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    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    WAS ZULETZT GESCHAH...




    BROKEN TOGETHER
    - eine alternative Geschichte, beginnend ab der Gerichtsverhandlung von Leif Arvid Svensson in London im Jahre 2186 -



    2186, LUCEIJA NATALICIA ASCAIATH (29)

    Sie hatte es kommen sehen. Diesen Moment. Den unvermeidlichen Augenblick, der die gesamte Welt in eine dicke Hülle, in eine zähe, undurchdringliche Masse an Pechschwarz getaucht hatte. Der alles unweigerlich zerstört hatte, ohne auch nur irgendetwas gutes zurück zu lassen. Wie viele Male hatte Luceija versucht sich umzubringen? Zwei Mal? Drei? Ein viertes Mal kündigte sich an, nein, war bereits geschehen - und endlich schien es gefruchtet zu haben, endlich, nach unzähligen Strapazen, schlug sie sich selbst diesen metaphorischen Nagel durch ihr Herz und durch ihren Kopf. Alles setzte aus, als sie den Kopf senkte, längst geschlagen. Sie hatte das hier geschafft. Ihren eigenen Suizid und den Mord am Herz eines Mannes, den sie nie wirklich geglaubt hatte halten zu können. Also war es nicht nur typisch, ein ganz natürlicher Abschluss dieser andauernden Liaison, die hier zu Ende ging? Verfloss?
    Menschen wie die Blondine, die in den Reihen hinter ihr mit einem ehemals zentnerschweren Klunker an ihrem Finger saß, hätten darauf gewettet. Luci hingegen hatte gehofft es würde nicht so sein, rannte aber schließlich nur vor ihrem vermeintlichen Schicksal davon. Denn genau das, dieser Scherbenhaufen und ihre Absolute Unfähigkeit sich zu bewegen, zu reagieren, auf nur irgendeinen Reiz der von Außen auf sie eindrang, sie aufmerksam machen wollte, waren eine einfache, gar logische Konsequenz.

    Nunmehr verflog jeder weitere Gedanke um sie. Sie hatte das Gefühl für ihren erkalteten Körper verloren. Saß leblos auf dem unbequemen Stuhl im Verhandlungssaal und hatte nicht bemerkt, wie ein jeder einzelne aus dem Raum gegangen war. Hatte verpasst, wie Leif verschwunden war - an ihr vorbei, zielstrebig, wahrscheinlich ohne überhaupt noch einen Blick auf ihre längst abwesende Gestalt gerichtet. Aber auch, wie alle Kläger, alle Zeugen, alle Neugierigen und selbst, einer nach dem anderen, ihre einzigen noch übrig gebliebenen Verbündeten verschwunden waren. Wie sie beteuert hatten, im Wagen auf sie zu warten, die sichtlich Zeit brauchte. Verstört schien. Alles, aber nicht lebendig.
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    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    WAS ZULETZT GESCHAH...




    BROKEN TOGETHER
    - eine alternative Geschichte, beginnend ab der Gerichtsverhandlung von Leif Arvid Svensson in London im Jahre 2186 -



    2186, LUCEIJA NATALICIA ASCAIATH (29)

    Sie hatte es kommen sehen. Diesen Moment. Den unvermeidlichen Augenblick, der die gesamte Welt in eine dicke Hülle, in eine zähe, undurchdringliche Masse an Pechschwarz getaucht hatte. Der alles unweigerlich zerstört hatte, ohne auch nur irgendetwas gutes zurück zu lassen. Wie viele Male hatte Luceija versucht sich umzubringen? Zwei Mal? Drei? Ein viertes Mal kündigte sich an, nein, war bereits geschehen - und endlich schien es gefruchtet zu haben, endlich, nach unzähligen Strapazen, schlug sie sich selbst diesen metaphorischen Nagel durch ihr Herz und durch ihren Kopf. Alles setzte aus, als sie den Kopf senkte, längst geschlagen. Sie hatte das hier geschafft. Ihren eigenen Suizid und den Mord am Herz eines Mannes, den sie nie wirklich geglaubt hatte halten zu können. Also war es nicht nur typisch, ein ganz natürlicher Abschluss dieser andauernden Liaison, die hier zu Ende ging? Verfloss?
    Menschen wie die Blondine, die in den Reihen hinter ihr mit einem ehemals zentnerschweren Klunker an ihrem Finger saß, hätten darauf gewettet. Luci hingegen hatte gehofft es würde nicht so sein, rannte aber schließlich nur vor ihrem vermeintlichen Schicksal davon. Denn genau das, dieser Scherbenhaufen und ihre Absolute Unfähigkeit sich zu bewegen, zu reagieren, auf nur irgendeinen Reiz der von Außen auf sie eindrang, sie aufmerksam machen wollte, waren eine einfache, gar logische Konsequenz.

    Nunmehr verflog jeder weitere Gedanke um sie. Sie hatte das Gefühl für ihren erkalteten Körper verloren. Saß leblos auf dem unbequemen Stuhl im Verhandlungssaal und hatte nicht bemerkt, wie ein jeder einzelne aus dem Raum gegangen war. Hatte verpasst, wie Leif verschwunden war - an ihr vorbei, zielstrebig, wahrscheinlich ohne überhaupt noch einen Blick auf ihre längst abwesende Gestalt gerichtet. Aber auch, wie alle Kläger, alle Zeugen, alle Neugierigen und selbst, einer nach dem anderen, ihre einzigen noch übrig gebliebenen Verbündeten verschwunden waren. Wie sie beteuert hatten, im Wagen auf sie zu warten, die sichtlich Zeit brauchte. Verstört schien. Alles, aber nicht lebendig.


