Sehr geehrte Bundesregierung, sehr geehrte Ministerpräsident*innen, hierein Versuch, Ihnen zu erklären, warum die Geduld der Menschen mitIhnen am absoluten Nullpunkt angelangt ist. Ich versuche, das sowenig polemisch wie es mir gerade möglich ist zu formulieren.
(Mache mir natürlich keine Illusionen darüber, dass das irgendjemand liest, aber an irgendeine Adresse muss der Frust geschrieben werden und als direkte Anrede fiel es am leichtesten)
ZuBeginn dieser Pandemie bekamen Sie von den Menschen in diesem Landeinen kolossalen Vertrauensvorschuss - Grundrechte wurden massiv eingeschränkt, das Konzept des Lockdowns eingeführt und unser aller(Privat)Leben befindet seitdem in einem alles zermürbenden StandbyModus.
Zermürbend vor allem, weil das Licht am Ende des Tunnels alle 2 Wochen wieder in die gleiche Ferne gerückt wird. Mit den gleichen Erklärungen und den gleichen (nicht funktionierenden) Konzepten.
Dieses oben genannte Vertrauen wurde von Ihnen als Regierende eingefordert -Fehler sollten möglich sein (z.B. viel zu späte Maskenverordnung,cc
Trotz offensichtlichen Gegenbeweisen wie Andi Scheuer hatte der Großteil der Menschen das Gefühl, von vernunftbegabten, ehrlicharbeitenden Leuten regiert zu werden - das Grundvertrauen in die Funktionalität staatlicher Institutionen ist sehr hoch in Deutschland
Was nun aber (mit dem Brandbeschleuniger einer weitreichenden Korruptionsaffäre in der Partei, die uns durch die Krise manövrieren sollte) mit diesem Grundvertrauen geschieht, kann, wenn Sie sich nicht am Riemen reißen, schwer reparable Schäden an unserer Demokratie hinterlassen.
Wenn man sich mal mit Menschen aus z.B. Mexiko, Südafrika, Spanien oder Indien unterhält (alles meine persönlichen, anekdotischen Erfahrungen), beginnt man zu verstehen, was für ein hohes Gut dieses Vertrauen ist.
Bei einem Diebstahl die Polizei rufen? Die Stadt bei einem Streit über die Größe eines Grundstücks einschalten? Politiker*innen, die sich als aufrichtige Volksvertreter verstehen? Ein Paket zugestellt bekommen? Man erntet für solche Fragen teilweise einfach Gelächter.
Natürlich lässt sich die Situation hier schwer mit der anderswo vergleichen, aber: Es verändert sich grundlegend etwas in einem Menschen, seiner Sicht auf die Welt & dem gesellschaftlichen Miteinander, wenn dieses Fundament bröckelt - was es anscheinend tut.
Wenn ich nicht das Gefühl habe, dass die Personen, denen ich am Wahltag meine Stimme gegeben habe, in meinem Sinne und zumindest größtenteils logisch handeln & meine körperliche und seelische Unversehrtheit hohe Priorität bei ihnen genießen, dann passiert etwas.
Mit der letzten MPK haben Sie den Menschen das Bild vermittelt: Wir haben kapituliert. Denn Sie gehen ja selbst nicht mehr davon aus, dass die jetzigen Maßnahmen ausreichend sind. Herr Kretschmer lädt die Verantwortung auf die Bürger*innen ab, Herr Söder gleich direkt auf Gott.
Sie lassen die Situation jetzt einfach laufen, was entweder zur Durchseuchung der Bevölkerung oder in 2 bis 4 Wochen zu einemkompletten Lockdown führen wird. Und ALL DAS wurde von seriösen Wissenschaftler*innen genau so vorhergesagt, seit Wochen und Monaten, wieder und wieder.
Aus Ihren Kreisen hörten wir jetzt mehrmals „Wir können nicht so weiter machen“ - zumindest das ist korrekt. Sie wurden gewählt, um zu führen. Jetzt ist ein Moment, in dem es guter Führung bedarf. Also führen Sie, verdammt nochmal.
