Soweit wir in der Menschheitsgeschichte zurück schauen können gab es auch Glauben. Der hat sich natürlich oft unterschieden zu den heutigen Religionen. Nicht nur, dass es nicht mehr viele Götter gibt, sondern in manchen Religionen nur einen. Und auch, dass nicht bestimmte Götter, sondern mehr oder weniger die Natur verehrt wurde. Die alten Germanen hatten z.b. natürlich ihre Götter, aber sie haben zur Sonnenwende einen Tannenzweig in die Wohnung gehängt, um den Geist der grünen Natur noch bis zum Frühling bei sich zu haben. Daher kam ja auch der Brauch von Weihnachten (der fälschlicherweise auf den 24. statt auf den 21. Dezember gelegt wurde) mit dem Tannenbaum, der im Wohnzimmer steht.
Ägypter hatten einen Totenkult und sowohl die "guten" als auch die "bösen" Götter angebetet. Die bösen einerseits, um Unheil zu vermeiden und anderseits weil "gut" und "böse" erst später vorallem mit dem Christentum eingeführt wurde.
Wenn man es historisch sieht, hatten die heute gängingen Religionen aber vorallem einen Sinn: Eine Gesetzgebung und später auch eine Herrschaft zu legitimieren. Es ist einfacher zu sagen, dass man etwas nicht darf, wenn man sagen kann, dass Gott es so will. Wenn man sagt, dass die Regeln so sind, weil man selbst (als Herrscher) es so will, dann lässt sich damit natürlich nicht so einfach den Willen durchdrücken. Und wenn man es so sieht, hatten die Religionen damit auch über lange Zeit einen sehr wichtigen Teil beigetragen, Völker innerpolitisch zu befrieden.
Aber wie wichtig ist der Glaube noch zur heutigen Zeit? Heute haben wir fast überall feste Staatskonstrukte. Jeder versteht, dass ein Zusammenleben nur mit Regeln möglich ist und (fast) jeder akzeptiert das auch.
Letztlich hat jeder Glauben in meinen Augen immer noch einen Sinn, weil es Menschen gibt, die sich davon auch trösten lassen können. Und denen auch die Angst vor dem Tod ein Stück weit dadurch genommen werden kann, dass sie denken, dass sie nach dem Tod in was auch immer kommen. (je nach Religion)
Ich sehe das z.b. bei meinen Großeltern. Beide sind sehr gläubige Evangelen. Als mein Opa so 2010 rum Parkinson bekommen hatte, wusste er, dass er nicht mehr all zu lange leben wird. Ca 2015 wurde er langsam dement und zu der Zeit hat er immer mal wieder solche Sachen gesagt wie "im Himmel wartet man auf mich"...oder "ich wünsche mir in den Himmel zu kommen, wenn ich bald tot bin". Und zu Weihnachten sind wir traditionell immer in den Dom gegangen. (jedes Jahr in meinem Leben...dieses Jahr wurde es das 28. mal, obwohl inzwischen alle, außer meiner Oma konfessionslos sind) Aber mein Opa hat das bis zum tot immer noch genug verstanden, so dass er sich immer von einen von uns "extra schick" anziehen lassen hat. Er hat auch da immer gesagt, dass er bald in den Himmel will und das er keinen schlechten Eindruck hinterlassen will. (er lief sonst immer nur in Jogginghosen und dehnbaren Klamotten rum, weil er sich kaum noch bewegen konnte und auch durch seine Demenz beim anziehen oft gestreikt hat)
Meiner Oma hat der Gedanke auch sehr geholfen als er tot war, dass er dann an einen Ort gekommen ist, wo es ihm besser geht. Und auch, dass sie ihn wieder sehen wird, wenn sie stirbt.
EDIT: Um das ab zu schließen: Mein Opa ist 2018 gestorben.
Solche Sachen sind Momente, wo ich dem Glauben Respekt Zolle. Aber ansonsten...in der heutigen aufgeklärten Gesellschaft...Welchen Grund sollte man dann noch haben an alte Märchen zu glauben? Zumal jede Religion das, was sie sagt immer wieder neu auflegt. Warum sollte ich z.b. Glauben, dass Jesus der Sohn Gott ist und seine Jünger gesehen haben, wie er übers Wasser gelaufen ist? Warum sollte ich nicht einfach glauben, dass die alle komische Pilze gefressen haben und sich das ganze eingebildet haben? So wie es andere Leute auch tuen, die auf Droge sind?
Für mich gibts ein paar Sachen, an die ich nicht unbedingt glaube, aber nach denen ich mein Leben ein Stück weit ausrichte. Karma z.b. Tue etwas gutes und dir geschieht etwas gutes. Oder Yin und Yang...und damit generell der Gedanke, dass das eine nur funktioniert, wenn es auch das andere gibt. Und für das eigene Leben vorallem, dass das eine nur Sinn macht, wenn es auch das Gegenteil gibt.
Was aber einen oder mehrere Götter angeht, da bin ich Agnostiker. Ich will nichts verneinen, was ich nicht weiß. Und anderseits sehe ich keinen Grund, warum ich in den gängigen Religionsgemeinschaften meinen Glauben finden sollte.
Wie ist es bei euch? Sorry, für den langen Post.