    2194
    - Ein Apartment in Södermalm, Stockholm, 8 Jahre nach London -

    "Du musst lernen um Hilfe zu bitten, ehrlich.", tadelte ihre sanfte Stimme ihn genau in jenem Moment, in dem Leif ihre kleine Hand auf seinem Schulterblatt spürte. Sie ließ nicht von ihm ab, sondern zog ihre Fingerspitzen über den Stoff seines Sakkos, umrundete seinen Oberarm und fand schließlich den Weg zu dem Schlips, den er seit Minuten versuchte, irgendwie vorzeigbar aussehen zu lassen. Der Schwede seufzte. "Du hingegen musst lernen, wie man sich vor sozialen Verpflichtungen drückt.", konterte er gespielt gelassen und sah sich selbst im Spiegel an. All das was 8 Jahre zuvor geschehen war, hatte längst keinen Platz mehr im Kopf des Arztes. Die ersten zwei Jahre waren die schlimmsten gewesen, denn es war die Zeit, in der er sich kaum hätte nutzloser fühlen können. Beherrschter vom nichts-tun und zu viel Alkohol, weniger Frauen als erwartet, aber immer noch zu viele. Überraschenderweise war er davongekommen. Denn sobald seine Expertise wieder verfügbar war, seine Zulassung zurück in seinen Händen, stürzten sich die vielversprechendsten Angebote auf ihn. Selbst die Allianz gehörte wieder dazu oder wenigstens das, was davon übrig war, nachdem die Zahlen der Rekrutierung immer rasanter abstürzten und die Zeiten immer unwirtlicher wurden, wenn man Uniform trug. Er lehnte ab und wurde doch nicht in Frieden gelassen. Nein, stattdessen stand sie vor seiner Tür. Diese Frau, die jetzt höchst konzentriert seine Krawatte in Form brachte und seinerzeit für die Forschungsgruppe der Allianz arbeitete, der er immer noch angehörte. Sie wusste wie sie ihn begeistern konnte und ja: Sie bekam ihn. Zuerst war ihre Beziehung so distanziert und regelrecht steril, wie eine Arbeitsbeziehung sein konnte, aber es wurde mehr. So viel mehr, dass sie mit ihm hier in seiner Heimat lebte, sie ein Bett teilten und sie seine Frau wurde. Der Weg dahin schien endlos lang, aber das war es wert gewesen, schätzte er und nahm ihre Hand vom fertigen Knoten an seinem Hals. "Danke.", flüsterte er knapp und lächelte sie auf diese Art an, die vor ihr nur eine Frau je zu Gesicht bekommen hatte. Das hier war echt. Sehr echt. Und es dauerte bereits drei Jahre, in denen er so sehr aufgeblüht war, dass alte Bekannte dazu neigen würden, ihn nicht mehr zu erkennen. Er lachte viel zu häufig, wenn man sein altes "Ich" kannte und er schlief, ohne je schlecht zu träumen. Auf diese gesunde Art hatte er zugenommen und mehr Farbe im Gesicht, das noch immer vom dunklen Blond umrahmt wurde, nur versehen mit ein paar wenigen, grauen Strähnen hier und da. Und dann war da eben seine Frau. Guisy, die Abu für einen Hauch zu viel Luceija gehalten hatte, bevor er ihrem Charme ebenso verfallen war, wie zuvor Leif. Dessen Freund leitete noch immer die Praxis auf der Citadel, der es kaum besser hätte gehen können, selbst ohne den Schweden, der nun peinlich genau an seiner Uniform zupfte. Es war dieses allianztypische blau, versehen mit den Auszeichnungen auf seiner Brust, die nur zunahmen, obgleich er mehr am Tisch saß und im OP stand, als irgendetwas zu verteidigen oder sich die Hände schmutzig zu machen. Dennoch musste er selbst zu belanglosen Festlichkeiten seine Zugehörigkeit zur Schau stellen. Vor allem dann, wenn die Allianz sich im Sponsoring solcher Veranstaltungen verstand. "Lass uns nicht zu lange bleiben, okay?", bat er die Schwarzhaarige vor sich und küsste ihre Stirn. Seine Hände hatten ihre Taille umfasst und seine Daumen strichen leicht über ihren Bauch. "Nicht solange wir es versuchen. Die haben sicher gefährlich viel Bier dort und ich will nicht dass unser Kind in einer Besenkammer gezeugt wird.", stellte er grinsend klar und machte sich auf ihren Konter gefasst, der sofort kam. Die Lippen ebenfalls zu einem Lächeln geformt. "Die haben angeblich einen sehr exklusiven Weinkeller dort, der nicht für jeden zugänglich ist.", offenbarte Guisy und sah Leifs Lächeln schwinden. Er verlor ihre grünen Augen aus dem Blick und antwortete nur mit einem tonlosen "Hmm...", bevor er sie losließ, "Zeig mir was du anziehen wirst.", forderte er sie stattdessen auf und wechselte gewohnt elegant, aber völlig unbemerkt das Thema. "Ich hoffe immer noch auf das schwarze Kleid mit-...du weißt schon.", er grinste wieder und hatte prompt was er wollte, als sie sich nickend umdrehte und in Richtung Schrank verschwand. Und er-...dieses Lächeln wieder ablegte.
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  3. #3 Zitieren
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    - in einem Apartment im Bezirk Orchard Road in Singapur -


    LUCEIJA NATALICIA RHODES (37)

    "Weißt du was du nie gelernt hast?", kam eine Frage, gehüllt in tiefer Stimme, aus dem hinteren des Badezimmers, welches sich mit einer runden, aalglatten Betonwand vom Rest des Apartments abhob und so zentral stand, dass man es auch für eine sehr deplatzierte, öffentliche Toilette hätte halten können. Unten Beton, oben die mit sanftem, türkisenen Glas verschleierten Milchglasbausteine, die einen lockeren Akzent in einem ungleichen, förmigen Streifen von ganz oben bis unten - in angenehmer Wellenform - eine Wand besetzten. Der Rest der Wohnung glich sich diesen an die Natur angelehnten Formen an. Wie große Blasen und Säulen, die bis zur hohen Decke ragten, ordneten sich weitere, seltene Räume vom umliegenden Wohnraum ab - wie beispielsweise die hochmoderne Küche, in der es aussah als habe hier niemals jemand selbstständig gekocht. Der Boden erinnerte an etwas ähnliches. War blank, sodass man sich nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich darin spiegeln konnte. Erinnerte an helles Marmor. Und der Raum an sich hatte eine derartige Dimension, dass die paar, wenigen Möbel die sich in einem mehr als stilvoll eingerichteten, an Alien-Interieur erinnernden Wohnzimmer drapierten, fast garnicht auffielen. Ohnehin war das vermeintliche Highlight eine große, gläserne Fassade die beinahe ringsum zwischen Lamellen die Sicht auf eine weitläufige, moderne und wuselnde Stadt zuließ. Den Raum unendlich hell machte. Und Luceija vom ersten Moment an an eine Baustelle erinnert hatte, die man angefangen, aber niemals fertiggestellt hatte.