Dazu gehört z.B. auch, dass sich die Ministerpräsidentinnen Dreyer und Schwesig nicht nach einem gemeinsam getroffenen Beschluss aller Ministerpräsident*innen am nächsten Morgen aus der Verantwortung stehlen wollen.
Das(Söder, Kretschmer, Schwesig, Dreyer u.a.) ist übrigens auch der Grund, warum die Leute die Entschuldigung der Bundeskanzlerin fast schon euphorisch aufgenommen haben - denn egal was man davon hält, wenigstens schiebt sie die Verantwortung nicht öffentlich immer von sich.
Dass einige Ministerpräsident*innen sich statt mit pragmatischem Krisenmanagement eher mit wissenschaftsfeindlichen und realitätsleugnenden Tönen hervortun, kann mittlerweile nicht mehr als Ausrutscher abgetan werden und kostet die Politik insgesamt viel Glaubwürdigkeit.
Nun könnte man meinen, dass man sich als Mitglied/Wähler*in einer Oppositionspartei freuen könnte, aber ehrlich gesagt kann diese Freude nur getrübt sein: Von den Kollateralschäden an der Gesundheit der Menschen und an der Glaubwürdigkeit der Politik.
Und diese Logik - 1) Wir dürfen der Wirtschaft nicht schaden und ergreifen nur leichte Maßnahmen 2) Diese Maßnahmen wirken nicht &müssen immer wieder verlängert werden 3) Schärfere Maßnahmen JETZT würden der Wirtschaft zu sehr schaden 4) Repeat implodiert gerade.
Dazu kommen Minister*innen, die offensichtlich der Lage nicht gewachsen sind. Von Andreas Scheuer, der nur noch im Amt sein kann, damit die anderen nicht zurücktreten müssen über Anja Karliczek, von der 1 Jahr nach Pandemiebeginn weiterhin niemand weiß, was sie beruflich macht, über Jens Spahn, der sich als Gesundheitsminister bei einem Spendendinner mit weiterhin anonymen Spender*innen mit Corona ansteckt, Journalist*innen hinterherspionieren lässt und pampig darüber ist, Schnelltests besorgen zu müssen, bis zu Olaf Scholz, er im Zuge seines jugendlichen Leichtsinns (oder des Wahlkampfes)einfach die Fantasiezahl von zehn Millionen Impfungen pro Woche in den Raum stellt, um die er sich angeblich gekümmert hat, die aber anscheinend frei erfunden waren. (diese im Live Ticker durchgesteckten Infos von vertraulichen Gesprächen sind übrigen sein Armutszeugnis für die Politiker*innen, die das permanent tun und so Politik machen. mMn sind solche Leute nicht geeignet für irgendeine Form von verantwortungsvoller Position).
Schlussendlich fragen sich viele Menschen gerade, für wen hier eigentlich gerade Politik gemacht wird. Umfragen geben für die Dauer dieser Odysee wirklich stabile Zahlen für härtere, wirksame Maßnahmen her -warum wird Politik gegen all diese Leute gemacht?
Leute, die ihr Privaleben seit einem Jahr kastriert haben, die zwischen Burnout & Nervenzusammenbruch im (Home)Office verbringen (oderweiterhin in vollen Bussen zur Arbeit müssen), ihre sozialvereinsamenden Kinder nebenbei jonglieren & das. alles. seit. einem Jahr. hinnehmen.
Ichv erstehe nicht, wie man diesen Leuten, die seit einem Jahr auf jegliche Freude im Leben, auf Musik, Tanz, Theater, Gesellschaft und gutes Essen, auf Freunde, Großeltern, Zugfahrten und Supermärkte zu Stoßzeiten verzichten, die diesen fucking langen Winter über bei Schnee und Eis draußen Mittagessen waren, um überhaupt einmal bei Helligkeit einen anderen Menschen zu sehen, die Geburtstage und Jubiläen über beschissene Zoom-Konferenzen organisiert haben, kurz: die ALLES von sich gegeben haben, wie man diesen Menschen jetzt gegenüber tritt und einfach NICHTS im Angebot hat. Gar nichts. Stattdessen redet der Tourismusbeauftragte über Osterurlaub und wir müssen uns medial mit Billigflügen nach Malle beschäftigen.
