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    Veteran Avatar von Venom
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    Venom ist offline
    Immer noch war keiner von den anderen zurückgekehrt, weswegen Venom sich wieder einmal mit seinem Speer allein auf der Wiese wiedergefunden hatte. Er übte die Bewegungsabläufe, die Hailey ihm gezeigt hatte. Es sah seiner Meinung nach zwar beinahe wie ein Tanz aus, aber er hatte gemerkt, dass sie Recht hatte. Je öfter er dies tat, desto sicherer lag ihm die Waffe in den Händen.
    Nach einer gewissen Weile fiel sein Blick auf das benachbarte Kornfeld und die darauf stehende Vogelscheuche. Ihm kam ein Gedanke in den Sinn und so steuerte er auf sie zu. Besser als gar kein Gegner, dachte er und hechtete auf die krude Holzkonstruktion zu. Er rollte sich ab und stach von der Seite auf sie ein um im nächsten Moment wieder zurückzuspringen um einmal gegen jeden der Arme zu schlagen.
    Anfangs kam er sich noch lächerlich vor, doch bald war er zu sehr damit beschäftigt nicht ins Straucheln zu geraten.

  2. Beiträge anzeigen #42
    Veteran Avatar von Venom
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    Venom ist offline
    Um ein bisschen kühlere Luft abzukriegen hatte Venom sich aufgemacht zu einem kleinen Gang durch den nahen Wald. Sobald er im Schatten des Blätterdachs war merkte er, dass es hier deutlich angenehmer war. Er blickte sich um und entdeckte einen umgestürzten Baumstamm in der Nähe und setzte sich auf diesen nachdem er ein paar Mal grob mit der Hand über diesen gefahren war.
    Er sah zurück auf den vor ihm liegenden Bauernhof und die dahinter liegende Stadt. Wenn die anderen nicht bald zurückkamen würde er sich auf die Suche nach ihnen machen.

  3. Beiträge anzeigen #43
    Veteran Avatar von Venom
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    Venom ist offline
    Venom war auf dem Rückweg zum Gehöft und übte während des Gangs den Griff des Speeres von der Rechten in die Linke zu wechseln. Er hatte inzwischen Gefallen an der neuen Waffe gefunden, hatte er früher doch nie eine andere Waffe als seinen Bogen genutzt.
    Als er in Sichtweite der Scheune war die ihnen als Unterkunft diente erblickte er Hailey und Colbart. Die beiden standen unruhig vor dem Gebäude und schienen zu streiten. So weit nichts ungewöhnliches für die beiden, dachte Venom. Vor allem war er froh, dass sie zurück waren. Ihm war langweilig geworden.
    Auf ungefähr halber Strecke wurden sie auf ihn aufmerksam und gingen ihm langsam entgegen.
    Als sie keine drei Meter mehr trennten schnellte Hailey mit ihrem Speer vor und stieß in Richtung Venoms Körpermitte zu. Da er sie mittlerweile einigermaßen kannte war er davon jedoch nicht überrascht, sondern hatte eher sogar damit gerechnet. Daher wich er ohne große Mühe zur Seite aus und schlug ihren Speer mit dem eigenen weg und zog ihn sogleich zurück um einen Versuch zu starten ihr die Beine wegzuziehen.
    Katzengleich hechtete Hailey über seinen Speer hinweg und nutzte dabei das stumpfe Ende ihres eigenen als Sprunghilfe. Ohne große Mühe fuhr sie dabei um die eigene Achse um so seitlich von Venom zum stehen zu kommen.
    Da ihre Speere parallel zueinander waren für den Moment griff Venom nach beiden Waffen und schleuderte herum. Hailey wurde durch die Luft gewirbelt, ließ jedoch nicht los. Sie nutzte den Schwung um schräg versetzt zu Venom wieder zum stehen zu kommen. So standen sie beide mit schmerzhaft verzerrten Armen zueinander und sahen sich das erste Mal richtig in die Augen.
    "Habt ihrs bald mit eurem albernen Scheiß?", warf Colbart genervt ein. "Es gibt da noch die ein oder andere Sache mit der wir uns beschäftigen sollten."
    Hailey blies sich eine Haarsträhne aus dem Augenwinkel und nickte Venom zu: "Du wirst langsam echt gut."
    Beide entspannten sich und richteten sich auf.
    "Was gibt es in der Stadt?", fragte Venom.
    Hailey wies einladend zu Colbart, welcher darauf mit einem Kräuseln der Lippen antwortete und erwiderte: "Das gute ist, dass die Stadtwache keine Ahnung von unserem Abgang hat und uns somit auch nicht auf den Versen ist. Von Haileys ehemaligen Freunden war nichts zu sehen. Also sollten wir fürs erste keine Schwierigkeiten in der Stadt bekommen. Die andere Frage ist was wir überhaupt dort wollen. Stewark macht einen noch lausigeren Eindruck als früher. Es stinkt und es ist wenig los. Ich denke da ist kaum was zu holen."
    Venom hatte mit gerunzelter Stirn zugehört. "Wir werden morgen trotzdem in die Stadt gehen. Ich will nach meinem Kontakt zum Widerstand sehen und außerdem haben wir noch ein bisschen was für den Hehler."

  4. Beiträge anzeigen #44
    Waldläuferin Avatar von Scarlet Atel
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    Mit holziger Miene starrte eine junge Frau auf einen losen Laubhaufen, der sich kaum von den restlichen Anhäufungen der Zeichen des fortschreitenden Jahres unterschieden ließ.
    Das war es nun.
    Icknarl, ihr dritter bis hunderster Fuß, ihre treuer Freund und Begleiter, hat sie endgültig verlassen.
    Ein Ast, den sie mühselig von jeglicher Rinde befreit hate, wurde von einem kurzem, drahtigen Arm in das Lichterspiel von Sonnenstrahlen zwischen Blättern gehalten und eine Stimme sprach.
    „Icknarl – mögest du in die Erde hinüber gehen, so wie wir es alles eines Tages tun werde. Möge dein Körper, die weltliche Erinnerung an deine Existenz, dahin zurückkehren, wo er einst herkam.“
    Sie hob ein Knie und mit Wucht, schmetterte sich den Ast gegen ihre ungeschützte Haut, ohne einen Pieps zu verlieren. Der Ast brach in zwei und achtlos ließ sie ihn fallen, beobachtete wie sie, fast wie zwei Pfeile ausgehend vom Laubhaufen auf den Boden fielen.
    Nun dann.
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und marschierte tiefer in den Wald hinein.
    Sie konnte keine Träne vergießen, konnte nicht seinen Tod bedauern, denn was war schon der Tod, als bloß der nächste Schritt? Icknarl war nicht verschwunden – er war jetzt Teil der Erde, Teil der Blätter und Lüfte, Teil der Bäume und der Tiere. Er war Teil von ihr.
    Sie fühlte einen Regentropfen auf ihrer Wange, blickte zum Himmel hoch und wunderte sich an der wolkenlosen Ansicht.
    Die Blätter knirschten sachte unter ihren Füßen, als sie an seine letzten Worte dachte.
    Geh und finde deine Menschen.
    Was für eine komische Aussage, die der Tausendfüßler traf. Wer waren schon ihre Menschen? War sie nicht hier zuhause, in der Natur, bei den Bäumen und Sträuchern, bei den Insekten und Hörnchen, bei dem Zirpen und Brummen? Hatte sie nicht genug Gesellschaft unter seiner Familie gehabt? In der Brust der ersten Mutter?
    Sie hockte sich hin und pflückte sanft ein paar junge Pilze, steckte sie behutsam in einen von ihren vielen Beutel, die sich langsam von alleine auflösten und es wohl den Winter nicht mehr überstehen würden. Sie rieb sich die abgeriebenen Fasern von den Händen und blinzelte in die Ferne.
    Was wusste Icknarl denn schon?
    Er hatte zwar kein Wort darüber verloren, aber sie war sicherlich noch willkommen in seiner Sippe. Sie könnte jederzeit umdrehen und deren Ansitz aufsuchen und seine vielen Urenkel würde ihr mit Freuden die tausenden von Beinen ausstrecken. Sie würde nicht alleine sein – sie war es nie und würde es auch nie sein.
    Aber…
    Sie hob ihre Hände, ein amüsiertes Zucken begleitete ihre Lippen.
    Trotz aller Umstände, würde die Frau aus unerklärlichen Gründen keinen Deut jünger. An machen Tagen schien es ihr so, als hätte sie bloß geblinzelt und schon hätten sich im nu neue Narben auf ihren Händen, neue Zeichen der vergangenen Jahre, die sie so tief trafen wie der Hauch eines Schmetterlingsflügelschalgs auf ihrem Körper gesammelt.
    Die Narben schienen sich wie die berüchtigten Killerkarnickel auf ihrem Körper zu vermehren und die ewige Schicht aus dunkler Erde schien sich nicht mehr von ihr trennen zu wollen.
    Sie öffnete ihre Hände und blickte auf das letzte Überbleibsel ihres alten Freundes und biss sich hart und plötzlich auf die Lippen.
    Icknarl war nicht mehr länger ein Tausendfüßler. Vorsichtig steckte sie das kleine, einsam erscheinende Beinchen in ihren kleinsten Beutel, den sie stets um ihren Hals herum trag und der nur die wichtigsten Gegenstände in ihrem Leben beinhaltete.
    Dann streckte sie ihre Finger, nickte zufrieden, als sie ihren Befehlen noch brav befolgten. Aber wie lange würde das noch gut gehen?
    „Nun“, sagte sie, das Zucken verwandelt in ein gemütliches Grinsen, das sich so bequem auf ihrem Gesicht zurecht fand wie ein alter Frock, “hier herumkreuchen wird’s mir auch nicht beantworten können, eh, Ickn—„, die Frau stockte, die gewohnte Wende ihres Kopfes zu ihrer Schulter hakte fest, die Worte vereisten auf ihren Lippen.
    Ach ja, richtig. Da war ja was.
    Kopfschüttelnd schritt sie durch den Wald und dachte sich, dass eine Pilzsuppe doch ganz angenehm klang.

    Sie schlich sich leise und beachtlich durch den dunklen Wald, ihre Schritte mit Vorsicht und Bedacht gewählt – etwas, womit Icknarl den größten Teil seines Lebens verbrachte und ihr einzuleuchten und schlüpfte in den kleinen Spalt an einer felsigen Wand eines unscheinbaren Hügels. Sie kniete sich auf den Boden und kroch den letzten Rest des Weges, zog sich fast sogar mehr als dass sie ihre Beine benutzen konnte und kam endlich in ihrem Zuhause an.
    Die winzige Höhle erschien plötzlich merkwürdig kalt und leer, doch hatte sich im Grunde nichts geändert. Behutsam verstaute sie die frischen Pilze in einem geflochtenen Korb und entledigte sich ihren vielen Beutel, platzierte sie nach Gefühl in die kleinen Kuhlen in der Höhle.
    Sie schlüpfte in eine Decke, die mal einst vor einigen Lebenszeiten als Kleid existieren durfte und schloss ihre Auge, ein überraschend schweres Gewicht ruhte auf ihrer Brust.
    Sie wackelte mit ihren Zehen und rollte sich zusammen. „Gute Nacht“, flüsterte sie, zu niemanden, die Worte ihres geliebten Freundes läuteten nun wie längst vergessenen Glocken in ihren Ohren.

