Es dauerte keine zehn Minuten bis Oblomow wieder zurück ins Haus kam. Sein Blick war Ernst. Tief im inneren wusste Aerie, dass es nun auch ihren Mann getroffen hatte. Dennoch stellte sie mit einem winzig kleinen Anflug von Hoffnung die eigentlich bereits rhetorische Frage:
„Was wollte er?“
„Nach Silden, Geldern und Trelis ist nun auch Montera an die Orks gefallen“ Oblomow nahm wieder am gedeckten Tisch platz. „Sie stehen nun unmittelbar vor Gotha.“ Aerie sah Oblomow dabei zu, wie er weiterhin sein Wildragout verzerrte. Er war ihr noch immer eine Antwort schuldig, obgleich sie sie tief im inneren bereits kannte.
„Gotha ist eine Hochburg der Paladine!“, platzte es aus ihr heraus. „Sie brauchen keine Jäger!“
„Wenn Gotha fällt, dann fällt letzten Endes auch Vengard“, antwortete Oblomow kauend.
„Also haben sie dich eingezogen?“, fragte Aerie. Oblomow legte seine Gabel beiseite und wischte sich mit dem neben dem Teller liegenden Tuch den Mund ab.
„Ja, haben sie!“
Obwohl Aerie innerlich mit dieser Antwort gerechnet hatte, viel ihr dennoch ihr mit Wasser gefülltes Glas zu Boden und ging augenblicklich zu Bruch. Verwirrt betrachtete sie für einen kurzen Augenblick die auf dem Boden liegenden Scherben, ehe sie sich wieder ihren Mann zuwandte:
„Und du hast jetzt vor, dieser Aufforderung nachzukommen?“
Oblomow antwortete nicht und nahm stattdessen einen Schluck aus seinem Glas, ehe er seufzend mit dem Stuhl zurück rückte.
„Ist dir schon einmal in den Sinn gekommen, dass du dort sterben könntest!“, schrie Aerie aufgebracht mit zitternder Stimme. „Denkst du eigentlich auch nur eine Sekunde an uns?“
„Ich gehe unsertwegen nach Gotha“, antwortete er mit ruhiger Stimme. „Wenn Gotha fällt, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie auch uns finden und versklaven oder töten. Wenn wir umliegenden Jäger jedoch alle zusammen dabei helfen die Stadt zu verteidigen, haben wir eine reale Chance, die Orks zurückzuschlagen!“
„Bitte, Oblomow“, wimmerte Aerie und verfiel nun endgültig ihren Tränen. „Lass uns einfach fortgehen...“
Seufzend stand Oblomow auf. Ein kühler Windzug ließ ihn kurzweilig erschaudern. Eigentlich hatte er noch vor dem nächsten Winter die bereits in die Jahre gekommene Dämmung erneuern wollen. Er hockte sich neben Aerie und versuchte sie von der Seite zu umarmen, doch sie stieß seinen Arm vehement beiseite und wandte sich von ihm ab.
„Versteh doch, Aerie... egal wohin wir fliehen würden, die Orks würden uns früher oder später finden.“, versuchte er seine Beweggründe erneut zu rechtfertigen. Doch auch das machte es offenkundig nicht besser; Aerie ignorierte ihn.
„Also bitte...“, sagte er schließlich gnatzig und stand wieder auf. Er entschied seine Sachen für die bevorstehende Abreise am Folgetag zu packen. So konnten sie sich beide etwas abregen und er kam sich für den Moment nicht so hilflos vor. Im Schlafgemach nebenan hatte er seine komplette Jagdausrüstung in einer großen Truhe gelagert. Zudem waren dort auch sein Bogen und seine lederne Rüstung. Als erstes nahm er sich einen kleinen Schleifstein aus der Truhe heraus. Damit schärfte er nacheinander zunächst seine beiden Saxmesser. Falls er in einen Nahkampf geraten sollte, war er so immerhin nicht vollkommen wehrlos. Dann nahm er sich seinen Bogen aus dem fernen Lande Tuigan und kontrollierte sorgfältig die Spannschnur auf poröse Stellen. Die Schnur war jedoch noch einwandfrei. Vorsichtig lehnte er seinen Bogen hinter sich an eine kleine Kommode. Dennoch rutschte der Bogen zur Seite weg und fiel gefolgt von einem Buch, das auf der Kommode stand zu Boden. Leicht genervt griff er erneut nach seinem Bogen, verharrte dann jedoch über dem davor liegenden Buch. Vorsichtig nahm er es auf und sah sich den Einband an. Aerie hatte ihm einst dieses Buch geschenkt. Nun, da er ausgerechnet dieses Buch in den Händen hielt, überkam ihn ein beklemmendes Gefühl.
