einige Momente unschärfer.
    "Alarm. Rumpfzustand kritisch. Ausfall der kritischen Systeme in 3 Minuten."
    So laut tönte die Stimme des Bordcomputers, dass er selbst durch die gestörte Übertragung alles verstand.
    "- getan was ich konnte - die Kisten mit den Chemikalien, den Brennstoffen und dem Baumaterial für die - haben Sie nicht bekommen - aber - "
    "Aber was?"
    "Die halbe Waffenlieferung! Und - nur unvoll - aber - "
    Die Explosionen im Hintergrund wurden immer zahlreicher.
    "Rumpfintegrität beeinträchtigt. Sofort evakuieren."
    "Sie haben die Alpha-Omega-Formel aus dem System geladen!"
    "Was?"
    "Irgendein Programm - Defensive umgangen - aber ich konnte - löschen"
    "Rumpfintegrität beschädigt. Systemausfall wahrscheinlich."
    Der grünliche Turianer tippte verzweifelt auf seinem Omni-Tool herum und versuchte sichtlich mit allen Mitteln die Verbindung zu verbessern. Tatsächlich klarte das Bild trotz sämtlicher Interferenzen ein weiteres Mal auf.
    "Sie haben nur knappe 47% herunterladen können! Den Großteil von Alpha, aber nichts von Omega! Unter Umständen könnte das reichen um ein Antitoxin zu synthetisieren, aber es wird dauern, und wir könnten die Formel derweil anpassen - "
    Eine weitere Explosion erschütterte die Übertragung und riss Vorix zu Boden.
    "Irgendetwas, das uns alle impliziert?"
    "Nein Sir - haben es gemacht wie Sie es uns gesagt -
    Decius biss die Zähne zusammen. Das hatte er nicht vorausgesehen. Es war kein Totalschaden.....doch es war massiver Rückschlag. Einer, mit dem er so schnell nicht gerechnet hatte. Der Feind war findiger als gedacht.
    "Ausfall der kritischen Systeme in 10......9......8....."
    "Es tut mir Leid, dass ich nicht besser für unsere Sache eintreten konnte, Sir."
    Mit aller Kraft richtete Vorix sich wieder auf die Beine, salutierte und ballte dann die linke Faust auf der Höhe seines Herzens.
    "Quod puritas."
    "Quod puritas."
    Die Verbindung brach endgültig ab. Der alte Turianer schloss die Augen und presste die Kieferhälften so feste zusammen, dass es wehtat. Eine unbändige Wut versuchte die Kontrolle über seinen Körper zu übernehmen. Seine Klauen gruben sich in das Metall seines Tisches und er spürte, wie es unter seinem Griff nachgab und sich verbog.
    Sie hatten jemand der ihren verloren. Einen Bruder und Mitstreiter. Und nicht bloß das. Ihr gesamter Plan und alles, wofür sie so lange gekämpft hatten, war ernsthaft in Gefahr. Ein riesiger Haufen Credits, ein Raub der Flammen. Sie mussten für Ersatz sorgen und zwar schnell.
    Innerlich etwas abgekühlt sammelte der alte Turianer sich wieder und dachte nach. Und tatsächlich kam ihm der rettende Einfall.....

    Malonigrus Petalin

    "Hier!"
    Lachend warf der Hüne dem im Dreck Kriechenden seine Pistole hin. "Das ist der Deal. Du hast eine Chance mich zu erwischen! Ansonsten erwischt es dich....."
    Wie ein Verdurstender nach einem Glas Wasser greifend angelte der Mensch nach der Waffe, versuchte zu zielen, doch bevor er auch nur den Finger am Abzug bewegen konnte flog die Pistole auch bereits wieder im hohen Bogen durch die Luft.
    "Ich gewinne!"
    Mit einem hässlichen Geräusch krachte die Faust des dunklen Turianers auf den zerbrechlichen Schädel und er spürte, wie der Knorpel splitterte.
    Immer noch im Blutrausch lachend spürte er eine Hand auf seiner Schulter.
    "....."
    "Jaja, schon gut."
    Vhan's Assistentin Denaya war wirklich die geborene Spielverderberin. Ununterbrochen hatte sie ihn im Auge. Und hatte immer noch kein einziges Wort gesprochen. "Gut sieht sie ja aus....."
    Wäre sie nicht die, die sie war, hätte er sich schon längst auf seine Weise mit ihr vergnügt. Aber so schnell wollte er dann doch nicht sterben. Nicht, wenn es weitere Schädel einzuschlagen gab.
    Sie waren hier fertig. Also war es Zeit, zum Unterschlupf zurückzukehren. Petalin wollte gerade in das Skycar einsteigen, als sein Kommunikator plötzlich klingelte.
    "Boss, Sie? Wir sind gerade fertig mit - " "Seien Sie still und hören Sie zu Petalin! Wir haben ein Problem. Der Transport zur Erde wurde abgefangen. Vorix ist tot! Wir haben ein riesiges Geldproblem und müssen die Spendengala vorverlegen. Allerdings brauchen wir.....sagen wir einen kleinen Anreiz um das Mitleid der Leute etwas zu verstärken. Sie sind noch in den Meadows, ja?" "Sind wir!" "Nichts erregt mehr Mitleid bei diesen naiven Galaxieverbesserern als eine gute Tragödie. Ich schicke Ihnen anbei drei Ziele. Stecken Sie sie in Brand."