Und bitte glauben Sie mir, das löst irgendwann einen Frust aus, eine Wut, einen Groll auf die gesamte Welt, und auf diese immer gleichen Durchhalteparolen gemischt mit dieser lethargischen Nichtpolitikgemischt mit dieser seit einem Jahr stetig wachsenden Müdigkeitgemischt mit den Bildern von 20.000 in Polonaise feiernden (mitVerlaub) Arschlöchern, dass es irgendwann einfach zu einem mentalenShutdown (einem richtigen, mit Büros zu) kommt. Als die MPK zu Endeging und die nächste direkt darauf folgte, habe ich wirklich nur etwas müde gelächelt. Da war einfach keine Emotion mehr.
Ich bin eigentlich immer versucht, meinem Umfeld politische Prozesse /Zwänge / Unwägbarkeiten zu erklären, weil es eben NICHT stimmt, dass wir nur von Dummköpfen regiert werden, aber bitte glauben Sie mir auch das: Mir gehen die Erklärungen aus.
Ich habe mich vorgestern bei dem Satz erwischt „Die haben alle einen an der Klatsche“ und ich, wie viele andere hier auf Twitter, habe eine wirklich hohe Frustrationstoleranz was Politik angeht.
Aber es macht sich das Gefühl breit, dass man langsam aber sicher sich selbst überlassen wird, every (wo)man for them selves. Und das (s.o.)ist nicht Gift, das ist der Tod für eine solidarische Gesellschaft.
Das ist „Es ist mir scheiß egal, ob die nächste Person die Impfung dringender braucht“, das ist “Ich mogle mich in Kita-Notbetreuung” (schon mehrfach gehört), das ist Klopapier und Hefe hamstern galore.
Nun sind wir in dieser Situation und werden die Fehler der letzten Monate nicht über Nacht ausbügeln können. Aber womit Sie heute anfangen könnten, wäre eine bessere, stringentere, geschlossenere Kommunikation - erklären Sie Ihre Politik!
Neuseelands Premierministerin geht beinahe täglich auf Sendung und führt so auch durch ihre Präsenz durch diese Krise, warum nicht hier? Mir wurden bis heute noch von keinem Regierungsmitglied folgende Punkteschlüssig erklärt:
Warumhaben wir keine Home Office Pflicht?
Warumist dieser seit Oktober andauernde ”Shut Down Light” besser (fürdie Wirtschaft) als ein kurzer, rigoroser?
Wiegedenken Sie die nächsten Wochen zu überstehen, wenn wir gerademassiv steigende Fallzahlen haben und keine strengeren Maßnahmenbeschlossen wurden? Jens Spahn warnte heute vor dem Zusammenbruch desGesundheitssystems im April!
Warumtun wir weiter gegen jede Beweislage so, als existierten Schulen undKitas im luftleeren Raum? Warum krallen z.B. die KultusministerinnenGebauer und Eisenmann sich am Präsenzunterricht fest, wenn WIR ALLEWISSEN, dass dieser in wenigen Wochen nicht mehr möglich ist?
Warumhaben wir keine Luftfilteranlagen in so vielen Klassen wie möglichinstalliert, wenn jedes nicht infizierte Kind zählt?
Warumhaben wir im letzten Jahr keinen Wechselunterricht konzipiert, beidem A & B in kleineren Klassen Präsenz wechselnd mit Distanzvollziehen?
Warumverimpfen wir bis heute nicht die bis sagen wir 14:00 nichtwahrgenommen Impfungen an diejenigen, die wollen?
Warum,wenn wir anfangs schon gravierende Fehler gemacht haben, investierenwir nicht jetzt noch viel mehr in den Aufbau von Impfkapazitäten,auch im Hinblick auf jetzt schon auftretende Mutationen, die eineneue Impfung nötig machen?
Ich verstehe es nicht und es zermürbt mich. Danke für dieAufmerksamkeit.
/Ende