„Brauchst du noch lange?“ Oblomow zuckte zusammen. Aerie hatte das Schlafzimmer betreten, ohne dass er es mitbekommen hatte. In ihrer Stimme lag ein Unterton, der Oblomow gar nicht gefiel.
„Nein“, antwortete er seufzend und legte das Buch zurück auf die Kommode. „Ich bin hier fertig.“
„Dann gehe ich jetzt ins Bett.“

Als Oblomow am nächsten Morgen erwachte, lag Aerie schon nicht mehr neben ihm. Sie musste vor ihm aufgewacht sein und hatte das Bett unbemerkt verlassen, was äußerst untypisch war. Niedergeschlagen setzte sich Oblomow auf und verharrte etliche Sekunden sitzend auf seinem Bett. Es fiel ihm nur schwer, sich aufzuraffen, denn der Konflikt mit Aerie stimmte ihn unzufrieden. Schließlich gab er sich einen Ruck und stand auf. Im Wohngemach nebenan saß Aerie am Tisch und starrte mit ausdruckslosen Augen ins Leere.
„Guten Morgen, Süße“, begrüßte Oblomow sie und setzte sich zu ihr an den Tisch. Aerie reagierte jedoch nicht darauf. Seufzend ließ er sich in die Stuhllehne zurück sinken.
„Ich habe die vergangene Nacht kaum geschlafen“, sagte sie endlich nach einer ganzen Weile des Schweigens. Ihr Gesicht wirkte dabei eingefallen und blass. „Ich spüre einfach, dass du nicht zu mir zurückkehren wirst!“
Oblomow schwieg und wich ihren auffordernden Blicken aus. Er wusste schlicht und ergreifend nicht, was er darauf antworten sollte.
„Hast du mir verdammt nochmal zugehört? Ich weiß, dass du dort dein Leben lassen wirst!“, schrie Aerie verbissen und stand verzweifelt auf.
„Aerie, bitte“, versuchte Oblomow sie zu besänftigen und stand ebenfalls auf. „Du machst dir zu viele Sorgen. Jetzt setz dich doch wieder und lass uns noch einmal vernünftig darüber reden!“
„Ich will aber nicht mehr darüber reden!“, schrie sie aus dem Schlafgemach, ehe sie die dortige Tür zuknallte.

Gotha war die stärkste Festung der Paladine und ihr Hauptsitz in Myrtana. Diese Burg lag direkt nördlich von Montera und schirmte zusammen mit Faring die Hauptstadt Vengard nach Nordwesten hin ab. Gotha lag an einem riesigen Berg, seine Mauern waren extrem stabil und die ganze Burg war praktisch uneinnehmbar. Als Oblomow dort ankam, waren alle Jäger des näheren Umlandes dem Aufruf der Paladine gefolgt. Im Innenhof der Burg versammelten sie sich alle und wurden dort von den Paladinen eingewiesen. Jeder erhielt einen Schlafplatz, Verpflegung und Ausrüstung. Außerdem bekam jeder Jäger einen festen Platz auf der Mauer der Burg zugewiesen, den er im Ernstfall einzunehmen und zu verteidigen hatte. Wie Oblomow nebenbei erfuhr, hatten die Paladine bereits zwei orkische Angriffe auf die Burg erfolgreich abgewehrt und für die bevorstehende Nacht wurde der nächste erwartet. Ein weiterer Punkt, der Oblomow in seinem Vorhaben bestärkte. Den Rest des Tages verbrachte Oblomow damit, sich mit den anwesenden Jägern auszutauschen, sich mit dem Innenhof der Burg näher vertraut zu machen und sich anschließend auszuruhen.

