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Kafka und Rechtsstaat

  1. #1 Zitieren
    banned
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    Vielleicht kennt ihr Kafkas berühmtesten Roman, der Prozess. In ihm geht es u.a. um Josef K. dem ein undurchsichtiges System den Prozess macht, ohne dass er überhaupt weiß was ihm vorgeworfen wird und was die Anklage ist.

    Auch echte Staaten wenden diese Methode teilweise an.

    Wie würdet ihr euch in solch einer Situation verhalten? Würdet ihr den Kopf unten halten und auf das Beste hoffen, oder versuchen euch zu wehren? Vor allem dann, wenn die schlimmste Strafe die euch drohen kann Exil ist.

    Wie würdet ihr solche staatlichen Methoden aus einer rechtsstaatlichen und moralischen Perspektive einordnen?
    ulix ist offline

  2. #2 Zitieren
    Ritter Avatar von abaris
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    Rechtsstaatlich ist es natürlich überhaupt nicht hinzunehmen.

    Wie ich mich selbst verhalten würde? Keine Ahnung. Ich glaube, das weiß man erst, wenn man in dieser Situation ist. Einige meiner Vorfahren haben Widerstand gegen die Klerofaschisten in Österreich und die Nazis geleistet. Ich glaube, das war ihnen auch nicht in die Wiege gelegt.
    abaris ist offline

  3. #3 Zitieren
    Drachentöter Avatar von Weltenschmerz
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    Spielst du eigentlich explizit auf Kafka an oder war das nur als Einstieg für die Diskussion gedacht?
    Ich denke nämlich nocht das es Kafkas Absicht war in dem Werk staatlichen Machtmissbrauch zu kritisieren.
    Ich bin sowas von Sig.
    Weltenschmerz ist offline

  4. #4 Zitieren
    banned
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    Ich hab das ja selbst nicht gelesen, also seh es als Einstieg in die Diskussion, verbunden mit dem Begriff "kafkaesk", der häufig für Formen des staatlichen Machtmissbrauchs verwendet wird, in denen jemand zermürbt wird ohne sich wehren zu können oder sonst einen vernünftigen Ausweg zu haben.

    Es geht mir ganz allgemein um Machtlosigkeit im Angesicht übermächtiger Strukturen, die ohne Sinn oder Moral - außer vielleicht "es dem mal so richtig zeigen" - über einen entscheiden, und einen selbst über die Hintergründe im Dunkeln lassen.

    Klar, im Gegensatz zu Josef K. im Roman können viele die in Wirklichkeit in solchen Situationen sind mittelfristig den Ausweg des Exils wählen, aber das ist ja auch nicht sonderlich attraktiv, denn vielleicht mag man ja ein paar Leute in seinem Umfeld.

    Auch relevant:
    Was haltet ihr von Schauprozessen, in denen Menschen öffentlichkeitswirksam der Prozess gemacht wird, ohne dass sie sich öffentlich verteidigen können, oder irgendeine rechtsstaatliche Handhabe hätten, und bei denen im Prozess für die Vorwürfe keine Beweise oder auch nur scheinheilige Begründungen genannt werden?
    ulix ist offline Geändert von ulix (12.02.2020 um 14:02 Uhr)

  5. #5 Zitieren
    Moderator Avatar von DWS
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    Man kann nicht viel dagegen machen. Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=hennEekEfMU

    Also höchstens ein Buch darüber schreiben, Twittern, Youtuben, öffentliche Entrüstung erzeugen, es ändert aber alles nichts an dieser Realität (also kann man es auch gleich bleiben lassen).

    €: OK, man könnte einen neuen Virus einschleusen und eine Pandemie auslösen...
    Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.
    DWS ist offline Geändert von DWS (12.02.2020 um 14:09 Uhr)

  6. #6 Zitieren
    Ritter Avatar von abaris
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    Zitat Zitat von Weltenschmerz Beitrag anzeigen
    Spielst du eigentlich explizit auf Kafka an oder war das nur als Einstieg für die Diskussion gedacht?
    Ich denke nämlich nocht das es Kafkas Absicht war in dem Werk staatlichen Machtmissbrauch zu kritisieren.
    Glaub ich eigentlich schon, dass er das auch als Kritik am staatlichen Machtmißbrauch sah. Oder zumindest als Satire auf den wiehernden Amtsschimmel, der in der ausgehenden Donaumonarchie zu besonderer und absurder Größe heranwuchs.
    abaris ist offline

  7. #7 Zitieren
    Drachentöter Avatar von Weltenschmerz
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    Zitat Zitat von abaris Beitrag anzeigen
    Glaub ich eigentlich schon, dass er das auch als Kritik am staatlichen Machtmißbrauch sah. Oder zumindest als Satire auf den wiehernden Amtsschimmel, der in der ausgehenden Donaumonarchie zu besonderer und absurder Größe heranwuchs.
    Kann natürlich auch sein.
    Ich habe den Process jetzt vor allem mit dem Schloß verglichen, das in Aufbau und Stimmung schon sehr ähnlich ist.
    Sein "Freund" und herausgeber seiner Bücher nach Kafkas Tod hat über ebendieses gesagt es hätte Kafkas persönlicher Faust mit einer Erlösung am Ende werden sollen. (Er behauptete das vo Kafka persönlich zu haben - unumstritten ist es aber nicht)
    Daher habe ich nun beides als sehr persönliche Parabeln gesehen.