    Es folgte eine kurze, beinahe einstudierte Antwort. "Was?", hallte ihre Stimme hohl zurück. In einem Englisch, in welchem sie sich bemühte, den viel zu starken Akzent zu verdecken. Lange, mehr als hübsch gestaltete, dunkle Nägel thronten auf viel zu schmalen Fingernägeln. Zogen leichte Kreise auf der Oberfläche eines Tisches, der nicht viel mehr war als ein Stehtisch einer Bar, vermutlich aber Tausendfach so teuer. Er war nicht belegt. Hier stand kein Stuhl dabei. Lediglich eine kleine Pflanze fand hier ihren Platz, offensichtlich nicht von diesem Planeten, dessen Triebe über den Rand des Topfes hinweg fielen und engstirnig in Richtung Boden wuchsen. "Die Klappe zu halten.", kam zur Antwort.


    Viel zu lange kam hier kein Laut hervor. Stattdessen beendete die heutig Siebenunddreissigjährige die Bewegung ihres Fingers, hielt inne. Nahm ihn zu sich zurück. Das hier war kein Streit. Keine Meinungsverschiedenheit nach einem riesigen Zwist, kein Geplänkel. Es war das, was es eben war: Normalität. Ein einfaches, erschreckend schnell zur Normalität gewordenes "Gespräch", dass, wie für sie beide üblich, nichts hatte außer eine einzige Seite.

    Es war üblich geworden, dass Luceija eben hier wohnte. In einem Stadtstaat den sie weder kannte noch interessierte, in einem Haus, dass ihr teilweise gehörte, weil sie nun nicht länger Luceija Natalicia Ascaiath war, sondern vor knapp zwei Jahren diesen einen Ring an ihren viel zu schmalen Finger gesteckt bekam. Und entgegen allen Annahmen eben nicht den Namen Leifs annahm. Alles war anders gekommen als sich der Weg noch vor 8 Jahren zu ebenen schien. Sie hatte den Schweden ab dem Moment, an dem die letzten Worte des Richters gesprochen worden waren niemals wieder gesehen. Keine Anrufe erhalten, keine Nachrichten. Keine Briefe. Keine Postkarten. Er war eben genau so vom Erdboden verschluckt wie es eben hätte sein sollen. Wie das Gericht es vorhergesagt hatte und ihre schlimmsten verdammten Befürchtungen es ebenfalls bestätigten. Sie war in ein derartig tiefes Loch gefallen, dass sie niemals geglaubt hatte jemals wieder die Oberfläche zu sehen. Vier weitere Suizidversuche folgten. Hinterließen Narben auf ihren Handgelenken, eine längere an ihrem Hals. Aber keiner davon gelang, wofür sie immer wieder und wieder aufs neue ihre Familie verfluchte. Aber nicht alle geschahen in deren Obhut.

    Sie hatte kaum vermeiden können, was Talbot damals schon aufgesagt hatte: Eine zweite Verhandlung war erfolgt, dieses Mal eine, die für eben sie bestimmt war. Gaius war in der Lage gewesen sie zumindest von den meisten Aussagen zu entbinden - der Preis dafür war letztlich in Form der Bedingungen des Gerichtes zu zahlen, die sie in kaum eineinhalb Stunden zu einer einjährigen Haftstrafe und direkter, folgender Verwahrung in einer psychiatrischen Einrichtung verurteilt hatten. Hochgradig gefährdet, hatten sie behauptet. Eine Gefahr für sich selbst, eine Gefahr auch für andere. Niemand der zur Familie Ascaiath gehört hatte war begeistert von diesem Schuldspruch, aber sie konnten die Ausführung der Strafe nicht zurückhalten. Und während die Haftstrafe gerade einmal einem halben Jahr nahe kam, arbeitete ihr Vater zusammen mit Vigilio auf Hochtouren, sie eben davor zu bewahren. Dann die Übergabe in die Psychiatrie. Therapien, dessen Häufigkeit sie sich kaum mehr ausmalen konnte, die ihr Hirn bis in den kleinsten Winkel versuchten zu waschen und sie im glauben ließ, alles nur schlimmer zu machen.
    Kein einziger Tag verging dabei ohne einen Gedanken an ihn. Kein einziger Tag in acht Jahren hatte sie dieses Gefühl für ihn abtöten können und ja, verdammt, sie hatte es versucht. Mit allem. Mit Alkohol. Mit Drogen. Selbstverständlich mit Drogen. Von denen sie niemals los kam. Mal kaum mehr brauchte. Dann wieder stündlich so viele Spritzen injizierte, dass es einem Wunder gleichen musste, dass sie sich dieses Licht eben nicht auspusten konnte. Denn ja: Drei dieser vier Suizidversuche waren genau dort geschehen. Und dann traf sie ihn. Dean Rhodes. Amerikaner. Gutaussehend. Mit einem gewissen Stil. Geld. Und Interesse. Nicht nur Interesse.

    Und jetzt war sie hier. In einem Land auf welches sie am liebsten jeden Tag gespuckt hätte. Hier aber keine Regung mehr zeigte. Nicht zu diesem Land und auch nicht den Worten die er ihr vom Badezimmer aus entgegen geschmettert hatte. Sie bleib unnatürlich ruhig.
    Luceija ist offline Geändert von Luceija (17.12.2019 um 21:24 Uhr)