  5. Beiträge anzeigen #45
    Waldläuferin Avatar von Scarlet Atel
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    Scarlet Atel ist offline
    Gähnend räkelte sich die Frau, zerrte an dem Deckenkleid, das sich über Nacht mit ihren Beinen verheddert hatte, so wie es alle Decke nacht-nächtlich ihre unachtsamen Tyrannen mit in das Reich der Toten zu rennen um sich endlich von ihrer Joch zu befreien.
    Aber noch war Scarlet jung und stark nd mit einem mächtigen Kick, befreite sich von der tückischen Decke, ein siegreiches Grinsen auf ihrem Gesicht. “Heute nicht”, streckte sie ihr die Zunge.
    Sie gähnte noch einmal um ihre Dominanz durch ihre Unbekümmertheit zu demonstrieren, setzte sich auf und fluchte, als ihr Kopf zum hundertsten Mal Bekanntschaft mit der niedrigen Decke ihrer winzigen Höhle machte.
    Man sollte meinen, dass sie sich nach unzählbar vielen Nächten und den darauffolgenden Tagen merken könnte, den Kopf einzuziehen. Zum Glück wurde Scarlett aber schon lange nicht mehr von jemanden belästigt, der irgendwas zu ihr zu meinen hätte. Außer Icknarl, aber ihn hatte es nie sonderlich gestört, wenn sie sich in ihrer unbeholfenen Menschlichkeit selber Leid zufügte. War ja gänzlich ihre Schuld gewesen, als Mensch auf die Welt gekommen zu sein.
    Icknarl war ein alter Hase und hatte es andere Vorstellungen von den Gegebenheiten der Welt, so war er immer der Meinung gewesen, dass man sich an seinen eigenen hundert Beinen hochziehen lassen konnte, oder man einfach Hab und Gut von den Großeltern einnehmen konnte, nachdem man sie aufgegessen hatte.
    Scarlet war trotzdem ganz froh, dass Kralja, seine Enkelin, von der modernen Sorte war und nichts von diesen barbarischen und gänzlich abstrusen Traditionen hielt. Nein, sie verprasste lieber ihre gesamten Reichtümer für etwas leicht angebrannte Mehlprodukte mit zermatschten grün-brauen Beeren oben drauf.
    Achselzuckend, fühlte sie in ihrem kleinen Versteck umher bis ihre zwei Hände auf die Sammlung ihrer verschiedenen Beutel stoß. Schnell zog sie sich das einst schöne, wenn auch schlichte grüne Wollkleid über den Kopf, dass mittlerweile viel mehr dem Wald ähnelte als einem Produkt aus menschlicher Hand - ganz so wie sie - und band sich die vielen kleinen Beutel um das praktische Seile das um ihre Taille ruhte.
    Scarlet hatte noch nie ihr Nachtlager verlassen ohne auch all ihre Besitztümer dabei zu haben. Scarlet hatte definitiv keine Existenz- und Verlustängste, die es ihr gar nicht erst erlaubten irgendwo auch nur einen Schritt hinzutun, ohne all ihr Hab und Gut mitzuschleppen wie ein überbeanspruchtes Lasttier.
    Zum Glück konnte sie ihren gänzlich angstlosen freien Willen genießen und traf morgendlich jedes Mal die Entscheidung, die merkwürdige Relikte und Artefakte über die sie in ihren Spaziergängen drüber gestolpert ist auch wirtlich immer mit sich herumzuschleppen wie eine Blöde.
    Sie konnte ja kaum blöd sein, wenn sie sich selber dazu entschied, blöd zu sein.
    Sie schüttelte in ihrem Kopf. Dieser Gedanke hatte mal Sinn gemacht, aber was war denn schon Sinn, außer eine Ausrede um sich mit anderen Menschen bis zur Erschöpfung zu streiten? Nur ein Wort, das war’s.
    Sie zog sich auf dem Bauch liegend durch ihren engen Hausflur und schnappte panisch nach Luft, als sie aus dem Riss im Stein hervorkam. Keuchend drehte sie sich auf den Rücken und klopfte missmutig auf einen ganz besonderen Beutel in ihrem Besitz, der ihr tagtäglich aufgrund seiner Große den Atem während der niedrigsten Stelle im Tunnel zu sehr abschnitt.
    “Weißt du was?”, murmelte sie, noch nicht ganz daran gewöhnt, dass sie ja zum ersten Mal seit langem niemanden mehr an ihrer Seite hatte, den sie lauthals ansprechen konnte, also senkte sie ihre Stimme ein wenig und warf den Bäumen, die sie etwas spöttisch anraschelten, einen grimmigen Blick zu.
    “Ich hab das nicht nötig. Nein, ich steh über meinen Ängsten, ist ja klar. Ich bin eine starke, unverantwortliche— nein, warte, falsches Wort… ungebändigt? Ah, was auch immer, ich bin ein Mensch und als Mensch sag ich: Schluss ist”, nickte sie und löste schnell den Kopf des dreisten, ungehörigen Beutels.
    Mit flinken Fingern öffnete sie einen weiteren Knoten und hatte ihre Hände schon ausgestreckt, um den Inhalt schnurstracks in die Luft zu werfen und endlich davon frei zu sein, hielt aber inne und betrachtete die Gegenstände vor ihr mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck.
    Vorsichtig schwebten ihre Hände in der Luft, nicht ganz dazu entschlossen, tatsächlich nach den Gegenständen zu greifen.
    Wie lange war es tatsächlich her, dass sie sie überhaupt berührt hatte? Geschweige denn, überhaupt diesen einen Beutel geöffnet hatte?
    Vielleicht, vielleicht hätte sie ihn lieber geschlossen gelassen. Manchmal musste man sich als Frau einfach etwas zurückhalten und nicht widerwillig irgendwelche Beutel oder Truhen oder Kisten oder verstopfte Vasen öffnen. Vielleicht wär’s dann mit der Menschheit ganz anders verblieben.
    Langsam fuhr sie mit einem Finger über einen bleichen Knochen. Sie schauderte und ohne länger darüber nachzudenken, verknotete sie den Beutel, hing in sich um ihre Taille und stand auf, ein wilder Blick auf die Bäume vor ihr gerichtet.
    “Ihr habt nichts gesehen, klaro?”, sagte sie, nur ein leichtes Zittern in ihren Händen verriet ihre eigentlichen Gefühle.
    Mit einem letzten Blick auf ihr Zuhause; ein unscheinbarer Riss in der Felswand, ging sie davon, ihre Schultern zu den Ohren hochgezogen, als sie schmerzlich das fehlende krabblige Gewicht auf ihrer rechten Schulter misste.
    “Vielleicht braucht Kralja ja Hilfe mit der Brut”, sagte sie und dachte mit einem Lächeln an den Haufen von kleinen, sich windenden glänzenden schwarzen Käfern mit ihren hunderttausenden von Füßen, die so herrlich kitzelten.

  6. Beiträge anzeigen #46
    Waldläuferin Avatar von Scarlet Atel
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    Scarlet Atel ist offline
    Sachte und gediegen schlich sich eine junge Frau durch das Gestrüpp, das sie im entferntesten Sinne Zuhause nannte. Hin und wieder blieb sie stehen, horchte in den Wald hinein und immer wieder, zog sie nach einem zufriedenen Nicken weiter.
    Sie hatte erst vor kurzem die Hochburg von’uns’zus Icknarls verlassen, wo jetzt seine ganzen Nachfahren hausten, hatte sich den Nachmittag köstlich mit neuen, interessanten Spielen mit den ganz Kleinsten vergnügt und hatte sich soeben schweren Herzen verabschiedet, als Kralja ihr mehr oder weniger bedeutsame Blicke zuwarf. Okay, im Grunde warf ihr Kralja gar keine Blick zu, da sie keinen Hals hatte und folglich auch nicht zu Scarlet hoch blicken konnte, da Scarlet bedauerlicherweise über die ganzen Tausendfüßler ragte, selbst wenn sie sich ganz eng an den Boden presste. Aber Scarlet wäre nicht Scarlet, wenn sie in den letzten Jahren nicht gelernt hatte, wie man unterschwellige Nachrichten und die sich veränderte Atmosphäre in der Luft las. Freilich, das fiel ihr noch sehr schwer wenn sie sich unter Menschen begab, aber das auch einer der Gründe warum sie das nicht so oft tat. Es verirrten sich zum einen nicht so viele Menschen an dieses völlig belanglose Stück Erde und wenn sie es doch taten, schenkten sie der jungen Frau nicht mehr als leicht dubiose Blicke, ehe sie wieder von dannen zogen.
    Aber das war ja weder hier noch dort. So viel Spaß sie auch hatte händevoll Tausendfüßler zu packen, sie in die Luft zu packen und dann im Kreis wie ein Huhn zu laufen um sie bloß ja alle wieder einzufangen und dabei auch kein einziges Füßchen zu verletzen, oder die kleinen Balgen auf ihren Haaren und Beinen herumwuseln lassen, desto leerer schien ihr nur das Leben danach.
    Es war… gewöhnungsbedürftig, entschied sie.
    Deswegen hatte sie sich auch entschieden, schnell etwas gegen diese neue Situation zu tun, damit es auch nichts zum Eingewöhnen gab. Sie hatte natürlich überlegt Kralja zu fragen, ob eines ihrer Balgen nicht Lust hatte sie auf ihren Abenteuern zu begleiten, aber sie wusste schon vor Jahren, dass Kralja es nicht gut hieß, dass ihr Großvater sie noch tagtäglich begleitete. Kralja hatte es zwar nie so direkt angesprochen - vorallem, weil sie keinen Mund hatte und genau genommen gar nicht reden geschweige denn etwas ansprechen konnte, aber von solchen trivialen Kleinigkeiten ließ sich Scarlet noch nie stoppen - aber manche ihrer Zusammentreffen hatten schon eine deutliche frostige Note.
    Scarlet war ihr daher überaus dankbar, dass sie ohne ein Wort der Bitte einfach so vorbei schauen und sich die Einsamkeit mit ihren Kindern verjagen konnte.
    Daher kam es nun dazu, dass Scarlet wie eine leicht verdächtige Person durch den Wald schlich, ungeachtet des Lärms, den sie dabei verursachte.
    Sie kniete und betrachtete ein paar Hasenköttel, die auf der Erde lagen, beurteilte deren Frische und Größe und wieder nickend, zog sie weiter.
    Diesmal würde sie sie endlich fangen.
    Diesmal würde ihr Feshyr Maria nicht entkommen.

