Gepanzerte Wesen mit Stecknadelköpfen, die hundert Meter oder mehr im Eilmarsch auf sie zukamen. Zeitgleich und mit hydraulischem Zischen setzte der Raumjäger „Avalon“ auf dem nackten Stahlboden des schmucklosen Schiffshangars auf. Gerade eben noch war Seeva, dem freien Anflugsektor folgend, durch den unsichtbaren Schild gedrungen. Die Asari öffnete das Cockpit während sich das schwere Tor in der Außenhülle schloss – die zweite und letzte Mauer, die die Besatzung der „Agony“ vor einem Tod im kalten, leeren Weltraum bewahrte.
Seeva sprang aus dem Cockpit und wurde sich bewusst, dass sie – obgleich sie schon seit Jahren nicht mehr geflogen war – nichts, was die Raumfahrt anging, verlernt hatte. Die Stecknadelköpfe waren zu erkennbaren Gesichtern herangewachsen. Allesamt Batarianer, allesamt mit gebleckten Zähnen und schussbereiten Waffen vor die Brust geschnallt. Sie kamen zwischen den Abfangjäger von der geschwungenen Bauart, die den Batarianern eigen war, hervor. Die Batarianer galten als brutales Volk und wenig ästhetisch, ihre Jagdmaschinen aber waren Meisterstücke der Kriegsschmiedekunst. Mehrere Dutzend Augen beobachteten, wie Seeva ihren Helm auf den Pilotensitz legte und die Anti-G-Funktion ihres Kampfanzugs zurücksetzte. Die Kleidung, vormals an den Leib gepresst, fühlte sich nun wieder wie eine zweite Haut und nicht wie ein enger Verband an. Die Asari rückte die Phalanx im Oberschenkelholster zurecht, was die schwarzen Augen der Batarianer, die ihr am nächsten standen, aufblitzen ließ. Einer der Aliens schälte sich aus der Menge heraus. Seine Panzerung war leichter. Eindeutig ein Offizier, wie Seeva bewusst wurde.
„
Willkommen auf der Agony“, sagte der Mann und zeigte die pfeilspitzenartigen Zähne in dem Äquivalent eines batarianischen Lächelns. „
Der Colonel erwartet Sie.“
Colonel Irulad Andor stand auf einer Aussichtsplattform und beobachtete das Treiben gut acht Meter unterhalb durch eine bodenhohe Glasfront, als Seeva zu ihm gebracht wurde. Ein roter und ein weißer Varren mit klingenbewährten Halsbändern zu seinen Füßen, knurrten die Asari an, als sie die drei Treppenstufen nahm, an deren oberen Ende sich ein drehbarer Ledersessel mit einem Beistelltisch fand. Der silbern akzentuierte Sessel wirkte wie ein Thron und der Colonel sah sich selbst wohl als eine Art König oder zumindest Häuptling. Irulad Andor war genaugenommen kein Militär mehr, sondern ein brutaler Warlord, der mit seinem altgedienten Schlachtschiff in den Terminus-Systemen kreuzte. Er war ein Pirat, Kriegsherr und Schlächter, der nur noch für seinen eigenen Vorteil kämpfte. In der Zeit seines Kriegsdienstes für die batarianische Hegemonie hatte er sich einen Ruf als rücksichtsloser, aber kluger Soldat erworben und dieser Ruf zog noch immer ehemalige Soldaten und Haudegen an, die auf der „Agony“ auf reiche Beute hofften.
Colonel Andor hatte die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt und beachtete die Spectre vorerst nicht. Ein billiges Spiel, wie Seeva fand, aber das hier war Andors Parkett und nicht das ihre. Wenn er bei diesem Tanz führen wollte, sollte er halt führen. Die Panzerung des Batarianers war auf Hochglanz poliert und von einem Rot, das weniger an einen Farblack als an eine eingeschlossene Flüssigkeit erinnerte – genauer gesagt, eingeschlossenes Menschenblut. Sie war so elegant wie martialisch und erinnerte in ihrer Machart an die batarianischen Raumjäger.
„
Haben Sie Freude an Gewalt, Commander?“, raunte Colonel Andor, den Blick nicht von der Fensterscheibe lassend.
„
Wenn sie den Richtigen trifft“, antwortete Seeva. Andor bedeutete ihr mit einem Wink, das Stück zwischen ihr und ihm zu überwinden, befahl dem knurrenden Varren „Ruhe“ und untermalte seinen Befehl mit dem Schlag eines gepanzerten Handrückens auf den Kopf des Tieres. Es winselte und legte sich hin. Seeva warf einen Blick zurück. In dem Raum waren vier Wachen, Schrotflinte und Sturmgewehr. Andor trug ebenfalls ein Gewehr, eine Flinte, eine Pistole. Dazu die zwei Varren. Für den Ernstfall erwartete Seeva dennoch gute Chancen. Sie stellte sich neben Andor und betrachtete sein Profil. Die wulstigen Muskeln des Halses verknoteten sich in seinem Nacken und stützten seinen glänzenden, vernarbten Kopf. „
Sehen Sie. Was glauben Sie, wer gewinnt?“, fragte der Colonel und deutete auf einen Ring unterhalb, in dem zwei Batarianer sich umkreisten, gegeneinander preschte und wieder auseinanderstoben. Seeva betrachtete den von mehreren Batarianern angefeuerten Kampf. Die beiden Kontrahenten sprangen aufeinander zu, helles Metall blitzte. Die Männer kämpften mit gezackten Klingen an den Fäusten. Eine der Klingen stieß vor, Blut spritzte und der getroffene Batarianer schrie so laut auf, dass selbst Seeva aus der Plattform hören konnte.
