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Sollen sich Abgeordnete mit besonderer Herkunft besonders engagieren?

  1. #1 Zitieren
    Ritter Avatar von Apfelblau
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    In der Ausgabe vom 06./07. März erschien in der SZ der Artikel "Danke für nichts" von Gökalp Babayiğit.
    Da der Artikel kostenpflichtig ist, verzichte ich auf eine Verlinkung (hole ich auf Wunsch aber natürlich nach).

    Der Artikel ist die Reaktion auf eine Studie zum Bundestag, die untersucht hat, inwieweit sich Mandatsträger mit besonderer Herkunft, kraft ihres Amtes für die Belange derer einsetzen, die einen ähnlichen Hintergrund wie sie haben.
    Ich kenne die Studie nicht und habe auch nicht vor diese noch zu lesen.

    Herr Babayiğit ist der Meinung, dass es ungehörig und diskriminierend ist, dies als quasi naturgegeben in Erwägung zu ziehen. Sprich, ein Abgeordneter kann sich natürlich besonders für "die eigenen Leute" engagieren, aber er muss es nicht, wenn er nicht will.
    Ferner behauptet er, dass diese Wahrnehmung auch dazu führen würde, dass die Öffentlichkeit überrascht wäre, wenn jemand mit türkischen Wurzeln ein kompetenter Wirtschaftsexperte ist und sich für Wirtschaftsthemen stark macht, statt für doppelte Staatsbürgerschaft.

    Mich interessiert eure Meinung: Sollte sich ein Abgeordneter mit besonderem Hintergrund (Frau, Migranten, Behinderte usw. usf.) besonders für "Seinesgleichen" engagieren?
    Oder ist diese Idee völlig abwegig?

    Mein erster Gedanke dazu war: Wenn eine Frau als Abgeordnete in den Bundestag gewählt wird, dann würde ich schon erwarten, dass sie sich für Frauenrechte einsetzt (es wird ja öfter mal die Frage gestellt, was die Bundeskanzlerin Merkel in 16 Jahren für die Frauen getan hat).
    Ich würde aber ganz sicher nicht wollen, dass sie ihre Identität als Frau über alles andere stellt und bei jedem Quatsch mit "Ja" stimmt, wenn er nur irgendwie förderlich für Frauen ist.
    Ich finde es aber zum Beispiel trotzdem befremdlich, wenn eine Frau gegen das Recht auf Abtreibung stimmt.

    Mir ist bewusst geworden, dass ich intuitiv so denke, finde aber nicht, dass das richtig ist.


    Der zweite Gedanke war aber, dass die Popkultur voll mit Geschichten von dieser Grundidee ist.
    Man nehme irgendeinen Roman/ Film in dem eine Revolution von unten angezettelt wird. Die Leute machen mit, weil sie "die da oben" stürzen und ihresgleichen an der Macht sehen wollen.
    Apfelblau ist offline

  2. #2 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Abgeordnete bekommen diesen Auftrag durch Wahl. Ihre Aufgabe ist es dann, den Interessen und dem Willen ihrer Wähler gerecht zu werden. Ist man durch die die Erststimme gewählt, dann sind es die Themen, mit denen man im eigenen Wahlkreis für sich Werbung gemacht hat, die man nach besten Möglichkeiten umzusetzen hat. Bei der Zweitstimme ist es das Parteiprogramm der Partei.

    Die Erwartungshaltung sollte sich also nicht an Merkmalen der Person festmachen, sondern an den Themen, mit denen die Person gewählt wurde. Wenn sich Inhalte und Merkmale überschneiden, dann war es offenbar Teil des Mandats und sollte somit auch Teil der politischen Arbeit sein.
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  3. #3 Zitieren
    Halbgott Avatar von Progrinator
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    Zitat Zitat von Jean-Luc Picard Beitrag anzeigen
    Abgeordnete bekommen diesen Auftrag durch Wahl. Ihre Aufgabe ist es dann, den Interessen und dem Willen ihrer Wähler gerecht zu werden. Ist man durch die die Erststimme gewählt, dann sind es die Themen, mit denen man im eigenen Wahlkreis für sich Werbung gemacht hat, die man nach besten Möglichkeiten umzusetzen hat. Bei der Zweitstimme ist es das Parteiprogramm der Partei.

