Katharina Orlowski
Glitzerndes Licht brach sich auf dem wunderschön geschnittenen Stahl. Meter um Meter des Schiffes reflektierte, warf die Helligkeit zurück wie ein klarer See die Sonne. Charis hatte das Gefühl, als würde ihr Herz schneller schlagen, fast wie unter dem Einfluss einer harten Droge. Es würde platzen oder stehen bleiben, so stark pochte es bis zum Hals hinauf, als ihre Augen das Schiff abtasteten und ihr Kopf realisierte, was da gerade passierte. Dan glaubte sie ihr Herz würde stehenbleiben und mit einem Mal lachte sie laut los. Ihre Energie fuhr durch ihren Körper, die Haut, die nicht von Kleidung verdeckt war, fluoreszierte bläulich. Charis ballte die Fäuste, drückte sie gegen das Kinn, begann sachte auf der Stelle zu wippen, dann zu hüpfen. Die Renacimiento, ihr Schiff. Charis hätte in diesem Moment schweben können vor Glück, stattdessen stieß sie einen spitzen Freudenschrei aus, sprang in die Höhe und schaute zu der Menschenfrau neben sich. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Ihre Augen zuckten von Kathys Augen zu ihren Haaren, zu ihrer Hüfte, zu ihrem Kinn und wieder zu ihren Augen. Dann sprang sie die Menschenfrau mit einem heftigen Satz an! Ihre Arme schlossen sich um den Hals der Schwarzhaarigen, sie presste sie an sich. Der dezente Duft eines Parfüms stieß der Asari in die Nase. Sie zog die Menschenfrau an sich, drückte sie. Sie merkte das merkwürdig weiche Haar ihren Oberarm kitzeln, während die biotische Energie und die der Dankbarkeit in Wogen über Kathy schwappten. „Danke!“, rief Charis, vielleicht etwas zu dicht an Kathys Ohr und etwas zu laut. „Danke! Danke! Danke! Danke!“ Die Renacimiento. Die „Wiedergeburt“. Es war wahrlich ein treffender Name, den ihr Schiff – ihr Schiff – trug. Sie fühlte sich tatsächlich wiedergeboren, voller Elan und frisch wie ein junges Fohlen, so voller Tatendrang, voller Möglichkeiten. Die Galaxie hatte sie wieder und sie hatte die Galaxie wieder. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihr Schiff durch die Weiten des Alls schweifen, Planeten passieren, die Unendlichkeit umarmen, die der Grundstock jeglicher asari‘esker Philosophie war. Die kosmischen Winde würde sie wieder tragen, ihrer im tiefsten Innern strebenden Unabhängigkeit stählerne Flügel verleihen. Charis lockerte den Druck, schob sich eine Armlänge von Kathy fort. Sie spürte, wie warme Tränen ungebändigter Freude in ihren Augen glänzten. „Bei der Göttin, Orlowski, wenn Sie wüssten. Wenn Sie…“ Ihre Stimme zitterte. Freiheit! „Ich danke Ihnen! Es war gut, dass ich Ihr Leben gerettet habe.“ Ein verspieltes, nicht sehr ernstes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Ich… ich weiß nicht, was ich sagen soll…“
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Airi Takeda
Nathan klatschte einmal in die Hände, rieb sie aneinander und grinste. Die Nachricht war mit einem Wort: erfolgsversprechend. Er würde Airi nicht überreden, er würde sie von sich überzeugen. Sie sollte ihn ja nicht gleich heiraten, daran hatte der Attentäter ohnehin kein gesteigertes Interesse, aber einem schönen Abend zu zweit mit Nachspiel auf der dritten Base – er sah keinen Grund, warum die Japanerin nicht selbiges gutheißen würde. Natürlich würde er nicht so rabiat vorgehen, wie beim letzten Mal, nahm er sich vor, würde vorsichtig taktieren und nach dem Kennenlernen ein weiteres Date, vielleicht am kommenden Abend, vorschlagen. Und dann…
Nathan sah in sein Spiegelbild, dass ihn erwartungsfreudig angrinste. Diese Airi wirkte sehr, sehr beweglich.
