Zitat von
Homerclon
Ist keine billige Ausrede.
Man kann niemanden für etwas verurteilen, was dieser in einem Land gemacht hat das dort legal ist.
Es geht auch nicht nur um den Server, sondern auch den Standort des Betreibers der Seite. Wenn man als deutscher Bürger eine Seite auf einem ausländischen Server betreibt und dort etwas anbietet das in Deutschland verboten ist, dann kann man dafür vom deutschen Staat auch belangt werden.
Schwieriges Thema, das sehr weit führt.
Ich sage dazu so viel, dass das auch schon Expertenkreisen und dem Gesetzgeber einiges Kopfzerbrechen bereitet hat. Hier geht es aber weniger um Jugendschutz, sondern zB. um Nazipropaganda, Volksverhetzung und vergleichbares.
Nur einige Links in Kürze:
Eine Veröffentlichung der KriPoZ (diese sei unter Vorbehalt als zitierfähig eingestuft)
Zitat von
Schiemann, Anja: Volksverhetzende Inhalte im Internet – Ausweitung der Strafbarkeit auf Handlungen im Auslandzur Bekämpfung des sog. Propagandatourismus, KriPoZ 03/2018
I. Die Ausgangslage – deutsches Strafanwendungsrecht und die Rechtsprechung des BGH
1. Territorialitätsprinzip
Zwar soll der völkerrechtliche Nichteinmischungsgrundsatz verhindern, dass ein Staat seine eigene Strafgewalt willkürlich auf ausländische Sachverhalte ausdehnt. Jedoch gibt es legitimierende völkerrechtliche Anknüpfungspunkte, die eine Anwendung des nationalen Strafrechts auf Auslandssachverhalte erlauben und die der deutsche Gesetzgeber in den §§ 3 ff. StGB, § 1 VStGB normiert hat.
Weitestgehend wird das deutsche Strafrecht durch das sog. Territorialitätsprinzip der §§ 3, 9 StGB bestimmt, d. h. eine Tat ist im Inland begangen worden, wobei ausreichend ist, wenn entweder der Handlungs- oder der Erfolgsort im Inland liegt. Gerade diese Entweder-oder-Kombination macht es möglich, dass auch Begehungsweisen im Ausland in Deutschland strafrechtlich geahndet werden können, sofern nur der Erfolgsort in Deutschland lokalisiertwerden kann. Zu beachten ist allerdings, dass mit „Erfolg“ nicht jede Auswirkung der Tat gemeint ist, sondern nur solche Tatfolgen, die für die Verwirklichung des Straftatbestandes erheblich sind. Gerade bei sog. Distanzdelikten, also auch im und durch das Internet begangenen Straftaten, kann die Bestimmung des Tatortes problematisch sein.
Wichtig ist mir hier vor allem die Einführung zweier Begriffe: Der Handlungs- und Erfolgsort einer Straftat, die für die Beurteilung hier relevant werden.
Ein etwas absurder Vergleich, der aber vielleicht hilft: In Deutschland ist das Schießen mit einer Haubitze für normale Bürger verboten. In der Schweiz nicht. Wie stellt sich die Situation dar, wenn ich an der Grenze eine Haubitze aufstelle und über die Grenze nach Deutschland schieße?
Hier wird evtl eine Sache verständlich: Ja, ich habe möglicherweise alle Handlungen, die für das Erreichen des Taterfolges notwendig sind, im Ausland durchgeführt, die Auswirkungen der Handlung jedoch werden im Inland real. Ähnlich ist das bei einem Server: Ich habe diesen möglicherweise im Ausland stehen, alle Handlungen (Speicherung, Internetanbindung usw.) geschehen dort. Aber der Taterfolg, die Verfügbarkeit von illegalen Inhalten tritt im Inland ein.
Soweit, so gut. Weiter bei Schiemann:
2. Der Handlungsort bei Internetkriminalität mit Auslandsbezug
Findet das Tatgeschehen primär im virtuellen Raum statt, so stellt sich die Frage, wo der Handlungsort ist. Klassisch wird davon ausgegangen, dass der Handlungsort dort ist, wo der Täter bei Tatbegehung körperlich anwesend ist. Stellt der Täter also strafbare Inhalte im Ausland online oder nimmt eine Cyberattacke von seinem Computer im Ausland vor, so wäre der Handlungsort im ausländischen Staat gelegen.
Allerdings gibt es mittlerweile Stimmen, die ein weiteres Verständnis des Handlungsortes bei Sachverhalten mit Internetbezug haben und davon ausgehen, dass der Täter an jedem Ort virtuell anwesend ist, an dem die von ihm über das Internet bereitgestellten Inhalten abrufbar sind bzw. wenn er die strafbaren Inhalte vom Ausland aus gezielt auf einem deutschen Server ablegt. Dies hätte aber die universelle Anwendung deutschen Strafrechts zumindest bei Äußerungsdelikten mit Internetbezug zur Folge, würde über den Wortsinn des Handelns im Sinne eines positiven Tuns hinausgehen und ist aufgrund des völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz nicht legitimierbar. Zudem ist dieser erweiterte Handlungsbegriff inzwischen auch vom BGH abgelehnt worden. Zutreffend stellte er fest, dass sich auch bei Internetdelikten der Handlungsort allein nach dem Aufenthaltsort des Täters richtet und der Radius der Wahrnehmbarkeit einer Handlung nicht Teil ihrer selbst ist.
Der BGH meinte nämlich: Nein, das geht so nicht. Urteil 3 StR 88 / 14. Freispruch für den Betreiber einer "Arischen Musikfraktion".
Ich zitiere die Besprechung von Schiemann jetzt aus Gründen der Länge nicht weiter. Deutlich wird jedoch eines: Wenn ich die Beziehung Handlungs- und Erfolgsort völlig auflöse, resultiert dies insbesondere bei den sog. abstrakten Gefährdungsdelikten in einer Strafbarkeitslücke. Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Frage im Fall der §§ 86, 89 und 90 befassen müssen, was auch einen Gesetzesentwurf und dessen Beschluss zum Ergebnis hatte:
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Verbreitens und Verwendens von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bei Handlungen im Ausland (mit ausführlicher Begründung)
Die Änderungen finden sich in § 5 StGB:
Zitat von
§ 5 StGB
Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden:
(...)
3. Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates
a) in den Fällen des § 86 Absatz 1, wenn Propagandamittel im Inland wahrnehmbar verbreitet oder der inländischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat,
b) in den Fällen des § 86a Absatz 1 Nummer 1, wenn ein Kennzeichen im Inland wahrnehmbar verbreitet oder in einer der inländischen Öffentlichkeit zugänglichen Weise oder in einem im Inland wahrnehmbar verbreiteten Inhalt (§ 11 Absatz 3) verwendet wird und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat,
c) in den Fällen der §§ 89, 90a Abs. 1 und des § 90b, wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, und
d) in den Fällen der §§ 90 und 90a Abs. 2;
Insofern ist richtig was Homerclon gesagt hatte: Als "Inlandsdeutscher" bist du nicht sicher, wenn du deine illegale Handlung virtuell ins Ausland verlagerst, jedenfalls was die genannten §§ anbelangt. Das löst leider aber das Problem z.B. derartiger Propaganda, die tatsächlich von ausländischen Neonazi-Organisationen aus dem Ausland in Deutschland zugänglich gemacht wird, nicht.