    Das salarianische Militär pflegte seine Basen derart gründlich gegen Zugriffe von außen zu schützen, dass Vincent jeden Versuch eines Eindringens, sei es durch einen Spitzel oder das IntraNet, sofort als unrentabel eingestuft hätte, selbst wenn es tatsächlich Informationen gegeben hätte, die der Beschaffung wert gewesen wären. Nun mit einem offiziellen Gästeausweis auf dem Gelände zu spazieren, hatte etwas Surreales und Animierendes zugleich: Das Gefühl, das wieder ein Stück des Universums für ihn erreichbar geworden war, wenn auch mit Unterstützung der Spectre.

    Von einem LOKI flankiert betrat der Mann in Schwarz den Missionsraum, T’Saari, Qatar und Odessa waren bereits dort und warteten auf den Beginn der Operation. Die Spectre hatte Vincent neben der Aufforderung, sich hier einzufinden auch die Kerndaten des bevorstehenden Einsatzes zukommen lassen. Es schien ihm, als hätte T’Saari erneut das richtige Gespür bei der Wahl des Werkzeugs bewiesen.
    Während er die zahlreichen Holo-Schirme betrachtete und sich ein Bild von der Situation machte, trat Odessa an Vincent heran.
    Ich… wollte mich bedanken; bei Ihnen. Ich weiß, dass Sie es waren, der mich geholt hat. Sie wissen schon, nachdem ich… angeschossen wurde. Ohne Sie wäre ich vermutlich nicht hier, denke ich mal“ murmelte sie, während sie auf einem Kaugummi kaute.
    Wollte ich nur sagen, “ schob sie nach einem kurzen Zögern hinterher.
    Der Mann in Schwarz nickte zugewandt.
    ,,Gern geschehen“, antwortete er.

    Alles klar“, rief die Spectre die Gruppe zur Ordnung.
    Wir werden gleich Zeuge des Enterns des Frachters Auxilium durch den batarianischen Angriffskreuzer Agony. Dieser Frachter gehört zu der Versorgungslinie von Quod Puritas“, erklärte sie, was alle bereits aus der Vorbereitung wussten. Parallel zu ihren Worten kam Bewegung in die Punkte auf der dreidimensionalen Karte auf einem der Bildschirme.
    Was folgte war ein Musterbeispiel an militärischer Effizienz, die Operation verlief glatt, wenn auch die angeheuerten Batarianer mehr Verluste hinnehmen mussten, als erwartet worden waren.
    ,,Wenn du glaubst, dass 5 Mann ausreichen, bring 20 mit…“
    , erinnerte er sich an eine der Weisheiten, die er im Terminus hatte lernen müssen und zuckte mit den Schultern. Dieser speziellen Situation konnte er jedoch auch dahingehend etwas positives abgewinnen: Die Übersterblichkeit der Batarianer sowie das vollständige Ableben der Quod-Puritas-Schergen verbuchte Vincent als persönlichen Gewinn, schließlich war jedes tote Alien ein Schritt in die richtige Richtung.

    Nachdem T’Saari die Kommunikation mit ihren Freibeutern beendet hatte, trat das Team an einem großen Kartentisch zusammen, der zahlreiche taktische wie strategische Instrumente und Einstellungen aufwies. Ob einen Zugriff auf eine einzelne Person oder eine galaxisweite Kampagne: Hier fand sich alles, um den richtigen Plan dafür zu entwerfen.
    Die Spectre blendete auf einem der eingelassenen Bildschirme den Übertagungsfortschritt der Daten ein und schaute dann in die Runde. Ihr Blick machte klar, dass sie nicht auf Lob für den erfolgreich geplanten Schlag gegen Vhan aus war, sondern das weitere Vorgehen planen wollte.

    Vincent lehnte sich vor und stützte sich mit beiden Händen auf den Kartentisch.
    ,,Eindrucksvolle Operation, Commander. Läge es in meiner Gewalt, würde ich Sie für eine Beförderung vorschlagen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wohin man eine Spectre noch befördern sollte“, begann er im Plauderton.