    Wenn man Das Schloß aber natürlich von einem anderen Standpunkt aus betrachtet hat man natürlich auch wieder einen übermächtigen "Staat" der K. uterdrückt.
    Auch Die Verwandlung erzählt ja nicht nur eine persönliche Entwicklung sondern vor allem eine Abkehr von den Ansprüchen der Gesellschaft.

    Ich denke also du hast durchaus recht und Kafka könnte es auch so gemeint haben - interpretieren lässt es sich jedenfalls derartig.
    Ich bin sowas von Sig.
    Weltenschmerz ist offline

  8. #8 Zitieren
    Ritter Avatar von abaris
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    Zitat Zitat von Weltenschmerz Beitrag anzeigen
    Kann natürlich auch sein.
    Ich habe den Process jetzt vor allem mit dem Schloß verglichen, das in Aufbau und Stimmung schon sehr ähnlich ist.
    Das Schloß hab ich nie gelesen, den Prozess schon. Als geborener Österreicher siehst du das wahrscheinlich anders als als Deutscher. Für mich war das immer eine Persiflage auf den Amtsschimmel. Bin aber natürlich auch kein Literaturkritiker und ist nur meine Interpretation.
    abaris ist offline

  9. #9 Zitieren
    Adventurer Avatar von Andur Sunrider
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    Zitat Zitat von ulix Beitrag anzeigen
    Vielleicht kennt ihr Kafkas berühmtesten Roman, der Prozess. In ihm geht es u.a. um Josef K. dem ein undurchsichtiges System den Prozess macht, ohne dass er überhaupt weiß was ihm vorgeworfen wird und was die Anklage ist.

    Auch echte Staaten wenden diese Methode teilweise an.

    Wie würdet ihr euch in solch einer Situation verhalten? Würdet ihr den Kopf unten halten und auf das Beste hoffen, oder versuchen euch zu wehren? Vor allem dann, wenn die schlimmste Strafe die euch drohen kann Exil ist.

    Wie würdet ihr solche staatlichen Methoden aus einer rechtsstaatlichen und moralischen Perspektive einordnen?
    super Frage..schwierige Antwort wenn sie wahrheitsgemäß sein soll.
    Hmm..kann ich im Vorraus wirklich wissen wie ich reagieren täte?
    In wieweit fühle ich mich sicher?? wissen die wo ich wohne? das muss ich annehmen denn ich habe meine Adresse ja registriert.

    Hmm..zuerst würde ich mich online umschauen nach Lösungen, dann wenn ich dort keinen besseren Plan gefunden hätte würde ich einen Anwalt benutzen.

    Also wehren würde ich mich schon aber ganz ehrlich das täte ich weil nur abwarten null bringt. Der Staat wird bald zu mir kommen und über mich richten und da hilft Untätigkeit nichts. Und tatkräftige Verteidigung ist die beste Verteidigung. Also stark verteidigen.
    Dazu muss dies natürlich möglich sein.
    Andur Sunrider ist offline

  10. #10 Zitieren
    Drachentöter Avatar von Weltenschmerz
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    Zitat Zitat von abaris Beitrag anzeigen
    Das Schloß hab ich nie gelesen, den Prozess schon. Als geborener Österreicher siehst du das wahrscheinlich anders als als Deutscher. Für mich war das immer eine Persiflage auf den Amtsschimmel. Bin aber natürlich auch kein Literaturkritiker und ist nur meine Interpretation.
    Also Experte bin ich sicher auch keiner. Wie gesagt finde ich deine Deutung auch absolut valide, ich hatte es nur noch nie so betrachtet

    PS: Ich bin doch auch geborener Österreicher
    Ich bin sowas von Sig.
    Weltenschmerz ist offline Geändert von Weltenschmerz (13.02.2020 um 06:02 Uhr)

  11. #11 Zitieren
    Waldläufer Avatar von Herr Meier
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    Es ist ein grosser Fehler Kafka politisch zu interpretieren.Heute würde man wohl sagen dass er hochgradig schizoid (Beziehungsängste ,nach "Grundlagen der Angst" von Riemann) war.

    Kafka hatte ein zwiespältiges Verhältnis zu Frauen. Einerseits fühlte er sich von ihnen angezogen, andererseits floh er vor ihnen. Auf jeden seiner Eroberungsschritte folgte eine Abwehrreaktion. Kafkas Briefe und Tagebucheintragungen vermitteln den Eindruck, sein Liebesleben habe sich im Wesentlichen als postalisches Konstrukt vollzogen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Kafka

    Ich habe mich nie wirkjlich mit Kafka beschäftigt.Ich glaube ich habe irgendwann einmal das Schloss gelesen,kann auch sein,dass ich den Prozess gelesen habe.Weiss ich jetzt aber nicht mehr genau.