  4. #4 Zitieren
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    "Ich hätte wissen sollen, dass du den Flug verschlafen willst und dich davon abhalten sollen, deine Uniform schon anzuziehen.", tadelte Giusy ihn und schüttelte missbilligend, aber nicht ohne ein Grinsen den Kopf. Leif tat ihr Letzteres gleich und gähnte verstohlen in seinem Sitz erster Klasse. "Niemand außer dir schenkt meinem Arsch Beachtung, also entspann dich.", wusste der Arzt sich zu verteidigen und schnallte sich ab, als die automatisierte Ansage es allen Passagieren gestattete. Er wartete noch Minutenlang, bis die Situation im Gang sich entspannte, nachdem alle Gäste auf einmal das Schiff verlassen wollten, ehe er sich erhob, geduckt unter den Gepäckablagen, um sich erst dann komplett aufzurichten. "Ich hab uns ein Hotel im Tayseri gebucht.", verkündete er plötzlich und hielt sich damit nicht mehr an den eigenen Wunsch, möglichst bald wieder Zuhause zu sein. Giusy sah ihn mit erhobener Braue an und entlockte ihm zuerst kaum mehr, als ein Schulterzucken. "Ist doch eine wunderbare Möglichkeit Abu zu besuchen, wenn wir schon mal hier sind.", war er überzeugt und reichte seiner Frau die Hand. Er selbst besaß keine Wohnung mehr auf der Citadel. Zu viele Erinnerungen hatten überall hier und auf der Erde gehangen, sodass er lediglich sein Elternhaus behalten und den Rest verkauft hatte. Alles davon. Erst als Giusy kam, war er wieder sesshaft geworden und in die Mitte der schwedischen Hauptstadt gezogen. Kaum weit weg von seiner Tante, die nur die Hälfte dieses Desasters nach der Verhandlung mitbekommen hatte. Leif hatte diese Phase nicht abwenden können und er hatte sie so sehr gebraucht, wie irgendwann diesen Neustart, an dem seine Frau beteiligt war. Auch wenn sie ihm dafür hin und wieder geradezu unerträgliche Veranstaltungen wie diese Weihnachtsfeier zumutete. "Draußen wartet ein Shuttle zum Bezirk der Botschaften auf uns. Jedenfalls wollte Rhodes sich um alles kümmern, laut-...Mail...", briefte die Schwarzhaarige ihren Ehemann, der sie an der Hand hielt und sanft hinter sich her aus der Maschine über die Gangway zog. "Rhodes?", hakte er nach und trat endgültig 'ins Freie'. "Stellvertretender CEO von Leveright Phamarceuticals. Er lädt zu diesem Event ein und ich wette er würde sich freuen dich kennen zu lernen.", feixte die Italienerin und verpasste die rollenden Augen ihres Partners, konnte sie aber erahnen. "Ich kenne ihn flüchtig. Wir haben mal zusammen gearbeitet. Netter Kerl, ganz ehrlich.", bemühte sie sich um Begeisterung seitens des Schwedens, der schlicht nickte und in eine Traube aus Menschen sah. "Ja, ganz bestimmt..", murmelte er und konnte das Seufzen knapp unterdrücken, "Erstmal müssen wir unser versprochenes Taxi finden. Wenn wir uns anstellen, wird das ewig dauern."
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  5. #5 Zitieren
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    Sie waren in etwa vierzehn Stunden geflogen. Ein bestelltes Shuttle hatte sie beide eingesammelt. Mister Dean Rhodes, der einen sehr schlichten, minimalistischen, schwarzen Anzug trug, dessen Revers einen feinen, beinahe unsichtbar seidenen Beschlag hatte, auf welchem ein Anstecker der Leveright Pharmaceuticals in prächtigem Silber prangte. Mehr machte ihn optisch nicht zu diesem stellvertretenden CEO der er war beziehungsweise vor etwa einem Jahr erst geworden war. Ein kurzer, guter Moment, an den sich Luceija nach zwei Jahren Ehe erinnern konnte. Jedenfalls alle Momente, die bis zu dem Moment angehalten hatten, in dem er ausgelassen feierte, sie zu einem Essen eingeladen und regelrecht drapiert hatte und anschließend auf die Feier bestand. Was Geschah als der Pegel deutlich zu hoch wurde versuchte sie geflissentlich zu überspielen, wie so vieles andere auch. Wie diesen Griff jetzt, den er anwandte, als sie ins Shuttle gestiegen waren. Dean nach ihrem linken Handgelenk gegriffen hatte, anstatt nach ihrer ohnehin viel zu zarten, schmächtigen Hand - direkt auf Höhe des Saumes, der vom transparenten, weiss-beigen Mesh-Stoff ihres körperbetonenden Kleides, dass sie beinahe zärtlich bedeckte und zu etwas fragilem, unangetasteten und reinem machte - zu greifen. Sie hatte die Luft scharf eingezogen und ein gedämpftes Wimmern verloren, als ein Schmerz durch ihren Körper zog der brannte wie tausende Nadeln. Sie brauchte keine weitere Gedankenstütze um zu begreifen, dass ihr angebrochenes Handgelenk in der halben Woche keine Chance hatte zu heilen. "Steig ein.", sagte er knapp und wirkte unzufrieden. Nervös beinahe. Natürlich - immerhin lag ihm die Organisation dieser zu veranstaltenden Weihnachtsfeier auf der Citadel auf den Schultern und er hatte keine verdammte Ahnung ob die Agentur alles zu seiner Zufriedenheit und für scheiß viel Credits bearbeitet hatte.

    Eigentlich war er mal nicht so. Vermutlich sagten das viele Leute. Viele "Ehefrauen", als die sie sich niemals so bezeichnet hätte, weil es sich so plastisch und irreal anfühlte. Aber es war mittlerweile ein Teil ihrer Realität geworden. Ebenso wie ihre Rückerinnerungen daran, wie Dean gewesen war, als sie ihn kennen gelernt hatte. Als viel Verständnis geheuchelt wurde. Verständnis für die Abhängigkeit. Für Drogen. Sie wusste nicht, ob Sie ihn gesucht hatte oder er sie. Am Ende spielte es auch keine Rolle. Sie hatte den Moment verpasst, an dem sie in die Beziehung gerutscht war, die, wahrlich, bei weitem nicht immer nur schlecht war. Aber die Tendenzen hätte sie bemerken müssen.