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    Waldläuferin Avatar von Scarlet Atel
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    Vorsichtig zog sie einem alten, modrigen Baumstamm und grinste, als sie ein paar dicke Käferchen darunter entdeckte. Mit flinken Finger zog sie die sich herum wuselnden Insekten vom Holz ab, entfernte sie gnadenlos von ihren Fluchtwegen und steckte sie kurzerhand in ihren Mund. Es knirschte und ploppte und bald war ihr Mund gefüllt mit einer glibbrigen, leicht knackigen Substanz. Sie kaute und schluckte im Wechsel und griff nach weiteren Käfer, bis sie zufrieden einen lauten Rülpser von sich hergab und den Baumstamm wieder unsanft zu Boden fielen ließ.
    Sie wischte sich den Mund an ihrem rechten Ärmel, der schon vor langer Zeit jeglichen Vergleich mit Kleidung nicht mehr antreten wollten und sich schon längst mit seiner Existenz als schamvolles Taschentuch abgefunden hatte. Würde er reden können, hätte er sicherlich sein Leid bemängelt.
    Unbewusst dessen, wand sich Scarlet ihrem eigentlichen Ziel zurück.
    “Uh”, sagte sie, als sie nachdenklich ihre Zähne mit ihren Nägeln von den schwer zu entfernenden Käferbeinchen reinigte.
    “Ach ja! Maria!” Sie schüttelte sich für einen Moment, sie war sicherlich noch viel zu jung um an altersspezifischem Gedächtnisverlust oder eingebüßten Erinnerungsvermögen zu leiden. Es lag sicherlich nur daran, dass sie… sie… sie…
    Sie drehte ihren Kopf, erspähte einen modrigen Baumstamm und hockte sich mit einem Grinsen hin und zog ihn hoch. Enttäuschte Überraschung füllte ihr Gesicht, als sie keine saftigen Insekten entdeckte.
    Das war eindeutig merkwürdig, richtig?
    “Richtig”, murmelte sie. Wenn sie eins wusste, dann: Käfer gab es unter Baumstämmen. Aber da es diesmal nicht so war… dann stimmte es ganz gehörig nicht.
    Gab es einen Käfer-Exodus?
    Argwöhnisch spähte sie gen Himmel, lauschte in den Wald hinein und grub ihre nackten Zehen in die kalte Erde unter ihren Füßen. Alles schien wie immer.
    Stirnrunzelnd, ließ sie den Baumstamm fallen.
    Wie kam der überhaupt da hin?
    Sie erhob sich und betrachtete ein Ende davon. Tatsächlich. Irgendjemand hatte mal diesen Baumstamm vom restlichen Baumrest entfernt. Es musste, nach aller Wahrscheinlichkeit, ein Mensch gewesen sein.
    Aber warum sollte irgendjemand einen Baum fällen, den Stamm von Ästen befreien nur um ihn dann einfach so im Wald liegen zu ließen? Überhaupt, wo war der Rest des Baumes, dessen Wurzeln sicherlich noch in der Erde stecken mussten?
    Sie blickte sich um; nach links, nach rechts, konnte jedoch keine günstig platzierten Sitzmöglichkeiten in der Form von Baumrestwurzeldingern entdecken.
    “Also hat jemand einen Baum gefällt, den Baumstamm gereinigt und zurecht gemacht, ihn hier her getragen und dann… einfach abgehauen?”
    Das konnte ja wohl nicht stimmen. Wer würde denn so etwas komplett abstruses machen?
    Also musste es einen Sinn hinter dem Stamm im Wald geben. Irgendein höherer Sinn.
    Vielleicht wurde er als rituelles Werkzeug für ein werkzeugliches Ritual verwendet?
    Sie beugte sich nach vorne, begutachtete den Stamm mit weiten Augen.
    Sie konnte keinerlei merkwürdiger Markierung entdecken, keine Schrift, keine blutigen Handabdrücke, nichts.
    “Dann kein Ritual sondern…”, sie hielt inne. Panisch sprang sie zurück, als die Panik sie in einen Würgegriff packte.
    “N-nein!”, keuchte sie und trat einen weiteren Schritt zurück, ihre Augen jagte panisch jedem Schatten, jedem Rascheln hinterher.
    Es war alles eine Falle.
    Sie war dahinter. Die Hexe.
    Augen funkelnd, drehte sich Scarlet im Kreise, ihre Schultern angespannt, ihre Beine sprungbereit, ihre Hände bereit nach einem möglichen Angreifer zu packen.
    Sie stand still und drehte sich weiter, ihre Augen flitzten von Baum zu Baum, Busch zu Busch, Vogel zu Vogel und sie horchte in den normalen Lärm des Waldes hinein, wartet auf ein Zeichen, irgendein Signal, das ihre Anwesenheit verriet.
    Scarlet drehte sich so lange im Kreis, bis ihr schwindelig wurde und sie sich keuchend an einem Baum fest halten musste, ihr Kopf zwischen ihren Knien hängend.
    War es das jetzt, für sie? Hatte die Hexe sie endlich geschnappt? Was für ein überaus perfider Plan, strategisch Baumstämme im Lande zu verteilen mit dem Wissen, dass Scarlet niemals so einem Präsentierteller aus Delikatessen widerstehen konnte!
    Ächzend richtete sie sich auf, eine Hand in die Rinde des Baumes geklammert, die andere schützend vor ihr Gesicht gehalten.
    “Komm und hol mich!”, rief sie.
    Stille war ihre einzige Antwort.
    Vorsichtig beugte sich Scarlet und griff nach einem Stein, der zu ihren Füßen lag. Sie testete sein Gewicht und richtete sich auf und starrte voller Zorn in die Luft.
    “Hast du plötzlich Angst, oder was? Mach dich nicht lächerlich! Komm und stell dich! Beende was du angefangen hast!”
    Wieder erhielt sie keine Antwort.
    Frustriert, schmetterte sie den Stein zu Boden und ein verstörter Vogel in der Baumkrone über ihr ergriff die Flucht.
    Sie hatte keine Zeit für blöde Hexen. Sie hatte keine Zeit um sich um irgendwelche hinterlistigen, böswilligen Kreaturen zu kümmern. Sie musste Maria suchen und dann —
    Dann was?
    Was musste sie überhaupt? Was hatte sie überhaupt gemusst, in den letzten Jahren?
    Wieso kehrte die Hexe also gerade jetzt zurück? Sie ließ es doch nie zu einer direkten Konfrontation kommen. Wollte sie überhaupt Scarlet irgendwas antun? Vielleicht…
    “Willst du mir etwas sagen?”, rief Scarlet in den Wald hinein.
    Die Bäume rauschten im Wind und weit entfernte Vögel zwitscherten sich ihre Langweile ob des dargestellten Spiels.
    Vielleicht… vielleicht hatte sie ja die Hexe von Anfang an verkannt.
    Natürlich waren ihren Zauber und die Streiche nicht angenehm, aber…
    Stirnrunzelnd, ließ sich Scarlet auf ihren Hintern plumpsen und starrte vage in die Luft.
    Darüber musste sie jetzt nachdenken. Wenn ihr Ziel nicht Scarlets komplette und erniedrigende Vernichtung war, was war es dann? Sie hatte ja offensichtlich bisher mehr als genug Gelegenheiten gehabt.
    Was war denn sonst der Sinn dahinter, bequeme und praktische Möglichkeiten zur leichten Beschaffung von leckeren Insekten im Wald zu verteilen?
    “Nein”, flüsterte Scarlet, Schrecken und Horror auf ihrem Gesicht verzeichnet.
    Wollte die Hexe ihr etwas helfen?
    “Nein!”, sagte Scarlet, erneut und sprang zu Füßen, hektische Energie flutete plötzlich durch ihren kleinen Körper.
    Das machte gar keinen Sinn! Die Hexe wollte sie loswerden, wollte sie— füttern.
    Ah. Beruhigt atmete Scarlet wieder aus. Natürlich. Offensichtlich. Die Hexe befand sie für zu dünn und versuchte sie nun durch subtile Wege etwas aufzufetten. Natürlich. Die Hexe wollte sie gar nicht vernichten, naja, okay, vielleicht ja schon, aber dann nur mit Hilfe ihres großen Mundes.
    Aber das klärte immernoch nicht, warum gerade dieser Baumstamm gar keine Insekten hatte.
    “Ah!”, schrie Scarlet. Vielleicht war dieser gar nicht bestimmt? Vielleicht gab es hier eine andere junge Frau, die ihr Leben nun in völliger Isolation und Einsamkeit in diesem Wald führte, die es gewagt hatte schöner und klüger und netter und gutherziger als die Hexe zu sein, wodurch sie dann diesen Plan geschmiedet hatte?
    Beruhigt, schlüpfte Scarlet zwischen zwei Büschen unter und kramte einen besonderen Beutel aus. Sie öffnete ihn mit schnellen Fingern und begutachtete den leicht rostigen Dolch, den sie darin trug.
    “Vielleicht ist es das”, murmelte sie und drehte die Klinge hin und her und erspähte dabei einen kurzen Blick in ihre eigenen dunkelbraunen Augen.
    Das war vielleicht der Grund warum sie hier war, warum sie genau hierher geschickt wurde.
    Sie sollte diese junge Frau beschützen, koste es, was es wolle.

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    Waldläuferin Avatar von Scarlet Atel
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    Scarlet Atel ist offline
    Scarlet musste sich eingestehen: sich still und heimlich durch den Wald zu schleichen wurde schnell sehr langweilig. Nach ungefähr fünfzig Minuten hatte sie jeglichen Gedanken an die andere junge Frau die Opfer der Hexe war vergessen und setzte sich stattdessen auf einen schönen Haufen Laub und starrte wie ein kleines Kind das noch nie das Haus verlassen hatte, weil es von der Bekannte der Tante in ein kleines Zimmer gesperrt wurde und starrte nach oben.
    Sie konnte Stunden damit verbringen einfach nur zu sitzen und den Geräuschen des Waldes zu lauschen. Es kam ihr so vor, als könnte sie schon fast das Rascheln der Bäume verstehen. Der Sinn ihres Gesangs lag ihr auf der Zunge, sie hatte das Gefühl sie brauchte nur noch einen kleinen Schubs um die Schwelle zu überschreiten um Bäumisch zu verstehen. Oder Windisch? Raschel..ig? Die hatten sicherlich ihr eigenes Wort dafür.
    “Khrrkgh”, versuchte Scarlet sich daran das Rascheln der Blätter zu imitieren, erfolglos. Sie grinste, als ihr ein Specht mit seinem Stakkato antwortete.
    Warum war sie bloß kein Vogel? Oder ein Baum?
    Sehnsüchtig starrte sie die vielen Baumstämme an und setzte ihre Reise fort. Es musste so ruhig sein ein Baum zu sein; man blieb einfach das ganze Leben lang an der selben Stelle, streckte seine Wurzeln tief in die Erde und streckte die Äste zum Himmel empor. Oder ein Vogel, der über den Baumwipfeln segeln konnte, zwischendurch auf Äste landete und sein süßes Lied von sich gab.
    Vielleicht wäre das ja was für ihr nächstes Leben.
    Sie zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf.
    “Oh!”, sagte sie und hielt inne, als ihre Hände geistesabwesend über die Rinde eines Baums glitt. War da nicht was?
    Jetzt wo sie über den Tod nachdachte…
    “Oops”, sprach Scarlett und drehte sich verlegen im Kreis. Richtig, das andere Mädchen. Das Mädchen das von der Hexe gejagt wurde. Oder hereingelegt, oder was auch immer. Scarlet war definitiv die einzige die diesen grauenvollen Komplott entdeckt hatte und daher lag es auch an ihr, das arme, unschuldige Ding vor ihrem Schicksal zu bewahren.
    Aber…
    War das denn überhaupt fair?
    Sie blickte wieder gen Himmel und beobachtete wie ein kleines Spatz von Ast zu Ast sprang. Suchte der Spatz denn nicht auch sein nächstes Opfer, seine nächste Mahlzeit? Scarlet ging es ja auch nicht in den Sinn, die Raupe vor dem Vogel zu bewahren. Das ging sie gewisslich nichts an und wenn ein Tier es schaffte sich die nächste Mahlzeit zu verschaffen, dann war das sein gutes Recht. Und wenn das Insekt es nicht bewilligen konnte sich vor Leid zu schützen, nun, das war völlig an ihm.
    “Aber Menschen sind anders”, murmelte Scarlet, ein halber Gedanke der mehr einer Erinnerung glich. Hatte ihr das mal irgendjemand gesagt?
    Aber wie viel anders kann eine menschenfressende Hexe sein im Vergleich zu einem insektenfressenden Vogel? Hatten Insekten nicht auch Träume, Hoffnungen?
    Icknarl hatte sie. Seine Träume waren zwar sehr simpler Natur, so sehnte er sich lediglich nach der nächste Mahlzeit, aber dennoch. Nur weil er anders dachte, machte es ihn nicht minderwertiger als Scarlet.
    Scarlet seufzte, stand auf und setzte ihren Weg fort.
    Selbst wenn es nicht wirklich anders war, mochte ihr Herz sich nicht damit zufrieden zu geben, einem jungen Mädchen ihrem Schicksal alleine zu überlassen.
    Sie klopfte ihre Beutel ab und sprang über eine Wurzel. Ein Vogel erhob sich in die Luft. Blätter raschelten unter ihren Füßen.
    Sie zog ihren Kopf ein und ihre Schritte verlangsamten sich.
    Das Mädchen zu retten würde bedeuten das Mädchen zu treffen. Plötzlich fand Scarlet, dass sie vielleicht doch lieber Natur und Hexen sein lassen sollte.
    Kopfschüttelnd beschleunigte sie ihre Schritte, als leichte Scham ihre Wangen erwärmen ließ.