    Hier noch einmal ein Auschnitt aus der Wiki:
    Ein fast durchgängiges Thema ist das verborgene Gesetz, gegen das der jeweilige Protagonist unwillentlich verstößt oder das er nicht erreicht (Vor dem Gesetz, In der Strafkolonie, Der Schlag ans Hoftor, Zur Frage der Gesetze). Das Motiv des dem Protagonisten verborgenen Codes, der die Abläufe beherrscht, findet sich in den Romanfragmenten Process und Schloss und in zahlreichen Erzählungen.

    Ich denke,er hat über seine Neurose geschrieben.Er hat gemerkt,dass irgendetwas nicht mit ihm stimmt,konnte aber nichts dagegen tun,weil er nicht wusste was es war ( des dem Protagonisten verborgenen Codes, der die Abläufe beherrscht).Und darunter hat er natürlich gelitten.Denn diese Menschen sehnen sich nach Zweisamkeit,sind aber ausserstande eine Beziehung einzugehen.

    Zitat: verbunden mit dem Begriff "kafkaesk", der häufig für Formen des staatlichen Machtmissbrauchs verwendet wird

    Diese Definition ist falsch,weil zu spezifisch.Die Bedeutung hiervon ist viel allgemeiner.Staatlichr Machtmissbrauch ist nicht unergründlich,sondern man weiss woher die Bedrohung kommt.

    in der Art der Schilderungen Kafkas; auf unergründliche Weise bedrohlich

    https://www.duden.de/rechtschreibung/kafkaesk
    Nur weil ich paranoid bin , bedeutet das nicht , dass SIE nicht hinter mir her sind
    Herr Meier ist offline Geändert von Herr Meier (13.02.2020 um 15:11 Uhr)

  12. #12 Zitieren
    Ritter Avatar von abaris
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    Zitat Zitat von Herr Meier Beitrag anzeigen

    Zitat: verbunden mit dem Begriff "kafkaesk", der häufig für Formen des staatlichen Machtmissbrauchs verwendet wird
    Kafkaesk wird eigentlich mit Absurdität schlechthin verbunden. Außerdem gebe ich nicht besonders viel auf wiki. Jeder kann dort posten und seinen Senf dazugeben. Ja, Kafka war mental zerrissen. Das macht ihn aber nicht zu einem schlechteren Beobachter seiner Zeit und ihrer Zustände. Den Prozess muss man gelesen haben, um ihn einzuordnen. Da gehen die Interpretationen wohl auch auseinander, aber die Geschichte ist eine ziemlich gute Beobachtung des Amtsschimmels österreichischer Prägung, wie ich schon sagte. Sollte es einem Fieberwahn entsprungen sein, macht es das nicht weniger zutreffend.
    abaris ist offline

  13. #13 Zitieren
    Schwertmeister Avatar von carlfatal
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    Zitat Zitat von ulix Beitrag anzeigen
    Vielleicht kennt ihr Kafkas berühmtesten Roman, der Prozess. In ihm geht es u.a. um Josef K. dem ein undurchsichtiges System den Prozess macht, ohne dass er überhaupt weiß was ihm vorgeworfen wird und was die Anklage ist.

    Auch echte Staaten wenden diese Methode teilweise an.
    Julian Assange? Chelsea Manning? Oder so Geschichten wie das aussergerichtliche Ermorden von sogenannten "Terroristen" und Zivilisten in irgendwelchen Ländern unter Inanspruchnahme z.B. deutschen Staatsgebietes (Ramstein)?

    Tja, ich weiss nicht, ob Kafka tatsächlich auf politische Ereignisse Bezug genommen hat, als er die Novelle schrieb, aber natürlich war solches staatliches Verhalten damals nicht unbekannt. Und wir alle leben damit, daß sogenannte Rechtsstaaten in solche Dinge verwickelt sind; eben auch der, in dem wir leben.

    Ich kann nur sagen, daß ich in einer solchen Situation leider mal den Kopf unten gehalten hab... vielleicht nicht nur einmal...
    carlfatal ist offline Geändert von carlfatal (14.02.2020 um 00:35 Uhr)

  14. #14 Zitieren
    Deus Avatar von Lemimus
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    Nun, ehrlich gesagt, ist mir das nicht so ganz bewusst geworden. Tja, wenn der Staat sich "bedroht" fühlt, dann fährt er wohl alle Geschütze, auch gegen harmlose und mündige Bürger hoch. Und das sogar in einer Demokratie.
    [SIZE="4"] Binger sind Pinscher![/FONT]

    Leute, liest ein Buch! Das Internet ist sowieso schon kaputt genug, durch die vielen Quarantänemaßnahmen! Lasst auch den Armen das Recht auf ein BISSCHEN Internet! Ich blockiere hier gar nichts! IHR TUT DAS!!!!
    Lemimus ist offline

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