Als die Dämmerung eintrat, ertönten fernab des Firmaments diverse orkische Hörner. Oblomow befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Mauer. Augenblicklich stürmten mehrere dutzend Paladine aus der Burg heraus; die Tore wurden herunter gelassen und binnen einer Stunde waren alle für die Verteidigung relevanten Plätze besetzt. Die Orks marschierten bis auf wenige tausend Fuß an den äußersten Ring der Burg heran und machten dort halt. Sie lagen somit noch außerhalb der Reichweite der Bogenschützen. Für die nächsten Stunden verharrte das orkische Heer an Ort und Stelle, ohne auch nur irgendwelche Anstalten zu machen, die Burg anzugreifen. Gegen Mitternacht dann erhellten plötzlich mehrere gleißende Blitze den Nachthimmel und entluden sich im inneren Hof der Burg. Dieses Spektakel dauerte mehrere Minuten an, bis plötzlich ein ohrenbetäubender Knall durch alle Gassen der Burg dröhnte.
Vorsichtig richtete sich Oblomow wieder auf. Ein blutroter Nebelschleier hatte sich begleitet von einer beängstigenden Stille über den Innenhof der Burg gelegt. Oblomow kniff beide Augen zusammen, um in der trüben Suppe irgendetwas erkennen zu können, doch es waren nur undefinierbare Umrisse auszumachen. Er schnallte seinen Bogen auf den Rücken und zog sein Saxmesser.
„Was hast du vor?“, rief ihm einer der anderen Jäger zu.
„Ich schau mir das mal an.“
„Bist du verrückt geworden!“, erwiderte der andere Jäger aufgebracht. „Das ist Wahnsinn!“
„Das ist es auch, wenn wir hier oben bleiben und nichts tun“, antwortete Oblomow und verließ über eine seitlich verlaufende Treppe die Mauer. Der Nebelschleier war so dicht, dass Oblomow kaum mehr als fünf Fuß weit voraus sehen konnte. Immerhin vernahm er nun jedoch einige wenige Geräusche, die sich aus allen Richtungen auf ihn zuzubewegen schienen. Plötzlich tauchte unmittelbar vor ihm ein gewaltiger Umriss auf. Es konnte sich dabei allerdings kaum um ein menschliches Wesen handeln, denn der Schatten war etwa neun Fuß Hoch. Oblomow blieb abrupt stehen und ging in Abwehrhaltung.
„Stehen bleiben!“, rief er dem Wesen mit zitternder Stimme zu. Er hatte keinen blassen Schimmer, was ihm dort gegenüber stand und das machte ihm höllische Angst. „Du sollst gefälligst stehen bleiben!“


Als Oblomow in seinem Bett erwachte, lag er noch eine ganze Weile regungslos da und starrte stur nach oben, ohne über irgendetwas nachzudenken. Er fasste keinen Gedanken und versuchte es auch gar nicht, stattdessen lief er Gefahr, ganz von der eigensinnigen Ästhetik der braunen Holzdecke eingenommen zu werden. Irgendwann jedoch versuchte er ganz allmählich nachvollziehen, was geschehen war. Dabei schien es ihm, als war es gerade einmal wenige Sekunden her, dass er der mysteriösen Kreatur gegenüberstand. Er war jedoch zumindest oberflächlich vollkommen unverletzt und irgendjemand hatte ihm seine Ausrüstung abgelegt. Vorsichtig setzte sich Oblomow auf. Er fühlte sich, als hätte er drei Wochen unter Steinen gelegen oder wahlweise, als hätte er die ganze Nacht durchgesoffen und dabei drei volle Pfeifen Tabak durchgezogen. Beides konnte jedoch nicht der Fall sein. Er beschloss dem ganzen Durcheinander auf den Grund zu gehen und stand schließlich auf.
Im Wohngemach nebenan fand er Aerie am Tisch sitzend. Sie schien vollkommen in Gedanken versunken zu sein, denn sie bemerkte seine Anwesenheit offenbar nicht.
„Hallo Aerie“, begrüßte er seine Frau und setzte sich zu ihr an den Tisch. Merkwürdigerweise reagierte sie jedoch auch darauf nicht und blickte weiterhin gedankenverloren ins Leere. Plötzlich ging die Haustür auf und eine weitere Person betrat das Haus. Oblomow stockte augenblicklich der Atem. Vor Schreck sprang er wieder von dem Stuhl auf und wich einige Schritte zurück.