    Die Erwartungshaltung sollte sich also nicht an Merkmalen der Person festmachen, sondern an den Themen, mit denen die Person gewählt wurde. Wenn sich Inhalte und Merkmale überschneiden, dann war es offenbar Teil des Mandats und sollte somit auch Teil der politischen Arbeit sein.
    genau so sehe ich es auch. aber bei einigen parteien herscht ein starker fraktionszwang.

    Einige wähler wählen parteien nicht dafür was im programm steht, sondern wofür diese allgemein steht.
    Progrinator ist offline

  4. #4 Zitieren
    Ritter Avatar von Apfelblau
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    Zitat Zitat von Jean-Luc Picard Beitrag anzeigen
    Abgeordnete bekommen diesen Auftrag durch Wahl. Ihre Aufgabe ist es dann, den Interessen und dem Willen ihrer Wähler gerecht zu werden. Ist man durch die die Erststimme gewählt, dann sind es die Themen, mit denen man im eigenen Wahlkreis für sich Werbung gemacht hat, die man nach besten Möglichkeiten umzusetzen hat. Bei der Zweitstimme ist es das Parteiprogramm der Partei.

    Die Erwartungshaltung sollte sich also nicht an Merkmalen der Person festmachen, sondern an den Themen, mit denen die Person gewählt wurde. Wenn sich Inhalte und Merkmale überschneiden, dann war es offenbar Teil des Mandats und sollte somit auch Teil der politischen Arbeit sein.
    Ich stimme dir in diesen Punkten uneingeschränkt zu.
    Das würde in einer idealen Welt aber voraussetzen, dass die Abgeordneten von ihren Wählern auch nur ausschließlich wegen ihres Programms gewählt werden.

    Ich unterstelle dem Menschen eine grundsätzliche, vielleicht unbewusste Verbundenheit zu anderen Menschen, die er der eigenen Gruppe als zugehörig erachtet.
    Etwa, wie viele intuitiv den lokalen Fußballverein unterstützen (Bremer sind Fans von Werder Bremen) oder eben einen Politker mit denselben Gruppeneigenschaften wählen (an dieser Stelle wären z.B. die Wahldaten aus Bezirken wie Neukölln wahrscheinlich sehr aufschlussreich).

    Ich sage nicht, dass das richtig ist oder dass das rechtfertigt, mehr als die Erfüllung der Wahlversprechen zu erwarten.

    Was würdest du denn zu der Frage sagen, die mir in letzter Zeit öfter in der Zeitung begegnet ist:
    "Was hat Frau Merkel in den 16 Jahren als Bundeskanzlerin, als höchste Frau im Staate, für die Förderung von Frauen in der Bundesrepublik getan?"
    Die Antwort geht meistens so in die Richtung: "Fast nichts."

    Darf diese Frage eigentlich gar nicht gestellt werden, weil das nicht von Frau Merkel erwartet werden kann bzw. darf?
    Oder kann bzw. muss ich sogar ein gewisses Engagement erwarten dürfen?

    Ob Frauen förderungswürdig sind oder nicht, soll anderer Stelle diskutiert werden.
    Apfelblau ist offline

  5. #5 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Zitat Zitat von Apfelblau
    Darf diese Frage eigentlich gar nicht gestellt werden, weil das nicht von Frau Merkel erwartet werden kann bzw. darf?
    Oder kann bzw. muss ich sogar ein gewisses Engagement erwarten dürfen?
    Klar kann man diese Frage stellen. Aber dass Sie sich mehr für das Thema Gleichstellung etc. einsetzen sollte erwarte ich von Ihr nicht, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie Bundeskanzlerin ist und weil sie eine so lange Zeit die politische Linie der stärksten politischen Partei in Deutschland geprägt hat.