    ,,Während wir auf die Übertragung und die anschließende Auswertung durch den Pater warten, sollten wir uns Gedanken machen, wie wir an genau dieser Front weiter machen können. Hier auf der Citadel ist der Ruf von Vhan arg in Mitleidenschaft gezogen worden und was das angeht wird der Prozess gegen seinen Sohn ein weiterer Nagel im Sargdeckel sein.“ Er machte eine Pause und deutete auf die Holo-Schirme am anderen Ende des Raumes, auf denen sie das Entermanöver verfolgt hatten.

    ,,Aber all das wird uns am Ende nichts nützen, wenn wir nicht in der Lage sind, Vhan im Feld gegenüber zu treten. Er weiß mit Sicherheit, dass es im Zweifelsfall immer besser ist, gefürchtet zu werden als geliebt und wird sogar den Hass der Öffentlichkeit in Kauf nehmen, solange er seine Pläne weiter verfolgen kann“, fuhr der Mann in Schwarz vor.

    Er sah ein zustimmendes Nicken bei Qatar, Odessa schien mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein und die Spectre schien aufmerksam zuzuhören, entweder weil sie bereits wusste, was er als nächstes sagen würde oder weil sie sich genau so einen Input erhofft hatte.

    ,,Wir müssen uns also jetzt fragen, wie wir das Momentum des heutigen Sieges aufrecht erhalten. Wir kennen die Grundstücke, die Vhan auf den Heimatplaneten erworben hat und werden vermutlich in den nächsten Stunden erfahren, was dort mit den Materialien aus den Versorgungsflügen geschieht. Sobald wir diese Information haben ist es an der Zeit, dass wir eine von Vhans Anlagen einen Besuch abstatten“, beendete er seine Ausführung und stellte seinen Plan vor.
    T’Saari hatte bewiesen, dass sie in der Lage war, die nötige Mannstärke zu rekrutieren und mithilfe der Ressourcen, die ihr als Spectre zur Verfügung standen, sollten sie in der Lage sein, ein Einsatzteam zusammenzustellen.

    Ein weiteres Mal ließ Vincent seinen Blick durch die Runde schweifen, ihre so arg geschrumpfte Runde, die erst vor Tagen beinahe vollständig vernichtet worden wäre. Vhan hatte es nicht geschafft, sie aus dem Spiel zu nehmen und jetzt hatten sie einen wichtigen Schritt getan, um das Blatt zu wenden. Vhans Besuch im Rachmaninov hatte gezeigt, dass er Angst hatte und nun galt es, aus dieser Angst Panik zu machen.
    Zitat Zitat von BlackShial Beitrag anzeigen
    Khardim ist unser Äquivalent für Brüste oder eben Hintern.
    Schön anzusehen und man denkt gern daran
    Khardim ist offline

  20. #120
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    Zitat Zitat von Luceija Beitrag anzeigen

    "Ist nur Regen.", versicherte sie sich und ihm gleichzeitig. Wirklich kalt war es, rein von der Temperatur, wirklich nicht, immerhin Frühsommer. Aber Luceija war Wärme gewohnt und zitterte schon, wenn das Thermometer unter 25 Grad kroch. Nicht, dass sie das in irgendeiner Form zugegeben hätte. Stattdessen winkte sie leicht ab - nicht, dass Leif das jemals abgehalten hätte wenn er es drauf anlegte.
    Die Trauernden waren nunmehr an einem Grab zum Stehen gekommen. Relativ schön gelegen für einen Militärfriedhof, ein paar Bäume waren hier wenigstens, die Fläche aber plattplaniert und bolzengerade. Irgendwie, so glaubte Luci, passte das zu dem was es war. Sie schnaubte. Führte Leif wieder etwas näher an die Szenerie heran. Blicke ignorierend, die noch immer nervtötend waren. "Willst du dir das anhören?", fragte sie, mit einem Nicken gen Reverent deutend, während der Regen auf sie beide herunterprasselte und wenigstens sie zwei überraschte, während wohl jeder an einen Schirm gedacht hatte.


    "Nein.", gab er kopfschüttelnd zu. "Aber gehen will ich auch noch nicht.", sein Gesicht wandte sich ihrem zu. Er lächelte. Rechts und links eine Ohrfeige des Windes im Gesicht. Was war noch ihre Antwort auf seine Frage gewesen? Er wusste es nicht. "Geh schon ans Auto. Ich bin dir nicht böse. So wirst du krank.", mutmaßte er und hielt doch noch immer ihre Hand. Sein Blick aber ging wieder zum Sarg. Offenbar war wenig gesagt worden. Die ersten Männer traten heran, hievten das schwere, bemannte Holz auf die Führungsschienen, die Odinn unter die Erde bringen würden. Ziemlich bald war es vorbei. Ganz und gar. Dann bestand kein Zweifel, keine winzige Hoffnung mehr, dass der Ire irgendwie wieder würde zurückkommen können. Das alles hier nur ein blöder Irrtum war.
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