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    Waldläuferin Avatar von Scarlet Atel
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    Scarlet Atel ist offline
    Augenrollend ließ sich die junge Frau von einem dornigen Busch erneut stoppen. “Okay, ich versteh schon”, murrte sie, drehte sich um und befreite ihr bereits sehr löchriges Kleid von einem dornigen Ast. “Und nu?”, richtete sie an den Busch. “Wo soll ich denn bitte sonst hin, huh? Willst du mir etwas sagen? Dann mach’s bitte fix, ich bin nämlich ganz schön arg beschäftigt”, schimpfte Scarlet und schnippte mit ihren Fingern, in der Hoffnung der Busch würde gleich anfangen zu singen, tanzen oder zu brennen. War ihr mittlerweile recht egal was er tat, solang irgendwas passieren wurde.
    Aber der Busch schwieg. Fast schon hochmütig, fand sie.
    “Dabei bin ich viel größer wie du”, murmelte sie und zeigte ihm ihre Zunge. Der Busch ignorierte sie.
    “Okay, gut, dann geh ich mal, wenn du mir nichts zu sagen hast. Aber dann darfst du mich nicht wieder anhalten, hörst du? Ich weiß ja nicht, was ich euch allen angetan hab, dass ihr meinen müsst mich jetzt schon den ganzen Tag zu belästigen, aber ich entschuldige mich gerne wenn…”, sie verstummte, als sie eine familiäre Figur hinter ein paar Blättern erspähte.
    “Ist das—? Kulop!”, rief sie aus, hockte sich hin und kicherte als der junge Tausendfüßler mutig auf ihre Hand kletterte. “Ja wow, du bist aber groß geworden! Was machst du denn hier? Hast du dich verlaufen?”
    Ihr Lächeln fiel ihr ab, als sie seine Nachricht hörte.
    “Was? Kralja ist krank? Wie können den Tausendfüßler… ich mein, was soll ich denn da machen?”, fragte sie. Sie zuckte, als Kulop getroffen zurückwich. Das war nicht gerade nett.
    “Halt dich fest”, flüsterte sie stattdessen, steckte ihn in die Brusttasche an ihrem Kleid dass sie extra für Icknarl daran genäht hatte, die er aber nie wirklich benutze, weil er ihre Schulter oder ihre Haare bevorzugte, gab dem Gebüsch ein respektvolles Nicken und raste davon.
    Plötzlich schienen alle Wurzeln, Gebüsche, von Laub getarnte Hügel und Löcher von ihr zu weichen, als ihre Beine über den Boden trommelten, sie schnappte nach Luft als ihre Brust drohte zusammenzufallen, aber ließ sich nicht beirren— sie hatte ein Versprechen zu halten.
    Sie ignorierte das Brennen in ihrer Brust, ignorierte das Gewicht in ihren Beinen, das sie herunterzuzerren drohte, ignorierte die Äste die ihr gegen das Gesicht peitschten, ignorierte die Gedanken, die ihr sagten, dass Kralja nur ein Tier sein und dass sie nichts für sie tun konnten.
    Sie biss sich auf die Lippen und rannte weiter als Schuld sich in ihrem Magen zu einem Felsen zusammenrollte.

    Keuchend blieb sie vor Kraljas Domizil stehen. Mit zitternden Händen ließ sie Kulop auf den Boden und krümmte sich zusammen, ihren Kopf zwischen ihren Knien geklemmt, als sie versuchte die schwarzen Punkte vor ihren Augen weg zublinzeln.
    Als sich ihr Atem normalisierte und ihre Schuld sie nicht zögern lassen konnte, kniete sie sich hin und spähte in den modrigen Baumstamm und lächelte mit Anstrengung als Kraljas Nachkommen zum Vorschein kamen und sie, wenn auch etwas beklommen, begrüßten.
    “Hallo zusammen”, flüsterte sie und streckte ihre Hände aus. Sie lächelte als die Schar an Kindern sie begrüßten und nacheinander über ihre Hände kletterten.
    “Wo ist sie?”, fragte sie in die Runde. Kulop kam aus dem dunklen Tiefen zurück, seine Körperhaltung bedrückt.
    “Kann ich—?”, fragte sie und die Kindern krabbelten flink aus dem Weg als sie näher heran kroch, ihre linke Hand vorsichtig in den Bau hinein hielt. Sie wartet etliche Sekunden bevor sie endlich das familiäre Kitzeln an ihrem Finger spürte.
    “Kralja? Ich bin’s, Scarlet. Kannst du rauskommen?”, flüsterte sie und blinkte rasch, als ihre eigentlichen Gefühle mit ihr aufholten. Sie musste einige Minuten warten bis sich ein Gewicht auf ihrer Hand niederließ und vorsichtig zog sie ihre Hand zurück.
    “Guten Abend die Dame”, sagte sie und lächelte Kralja an.
    Kralja hatte sich halb eingerollt und hob ihren Kopf nur leicht; ihre Füße bewegten sich ein wenig, fast wie in einer halbherzigen Begrüßung.
    “Na, was hast du so getrieben seit dem wir uns zuletzt gesehen haben?”
    Ohne zu warten fing Kralja direkt an sich über ihre lästige Kinderschar zu beschweren. Scarlet biss sich auf die Lippen und verkniff sich die dummen Sprüche. Sie blinkte, als sie Kralja nur noch verschwommen wahrnahm.
    “Aber es ist ja schön mit ihnen, oder nicht? Gibt’s zu, ohne die ganzen Balgen wäre es dir doch viel zu langweilig”, grinste sie und Kralja seufzte und drehte trotzig ihren Kopf.
    “Okay, okay, dann eben nicht. Ich muss sagen, die Welt wäre wahrscheinlich besser ohne die Theateraufführung der Jüngsten vom letzten Jahr. Ich meinte, eine Taube und ein Mensch? Ich hab zwar schon schrägeres gehört, aber dafür braucht man keine fünf Akte. Und wir mussten eine halbe Stunde applaudieren. Du hast sie zu sehr verwöhnt, glaub ich. Musst mal wieder mit deinem eisernen Fuß etwas—”, sie stoppte. “Nein”, sagte sie schnell. “Das werde ich nicht tun. Weil du wieder gesund wirst und dich selbst um deine ganzen Kindern kümmern kannst, hörst du? Du brauchst mich nicht, du wirst schon gut alleine mit denen fertig.”
    Kralja nickte bloß müde mit ihrem Kopf und nach ihrer Bitte, brachte Scarlet sie wieder zurück in ihr Bett.
    Sie kroch rückwärts, ließ sich nach hinten fallen und starrte zum Sternenhimmel, als eine Schar von Tausendfüßler an ihr hochkletterten und sich ihr anschlossen.
    Schnell bedeckte sie ihren Mund mit ihrer Hand und zwang ihren Oberkörper sich nicht zu bewegen, als sich heiße Tränen an ihrem Gesicht Richtung Boden gesellten.
    Kralja würde—
    Sie zwang den Gedanken herunter. Sie hatte es ihm versprochen. Hatte Icknarl versprochen sich um Kralja zu kümmern.
    Das war das einzige, worum er sie jemals gebeten hatte.
    Und jetzt konnte sie ihm nicht mal seinen Wunsch erfüllen.
    Sie konnte nichts für Kralja tun.
    Es war wie es war. Das Leben ging weiter — für manche. Es machte keinen Sinn; niemand hatte sich das so ausgesucht, er war einfach nur so, wie es war. Sie konnte nichts daran ändern, konnte nicht daran rütteln.
    Konnte bloß daneben sitzen und zuschauen.
    Sie grub ihre Finger in die weiche Erde unter ihr, versuchte sich an der Erde festzuhalten als der Himmel um sie drehte.