„Was wollte er?“, fragte Aerie die neu hinzugekommene Person.
„Nach Silden, Geldern und Trelis ist nun auch Montera an die Orks gefallen“ Die Person nahm am gedeckten Tisch platz, wo eben noch Oblomow selbst gesessen hatte. „Sie stehen nun unmittelbar vor Gotha.“
Oblomow wurde es allmählich flau im Magen. Er erinnerte sich noch ganz genau an dieses Gespräch. Es hatte am Vorabend seiner Abreise stattgefunden und er selbst hatte es geführt.
„Gotha ist eine Hochburg der Paladine!“, schrie Aerie plötzlich aufgebracht. „Sie brauchen keine Jäger!“
„Wenn Gotha fällt, dann fällt letzten Endes auch Vengard“, erwiderte der am Tisch sitzende Oblomow.
„Also haben sie dich eingezogen?“
„Ja, haben sie!“
Oblomow überkam allmählich die blanke Panik. Offenkundig hatte er die Schlacht um Gotha doch nicht so unversehrt überstanden, wie er zuerst angenommen hatte. Hastig versuchte er nach ein paar Gegenständen des gedeckten Tisches zu greifen, doch seine Hände glitten geisterhaft durch jeden angepeilten Gegenstand hindurch.
„Nein, verdammt! Das darf nicht sein!“, brüllte er aufgebracht und versuchte ohne weiter darüber nachzudenken, seine Faust auf den Tisch zu schlagen. Natürlich misslang auch dieser Versuch, sodass er ins leere schlug und ein paar Schritte nach vorne taumelte. Allerdings ging dieses Mal im gleichen Moment ein Glas zu Bruch. Augenblicklich suchte Oblomow fieberhaft nach dem zerbrochenen Glas und ignorierte dabei die Tatasche, dass er inmitten des hölzernen Tisches stand. Ein mit Wasser gefülltes Glas neben Aerie war zu Bruch gegangen. Sie schaute sich beinahe schon verwirrt die am Boden liegenden Scherben an, ehe sie das Gespräch schließlich fortsetzte. Oblomow hingegen fluchte innerlich. Er hatte nicht mitbekommen, wer nun für das zerbrochene Glas verantwortlich war und ob er damit nicht doch indirekten Einfluss nehmen konnte.
„Und du hast jetzt vor, dieser Aufforderung nachzukommen?“
Der am Tisch sitzende Oblomow antwortete nicht und nahm stattdessen einen Schluck aus seinem Glas, ehe er seufzend mit dem Stuhl zurück rückte.
„Ist dir schon einmal in den Sinn gekommen, dass du dort sterben könntest!“, schrie Aerie aufgebracht mit zitternder Stimme. „Denkst du eigentlich auch nur eine Sekunde an uns?“
„Ich gehe unsertwegen nach Gotha“, antwortete der am Tisch sitzende Oblomow mit ruhiger Stimme. „Wenn Gotha fällt, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie auch uns finden und versklaven oder töten. Wenn wir umliegenden Jäger jedoch alle zusammen dabei helfen die Stadt zu verteidigen, haben wir eine reale Chance, die Orks zurückzuschlagen!“
„Bitte, Oblomow“, wimmerte Aerie und verfiel nun endgültig ihren Tränen. „Lass uns einfach fortgehen...“
Oblomow erinnerte sich an diesen Teil des Gespräches. Sein früheres Ich würde im nächsten Moment aufstehen und sich zu Aerie hinhocken. Er musste irgendwie auf sich aufmerksam machen und in dessen Folge dann sein Pendant von der Abreise abbringen. So hoffte er zumindest, würde all der Spuk enden. Als sein früheres Ich dann kurz darauf aufstand und zu Aerie hinüberging, stellte Oblomow sich ihm entschlossenen in den Weg.Obwohl er bereits ahnte, was passieren würde, hielt er dennoch beide Arme schützend vor sich. Allerdings schritt sein Pendant durch ihm hindurch, als wäre er selbst ein Geist... eine körperlose Erscheinung. Vielleicht entsprach das sogar der Wahrheit. Oblomow konnte jedenfalls keinen klaren Gedanken fassen