„
Sie kämpfen mit Waffen?“
Andor nickte und sagte: „
Wir sind Batarianer. Waffen sind Teil unserer Religion.“ Seeva erkannte drei leblose Leiber neben dem Ring.
„
Ist Ihre Crew zu groß, Colonel?“, fragte sie. Der Batarianer zuckte mit den Achseln.
„
Ich habe keinen Platz für Schwäche in meiner Mannschaft. Sehen Sie den dort, den mit den weißen Handschuhen? Der gehört zu mir. Der andere, der mit den schwarzen Handschuhen, ist ein Sklave. Wenn der Sklave gewinnt, nimmt er den Platz meines Crewmitglieds ein. Zwei Mann gehen rein, ein Mann geht raus.“
„
Klingt fair“, kommentierte die Spectre, ohne es ernst zu meinen. Vermutlich würde der Sklave noch am selben Tag von der Crew getötet werden, weil er einen von ihnen ermordet hatte. Colonel Andor wirkte nicht wie jemand, der sich um seine neuen Leute scherte.
„
Normalerweise kämpfen meine Männer zu Übungszwecken gegen Menschen, aber das haben wir aus dem Grund Ihres Besuchs gelassen“, sagte Andor mit einem sadistischen Lächeln auf den bleichen Lippen. Seeva sagte nichts. Der bereits getroffene Batarianer verfiel in blanke Panik, seine Angriffe wurden unkoordinierter. Scheinbar würde Andors Crew dieselbe Stärke behalten, denn der Batarianer mit den weißen Handschuhen sprang vor, schlug dem Sklaven die Faust in die Magengegend und versenkte seine Klingen im Hals des anderen. Ein Fächer von Blut benetzte den Ring. Die Zuschauer jubelten, während der Sieger den sterbenden Kontrahenten in den Staub trat, die Hände in Siegerpose in die Höhe gehalten. Er schaute zum Colonel, der langsam klatschte und dem Gewinner anerkennend zunickte. Dann wandte er sich das erste Mal von dem Spektakel ab und schaute Seeva mit allen vier Augen an.
„
Genug davon. Sie sind wohl nicht den weiten Weg in die Terminus-Systeme und auf mein Schlachtschiff gekommen, weil sie die batarianische Kampfkunst bewundern wollen, habe ich Recht, Commander?“ Er deutete auf den Beistelltisch neben dem Sessel, auf dem eine gläserne Karaffe mit einer himmelblauen Flüssigkeit stand.
„
Trinken Sie ein Glas batarianischen S’yk‘s mit mir? Garantiert nicht tödlich.“ Seeva stimmte zu, worauf Andor zwei bauchige Gläser ein Drittel füllte und der Spectre eines davon reichte.
„
Auf gute Geschäfte“, sagte der Colonel und stieß mit Seeva an. Das Zeug brannte wie Feuer, doch Seeva ließ sich nichts anmerken. Mit Batarianern zu handeln bedeutete, keine Schwäche zeigen zu dürfen.
„
Bisher gibt es noch kein Geschäft, Colonel. Aber aus diesem Grund bin ich hier und nicht um“, Seeva machte eine wegwerfende Bewegung gen Fensterfront: „
…diese Kampfvorstellung zu sehen.“
„
Haben Sie sie genossen?“, fragte Andor und grinste böse. Er ließ sich in den thronartigen Sessel fallen und lehnte sich zurück. Seeva nahm auf einem Hocker Platz, den einer der Wachmänner herangetragen hatte. Sie drückte den Rücken durch und überschlug die Beine.
„
Nicht wirklich. Wer als Krieger so lange gegen einen Sklaven kämpfen muss, kann mich nicht beeindrucken. Ich hoffe inständig, dass Sie als mehr leisten können als Ihre Crew.“ Das Gesicht des Batarianers versteinerte sich augenblicklich. Seeva schwenkte den Drink in ihrer Hand und kippte den Rest herunter, ehe sie hinzufügte: „
Ansonsten verschwende ich hier nur meine Zeit.“
„
Sie…“ Colonel Andors Stimme bebte. Er ballte die freie Faust, entspannte sie dann aber wieder. Er sog stickige Luft durch die vier Nasenlöcher und atmete aus.
„
Ich denke nicht, dass Sie von mir oder meinem Schlachtschiff enttäuscht wären, Commander. Allerdings frage ich mich zunehmend, warum ich meine Zeit mit Ihnen verbringe.“
„
Genug Geplänkel. Gut. Kommen wir also zur Sache“, dachte Seeva. Sie stellte das Glas auf dem Tisch ab und legte die Hände auf ihrem Knie ab.
„
Ich bin auf der Jagd nach jemandem. Beziehungsweise nicht nur einer Person, sondern seinem Unternehmen – einem reichen Unternehmen, das Technologie von hohem Wert und moderne Waffen transportiert. Ich schlage vor, dass wir uns gemeinsam um diese Lieferungen kümmern. Sie bekommen die Beute und ich schade meinem Feind. Das einzige, was ich von diesen Schiffen brauche, sind Informationen.“
Der Batarianer setzte eine nachdenkliche Miene auf.
„
Wo ist der Haken?“
„
Der Haken? Sie müssen vermutlich kämpfen. Es könnte gefährlich werden.“ Andor ließ ein schallendes Lachen hören.
„
Kein Haken, verstehe. Und dieser Feind von Ihnen, der ist in den Terminus-Systemen?“ Die Spectre nickte. Decius nutzte allerlei Routen, um sein ihr unbekanntes Frachtgut von A nach B zu bringen. Ihr Spionagenetzwerk besagte, dass der Turianer auch die Terminus-Systeme anflog – und hier sah sie ihre Chance. „
Reden wir über die Details, Colonel.“