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    Waldläuferin Avatar von Scarlet Atel
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    Arme über Kreuz, Beine über'n Buckel, saß eine junge Dame mit frustrierter Miene auf einem Haufen glitschiger Blätter und starrte mürrisch in den dunklen Himmel.
    Sie hatte eigentlich damit gerechnet schon längst ein zweite Beerdigung besuchen zu müssen, eine zweite rührselige Rede halten zu müssen und erneut voller Bedauern weinen zu müssen.
    Aber nö.
    Kralja kreuchte und fleuchte immer noch herum.
    Scarlet schüttelte den Kopf und blickte schnell nach hinten um sich zu vergewissern, dass keiner ihrer Balgen sie dabei erwischte, wie sie schmollte. Machte wahrscheinlich keinen allzu guten Eindruck nicht ganz so erfreut über das Überleben der werten Dame zu sein.
    Das würde Scarlet natürlich niemals zugeben - sie wusste, dass es nicht angesehen war, so wenig Verständnis und Mitgefühl für das Leid anderer zu zeigen. Aber mittlerweile wurde es ihr langweilig.
    Ja, natürlich, was für ein schrecklicher Gedanke! Sie konnte nichts dafür. Sie wusste sehr wohl, dass ihre Gedanken falsch waren, aber daran ändern konnte sie nichts.
    Sie bemühte sich weiterhin brav darum es Kralja so gut und angenehm wie möglich zu machen, sie spielte und beschwichtigte ihre Kinder, sie half aus wo sie nur aushelfen konnte... aber langsam war sie an ihrem Ende.
    Sie war unruhig.
    Schnaubend schnappte sie sich einen Fuß, der wieder angefangen hatte herum zu tappen und setzte sich auf ihn.
    Schon bald konnte sie spüren wie ihre Finger zuckten und zu einem nicht-hörbaren Rhythmus tapsten.
    Vielleicht... sollte sie Urlaub beantragen? War das etwas, was man tun konnte? Würden das die Tausendfüßler verstehen? Sie hatte freilich keine Ahnung wie es Menschen taten, aber auch nicht wirklich was ihre Mittiere davon halten würden. Es gab leider auch kein Regelbuch für den Umgang mit sozialen Situationen. Leider.
    Vielleicht sollte sie einfach wegrennen. Niemand hielt sie fest. Sie war nicht angekettet. Die Familie würde es wohl nicht verstehen, aber was würden sie schon tun konnten? Selbst sie alle zusammen wären nicht stark genug sie zurückzuhalten.
    Aber dann würde sie sich auch bei denen nicht mehr blicken lassen können. Und sie hatte ja Icknarl versprochen.
    Mit einem Seufzer lehnte sie sich zurück und horchte in den Bau hinter ihr. Stille.
    Das lehrte sie hoffentlich, ihr Wort nicht zu voreilig zu geben. Das nächste Mal würde sie genau überlegen, bevor sie -
    Ah.
    "Mist", murmelte sie und starrte verunsichert einen Baum an. Der Baum blickte unbeeindruckt zurück.
    Hatte sie sich nicht selbst versprochen dem Mädchen im Wald zu helfen? Klar, sie war sich niemanden anderen im Schulde, aber war man sich selbst nicht schuldig? Was wäre sie denn für eine Person, wenn sie nicht hinter ihren eigenen Moral stehen konnte?
    Sie biss sich ihre Lippen und versuchte zu erwägen, ob das jetzt tatsächlich ein guter Grund war um Kralja zu verlassen, oder ob sie lediglich nach einer Ausrede suchte. War das normal? Taten andere sowas auch?
    Scarlet wusste es nicht.
    Mit einem Lächeln drehte sie sich ihrer Hand zu, die sachte von Kulop bestiegen wurde. "Gibt's was neues?", flüsterte sie und hob ihre Hand ihrem Gesicht zu um ihn besser zu können.
    "Sie möchte... was? Oh", blinkend starrte sie in die Luft.
    Kralja hatte eine Entscheidung getroffen. Ihr Zustand war stabil, aber sie würde auch nicht mehr viel besser werden.
    "Ich... verstehe."
    Ein dumpfes Pochen hallte in ihrem Kopf wieder und plötzlich schmeckte sie nasses Laub und modrige Erde auf ihrer Zunge.
    Tat sie das? Verstand sie wirklich?
    Mit unerwartet zittrigen Gliedmaßen ließ sie Kulop runter und erhob sich, ihre Hände glitten automatisch über ihr mitgenommenes Kleid in dem Versuch sie zu einem utopischen Zustand aus Reinlichkeit zu bringen.
    "Ich... kümmer mich drum", murmelte sie, drehte sich und stapfte in den Wald hinein.
    War das jetzt ihre Schuld? Hatte Kralja etwas von ihrer Ungeduld bemerkt?
    Sie schüttelte den Kopf als sie über einen umgefallenen Baum kletterte, die letzten Reste des Holzen klammerten sie noch an die Wurzel in der Erde. Ihre Hände rutschten auf dem feuchten Moos aus und sie stürzte mit einem Schrei zu Boden, ihre Beine gefangen zwischen einer der Äste.
    Es war Kraljas Recht, richtig?
    Sie durfte entscheiden, wie sie den Rest ihres Leben verbringen durfte, oder?
    Scarlet schloss ihre Augen und lehnte ihren Kopf an den Baum, ihre Finger tasteten sich vorsichtig an ihren Beinen runter, auf der Suche nach Verletzungen.
    Ihr Magen machte einen Salto und für eine Sekunde fühlte es sich so an als würde sie fallen.
    Sie riss ihre Augen auf und blinkte zu den drehenden Sternen hoch, ihre Hände verkrallt in den Baum um sie herum.
    Sie lag noch immer dort wo sie gestürzt war.
    Sie holte tief Luft und befreite sich vorsichtig aus den Armen des Baumes und stand auf ihren zittrigen Beinen. Eine Welle von Brechreiz schwappte über ihren Körper und versickerte in ihren Zehen.
    Es war nicht ihre Schuld.
    Kralja konnte ihre eigenen Entscheidungen treffen. Scarlet hatte ihr geholfen, wo sie konnte.
    Sie nahm so viele tiefe Luftzüge bis sich ihre Glieder stabilisierten und richtete sich auf. Sie hatte eine Aufgabe zu erfüllen.

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    Krieger Avatar von Kiyan
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    In Gedanken in Thorniara, körperlich im Bluttal ...

    Das Verlassen der Stadt Thorniara war einer bürokratischen Tortur gleichgekommen. Am Tor angekommen, dass zum Dorf vor den Mauern führte, hatte Kiyan um Rückgabe des Schwertes gebeten, welches bei seiner Ankunft einkassiert worden war. Der dürre Zeugwart, dessen Reich das Tor war, hatte sich gar königlich gegeben und den Bittsteller erst einmal gut zwei Stunden warten lassen, um eine ‚kurzfristig anberaumte Inventur‘ zu Ende zu bringen. Dann hatte er ihn hochmütig wie ein Kaiser in sein Büro eingelassen und fordernd und wortlos die Hand aufgehalten.
    „Ausgabeschein?!“, hatte er gekeift wie ein Mastiff und ihn dabei angeglotzt, als hätte Kiyan ernsthaft die Vermessenheit, Eigentum ohne Nachweis zu fordern. Knurrend hatte der Gortharer dem Zeugwart mitgeteilt, dass er am Hafen keinerlei Quittung erhalten hatte, was aus dem arroganten Knilch sofort einen arroganten, misstrauischen und Verbrechen witternden Knilch gemacht hatte.
    „Ihr wisst schon, was auf das betrügerische Aneignen fremden Materials steht?“, hatte er langsam und sorgfältig erklärt. Kiyan war fast vor Wut aufgesprungen, hatte sich dann aber wieder beruhigt. Mühselig lächelnd hatte er geantwortet.
    „Sicherlich Kerker“, war seine kurze Antwort gewesen.
    „Genau. Kerker.“ Kopfschüttelnd hatte der Zeugwart aus dem Fenster seiner Butze gestarrt. Und gestarrt, gestarrt und noch mehr gestarrt. Kiyan war bewusst geworden, was der Mann wollte.
    „Wie viel?“
    „Fünfzig.“, war es wie von der Armbrust geschnellt gekommen. „Nicht verhandelbar. Wir reden von nordmarischer Schmiedekunst. Könnten wir auch einfach einbehalten und anderswo verscheuern. Würde aber zu viel Aufmerksamkeit erregen und böte die Gefahr, selber im Kerker zu landen.“
    Ein Kopfschütteln über die Anmaßung der Gerichtbarkeit, Verbrecher wie Verbrecher zu bestrafen.
    Knurrend hatte Kiyan seinen Goldbeutel hervorgeholt und ihn in der Hand gewogen. Die Überfahrt hatte schon viel Geld gekostet. Die Bestechung würde fast den ganzen Rest verschlingen.
    „Hol’s der Beliar“, hatte Kiyan geknurrt und dem Mann den Beutel zugeworfen, „Und dich auch.“
    Penibel hatte der Zeugwart nachgezählt, zufrieden und triumphierend genickt und anschließend das Schwert geholt.
    „Schöne Reise noch, Gortharer“, hatte er spöttisch gegrinst, „Immer ein Vernügen, mit euch Handelsmeistern Geschäfte zu machen.“

    Nun hockte Kiyan irgendwo im Bluttal und versuchte einen frühlingshaften Regenschauer mit gelegentlicher Hagelgarnierung zu überstehen. Und natürlich nicht den unschöneren Bewohnern des Tales unter die Augen zu kommen. Echsenmenschen, um die gefährlichsten zu nennen.
    „Götter, sobald der Regen aufhört, verschwinde ich Richtung Stewark. Da ist’s sicherer.“

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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Irgendein Bauernhof, Baronie Stewark

    Einige Tage waren ins Land gegangen, nachdem Kiyan die Baronie Stewark erreicht hatte. Hier hatte sich bald deutlich gemacht, dass die Bestechung des Zeugwartes in Thorniara doch mehr seiner Freiheiten eingeschränkt hatte, als vermutet. So besaß er zwar wieder das nordmarische Breitschwert, das Geschenk des einarmigen Thores, aber nicht allzu viel Essen und erst recht keinen trockenen, warmen Platz zum Schlafen. So hatte der Gortharer auf dem erstbesten Bauernhof hinter der Grenze nach Stewark um Kost und Logis gegen Arbeit gebeten und sie auch zugesprochen bekommen. Ein altes Ehepaar führte einen eher übersichtlichen Bauernhof. Eine Hütte, ein Stall und zwei Felder, auf denen größtenteils Rüben wuchsen. Der alte Bauer, ein ehemaliger Veteran der Stewarker Garde, hatte gleich Dutzende Arbeiten gefunden, die Kiyan erledigen durfte. Sei es das Ausbessern irgendwelcher Sturm- und Wetterschäden, Entrümpelung des Speichers über dem Stall oder die Erneuerung des Zaunes, der das übersichtliche Gelände des Paars eingrenzte.
    „Wenn die Echsen kommen“, hatte der Greis geknurrt, „sollen die sich an meinem Zaun die Zähne ausbeißen!“
    Der Gortharer hatte sich jeglichen Kommentar zu dem Zaun gespart und sich an die Arbeit gemacht.
    So war er abends müde auf das mit Stroh gefüllte Bett gefallen, eine warme Suppe im Magen und hatte durchaus überlegt, warum er nie auf solcherlei Art sesshaft geworden war. Dann hatte er wieder an die schwieligen Hände gedacht, die aufgeschürften Knie und den nassen Hintern nach der Arbeit im Freien und die Gedanken kopfschüttelnd abgetan.
    Vor allem wäre es die Freiheit, die mir fehlen würde, dachte Kiyan sich, die Freiheit dahin zu gehen, wo ich möchte. Die Freiheit, zu tun und zu lassen, was ich will. Der Hof wäre die Kette an meinem Bein, das Gewicht in den Taschen, das mich am Grund des Sees hält. Ich würde ganz einfach eingehen und sterben, wie eine Pflanze, die die Sonne, den Wind, die Luft braucht, jedoch in einer stickigen, finsteren Kammer gehalten wird.
    Er seufzte und streckte sich. Klappe, schalt ihn sein Verstand, du philosophierst schon wieder. Schlaf endlich!

