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    Undead  Avatar von DerGroßeDummeMann
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    DerGroßeDummeMann ist offline

    [Story] Tannenholz

    Tannenholz

    Ich habe noch nie so einen blauen Himmel gesehen … und das an einem jener trüben Herbsttage, an denen es scheint, als wäre die ganze Welt verkatert. Von Blitzen durchädert schimmert die Barriere über meinem Kopf und lässt die darüberhängenden Wolken derart tiefblau erscheinen, dass man sich fragt, ob man nicht aus Versehen von jenen Pilzen genascht hätte, welche sich im Hafenviertel zuletzt äußerster Beliebtheit erfreuten. Oder besser gesagt erfreut hatten, denn seit König Rhobar den neuen Statthalter Larius geschickt hatte, waren die Pilze von einem Tag auf den anderen verboten worden. Der Herold auf dem Marktplatz hatte große Reden über Sucht und Volksgesundheit geschwungen, was die Bürger Khorinis' aber nicht daran hinderte, Theorien aufzustellen, es ginge hier eher darum, das staatliche Biermonopol zu wahren. Denn es konnte ja nicht angehen, dass sich das Volk mit etwas anderem als Rhobar-Bräu oder Dunklem Paladiner berauschte. Und so traf es sich, dass nicht wenige Hafenbewohner von einem Tag auf den anderen zu Verbrechern und als solche in die Barriere geworfen wurden.
    Mit mir hat das alles nichts zu tun. Ich bin bloß ein einfacher Zimmermann und dem Rausch des Bieres und der Pilze ziehe ich den Rausch des Hämmerns vor. Warum ich in der Kolonie bin? Wenn es nach mir geht, habe ich nichts getan, als meinem Beruf nachzugehen, der – so schien es mir jedenfalls bisher – ein aufrichtiger ist. Allerhöchstens könnte man mir vorwerfen, ich wäre zu aufrichtig in meiner Berufsausübung und in der Tat scheinen die Leute genau dies zu tun. Aber was soll ich tun? Wo gezimmert werden muss, da muss nun einmal gezimmert werden, und im Hafenviertel gibt es viel zu zimmern. Wegen Ruhestörung haben sie mich eingebuchtet, so hat es der Richter gesagt. Ich wusste gar nicht, dass das eine Straftat ist – wahrscheinlich ist es auch keine sondern wieder nur so einer von Larius' Einfällen. Aber selbst wenn es eine wäre, so finde ich doch, dass man statt mir lieber die grölenden Matrosen oder die keifenden Fischweiber hätte festnehmen sollte, denn mein Lärm hat im Gegensatz zu ihrem wenigstens einen Zweck.
    Nun ja, ob meine Verurteilung gerecht ist oder nicht, so muss ich jetzt wohl das beste daraus machen. Auf dem ganzen Morgrad gibt es keinen einen Ort, an dem man nicht einen tüchtigen Zimmermann gebrauchen könnte. Warum soll die Kolonie da eine Ausnahme sein? Irgendwo müssen die Sträflinge ja leben, und da schon die Bruchbuden des Hafenviertels eher als Holzwurmfutter denn zum Wohnen taugen, muss die Zimmermannskunst in der Barriere ja umso mehr nottun.

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    Undead  Avatar von DerGroßeDummeMann
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    DerGroßeDummeMann ist offline
    Ich betaste mein Auge, das vermutlich ebenso blau ist, wie der Himmel. Sehen kann ich das natürlich nicht, aber so geschwollen es ist, so schmerzvoll es pocht, kann ich mir das nur allzu gut vorstellen. Es ist nicht das erste Mal, dass mir jemand ein blaues Auge verpasst, doch während die Bewohner des Hafenviertels einfach nur undankbare Holzwürmer sind, denen lieber das Haus über dem Kopfe zusammenbricht, als dass sie mal ein paar Tage jemanden Hämmern hören, ist mir schleierhaft, warum mich die Männer in den roten Uniformen geschlagen haben. Sie selber schienen das für eine Art Willkommensgruß gehalten zu haben, auch wenn ich mich weigere das als einen Gruß zu akzeptieren, der eines Menschen würdig ist. Das waren nämlich die Worte der Uniform-Männer: Willkommen in der Kolonie. Danach ein Schlag, der mich zu Boden gehen ließ. Und während ich so am Boden lag, trugen sie die Waren, die man mit mir heruntergelassen hatte, Kiste um Kiste in eine Lagerhaus. Zuletzt blieb noch eine Gefangene, die ein gutes Stück weniger elend aussah, als die Gefangenen, die ich aus dem Gefängnis kannte. Gefesselt und geknebelt hockte die Frau auf dem Lastenaufzug und betrachtete mit einer Mischung aus Langeweile und Unbehagen das Geschehen. Schließlich traten die Wachen aus dem Lagerhaus und trugen die Frau unter Johlen hinein. Nun entbrannte ein Streit, wer für die Inventur der Waren zuständig sei, der letztlich durch eine Runde Schere-Erz-Pergament entschieden wurde. Sogleich machte man sich an die Inventur. Die Waren wurden gezählt und samt Zahl einem Schreiberling diktiert. Mit der Inventur der Frau war man besonders lange beschäftigt.