    Und...hatte sie. Aber sie hatte sie überspielt. Hatte einen lächerlichen Teil von ihr auf jede Verschlechterung der Situation hoffen lassen. Als Strafe für ihr gesamtes, beschissenes Leben. Eine Art der Bestätigung ihres Selbsthasses, ihres durch Therapien völlig verdrehten und überladenen Kopfes, der voll war von Vorwürfen an Sie, an ihre Liebe zu Leif, an die Verhandlung, an ihr Verhalten, ihre Lebensentscheidungen, die Art und Weise wie sie den Blick auf ihre Umwelt richtete, war. Angefüllt von falschen Theorien und dutzenden Quacksalbern die sich auf die Fahne schrieben alles besser machen zu können als der vorherige. Therapeuten, Ärzte, Psychologen, jeder verdammte einzelne, der sie verwirrte und Stück für Stück demontierte. Zu etwas machte, was sie nicht war, während sie nur dabei zusehen und es über sich ergehen lassen konnte. Dean war irgendwie zu einem von ihnen geworden. Von ersten Küssen, einer aufflammenden Ablenkung von dem was sie zweifelsfrei verloren hatte (und damit ein Stück von sich ebenfalls), gelegentlichem, zu rapiden, zu "verschwenderischen" Sex, von Versprechungen angetrieben. Als sie sich kennen gelernt hatten war sie schon nicht mehr sie selbst. Weshalb sie ja sagte. Zu sich. Zu ihm. Zu einem Alltag, einem Mindset, einem Gefühl, dass nicht ihr gehörte. Zu einer Maske. Zu Gewalt. Zu einem Schlund der sie auf einer höllische Weise mit weiterem Selbsthass nährte und befriedigte. Seelischem Suizid. Als habe sie die Kontrolle für ihren Körper einem anderen Geist gegeben. Eben jener, der auf einer äußerst großen - beängstigend großen - pompösen Hochzeit mit viel zu vielen Leuten, ihrer wahrscheinlich gesamten Familie und Deans gesammelter Familie UND so vielen Arbeitskollegen, dass sie im Grunde niemanden mehr kannte. Sie hatte sich, kurz vor der Trauung, die kirchlich stattgefunden hatte obwohl sie absolut nicht gläubig war, zwei Stunden im Brautzimmer eingeschlossen und kein verdammtes Wort mit irgendjemandem gewechselt. Man tat es als Nervenflattern auf. Als "eben Luci", die genug psychische Spiränzchen in diese Familie getrieben hatte, dass es keinen recht wunderte, dass sie heulte. Einen verdammten Heulkrampf überstand. Und da eben nur diese eine Person - nur Zora war, die zumindest im Ansatz verstand, dass sie diesen Tag eben nicht wie alle anderen in den Himmel lobte. Dass sie hier nicht sein wollte, weil es eben nicht-...weil es nicht er war. Weil es zu realisieren, was wirklich fehlte und sie hiermit niemals haben konnte, einfach viel zu weh tat.

    Umgestimmt...oder vielleicht beruhigt hatte dieser gemeinsame Blick auf den einen Verlobungsring, der nun von diesem silbrig-blauen Ehering ersetzt worden war. Ihre Schwägerin hatte sie daran erinnert wie herzzerreißend der Antrag gewesen war - aber auch, wenn es die Italienerin nicht mitgerissen hatte, hatte sie ein gutes Stück geglaubt, dass Dean vielleicht doch ein echter Ausweg wäre. Aber niemand von ihnen kannte ihn eben so wie sie. Niemand hätte bei dieser aufgeblasenen Hochzeit, auf welcher sie bereits selbst apathischer denn je gewirkt hatte, wirklich geglaubt, dass nicht sie, die "Kranke", es gewesen war, die im Wahn ihre viel zu langen Haare abgeschnitten hatte. Sondern er es war der sie an einem Abend aufforderte es zu tun. "Nur Nutten tragen so lange Haare.", war seine Aussage gewesen. Und ein kleiner Teil in ihr, der nicht ganz versiegt war, lächelte nur schwach und dachte sich 'ja. Ja, genau so ist es.'. Dann folgte die Schere und die Haare ließ er nie wieder länger wachsen als bis circa 5 Centimeter über ihre Schulter hinweg. Glatt. Irgendwie durchaus schön. Aber nein - nicht sie. Aber wie verdammt viel von "ihr" war hier auch noch da gewesen. Keine Seele, die ihr geglaubt hätte oder ihn davon abgehalten hätte, sich nicht nur sie zur Frau zu nehmen und auf weisen zu demütigen die weit über die Grenze des Legalen hinaus gingen. Ihn aufgehalten hätte, diese Frau, die einmal Luceija war, zu etwas zu machen, was ausschließlich ihm gefiel, diente, eben vorzeigbar war für einen Mann in seiner Position. Der sich einen ohnehin labilen Menschen geholt hatte, der scharf darauf war so viel Leid in sich aufzunehmen wie sie es nur konnte, während sie jedes bisschen ihrer Vergangenheit vor ihm verschwieg. Und er? Als Konsequenz alles auslöschte, was sie eben zu dem gemacht hatte, was sie vor der Verhandlung war.
    Die meisten wären ihm vermutlich dankbar gewesen, dass er veranlasst hatte, jede einzelne Narbe von ihrem Körper entfernen zu lassen. Jede einzelne. Die Frischesten, sowie jede einzelne alte. Die Tätowierung. Alles. Bis ein vorheriges Leben ausgelöscht war und sie-...ja. Zugesehen hatte. So wie immer. Wie jedes, verdammte Mal. Nur war es diesmal wenigstens "nur" sie, die dabei zu Grunde ging.

    Waren es viele gute Seiten die sie hielten? Keine Ahnung. Vielleicht. Oder auch die Macht die er über sie hatte. Oder beides. Plus ihrem Willen einfach etwas zu "erreichen". Egal was es kostete. Egal wie sehr sie es auseinander riss.

    "Gefällt er dir immer noch?", fragte Dean neben ihr im Shuttle, riss die Italienerin aus ihren Gedanken und diesen trüben, leblosen Blick einen kurzen, wachen Flash spüren, der wenigstens eine Sekunde der Aufmerksamkeit auf ihren Ehemann richtete. Sie spielte ein automatisiertes Lächeln auf ihre Lippen, dass nicht ihre Augen erreichte. Nickte deutlich und betrachtete den Ehering mit auseinander gespreizten, schmalen Fingern. "Immernoch.", gab sie zurück. Unterließ den Akzent. Dean sah sie an, schnaubte durch seine Nase und lächelte ebenfalls - seine Augen erreichte es. War der Stress abgefallen? "Du bist wirklich schön so.", wurde er los. Legte seine Hand an ihre Wange, ließ die Finger über ihre Kieferlinien streichen und es schließlich halten wie eine fragile Vase, bevor er mit dem Daumen ihre Lippen berührte. "Bitte ruinier es nicht, okay? Sprich wenn du aufgefordert wirst und sei ansonsten einfach diese bildschöne, junge Frau an meiner Seite. Hm? Kriegst du das hin - oder hältst du es für klüger wenn ich meinen Arbeitskollegen sagen muss, dass dein kleiner, gestörter Kopf einfach mal wieder kurz vor dem Durchdrehen ist..?"
    Die Frage kam unvorhergehe-...nein, es war zu erwarten gewesen. Als er sie nur leicht fester hielt. Bestimmter vermutlich. Sie nickte knapp. "Posso farcela.", flüsterte sie, den Blick auf seine Augen gerichtet. "Was?!", wurde er deutlicher. "Ich krieg das hin...", winselte sie leise.
    Luceija ist offline Geändert von Luceija (17.12.2019 um 22:41 Uhr)