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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Irgendein Bauernhof, Baronie Stewark

    Schweigend saß Kiyan da und blickte zu der Gruppe bewaffneter Soldaten in den Farben und mit den Wappen Setarrifs und Stewarks, der beiden Schwesterstädte. Dabei ist die eine nicht mehr als eine Ruine, leblos und von allen guten Geistern verlassen und die andere ein hochgewachsener, hässlicher, überbevölkerter Moloch auf einer Felsspitze im Meer, hatte der alte Bauer gemurrt, als die Soldaten Abgaben im Namen Seiner Majestät Ethorn gefordert hatten. Der Alte hatte die Setarrifer unter den Soldaten als Klingen bezeichnet, die Schüler der legendären Akademie von Setarrif, die nun natürlich nur noch die Ruine der legendären Akademie von Setarrif war. Ein bloßer Abklatsch, der Wunsch alter Lehrmeister einem Relikt vergangener Tage den Anschein von Leben zu verpassen.
    „Und der da ist?“, fragte plötzlich der Wachhabende, ein Mann mit einer Rüstung ähnlich der dieser Klingen, nur etwas verzierter und protziger. Anders als die anderen trug er keinen Helm, sondern hatte das kurzgeschorene Haar Wind und Wetter preisgegeben.
    „Ein Wanderarbeiter.“, antwortete der alte Veteran sofort. „Hilft mir dann und wann auf dem Hof.“
    „Bewaffnet, hm?“, der Anführer trat zu dem auf der Bank sitzenden Kiyan. „Nordmarer Stahl.“
    „Mhm.“, bestätigte der Sitzende und blickte trotzig auf. „Gibt es damit ein Problem?“
    Der Meister der Klingen drehte sich um, sah die Soldaten kurz an, wandte sich dann wieder an Kiyan: „Grundsätzlich nicht, mein Freund. Es ist nur ein Dilemma … Wir haben Nordmarer in unseren Reihen. Der Stahl kann von ihnen sein, ja, du kannst die Waffe in Stewark geklaut und dich dann hier hin abgesetzt haben.“ Er rieb sich das stoppelige Kinn. „Oder … du kommst aus Thorniara. Und da du die Waffe bei dir trägst, musst du ein Reichsbürger Myrtanas sein, da man sie dir sonst abgeknöpft hätte.“
    Kiyans Kiefer mahlten. „Wie wäre es, Setarrifer, wenn du endlich zu des Pudels Kern kommst?“
    „Mein Gedächtnis ist manchmal löchrig, Kollege“, erklärte der Truppführer, „Wer ein Schwert hat, der hat Gold. Etwas Gold wird … Erinnerungslücken bewirken, wenn es um dich geht. Falls du auf irgendeine Weise auffällst.“
    Der Gortharer seufzte und blickte zu dem Veteranen. „Meister, das Gold, dass du mir für die Arbeit – neben der Unterkunft – anbieten wolltest, geht dann wohl direkt an die strahlenden Verteidiger und Ordnungshüter deiner Baronie.“ Kiyan salutierte spöttisch im Sitzen. „Ein Hoch auf dich, tapferer Recke!“
    „Und auf dich, Wanderarbeiter, der du so bereitwillig und kooperativ deine Steuern zahlst.“
    Danach war die Geldeintreiberei schnell erledigt. Kiyans Laune war endgültig vergangen, weshalb er seine Sachen packte, sich beim Bauernpaar bedankte und wieder auf den Weg machte. Der alte Mann hatte eine Schenke in der Nähe erwähnt, nicht ganz so sehr frequentiert von den Stewarkern. Vielleicht würde Kiyan dort etwas Ruhe finden und eine Möglichkeit, diejenigen aufzuspüren, die sein nordmarisches Rätsel lösen konnten.

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    Drachentöter Avatar von Murielle
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    Wie schon unzählige Male zuvor saß sie am Ende des Steges und blickte auf das von der untergehenden Sonne in warmen, sanften Rottönen gefärbte Meer. Vom Wasser her wehte schwach ein kühler Wind, kaum mehr als eine Brise. Der Geruch von Salz lag in der Luft und Murielle verspürte das altbekannte Gefühl: Eine sonderbare Mischung aus wehmütigem Fernweh, Traurigkeit über etwas auf ewig Verlorenes und einem Hauch Neugier auf das, was die nächste Zeit bringen mochte.

    Sie war erst einmal bei der Fischerfamilie untergekommen, bei der sie schon vor einigen Jahren gelebt hatte. Besonders abenteuerlich war das ja nun nicht gerade. Hier jedoch hatte sie Zeit, sich in Ruhe zu überlegen, wie sie weiter vorgehen sollte. Noch einmal zurück nach Stewark? Die Ruinen unter der Stadt reizten sie wirklich enorm, nur waren sie versiegelt worden. Auch wenn Murielle die letzten Monate erfolgreich genutzt hatte, ihre Magie alleine unter Kontrolle zu bringen, so war sie doch noch lange nicht annähernd fähig genug, die Funktionsweise eines solchen Zaubers zu begreifen. So weit sie verstanden hatte, waren ohnehin mehrere Magier notwendig, um die Versiegelung wieder aufzuheben.

    Dann hatte ihr Mentor – ihre Wege hatten sich getrennt, nachdem sie mehr und mehrgelernt hatte, ihre Magie allein zu kontrollieren – ihr vom Kastell erzählt. Ein eigentümlicher, aufregender Ort voller Zauberei, wenn man seinen Worten Glauben schenken durfte. Nur der Weg dorthin schien ihr etwas zu beschwerlich.

    Auch über eine Rückkehr nach Khorinis hatte sie immer wieder nachgedacht, doch was sollte sie dort? Hier war es genau so gut wie an jedem anderen Ort auch, an dem man ein Ufer in der Nähe hatte.

    Das liebte sie so sehr an diesen Sommerabenden am Meer: Pläne schmieden, die nicht dafür bestimmt waren, jemals in die Tat umgesetzt zu werden. Luftschlösser bauen. Träumen.

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    Waldläufer Avatar von Radzinsky
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    zwischen Stewark und Silbersee

    Als die Sonne aufgegangen war und sich Radzinskys schwere Augenlider mühsam öffneten, verspürte er das, was nur die logische Folge des nächtlichen Ausflug an die stürmische Küste für einen immungeschwächten Kerl wie ihn war.

    Er fühlte sich krank.

    Eine Erkältung folgte bei ihm immer denselben Mustern. Sie begann mit einem Kratzen im Hals und einer spürbaren Kraftlosigkeit. Darauf folgte innerhalb weniger Tage ein unangenehmer Schnupfen, bei dem die verstopfte Nase Schlafstörungen verursachte. Zum Abschluss suchte ihn schließlich ein schwerer Husten heim, der in seiner gesamten Lunge brannte. Jetzt war er heiser und äußerst schlecht gelaunt, wohl wissend, was noch vor ihm lag. Franz gab sich alle Mühe, seine Stimmung zu heben, zur Kräftigung gab er ihm sogar so viel von den Vorräten, wie er wollte. Radzinsky aß sich satt und trank viel, aber er verspürte dabei nicht mehr so viel Freude wie gestern.

    "Es kommt nicht ungelegen", brachte er hervor, "dass wir Klaus von Klausewitz aufsuchen. Auch wenn ich seine Arbeiten als extravagant in Erinnerung habe, wird er wohl trotzdem in der Lage sein, ein Mittel gegen Erkältungen zusammenzurühren. Hoffentlich ist es nicht mehr weit..."

    Eine Rückkehr nach Stewark kam für Radzinsky an diesem Punkt der Reise auch nicht infrage. Er musste ja auch abwägen, zu was sein Körper noch in der Lage war und ein Marsch wie letzte Nacht würde viel zu sehr an seinen Kräften zehren. Jetzt galt es sich zu schonen und in Behandlung zu gehen. Dinge, die einem Hitzkopf wie ihm nicht besonders gut lagen, aber er musste auch der Realität ins Auge sehen. Er war nicht unsterblich, zumindest wusste er es noch nicht sicher. Das Ausbleiben der Sternschnuppen hatte ihm dahingehend mächtig am Selbstbewusstsein gerüttelt. Und andere Menschen in seinem Alter und seiner körperlichen Verfassung gaben bei einer Lungenentzündung ganz schnell den Löffel ab. Aber Radzinsky war noch nicht bereit, seinen Löffel herzugeben. Erst recht nicht jetzt, wo wieder die Chance für ihn bestand, mal mit einem echten Löffel und nicht nur mit den Fingern zu essen!

    Sein geröteter Blick wanderte zu dem Glatzkopf, dessen Verfassung sich im Vergleich zur Nacht eher gebessert hatte. Reife Leistung für dieses Alter, das musste man ihm lassen. Jetzt bei Tageslicht betrachtet, hatte Radzinsky auch einen viel besseren Blick auf ihn, seine Kleidung, seine markanten Gesichtszüge. Seine Stimme, die wieder etwas deutlicher war. Er sprach von Rumpel, als habe Rumpel ihn aus den Fluten gerettet. Rumpel, die tote, ausgestopfte Ratte.

    "Ihr denkt wohl, ich würde einen Mann nicht erkennen, der mich betrogen hat, was? Ihr versucht mich schon wieder zum Narren zu halten! Rumpel hat Euch nicht gerettet, das war ich!"
    Er atmete tief ein und sprach mit so lauter und fester Stimme weiter, dass Franz ihn gut vernehmen konnte.
    "Ihr seid der Händler Lukar, der meinen Freund Petterson ausgeraubt hat. Das war vor ziemlich genau acht Jahren. Und ich weiß auch, warum."
    Er wühlte in seinem langen Mantel nach einem der wenigen Gegenstände, den er noch von der Zeit vor der Anstalt besaß.

    "Eure Pfeife. Die wolltet Ihr doch wiederhaben, nicht wahr? Nehmt sie, ich habe dem Rauchen inzwischen abgeschworen!"

  16. Beiträge anzeigen #56
    Lehrling Avatar von Die Schurken
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    Die Schurken ist offline

    Zwischen Stewark und Silbersee

    Franz liebte das Glückspiel einfach, denn alles konnte passieren. Damit war selbsverständlich nur gemeint, dass alles so passierte, wie er es wollte, da sowohl Würfel, Karten als auch die Regeln so falsch wie er selbst war und das einzige, was das Spiel mit Glück zu tun hatte, war das Glück, dass die meisten Menschen nicht so genau hinschaute. Darüber musste der Ganove selbstgefällig schmunzeln, dass er auf das richtige Pferd gesetzt hatte, oder in diesem Fall auf die richtige Ratte samt menschlicher Begleitung.

    Radzinsky fraß ihm wortwörtlich aus der Hand und ließ sich von seiner Silberzunge betören, wobei man natürlich zur Verteidigung des Mannes auch erwähnen musste, dass von der Freilassung, über die Sternschnuppen bis hin zu der Verpflegung die Wanz' seinem Begleiter auch keinen Grund gegeben hatte, etwas anderes zu glauben. So sang der Genius auf seine folgsame Art und ohne aufzumucken in Form von treuer Begleitung und interessanten Informationen das Loblieb auf seinen Befreier.

    Es stellte sich nämlich während ihres Marsches, den Lukar bislang zumindest ertragen hatte ohne groß aufzubegehren, heraus, dass die beiden Männer sich kannten und Michail nicht allzu gut auf den Händler Lukar zu sprechen war und diesen mit viel Genuss vor dem Schurken enttarnte. Ein wenig Streit zwischen seinen Gefangenen war gut, so wurde vermieden, gegen ihn selbst zu rebellieren, solange es dabei blieb und die beiden Wirrköpfe sich nicht gegenseitig den Schädel einschlugen.

    Einen Kampf wollte der Ganove mit der Silberzunge auch tunlichst vermeiden, mochte er doch mit seinen Worten umgehen wie mit einem Schwert, mit einem Dietrich jedes Schloss überwinden und achtlose Leute ohne Probleme um ihren Geldbeutel zu bringen, so war er bei Weitem kein großer Kämpfer. Natürlich wusste Franz den ein oder anderen Trick und war nicht gänzlich ungeübt im Umgang mit einhändigen Waffen, als ein Meister würde er sich aber nicht bezeichnen.

    Seine Taktik war eher die Abschreckung als die Auseinandersetzung, alles war Teil einer großen Inszenierung, so auch das Schwert, was er verwendete und das seine Scharten nicht von all den Kämpfen hatten, die er glorreich bestritten hatte, sondern einem myrtanischen Soldat gehörte, der dies wohl auf einigen Schlachtfeldern zum Einsatz gebracht hatte. Das einzige glorreiche an dem Schurken war seine gute Orientierung und wie er die kleine Gruppe über Stock und über Stein zielstrebig Richtung der verborgenen Höhle in der Nähe des Silbersees führte.