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    Undead  Avatar von DerGroßeDummeMann
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    DerGroßeDummeMann ist offline
    Große Beachtung schenke ich dem allen nicht. Zu sehr bin ich dafür ein Mann der Tat, zu wenig Buchhalter. Meine Aufmerksamkeit gilt vielmehr dem Lagerhaus, dessen Anblick mir das Herz höher schlägen lässt. Das Haus ist derart schlecht gezimmert, dass ich mir um meine Zukunft keine Sorgen zu machen brauche. Mühsam unterdrücke ich den Drang, den Männern in Rot meine Hilfe anzubieten. Die werden das eh nicht zu schätzen wissen. Das muss man pragmatisch sehen.
    Ich wende mich also vom Lagerhaus ab und folge einem steilen Gebirgspfad hinab, der mich zu einem schlecht gezimmerten Tor führt, auf dem breitbeinig einer der Männer in Rot Wache steht.
    „Wie hält's?“, frage ich den Wächter rein aus Höflichkeit, denn ein flüchtiger Blick genügt, um zu sehen, dass das Tor, auf dem er steht, nicht mehr lange halten wird.
    Mit spöttischem Mitleid schaut er auf mein geschwollenes Auge: „Du bist wohl neu hier. Willkommen in der Kolonie!“
    Instinktiv weiche ich ein paar Schritte zurück. Der Uniformierte lacht: „Keine Angst ich tu dir nichts. Du hattest deinen Anteil schon. Die Taufe … da muss jeder mal durch. Ist vielleicht nicht der freundlichste Weg Neulinge zu begrüßen, aber so lernt man wenigstens, sich an die Regeln zu halten, und solange man sich an die Regeln hält, hat man hier nichts zu befürchten … mal abgesehen von Snafs Fleischwanzenragout natürlich.“
    „Was sind die Regeln?“, frage ich.
    „Klaue nichts, hau niemanden um und zahl dein Schutzgeld.“
    „Gibt es hier auch eine Regel gegen Ruhestörung?“
    „Ruhestörung? Was denn das?“, fragt der Wachmann und schaut mich verwundert an.
    „Nichts“, sage ich. „Eine Erfindung von Larius.“
    „Eine Erfindung von Larius!“, sagt der Wachmann glucksend. „Davon haben wir hier Viele. Ganz schön erfinderisch der Bursche! Was man nicht alles lernt in den Universitäten des Festlands!“
    Ich lache zurück. „Könnt ihr hier einen Zimmermann gebrauchen?“, frage ich und schiele nervös auf die Bretter unter seinen Füßen.
    „Ich nicht“, sagt der Wachmann. „Bei mir ist alles stabil. Frag doch mal im alten Lager oder besser noch im Sumpflager. Die waren breit bis hinter beide Ohren, als sie sich ihr Dorf zusammengezimmert haben. Da hilft wahrscheinlich nur einreißen und neu bauen.“
    Ich nicke und bitte ihn, mir den Weg zu beschreiben. Er sagt mir aber, das Sumpflager wäre zu weit. Ich solle erste einmal im alten Lager haltmachen. Frohen Mutes breche ich zu ebenjenem Lager auf. Ich kraxele den von Felswänden begrenzten Gebirgspfad hinab, bis sich zu meiner Linken der Fels öffnet und den Blick auf eine eherne Feste freigibt, die im Zentrum des weitläufigen Tales thront. Umgeben ist die Burg von einem Haufen winziger Holzhütten, über deren Qualität ich auf diese Entfernung keine genaueren Aussagen treffen kann. Wenn ich aber die schiefe Palisade sehe, die die Hütten umringt, so kann es um sie nicht gut bestellt sein.