  6. #6 Zitieren
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    "Um Himmels Willen.", nahm Leif in Augenschein, was sich vor ihnen beiden auftat, als sie aus dem Taxi stiegen. Giusy hinter ihm, die weitaus begeisterter war als er und sich völlig zufrieden im Andrang umsah. Ein roter Teppich war vor dem gigantischen Gebäude ausgerollt worden, ja, sogar einige Fotografen machten ihre Bilder und riefen bekannte Namen durch die künstlich erschaffene Nachtkulisse der Citadel, die sogar einen sachten Wind nachzuahmen wusste. Der Schwede wurde beäugt, respektvolle Blicke musterten ihn und nickten ihm zu. Auf solchen Feierlichkeiten meinte man es noch gut mit der Allianz oder hoffte auf einen Uniformierten, dessen Kugelschreiber hoch genug im Rang stand, um einige Vorverträge zu unterzeichnen, die Geschäftsleuten viel Geld brachten. Leif konnte, würde aber ihre Hoffnungen an diesem Abend nicht erfüllen. Er verachtete all das hier schon jetzt und war einzig und allein zu Giusys Gefallen hier, die sich ungeahnt schnell absetzte und bereits einige Leute grüßte. "Großartig.", kommentierte er trocken, aber nicht ernsthaft frustriert und dackelte seiner Frau schließlich hinterher, wie ein treuer Hund. Mehr als ein netter Begleiter war er heute ja ohnehin nicht und damit war er völlig zufrieden.

    Dean hatte viel früher einen völlig anderen Eingang genommen und trat nunmehr durch die übergroße Tür die aussah, als bestünde sie aus zahllosen Fenstern. An seinem Arm "hing" Luceija mehr, als dass sie eine gute Figur machte, was er noch nicht kommentiert hatte. Sie bekamen zu viel Aufmerksamkeit, als dass er sie jetzt würde tadeln können und wenigstens ihr Lächeln war perfekt einstudiert und wurde ihr vermutlich abgekauft. Ganz anders stand es um ihre Haltung. Statt so etwas wie eine natürliche Eleganz besaß diese Frau vor allem die Gabe, alles an ihrem Körper ihre ständige Gleichgültigkeit allem gegenüber ausdrücken zu lassen. Ohne ein paar ihrer Lustmittel war sie kaum in der Lage, gerade und aufrecht zu stehen, geschweige denn ihr Kinn ordentlich anzuheben. Ihre eingezogene, beinahe schon schüchtern wirkende Art wirkte nicht niedlich, sondern schlicht abstoßend. Vor allem dann, wenn man - wie er - wusste, welches Miststück in ihr steckte. Luceija hatte er als regelrecht ungezähmt, gleichzeitig aber völlig depressives wrack kennengelernt. Ihre Vorgeschichte lernte er erst nach und nach, was er aber schnell verstand war, dass sie eine Menge Freizügigkeit und Sex für seine 'medikamentöse Unterstützung' bot. Und ja, natürlich fand er etwas an ihr, begehrte sie und brach sie, auch wenn er es nie so nennen würde, mit der Zeit. Sie war sichtbar jünger als er und das perfekte Beiwerk eines Mannes seiner Position. Gleichzeitig war sie immer noch bildschön, obgleich sie sich verändert hatte. Hier und da positiv, was ihm zu verdanken war. Andererseits gab es Dinge, die sie schon besser gemacht hatte, als sie es heute tat. Dean versuchte nicht erst seit kurzem, sie nach und nach von ihrer Sucht zu trennen, was praktisch nicht funktionierte, weil sie in einen geradezu wahnsinnigen Zustand verfiel, der sie heulen, kotzen und neben morgens und abends sogar mittags und nachts essen ließ, was ihr vormals schmaler Körper kaum vertrug. Objektiv betrachtet war seine Frau immer noch mehr als nur Schlank, manch einer würde immer noch sagen 'dürr'. Doch ihm war die vermeintliche Gewicht, das sie zugelegt hatte, ein unglaublicher Dorn im Auge. Er hatte keine Mittdreißigern geheiratet, um mit einer geschätzt Fünfzigjährigen gesehen zu werden. Diesen Gedanken musste er ihr noch irgendwie...vermitteln, nur was all das im Moment nicht mehr als ein Gedankenspiel. "Denk dran: Halt den Mund, schüttel ein paar Hände, leih den Ladies deinen Lippenstift, was immer ihr Frauen eben so tun müsst.", briefte Dean die Schwarzhaarige ein letztes Mal und zog sie fester an sich und seinen Arm, bevor er lächelnd auf ein erstes, älteres Paar zuging, das soeben aus einem langen, schwarzen Wagen gestiegen war.
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  7. #7 Zitieren
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    "Um Himmels Willen.", nahm Leif in Augenschein, was sich vor ihnen beiden auftat, als sie aus dem Taxi stiegen. Giusy hinter ihm, die weitaus begeisterter war als er und sich völlig zufrieden im Andrang umsah. Ein roter Teppich war vor dem gigantischen Gebäude ausgerollt worden, ja, sogar einige Fotografen machten ihre Bilder und riefen bekannte Namen durch die künstlich erschaffene Nachtkulisse der Citadel, die sogar einen sachten Wind nachzuahmen wusste. Der Schwede wurde beäugt, respektvolle Blicke musterten ihn und nickten ihm zu. Auf solchen Feierlichkeiten meinte man es noch gut mit der Allianz oder hoffte auf einen Uniformierten, dessen Kugelschreiber hoch genug im Rang stand, um einige Vorverträge zu unterzeichnen, die Geschäftsleuten viel Geld brachten. Leif konnte, würde aber ihre Hoffnungen an diesem Abend nicht erfüllen. Er verachtete all das hier schon jetzt und war einzig und allein zu Giusys Gefallen hier, die sich ungeahnt schnell absetzte und bereits einige Leute grüßte. "Großartig.", kommentierte er trocken, aber nicht ernsthaft frustriert und dackelte seiner Frau schließlich hinterher, wie ein treuer Hund. Mehr als ein netter Begleiter war er heute ja ohnehin nicht und damit war er völlig zufrieden.


