In der Kürze: Ein super inszeniertes "Witcher 3" in einem futuristischen Szenario mit leider vielen Gameplay-Problemen.
Die Inszenierung (und dazu trägt die wunderhübsche Grafik bei) ist super, Charaktere und Dialoge sind toll und das Voice Acting top. Einzig Keanu wirkt an manchen Stellen ein klein wenig unmotiviert.
Ich habe alle (bis auf das geheime) Enden durchgespielt und war überrascht, wie viel Mühe in das oft vernachlässigte Ende reingesteckt wurde (mal keine billigen Slideshows ).
Empfand persönlich das Corpo-Ende als das interessanteste.
Die Side Quests waren auch interessant. Leider ist da aber viel durch den Fixer-Spam verwässert worden und untergegangen. Wenige "prominente" Fixer Quests (nicht die Karte damit zukleistern und V per Telefon zuspammen) hätten dem Spiel besser getan. Bei Witcher 3 waren die ?-Locations auch wesentlich dezenter gemacht.
Trotz der guten Inszenierung ist der Questablauf leider sehr linear. Alternative Lösungsmöglichkeiten (außer verschiedene Dialogoptionen bei einem NPC) gibt es kaum. Dazu hängt man zu sehr am faulen Questdesign mit Questmarkern vor der Nase und Mini-Map. Dies war schon bei Witcher 3 ein Problem, dort gab es aber immerhin mehr Auswirkungen durch verschiedene Entscheidungen.
Die spaßigste Quest empfand ich tatsächlich den Stalker von Blue Moon ausfindig zu machen, da man dort nicht stupide einen Questmarker ins Gesicht geknallt bekommen hat.
Hier auch ein weiteres Problem: Auswirkungen fühlen sich recht minimal an (bis auf das Ende). Man entscheidet quasi, indem man Quests NICHT macht. So konnte ich bei meinem letzten Save bis auf das geheime Ende alle auswählen, bloß weil ich fleißig gequestet hab.
Musikalisch ist bei mir bis auf das Radio leider nichts hängen geblieben. Der Witcher 3 Soundtrack war für mich wesentlich besser.
Über Bugs wurde überall schon viel erzählt, bei mir hielt sich das in akzeptablen Grenzen.
Nun zum größten Manko für mich: Gameplay.
Man kann natürlich trotz City-Setting kein GTA erwarten. Polizei-System ist quasi nicht da, sowie NPC-Verhalten. War bei Witcher 3 nicht viel besser und ich konnte darüber hinwegsehen.
Störender war das fehlen von jeglichem Balancing, man wird zu schnell so mächtig, dass alle Kämpfe trivial sind und ohne Freizeit-Aktivitäten in Night-City kann man recht wenig außerhalb der kämpfe machen. Fahrphysik macht keinen Spaß, z.B. drehen sich die Autos beim Lenken einfach in der Mitte um ihre Achse, statt der Fahrspur zu folgen, sowas wirkt eigentlich unprofessionell. Die Minimap ist beim Fahren auch extremst frustrierend, weil man nie sieht, wo man abbiegen soll.
Was mich schon bei Witcher 2 genervt hat und bei den Spielen von CDPR irgendwie immer schlimmer wurde, ist das Loot System. Man sammelt ständig massenweise Müll ein (zufallsgenerierte Ausrüstung) und muss fast ständig im Inventar aussortieren. Es mag sicherlich Leute geben, denen es Spaß macht, ständig in Menüs irgendwas aufzuräumen, ich vermute aber dass der Großteil der Spielerschaft lieber das eigentliche Spiel spielen möchte . Zudem nimmt die Überflutung mit Loot jegliche Freude am finden von Ausrüstung: "Hey, eine Pistole mit 2 DMG mehr, nah, lohnt sich nicht auszurüsten, in 5 Minuten find ich eine mit 5 DMG mehr".
Genug gemeckert ^^
Ich denke die gröbsten Probleme (Balancing, AI, lebendiger Stadt) lassen sich mit Patches beheben, wenn CDPR es so wie mit ihren bisherigen Titeln macht.
Wer etwas sandkastenhafteres wie Skyrim oder GTA erwartet, wird stark enttäuscht werden. Wer aber sich gut mit einem interaktiven Film unterhalten lassen kann, kann gut auf seine Kosten kommen. Ich empfehle dabei die Fixer-Aufträge und blauen Icons möglichst zu ignorieren.