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Die Haare mit einem gut duftenden Gel frisiert, den Drei-Tage-Bart ein letztes Mal geprüft und gekleidet in dunkle Jeans mit schwarzem Gürtel, meerblaues, enges T-Shirt und seinen besten hellen Sneakers fühlte sich Nathan bereit für das zweite Date. Es sollte zwangloser sein, entspannter, was sich in seiner Garderobe wiederspiegelte. Er spürte eine gewisse Aufregung bei dem Gedanken, was Airi wohl tragen würde. Im Kleid hatte sie fantastisch ausgesehen, in ihrer Kampfrüstung heiß wie Lava. In seinem Kopf spielte er Outfits durch – Leggins, Rock, enge Jeans. Er wüsste nicht, was ihn besonders erfreuen würde, wusste nur, dass sie ihn kaum würde enttäuschen können. Nathan schnappte sich seine beige Field Jacket mit den modischen Schulterklappen und steckte sich ein paar wertvolle Credits in die Tasche. „
Ob ich wohl Blumen mitbringen sollte?“, dachte der Attentäter, sich an die Schnulzen erinnernd, die seine Mutter so gerne schaute. Den Gedanken an seine auf der Erde gebliebenen Eltern rasch verdrängend entschied er sich dagegen. Wenn es ein weiteres Date geben würde, würde er Rosen kaufen, beschloss er und steckte sich die M-77 Paladin in die Gürtelhalterung zwischen Hüftbecken und Gesäß und setzte seine Fliegerbrille auf. Er hätte sie nicht gebraucht – wenn man nicht zufällig in eines der gleißenden Citadel-Lichter oder in den startenden Antrieb eines Schiffes schaute, war das Tragen von Sonnenbrillen auf der Citadel unnötig. Es verlieh ihm aber eine gewisse Coolness und die würde er bei seinem zweiten Treffen mit Airi Takeda sicherlich brauchen.
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Thadera Cas'tivera
„Interessant“, dachte Hanna und schaute der Asari tief in die jadegrünen Augen. Sexualität, eines ihrer Lieblingsthemen – vor allem am Wochenende, oder wenn sich die Welt mal wieder dunkel über ihr zusammenzog. „Interessant“, sagte sie. „Ich habe nie darüber nachgedacht, dass menschlicher Sex ein tatsächliches Forschungsgebiet sein könnte.“ Sie nickte langsam und bedächtig. „Ich selbst tauge dabei leider nur für die Feldforschung. Die Theorie muss ich wohl Ihnen überlassen.“ Hanna schenkte der Cas’tivera ein Lächeln und beschloss zeitgleich, dass sie sich nicht als Forschungsobjekt anbot. Nicht, dass es nicht nach sehr viel Spaß klang ihr Sexleben mit völlig Fremden zu besprechen. Zwar war die Asari hübsch und definitiv ihr Fall, an diesem Tisch mit Mutter und Schwester tendierten ihre Erfolgsaussichten aber eher gen Null. Stattdessen wechselte sie das Thema. „Übrigens, Thadera, haben Sie den Artikel vom Citadel News Magazin über die Jagd nach Gavros gelesen? Da haben ja einige aus der alten Truppe gesungen.“ Das „einige“ betonte sie bewusst. Ihr selbst war es eher weniger recht, dass ihr Name in die Öffentlichkeit getragen worden war. Vermutlich war es Beyo gewesen, dessen Zitate den Großteil des Artikels füllten – ganz nach seiner Fasson.
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Gil
Die Stimme am anderen Ende der Leitung trug einen merkwürdig akzentuierten Singsang in sich, wie Caine fand. Und sie war offenkundig menschlich. Obwohl es in vielen Thrillern vorkam, verwendeten anonyme Quellen – und die Nichtnennung des Namens deutete darauf hin, dass dieser Mann als solche behandelt werden wollte – eigentlich nie Stimmenverzerrer, obwohl es genug professionelle und auch privat erschwingliche Software gab, die Stimmenmuster abtasteten und den Anrufer ziemlich genau identifizieren konnten. Diese Quelle wollte offenbar Informationen über Caines zuletzt porträtierten Charakter preisgeben – die Zeit würde zeigen, ob diese Informationen von wert waren und ob die Quelle dafür Geld sehen wollte. Es wäre nicht das erste Mal, dass man mit falschen oder trivialen aber angeblich exklusiven Informationen an ihn herantraten und diese nur gegen die sprichwörtliche bare Münze ausplaudern wollten. Vor allem nach aufmerksamkeitserregenden Artikeln war das der Fall. „Es gibt nur einen Ethan Caine und das bin ich“, sagte der Journalist nicht ohne Selbstwert in der Stimme. Vermutlich gab es noch andere Ethan Caines in den Weiten der Galaxie, doch sein Name war der einzige, der bei der Namenssuche im Extranet die Spitzenpositionen belegte. Den größten Popularitätsschub hatte ihm allerdings sein Asari-Roman eingebracht. Er überlegte kurz, dann antwortete er. „Was Ihr Angebot angeht: theoretisch bin ich interessiert. Allerdings habe ich gerne eine verlässliche Quelle, gerade wenn es um so heikle Themen geht wie den Clan Vhan.“ Seine Negativerfahrungen mit Papa Vhan ließ der Journalist weg. „Bevor ich also alles stehen und liegen lasse: Um was für eine Art Information handelt es sich? Mit wem spreche ich? Und wären Sie bereit, mit mir zu sprechen – von Angesicht zu Angesicht?“ Caine hatte kein Bedürfnis eine „Beyo Vhan hat bei einer Dinerparty besoffen in den Springbrunnen gekotzt“-Story, dafür war die Yellow-Press zuständig.