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    Undead  Avatar von DerGroßeDummeMann
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    Es dauert etwa eine Stunde, bis ich am Fuße des Berges angekommen bin. Von der Burg trennt mich nur noch ein Fluss und die Ödnis dahinter, nur leider ist der Fluss zu tief, um ihn zu durchqueren. Mir bleibt also nichts übrig, als dem Fluss zu folgen, bis ich schließlich an eine kleine wacklige Brücke gelange, von der aus ein Pfad zum Palisadentor führt. Kaum setze ich einen Fuß darauf, merke ich, dass etwas nicht stimmt. Die Art und Weise, wie das Holz unter meinen Füßen nachgibt, das Knarzen der Pfeiler … Diese Dilettanten!, denke ich mir. Und tatsächlich: als ich mich hinknie und das Holz genauer betrachte bestätigt sich mein Verdacht: So sind die Bretter zwar aus stabilem Fichtenholz und über jeden Zweifel erhaben, die Pfeiler aber … die Pfeiler sind aus Eschenholz. Eschenholz! Selbst die Dumpfbacken aus dem Hafenviertel wissen, dass sich Eschenholz zwar für Möbel eignet, für den Hütten- oder – innosbewahre! – Brückenbau aber aufgrund seiner geringen Witterungsbeständigkeit vollkommen untauglich ist. Kopfschüttelnd erhebe ich mich und tapse vorsichtig über die Brücke. Die Wachen am Tor gucken lachend zu mir herüber, aber das bin ich ja gewohnt. Alle Welt macht sich über mich lustig, vor allem aber diejenigen, die in ihrem Leben nie etwas Rechtes zustande gebracht haben. Nichts ist ihnen ernster als ihr belangloses Treiben, wenn aber mal jemand anpackt und etwas Wahrhaftes tut, dann ist es ihnen das Lächerlichste der Welt.
    „Wie hält‘s?“, grüße ich sie, während ich mich anschicke durch das Tor zu gehen.
    „Halt!“, sagt einer von ihnen. „Kennst du die Regeln?“
    Ich nicke ihm zu. „Klau nix, hau niemanden um, zahl dein Schutzgeld“
    Die Wache nickt zurück. „Geh zu Diego. Der kümmert sich um die Neuen. Seine Hütte ist gleich vorm Burgtor.“

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    Undead  Avatar von DerGroßeDummeMann
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    Meine Hände leuchten blau vom Erzstaub, und nicht nur meine Hände: Soweit ich im Schimmer der Öllaterne sehen kann, ist alles von feinem blauen Staub bedeckt. Ich verstehe nun, warum Rhobar so versessen nach dem Erz ist, denn in der Tat haftet ihm etwas Magisches an, eine seltsame Kraft geht von ihm aus, die die Glieder erfrischt und das Herz erquickt, ruhig wie ein Bergsee wird die Seele, wenn man den Staub des erzreichen Gesteins einatmet. Immer öfter ertappe ich mich dabei, wie ich tief einatme um so viel wie möglich von dem blauen Staub in mir aufzunehmen.
    Ich huste und sehe die blauen Partikel im Lampenschein tanzen. Der Husten … das schlimmste am Leben in der Kolonie ist der Husten. Ich habe in den Wochen, die ich schon hier bin kein einziges Mal gut geschlafen und das liegt nicht nur an der behelfsmäßigen Hütte, die in Wirklichkeit nur ein Bett mit einem Dach darüber ist. Jede Nacht höre ich das Hustenkonzert der Buddler und je länger ich hier bin desto öfter stimme auch ich mit ein. Die Kraft die mir der Staub beim Schürfen schenkt, schwindet sobald ich mich aus der Mine entferne. Dann fällt die ganze Anstrengung des Tages mit einem Mal auf meine Schultern und nur mit Mühe schaffe ich es, mich zurück ins Lager zu schleppen. Ein paar der älteren Buddler verlassen die Mine gar nicht mehr. Staubmenschen nennen wir sie. Bleich und ausgemergelt schlurfen sie durch die Schächte. Auch in tiefster Dunkelheit erkennt man sie an ihrem blau schimmernden Atem und ihrem blau-roten Husten. Die Kraft des Erzes lässt sie kaum noch zu Ruhe kommen und manche arbeiten tagelang durch, bis sie erschöpft zusammenbrechen, manche husten sich buchstäblich die Lunge aus dem Leibe. Die anderen Buddler begegnen ihnen mit einer Mischung aus Furcht und Abscheu, wenn sie ihnen überhaupt begegnen, denn meistens weichen sie ihnen auf. Im Winter, wenn auch viele der jüngeren Buddler in der Mine schlafen, da es dort wärmer ist als in den unbeheizten Hütten des alten Lagers, achten sie peinlich genau darauf nicht zu nah bei den Staubmenschen zu liegen.

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