    "Für euch, mein Lieber, hat er sicherlich etwas, dass ihr euch besser fühlen werden, seit letzter Nacht hab ich den Eindruck ein leichtes Kratzen in eurer Stimme zu vernehmen. Und die Bücher des von Klausewitz die gehen zwar über meinen Horizont hinaus, aber für euch werden Sie sicher interessant sein."
    , drehte er sich um und sprach es dem Meister von Rumpel entgegen, bevor die Gruppe auf einen kleinen Pfad abseits der großen Wege aufbrach.

    An alle gewandt, fügte er dann schließlich hinzu: "Ich denke, dass wir noch einen halben Tagesmarsch von unserem Ziel entfernt sind, wenn wir schlecht durchkommen, vielleicht ein bisschen länger." Dabei versuchte er einen Blick auf den alten Händler zu erhaschen, dieser war ihm immernoch suspekt und bei dem Namen klingelte irgendetwas in seinem Hinterkopf, so als wäre er in seinen üblichen Kreisen, die nicht gerade zu den noblen, sondern eher den zwiellichtigen Kreisen in Stewark zählten, nicht ganz unbekannt. Im Moment konnte er sich keinen Reim daraus machen.

    Das musste aber auch nicht sein, denn noch hatte er die Oberhand und mit einem gelegentlichen vielsagenden Griff und einigen gemurmelten Worten über die Sicherheit beim Reisen, lies er auch keinen Zweifel aufkommen, dass er diese Position auch aufrecht erhalten wollte. Natürlich widerstand er der Versuchung der großen Gesten oder demonstrativen Schläge mit seinem Schwert. Dies hätte ein Amateur aus Überheblichkeit gemacht und damit sein ganzes Schauspiel wie einen Kartenhaus zusammenstürzen lassen, sollte einer seiner Begleiter wirklich etwas von der Kunst im Umgang mit einhändigen Waffen wissen.

    Hyperius

  17. Beiträge anzeigen #57
    Veteran Avatar von Lukar
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    Lukar ist offline

    Zwischen Stewark und Silbersee

    Lukar blinzelte. Allmählich waren das zu viele antiquitäre Erinnerungen in den letzten Tagen. Warrick. Noctal. Radzinsky. Seine alte Pfeife. Das gute, alte Stück, dass ihm noch von einem geschickten Holzschnitzer in Myrtana angefertigt worden war. Da wäre ihm ja beinahe die Rührung in die Augen gestiegen. Doch wieder einmal auf dieser Reise bewies der fastkahle Lebensretter Lukars seine geistige Sprunghaftigkeit. Die Worte Radzinskys klangen deutlich vernünftiger als in der stürmischen Nacht. Die Ratte war plötzlich nicht mehr ein Objekt der Beredsamkeit. Dafür die fast sachliche Feststellung von Lukars Schuld. Eine Schuld, die ihm schon Peterson fälschlich zugeschrieben hatte. Lukar war zwar ein dreister Gauner, aber es war schon Ironie des Schicksals, dass bei all den Untaten die er in seinem Leben begangen hatte, ihn das Verbrechen über fast ein Jahrzehnt verfolgte, dass er nie begangen hatte. Er konnte nicht anders, als schief zu lächeln.

    „Euer Gedächtniss ist scharf, Herr Radzinsky.“ Erwiderte Lukar kühl und griff, weiterhin müde Grinsend, nach seiner alten Pfeife. Möglichst schnell griff er danach, bevor der hopsende Verstand des Rattenfreundes es sich doch noch anders überlegte. Kaum hatte Lukar allerdings die Pfeife in Händen, drehte er sie unschlüssig zwischen den Fingern hin und her. Da hatte er ja jetzt wirklich viel von. Er war die Geisel eines Kleinganoven und bekam seine alte Pfeife zurück. Das Grinsen erstarb, Lukar steckte die Pfeife ein und funkelte den Geiselnehmer böse an. Noch während er grinste, tastete der Händler in seinem getrockneten Hemd nach dem Dolch, den er sonst immer bei sich trug. Doch die Fluten hatten ihn fortgerissen. Lukar hustete, klopfte sich auf die Stelle die er bisher vorsichtig betastet hatte, und behielt dabei den Entführer im Blick.

    „Lukar Durand, zu euren Diensten.“ Raunte er gespielt höflich und deutete eine Verbeugung zu Franz hinüber an. Falls diesem der Name etwas sagte, lies er es sich jedoch nicht anmerken. Lukar beobachtete den Schritt des Ganoven eine Weile, bis er sich wieder an Radzinsky richtete. Was er gestern in der Dunkelheit nur schemenhaft erkannt hatte, zeigte sich nun im Tageslicht all zu deutlich. Radzinsky sah nicht gut aus. Nicht im Sinne der Ästetik, Lukar bezweifelte dass diese Halbglatze auf den Märken jemals für schmeichelnde Rufe der Dame gesorgt hatte. Nein, Radzinsky war körperlich in keiner guten Verfassung. Hatte Lukar sich nach einer Nacht am Feuer noch ziemlich gut gehalten, ging sogar wieder halbwegs aufrecht, zeigte Radzinsky immer wieder kurze Anfälle von Schwäche. Die Augen des Mannes waren gerötet, der schwere Husten nicht mehr zu überhören. Und ausgemergelt war er! Lukar musste sich ernsthaft fragen, wo Radzinsky bloß die letzten Jahre verbracht hatte. Hatte dieser nicht was von einem Keller gemurmelt … ? Doch, erstaunlicherweise, so gebrochen der Körper aussah, so vernünftig klangen nun die Worte. Als ob dem Körper seine Kraft entrissen worden war, um den energischen Geist seine Kunststücke vollführen zu lassen. Ein gesunder Geist in einem gebrochenem Körper? Oder ein Moment der Täuschung?

    „Wir waren alle Opfer in dieser Geschichte. Nicht ich habe eurem Freund Peterson das Gold geraubt. Es war vielmehr der dritte Mann im Bunde. Ihr erinnert euch sicherlich an ... Noctal?" Kurz zuckte es in Lukars Magengegend. Obwohl es lange her war, kam es ihm nun etwas merkwürdig vor, die Schuld auf Noctal zu lenken. Doch hatte Noctal damals, vor acht Jahren, exakt das Gleiche getan. Im grunde, dachte Lukar sich zynisch, waren er und der Haarlose nun quitt. "Er hat das Gold geraubt. Und mich zurückgelassen, damit euer Freund Peterson mir die Schuld gibt.“ Lukar hob entwaffnend die Handflächen in die Höhe, was ihm sofort einen blitzenden Blick des Ganoven Franz einbrachte. Der Kerl war darauf bedacht, dass Lukar keine falschen Mätzchen wagte. Was ihm ziemlich leicht fiel, da Radzinsky nicht viel Bearbeitung nötig hatte. Dieser Franz konnte seine wachen Augen fast gänzlich auf Lukar konzentrieren, der Sternendeuter brauchte nur ab und zu einen Stupser. Noch.

    „Nein, ich erwarte nicht, dass ihr mir glaubt. Es ist mir auch ehrlich gesagt egal, was ihr über mich denkt.“
    Lukar senkte langsam die Hände wieder, was von Franz ebenso aufmerksam beobachtet wurde. Gespielt lässig lies Lukar die Hände auf Hüfthöhe. Jetzt war er gespannt, wie Radzinsky auf seine Worte reagieren würde. Im schlimmsten Fall würde er doch wieder geistig abdriften. Im besseren Fall würde er mit Lukar auf Konfrontationskurs gehen, was darauf hindeutete, dass die Krankheit ihn wirklich geistig erdete. Oder, es zeigte sich wieder die Unberechenbarkeit...

    "Wieviel bezahlt euch euer Freund, der Alchemist eigentlich, damit ihr die bedürftigen Kranken zu ihm bringt?" Fragte Lukar unvermittelt. "Er scheint ja ein wahrer Wohltäter zu sein. Seid auch ihr wohlmöglich nur daran interessiert, dass es den Armen nicht an Genesung mangelt? Nicht jeder würde einen Mann in Not aufnehmen, ihm Essen und Rast geben, und dann auch noch zu einem Alchemisten bringen, der ihm gegen seine körperlichen Sorgen hilft. Das ist ja fast mehr Güte, als man in diesen Zeiten erwarten kann. Wahrlich, ihr seid eine einzigartige Person."
    Die Worte waren eindeutig nicht nur an Franz gerichtet. Lukar hegte eine kleine, wirklich kleine Hoffnung, dass die Krankheit seines Begleiters dessen Geist wirklich einigermaßen beruhigt hatte. Falls dem so war ... ja, falls, falls, könnte es sein, dass Radzinsky vielleicht ebenfalls zu Zweifeln begann ... ? Das wäre gefährlich. Sehr, sehr gefährlich. Franz könnte Lukars Intention richtig deuten und entscheiden, dass der Händler doch die Mühe nicht wert war ... doch Lukar ging dieses Risiko lieber ein, als Widerstandlos zu diesem "Alchemisten" geschleift zu werde. Und der einzige Widerstand der ihm grade blieb, war sein Mundwerk. Das Franz auch nicht ohne weiteres stopfen konnte, ohne Radzinsky misstrauisch zu machen ... hoffentlich zumindest ...

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    Waldläufer Avatar von Radzinsky
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    Radzinsky ist offline

    Zwischen Stewark und Silbersee

    In Radzinskys Kopf ratterten die Erinnerungen wie in einem alten Uhrwerk. Lukar brachte nämlich auch noch den Namen Noctal ins Spiel und damit war das kleine Puzzle wieder komplett. Der kahle, schweigsame Edelmann. Er war Lukars Begleiter, sein Komplize, dieses Vorurteil hatte sich tief in sein Hirn eingebrannt, ohne dass er es jemals hinterfragt hatte. Ihm war ja auch nie die Möglichkeit geblieben, einen der beiden selbst zu fragen, was geschehen war. All dies lief über seinen Freund Petterson und den hatten die Jahre inzwischen auch fortgespült.

    "Also ich sehe das so...", begann Radzinsky ruhig, nahm dabei allerdings verbal bereits Anlauf wie ein störrischer Bock, der einen Widersacher vor sich hatte, "Wenn Ihr mir sagt, dass Ihr uns damals nicht ausgeraubt habt, dann werde ich Euch glauben, denn hier stehen Aussage gegen Aussage und wenn ich eins weiß, dann dass ich keine gute Menschenkenntnis besitze und mich daher nicht blindlings jeder Behauptung Glauben schenken werde."

    Ein kleiner Seitenhieb in Richtung Franz, der ihn entweder gekonnt ignorierte oder tatsächlich nicht zuhörte.

    "Was ich aber nicht akzeptieren werde", wurde Radzinsky nun lauter, "Ist, dass Euch egal ist, was ich von Euch halte! Das ist nicht egal! Ich bin nicht egal! Meine Worte müssen endlich gehört werden, meine Taten Anerkennung finden. Ich habe Euch das nasse Hinterteil gerettet und dabei meine Wissenschaften unterbrochen, die das Schicksal der Menschheit ändern könnten. Ihr solltet mir lieber beweisen, dass Euer Leben dies auch wert ist und Euch ein Beispiel an Franz nehmen. Er hat mein Genie längst erkannt und unterstützt mich nach allen Kräften bei meiner Wissenschaft, ohne - und das habt Ihr richtig erkannt - ohne dass ich ihm etwas schulde. In voller Selbstlosigkeit, denn er hat seinen Sinn im Leben erkannt. Mich bei meinen Bemühungen zu unterstützen, jawohl!"