    "Bitte, bitte Sie MÜSSEN mit uns essen wenn es da drinnen die Möglichkeit gibt die Tische zu wechseln. Wirklich! Sie müssen meinen Mann kennen lernen und uns dann unbedingt noch erzählen, wie Sie ihre Forschungsarbeit beenden konnten, ti prego!", lächelte Giuseppina ein so unheimlich breites und freundliches, so unverschämt einladendes Grinsen, dass es die Personen, die um sie herum standen, direkt in ihren Bann zog. Sie war eine Frohnatur. Aufgeweckt. Klug. So schön wie gebildet. Nichts, was ihr ein eingebildetes Wesen verliehen hätte und so unschlagbar schön in diesem zarten Fliederdress, dass ihre Größe auf High Heels perfekt unterstrich. Hochgestecktes, schwarzes Haar brachte den Hauch Professionalität in ihre schicke Garderobe. Sie hatte mit einem älteren Herren gesprochen, den Leif vermutlich durch das ein oder andere Fachmagazin hatte umreißen sehen lassen. Eben noch seiner Begleitung ebenfalls die Hand gereicht und mit einer sanften Umarmung nachgesetzt, bevor sie Freudestrahlend und von weitem zurück in Leifs Richtung winkte. Auf ihn wartend, der hinter ihr her kam. Erst, als er Abstand gering genug war setzte sie das kesse Lächeln auf und grub ihren Arm in den dargebotenen seinerseits, sodass sie zusammen über diese Schwelle treten konnten. Sie hinterließ im Blitzlichtgewitter ein sehr liebevolles Kichern, bevor der Augenaufschlag in seine eindeutige Richtung folgte: "So viele Fachärzte waren nicht mal bei unserer Hochzeit anwesend. Du hast die Einladungen verschwinden lassen, stimmts..?"
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  8. #8 Zitieren
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    "Erwischt.", gab er zu und grinste ertappt, da er natürlich nur ihr kleines Spiel mitspielte, während er sie an wichtig wirkenden Leuten vorbeizog. "Du wärst gekidnappt und nie wieder zu mir zurückgebracht worden. Nur Abu und Edna können deinen Charme im Ansatz widerstehen.", war Leif sich sicher und zog seine Frau fester an sich. Unwissend dass diese Geste dieselbe war wie die eines anderen Paares, nur-...viel weniger grob, sondern hier tatsächlich liebevoll, obgleich er ebenso nur ein Beiwerk dieser umwerfenden Frau war, die ihn durch das Getümmel zog, überall Leute anhielt, grüßte, umarmte, kurze Gespräche führte, um sofort zum nächsten Kontakt zu eilen.
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    Dean hatte viel früher einen völlig anderen Eingang genommen und trat nunmehr durch die übergroße Tür die aussah, als bestünde sie aus zahllosen Fenstern. An seinem Arm "hing" Luceija mehr, als dass sie eine gute Figur machte, was er noch nicht kommentiert hatte. Sie bekamen zu viel Aufmerksamkeit, als dass er sie jetzt würde tadeln können und wenigstens ihr Lächeln war perfekt einstudiert und wurde ihr vermutlich abgekauft. Ganz anders stand es um ihre Haltung. Statt so etwas wie eine natürliche Eleganz besaß diese Frau vor allem die Gabe, alles an ihrem Körper ihre ständige Gleichgültigkeit allem gegenüber ausdrücken zu lassen. Ohne ein paar ihrer Lustmittel war sie kaum in der Lage, gerade und aufrecht zu stehen, geschweige denn ihr Kinn ordentlich anzuheben. Ihre eingezogene, beinahe schon schüchtern wirkende Art wirkte nicht niedlich, sondern schlicht abstoßend. Vor allem dann, wenn man - wie er - wusste, welches Miststück in ihr steckte. Luceija hatte er als regelrecht ungezähmt, gleichzeitig aber völlig depressives wrack kennengelernt. Ihre Vorgeschichte lernte er erst nach und nach, was er aber schnell verstand war, dass sie eine Menge Freizügigkeit und Sex für seine 'medikamentöse Unterstützung' bot. Und ja, natürlich fand er etwas an ihr, begehrte sie und brach sie, auch wenn er es nie so nennen würde, mit der Zeit. Sie war sichtbar jünger als er und das perfekte Beiwerk eines Mannes seiner Position. Gleichzeitig war sie immer noch bildschön, obgleich sie sich verändert hatte. Hier und da positiv, was ihm zu verdanken war. Andererseits gab es Dinge, die sie schon besser gemacht hatte, als sie es heute tat. Dean versuchte nicht erst seit kurzem, sie nach und nach von ihrer Sucht zu trennen, was praktisch nicht funktionierte, weil sie in einen geradezu wahnsinnigen Zustand verfiel, der sie heulen, kotzen und neben morgens und abends sogar mittags und nachts essen ließ, was ihr vormals schmaler Körper kaum vertrug. Objektiv betrachtet war seine Frau immer noch mehr als nur Schlank, manch einer würde immer noch sagen 'dürr'. Doch ihm war die vermeintliche Gewicht, das sie zugelegt hatte, ein unglaublicher Dorn im Auge. Er hatte keine Mittdreißigern geheiratet, um mit einer geschätzt Fünfzigjährigen gesehen zu werden. Diesen Gedanken musste er ihr noch irgendwie...vermitteln, nur was all das im Moment nicht mehr als ein Gedankenspiel. "Denk dran: Halt den Mund, schüttel ein paar Hände, leih den Ladies deinen Lippenstift, was immer ihr Frauen eben so tun müsst.", briefte Dean die Schwarzhaarige ein letztes Mal und zog sie fester an sich und seinen Arm, bevor er lächelnd auf ein erstes, älteres Paar zuging, das soeben aus einem langen, schwarzen Wagen gestiegen war.


