Ich steige morgens aus dem Bett, schleife meinen ermüdeten Körper ins Badezimmer und schaue in den Spiegel.

Was bin ich? Diese Frage lässt sich leicht beantworten, zumindest wenn man sich an geltende, biologische Gesetze hält - doch was macht mich zudem, was ich bin? Meine Taten? Mein Handeln? Meine Ansichten? Eine schwierige Frage.

Es widert mich an.

Die Zahnbürste gleitet über meine Zähne, etwas Parfüm an den Hals, ein Deodorant unter die Achseln und die Zivilisation darf mich empfangen.
Ich brauche keine imposante Begrüßung, keine netten Blicke, keine Wahrnehmung. Der Tag bringt, was er bringt und zweifelsfrei werde ich andere Menschen sehen. Menschen die ich nicht kenne. Menschen die ich noch nie getroffen habe. Menschen die mir nichts bedeuten.

Es widert mich an.

Ich schaue in die lachenden Gesichter, beobachte eine Unterhaltung, sehe hastige Bewegungen am Rand meines Blickwinkels. Die Sonne lugt über den Horizont und die Welt ist unlängst erwacht.

Es widert mich an.

Der Bus wartet an der Haltestelle und ich steige ein.
Erneut sehe ich Menschen. Menschen die sich unterhalten. Menschen die verträumt aus dem Fenster starren, nicht wissend was sie denken. Menschen vor ihren Smartphones. Menschen überall.

Es widert mich an.

Die Luft ist stickig. Ich atme, weil ich atmen muss. Meine Lungen sind wie Fördermaschinen, stets in Betrieb. Ich nehme meine Umwelt war. Gerüche aller Art, einige angenehm, andere nicht. Ich verlasse den Bus und betrete das große, triste Bürogebäude. Am Eingang werde ich begrüßt. Arbeitskollegen an jeder Ecke, abermals nur Menschen.

Es widert mich an.

Der Tag vergeht, die Gedanken bleiben. Das große Finale, das Highlight des Tages. Es nähert sich. Feierabend.
Wie viele Gespräche musste ich führen? Wie viele Emotionen vorgaukeln? Wie viel Zeit verschwenden? Zu viele, zu viel.

Es widert mich an.

Der Bus hält, ich steige ein. Der Tag wiederholt geschehenes, nur zu einer anderen Zeit. Tristesse macht sich breit, doch einen Ausweg gibt es nicht.
Meine Augen scannen die Umgebung. Menschen. Menschen an jeder Ecke, an jedem Ort, in jeder Ritze. Die Stadt quillt über, wie ein Topf mit kochendem Wasser. Unvermeidlich, stetig, immerwährend.

Es widert mich an.

Ich öffne die Haustür. Die Schlüssel fallen in eine kleine Schale. Ich hänge die Jacke an die Garderobe, gehe ins Schlafzimmer und ziehe mich um.
Der Weg führt unweigerlich ins Badezimmer. Die Dusche reinigt meinen Körper, aber nicht meine Seele. Ich denke an vieles und begreife so wenig.
Meine Existenz ist winzig, nicht nötig für die Zahnräder der Welt und doch bin ich da. Ich trockne mich ab und blicke in den Spiegel.

Ich wider mich an.