    Radzinsky konnte sich so richtig schön in Rage reden, da war es auch egal, wie schlecht es gerade um ihn stand.

    "Wisst Ihr eigentlich, welchen Leidensweg ich durchgemacht habe?! Sechs Jahre lang war ich in diesem winzigen Keller eingesperrt, nur mit... mit Rumpel und dieser vermaledeiten Katze. Habe in völliger Isolation weltbewegende Wissenschaft betrieben, bis Franz auftauchte. An diesem gestrigen Tag, der unter den Sternen ein so bedeutsamer ist. War... sein sollte..."

    Er schluckte nachdenklich. Niemand wusste von seinem Verbleib. Niemand hatte ihn jemals besucht. Die Feuermagier hatten ihn und alles, was er je geschaffen hatte, aus den Weltbüchern gestrichen, seine alte Werkstatt verkauft und ihn wieder eingewiesen. In das tiefste Loch, in das ein Mensch gesteckt werden konnte.

    "Aber Franz kam trotzdem...", brachte Radzinsky jetzt nur noch langsam und nachdenklich hervor.

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    Die Schurken ist offline

    In einem Wäldchen in der Nähe des Silbersees, nicht zu weit von der Gespaltenen Jungfrau entfernt.

    "Lukar Durand" war also der volle Name des Fremden, den Radzinsky am Ufer aufgelesen hatte und der immer mehr aufbegehrte und suspekter wurde. Als die Wanz' eine Weile den Namen vor seinem Geiste hin und herbewegt hatte, fiel ihm auch endlich wieder ein, woher er den Namen kannte. Dieser war, obwohl das nun schon ein paar Jahre her war, in die Unterwelt und irgendwelche fiesen Machenschaften in West Argaan verwickelt und ursprünglich aus Setarrif gekommen. Da konnte ihn seine Erinnerung aber auch trügen.

    Franz selbst war zwar auch in dunkle Machenschaften verwickelt, aber es gab eine klare Abstufung zwischen schattig und finster. Er selbst zählte sich immer zu den schattigen Gestalten, nahm die Leute bei Glück- & Kartenspielen aus, lies hier und da mal nen Geldbeutel abhanden kommen, oder drohte, wenn er es musste. Die Kreise, wenn seine Erinnerung ihn nicht trügte, in denen der andere Gefährte, zumindest Gerüchteweise unterwegs war, schrecke weder vor Mord noch vor anderen Verbrechen zurück, an die sich der Ganove nicht herangetraut hatte.

    Statt einem weiteren Täubchen, war ihm eine Schlange ins Netz gegangen, die mehr und mehr begann Gift zu verbreiten, das so langsam auch bei Michail auf fruchtbaren Boden zu fallen schien. Denn Franz war ein Menschenkenner und obwohl er mit seinem Verrückten Gefährten so manchmal seine Deutungsschwierigkeiten hatte, so kam er doch nicht umhin zu bemerken, dass dieser zu zweifeln begonnen hatte. Dies stellte eine große Gefahr dar, wenn sie nicht bald gebannt wurde, insbesondere da sich der Zielort schon in greifbarer Nähe befand.

    Also tat der Verbrecher, dass was er am Besten konnte und trat in ungewohnt ehrlicher Weise die Flucht nach vorne an. "Herr Radzinsky hier war im Irrenhaus eingesperrt, im tiefsten und dunkelsten Keller. In einer Zelle mit dem expliziten Befehl keine Konversation mit ihm zu führen. Als ich einen Blick auf die Liste des Assistenten erhaschte sah ich auch einen völlig anderer Namen.", bevor er sich umdrehte und dem Genius direkt in die Augen blickte "Ich weiß nicht, was du und Rumpel den Dienern Innos' angetan haben, aber mit der Einstufung, die man dir gegeben hätte, wärst du dadrin verrottet und man hätte dich erst rausgeholt, wenn kein Fleisch mehr an den Knochen war. Nur weil Ethorn jetzt in Stewark das Sagen hat, hatte man sich überhaupt getraut dich rauszulassen."

    Danach schlug er mit der Hand ein paar Äste zur Seite und kämpfte sich durch ein Gebüsch vor auf eine kleine Waldlichtung an deren Ende eine Kleine Höhle mit einem hölzernen Tor am Eingang einladend auf die Gefährten wartete. "Klaus von Klausewitz wurde aus Stewark verbannt, weil er sich unwissend mit den Beliar Dienern einließ um Heilung und Alchemie zu erlernen. Weder er, noch ich haben es mir ausgesucht, dass die Kunst der Heilung nur den hohen Herren Magiern überlassen ist und dem einfachen Volk verwährt bleibt.", fing er sich leicht aufgeblasen, aber doch durchaus mit ehrlichem Zorn ein wenig in Rage zu reden.

    "Ist seine Heilkunst schon perfekt? Keinesfalls - aber wer wird schon als Meister geboren. Gibt er mir Geld, dass ich ihm Leute bringe, denen er helfen kann? - Durchaus. Doch die Leute, die ich ihm bringe, erhalten von ihm eine Behandlung völlig kostenfrei, die sie sich bei einem Magier nie hätten leisten können.", richtete er seine Worte an Lukar und giftete zurück, bevor er in deutlich freundlicherem Tonfall seine vorerst letzten Sätze an Radzinsky richtete:"Um euch freizukaufen, habe ich 100 Goldmünzen bezahlt, plus Schmiergeld für die Wache und die Soldaten, nicht einmal zu berücksichtigen das Essen, dass ich besorgt hatte und die Gefahr durch Argaan zu reisen. Natürlich bleibt bei der Entlohnung des Alchemisten auch noch etwas übrig für mich, aber durch eure Befreiung hat das Irrenhaus nun wieder Vorräte für zwei Wochen, ihr seid frei und werdet vielleicht bald in einem besseren Zustand sein, als in diesem Kerkerloch. Bin ich vielleicht ein Gauner, ja aber keiner, der den Menschen etwas böses will."

    Zwar war nicht alles, doch durchaus unverhältnismäßig viel von dem was die Wanz' dort sagte, dieses mal nicht gelogen. So zeigte er nun einladend auf das Hölzerne Tor und es war an den beiden Herren, anzunehmen oder sich gegen ihn zu verschwören.

    Hyperius

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    Veteran Avatar von Lukar
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    Lukar ist offline

    In einem Wäldchen in der Nähe des Silbersees,

    Lukar blinzelte den Reformer der Menschheit durchaus ehrlich an. "Was kümmert es euch, was es mich kümmert, was ihr von mir denkt?" Fragte er fast schon sachlich. "Wenn euer Geist wirklich so groß ist, wie ihr sagt, bin ich neben euch ein kleines Licht ... was kümmert euch das Flackern der Kerze neben eurem Leuchtturm der Erkenntniss?" Lukar hatte diese Worte, obschon ironisch, mit trockener Stimme gesprochen. In Radzinskys Welt war er ein großer Wissenschaftler, ein Geist dem die Welt zuhören sollte ... was scherte Radzinsky da die Meinung eines Lukar Durand, eines Mannes, der wohl seinen Freund Peterson ausgeplündert hatte?

    Lukar fand diese Wandlung durchaus befremdlich, war ihm der Rattenfreund doch bisher wie ein Egozentriker vorgekommen, der Lukar nicht einmal um Lukarwillen gerettet hatte, sondern bloß, um an seine ausgestopfte Ratte zu kommen, bevor sie noch mitsamt Lukar in die dunklen Fluten gezogen wurde. Doch statt einer direkten Erklärung für dieses Rätsel, offenbarte sich eine durchaus tragische Geschichte, von Radinsky vorgeköchelt, von Franz der Wanz durchgegarrt, bis es endlich zu Lukar hinüberduftete:
    Radzinsky war eingesperrt gewesen. Sechs Jahre lang, in einem miesen, kleinen Loch. Mit nichts anderem als seiner ausgestopften Ratte und der "Hoffnung", vielleicht irgendwann einmal zu verhungern. Franz garnierte das ganze noch mit den nötigen Hintergründen, damit Lukar endgültig die Sache verstand: Feuermagier, irgendein politischer Scheiß, Abschiebung einer unliebsamen Stimme an einen Ort, wo sie ungesehen, ungehört und unbeachtet verreckten konnte.
    Ob auch nur ein Wort von dieser Geschichte stimmte, oder ob Franz da grade nur eine Wahnvorstellung zum Besten gab, die Radzinsky ihm zuvor erzählt hatte - das war zweitrangig. Viel wichtiger war: Radzinsky war sechs Jahre lang eingesperrt gewesen. Mit Niemand anderem als dieser Ratte. Sechs Jahre ohne Menschen, sechs Jahre ohne seine sprunghaften Ideen irgendjemanden mitzuteilen. Natürlich lechzte er nun nach Aufmerksamkeit, nach Gehör, nach Meinung und Urteil andere. Nach sechs Jahren wollte Radzinsky endlich wahrgenommen werden. Lukar hatte zum ersten Mal auf dieser Reise das Gefühl, in dem radzinskyschen Chaos soetwas wie Ordnung gefunden zu haben. Und mit Ordnung konnte Lukar Arbeiten.

    "Ihr wollt Dankbarkeit, Herr Radzinsky?" Fixierte er die sichtlich geschwächte Gestalt vor sich nun. "Nun, die sechs Jahre Leid, die ihr durchmachen musstest, kann ich euch nicht nehmen. Was ihr braucht, ist Stärkung, Medizin damit euer Körper sich erholen kann ... das kann ich euch grade nicht geben. Ob euer Freund Franz es kann, weis ich nicht. "

    Zwei Blicke richteten sich nun auf Radzinsky. Der Sternendeuter hatte grade von seinem Helfer offen vorgelegt bekommen, dass dieser ein Ganove war. Spielte das für einen Mann, der sechs Jahre vom "Gesetz" eingesperrt worden war, überhaupt noch eine Rolle? Franz war bereits an ein Holztor getreten und zeigte ihnen fast gönnerhaft den Weg, als ob er ihnen beiden auf den letzten Metern doch noch eine Entscheidung lassen wollte. Konnte bloß Scharade sein. Vielleicht auch sowas wie beginnende Sympathie. Die Erklärung zu den ganz und garnicht legalen Geschäften des Alchemisten war sogar für ein Verbrecherhirn wie Lukar klar und verständlich. Sofern sie stimmte.
    "Die Willkür der Oberen kenne ich nur all zu gut. Ihr hättet erleben sollen, wie die Diener Ethorns mit mir herumsprangen ... und den Wahnsinn der Feuermagier in Thorniara kenne ich nicht nur aus Erzählungen ... ich will ehrlich zu euch sein: Niemand hat weniger Verständnis für eure Geschäfte mit diesem Alchemiste, als ich. Auch ich musste zu fragwürdigen Mitteln greife, um hier auf Argaan Fuß zu fasse. Wenn die Reichen es einem so schwer wie möglich machen, muss man ihre Spielregeln ein wenig biegen ... " Blödsinn. Lukar hatte von Anfang an das Gesetz ignoriert, wo es ih passte. Er war "zu Alt" für legale Geschäfte. "Gerne würde ich jedoch wissen, was ihr von MIR wollt? Radzinsky hat die Dienste eines Heilers bitter nötig. Aber ich? Was hat dieser Alchemist mit mir zu schaffen?"
    Geändert von Lukar (02.02.2022 um 19:30 Uhr)

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