und war allmählich am Verzweifeln. Er musste erneut hilflos mit ansehen, wie Aerie jegliche Annäherungsversuche ihres Mannes abwies und sich schließlich sogar von ihm abwandte. Kurz darauf war es dann soweit und Oblomows früheres Ich verließ den Wohnbereich, um seine Sachen für die bevorstehende Abreise zu packen. Oblomow selbst blieb zurück und sah vollkommen hilflos mit an, wie Aerie erneut in Tränen ausbrach. Seine Frau so zu sehen, machte ihn in Anbetracht seiner scheinbar ausweglosen Situation gleich doppelt zu schaffen. Auch er kämpfte mit den Tränen, wollte jedoch noch nicht aufgeben. Er ballte beide Fäuste und folgte seinem Pendant. Als Oblomow im Schlafgemach nebenan ankam, kontrollierte sein früheres Ich gerade die Spannschnur seines Bogens auf poröse Stellen. Als er anschließend seinen Bogen an die kleine Kommode lehnen wollte, erblickte Oblomow ein auf der Kommode stehendes Buch. Es war einst ein Geschenk von Aerie gewesen und vielleicht eine Möglichkeit, sein früheres Ich doch noch irgendwie zu kontaktieren. Er positionierte seine Hand direkt hinter dem Buch und versuchte sich zu konzentrieren.
„Fall herunter...“, murmelte er und atmete noch einmal tief durch, ehe er mit seiner Hand durch das Buch fuhr. Es passierte jedoch nichts. „Komm schon!“, schrie er erneut auf und fuhr wieder und wieder mit der Hand durch das Buch. Dann plötzlich fielen sowohl der an der Kommode angelehnte Bogen, als auch das Buch herunter.
„Ja verdammt noch eins!“, jubelte Oblomow auf und wich zurück. „Und jetzt nimm das Buch auf!“
Sein Pendant griff allerdings zuerst nach seinem seinem Bogen, verharrte dann jedoch plötzlich über dem davor liegenden Buch. Vorsichtig nahm er das Buch auf und sah sich den Einband an.
„Ja, gut so!“, rief Oblomow. „Und jetzt zähle eins und eins zusammen!“ Gespannt verfolgte Oblomow jede einzelne Regung seines früheren Ichs und hoffte inständig, dass er dieses Mal Erfolg haben würde.
„Brauchst du noch lange?“
Beide Oblomows zuckten beinahe zeitgleich zusammen und fuhren zur Tür herum. Aerie hatte das Zimmer betreten. Als Oblomow Pendant dann auch noch das Buch wieder auf der Kommode platzierte, wurde ihm ganz allmählich klar, dass er trotz all seiner Bemühungen versagt hatte. Er konnte seine Tränen nunmehr nicht mehr zurückhalten und sank auf die Knie...

Wie lange Oblomow vor seinem früheren Bett gesessen hatte, wusste er nicht mehr. Er starrte gedankenverloren in die Dunkelheit und wusste nicht, was er noch hätte tun können, um das Bevorstehende zu verhindern. Er verfluchte innerlich den Tag, an dem er nicht auf Aerie gehört hatte und sich zur Abreise nach Gotha entschieden hatte. Wie gern hätte er sich nun anders entschieden und jede noch verbleibende Sekunde mit seiner Frau verbracht...
Dann kam ihm plötzlich ein Geistesblitz. Er erinnerte sich an ein zerbrochenes Glas; an einen kühlen Windzug, der in kurzzeitig erschaudern ließ; an ein Buch, dass die Kommode hinunterfiel und an Aerie, die in der letzten gemeinsamen Nacht kaum geschlafen hatte. Seine Augen füllten sich mit Tränen, während er sich all diese Schlüsselmomente ins Gedächtnis rief. Ihm wurde schmerzlich bewusst, dass es Momente waren, die er selbst indirekt hervorgerufen hatte und dennoch nicht richtig wahrgenommen oder gedeutet hatte. Somit waren all seine Bemühungen nie dazu gedacht gewesen, sein Pendant von der Abreise abzubringen. Es war alles genauso abgelaufen, wie es ablaufen musste.