    Ich erwarte Selbiges auch von Männern, die in Machtpositionen hocken. Das Ziel der Gleichstellung wird doch ad absurdum geführt, wenn ich an unterschiedliche Geschlechter hier unterschiedliche Erwartungshaltungen stelle. Frau Merkel schuldet den Frauen nicht mehr als Herr Laschet, bloß weil sie selbst eine Frau ist.
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  6. #6 Zitieren
    Ritter Avatar von Apfelblau
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    Zitat Zitat von Jean-Luc Picard Beitrag anzeigen
    Klar kann man diese Frage stellen. Aber dass Sie sich mehr für das Thema Gleichstellung etc. einsetzen sollte erwarte ich von Ihr nicht, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie Bundeskanzlerin ist und weil sie eine so lange Zeit die politische Linie der stärksten politischen Partei in Deutschland geprägt hat.

    Ich erwarte Selbiges auch von Männern, die in Machtpositionen hocken. Das Ziel der Gleichstellung wird doch ad absurdum geführt, wenn ich an unterschiedliche Geschlechter hier unterschiedliche Erwartungshaltungen stelle. Frau Merkel schuldet den Frauen nicht mehr als Herr Laschet, bloß weil sie selbst eine Frau ist.
    Auch hier stimme ich dir vollkommen zu.

    Allerdings möchte ich doch sehr bezweifeln, dass sich allzu viele Stimmen finden lassen würden, die am Ende einer Kanzlerschaft z.B. eines Herrn Merz beklagen würden, dass gerade er viel zu wenig für die Frauen in diesem Lande getan hätte.
    Derlei Erwartungen wären bei dieser Person gar nicht da.
    Ich vermute eher, dass sich das Wehklagen auf unzureichendes Handeln in Wirtschaftsfragen konzentrieren würde.

    Wie gesagt, auch wenn ich weiß, dass es nicht richtig ist, denke ich, dass die meisten Wähler "Rollenvertreter"/ "Projektionsflächen" wählen. Umso mehr, desto höher die politische Position des Kandidaten ist.
    Apfelblau ist offline

  7. #7 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Zitat Zitat von Apfelblau
    Allerdings möchte ich doch sehr bezweifeln, dass sich allzu viele Stimmen finden lassen würden, die am Ende einer Kanzlerschaft z.B. eines Herrn Merz beklagen würden, dass gerade er viel zu wenig für die Frauen in diesem Lande getan hätte.
    Das ist eine Frage der Perspektive. Wenn Merz 18 Jahre CDU-Vorsitzender und 16 Jahre Kanzler gewesen wäre, dann hätte die Union sicher in vielen Punkten einen anderen Weg genommen. Verglichen mit der Union vor Merkel ist die Partei liberaler geworden, zumindest was einige gesellschaftliche Fragen angeht.

    Die Ideale der Union waren jetzt gesellschaftlich gesehen nicht gerade der treibende Motor hinter Themen wie Gleichberechtigung und Gleichstellung auf unterschiedlichsten Ebenen (Geschlecht, Sexualität, etc.). Diese Entwicklung hätte es daher ohnehin gegeben, aber wo die Union diesbezüglich unter Merz stehen würde bleibt wohl in den Sternen.

    Aber die Wahrscheinlichkeit ist doch recht hoch, dass man heute einer Union mit Merz-Prägung deutlich mehr einen Mangel an Gleichberechtigung ankreiden würde, ganz unabhängig davon, ob es die Stammwählerschaft jetzt erwartet hätte oder nicht.
    Ich mein, wenn man sich diese Themen im Besonderen auf die Fahnen schreibt, dann wählt man ohnehin nicht Union… von daher…

    So gesehen gäbe es vielleicht nicht viele Stimmen innerhalb der Union, die das beklagen würden, außerhalb aber sicher jede Menge.
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