Integration halte ich für einen liberalen Euphemismus, der so viel bedeutet wie "Dafür Sorgen, dass uns Leute nicht zur Last fallen." Das ist halt die Denkweise der meisten Menschen gegenüber Migranten. Sie sollen uns nicht zur Last fallen. Für sie müssen staatliche finanzierte Ressourcen aufgewandt werden? Sie fallen uns zur Last. Sie machen sich (einer nicht gesellschaftlich akzeptierten Form von) Kriminalität schuldig? Sie fallen uns zur Last. Ihre... "Hochzeiten blockieren Autobahnen mit Autokorsos und sie schießen mit Waffen herum"? Sie fallen uns zur Last. Sie unterhalten sich zu laut, noch dazu in einer fremden Sprache? Sie fallen uns zur Last.
Ironischer Weise halte ich genau diese Denkweise für den Grund, dass viele immer den Eindruck haben werden, Einwanderer würden uns zur Last fallen. Weil sehr viele Einwanderer hierher nun einmal als Bittsteller, in der einen oder anderen Form, kommen. Und das meine ich jetzt sogar ausserhalb der absoluten Absurdität, die es ist, dass immer mehr Wirtschaftszweige, von der Landwirtschaft, zur Fertigung, zur Fleischverarbeitung, zur Sexarbeit, zum Pflegesektor, zu Medizin, ohne ausländische Arbeitskräfte praktisch komplett zusammenbrechen würden, weil sie so unattraktiv sind, dass Armut die einzige Motivation ist, ihr nachzugehen. Was nebenbei eine logische Konsequenz unseres wundervollen, reibungslos funktionierenden Wirtschaftssystems ist. Aber selbst abgesehen davon. Konfliktpunkte zwischen Migranten und Einheimischen sind, mit überwältigender Mehrheit, eine Konsequenz der materiellen Bedingungen und des Verständnisses dieser materiellen Bedingungen. Probleme wie der Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt, die Ungerechtigkeit der Behandlung seitens des Staats und des Zugangs zu Infrastruktur werden sich, langfristig, nur durch eine Änderung der materiellen Bedingungen, das heißt, der Besitzverhältnisse auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, beheben lassen. Andere Probleme, die sich aus kulturellen und weltanschaulichen Differenzen ergeben, welche meiner Ansicht nach allerdings den vergleichsweise bedeutend kleineren Teil davon ausmachen, würden die Verinnerlichung gesellschaftlicher Werte, wie dem der Solidarität, dem der Nächstenliebe, dem Begreifen der Notwendigkeit des "an einem Strang ziehens" zur produktiven Weiterentwicklung der menschlichen Gemeinschaft, voraussetzen. Diese Werte muss Bildungswesen und Medienlandschaft vermitteln. Tun sie aber nicht. In der Tat vermitteln beide vieles, das diesen Werten widerspricht. Für den Zyniker in mir liegt der Schluss nahe, dass das damit zu tun hat, dass innergesellschaftliche Konflikte zwischen Menschen verschiedener Herkunft, Religion, Geschlechtes, sexueller Orientierung, geschlechtlichen Selbstverständnisses und so weiter dem Lösungsansatz 1, in anderen Worten, der Veränderung der bestehenden Besitzverhältnisse zuungunsten derer, die daraus zur Zeit den größten Vorteil ziehen, im Weg stehen. In anderen Worten, bis ein kritischer Punkt erreicht ist, um einen gesellschaftlichen Wandel zu realisieren und Lösungsansätze auf politischer Ebene zu implementieren, müssen menschliche Differenzen, auf persönlicher, lokalisierter Ebene überkommen werden.
Zitat von
lucigoth
Wenn ich nach Holland fahre, dann muß ich mich als "Ausländer" dort anpassen. Ich kann da nicht das machen, was ich in meiner Heimat auch mache.
Das interessiert mich jetzt aber. Was machst du denn in deiner Heimat, was du in Holland nicht machen kannst?