    Etwas in der Italienerin gebot ihr, auf der Stelle zu kotzen. Zum Glück gab es noch etwas anderes, was sie wiederum zurückhielt. Erstaunlich gut zurückhielt. Sie irgendwie aufrecht gehen ließ, wer wusste schon ob es genug war, hier an seiner Seite stehen ließ, der die Hand um ihre Hüfte gelegt und sie an sich UND mit sich genommen hatte noch ehe ihr müder Geist zu realisieren bereit war, wofür das hier eigentlich gut war. Sie nickte bestätigend. Nicht nur. Unterwürfig. Ergeben. Und ließ kein Widerwort an die Oberfläche sprudeln, was sich so massivst dem entgegenstellte, was man von ihr gewohnt gewesen war. DAS hier, allein der Kommentar mit dem Lippenstift, wäre eine derartig dreiste Vorlage für die einst temperamentvolle Frau gewesen, dass ihr eigener Mann vermutlich Opfer ihrer Pistole geworden wäre. Nicht aber hier, als nicht die Spur von Temperament, von Leidenschaft, von irgendeiner Emotion aufkeimte. Abgesehen von diesem bezaubernd-eintrainierten Lächeln in ihrem Gesicht, dass ihr eine zärtliche Basis verlieh. Sie war Kunst. Ein Kunstprodukt, geschaffen von ihrem Geist und ihrem Ehemann und ihrer Vergangenheit.

    Wie ein schön drapierter Geist wandelte sie neben ihm und drückte eine Hand nach der anderen - wohlgemerkt immer, nachdem Dean es getan und sie an seiner Seite vorgestellt hatte. "Meine Frau Luceija", hieß es hier. Nie wagte er sie Luci zu nennen, denn von Abkürzungen wie dieser hielt er nichts. Es wirkte nur schwacher. Beschnittener und halbgar. "Meine Frau.", ohne Namen und ohne Identität, wurde sie noch häufiger genannt. Sie bestätigte die Abstinenz jedweder Selbstbestimmung mit einem aufgesetzten Lächeln, dass vielleicht jemanden mitriss, der nichts anderes gewohnt war. Sie wirkte erschöpft ohne lange auf den Beinen gewesen zu sein. Aber umgarnt von einer Professionalität die ganz im Sinne der Gäste war. Sie wollten keine weiteren Patienten sehen. Sie wollten eben das: Glamour. Viel "Schöne Festtage auch euch. Haben Sie heute Abend viel Spaß und probieren Sie bitte das Aperitif - es schmeckt unheimlich gut!", dass sie schon jetzt genau auf diese Weise zwei Mal gesagt hatte.
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  10. #10 Zitieren
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    "Erwischt.", gab er zu und grinste ertappt, da er natürlich nur ihr kleines Spiel mitspielte, während er sie an wichtig wirkenden Leuten vorbeizog. "Du wärst gekidnappt und nie wieder zu mir zurückgebracht worden. Nur Abu und Edna können deinen Charme im Ansatz widerstehen.", war Leif sich sicher und zog seine Frau fester an sich. Unwissend dass diese Geste dieselbe war wie die eines anderen Paares, nur-...viel weniger grob, sondern hier tatsächlich liebevoll, obgleich er ebenso nur ein Beiwerk dieser umwerfenden Frau war, die ihn durch das Getümmel zog, überall Leute anhielt, grüßte, umarmte, kurze Gespräche führte, um sofort zum nächsten Kontakt zu eilen.


    Zur Antwort sandte Sie einmal mehr dieses großherzige Lächeln einer richtigen Persönlichkeit. Sie strahlte aus, was sie täglich leistete, wie so mancher der hier eingeladen worden war. Ihre Verbindung zu dem Pharmaunternehmen war wie alle in diese Richtungen eigentlich eher oberflächlich und trocken, aber niemand, selbst Ärzte die ganz gute Credits verdienten wie sie beide zusammen, ließen sich kaum eine Weihnachtsfeier diesen Kalibers entgehen.

    Und Giusy? Sie.. LIEBTE Weihnachten. In jeder nur kleinsten Art und Form. Die vermutlich zu kitschige Deko, Weihnachtsfilme mit mal mehr mal weniger Romanzen, Geschenke, dem geschmückten Baum, Zimt- und Wald- und Gebäckgeruch überall. Schweden war dafür ein Schlaraffenland und das bekam Leif schon sehr bald zu spüren, als die gebürtige Sizilianerin aus Taormina die gemeinsame Unterkunft in der schwedischen Hauptstadt ausschweifend dekoriert hatte.
    Entsprechend strahlte sie auch. Nicht nur wegen der fielen interessanten Menschen. Sondern vorallem weil sie eben das gemeinsam erleben durften. Und die Location nicht besser hätte sein können.

    "Solange du meinem Charme nicht widerstehen kannst, tesoro mio?", fragte sie.
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  11. #11 Zitieren
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    Die Antwort des Schweden war vorgegeben. Natürlich konnte und wollte er nicht, andernfalls wäre diese Ehe auf Umwegen nie zustande gekommen. Sie beide wussten kaum alles übereinander, was im Falle Giusys wohl nicht weiter tragisch war, doch Leif hatte schlicht Dinge vor ihr verheimlicht, die sie vielleicht von ihm abgebracht hätten. Wenigstens eine Weile lang? Sie wusste nichts von einer bewegten Vergangenheit, er lediglich nicht, wen sie auf dieser Party alles kannte. Offensichtlich aber den Mann, von dem sie seit Sekunden eindringlich beobachtet, schließlich heran gewunken und herzlich begrüßt wurden.

    "Diesen Captain dort vorn versuche ich seit Monaten über seine Frau um den Finger zu wickeln, aber er lässt sich nicht weich klopfen. Besser also du packst dein strahlendstes Lächeln aus, ist das klar?", fragte Dean seine Frau, beachtete sie aber kaum länger als nötig, sondern fuchtelte wild mit seiner Hand, die den anvisierten Gästen bedeuten sollte, sich zu ihnen zu gesellen. Giusy Moretti kannte er schon beinahe so lange, wie er im Geschäft war und hatte sie doch nie zu einem Abendessen überreden können. Erst recht dann nicht mehr, als sie ihren Begleiter heiratete. Dieses beinahe klischeehafteste Exemplar eines Schweden, der hier vor allem durch seine Größe deplatziert wirkte, aber nicht durch sie, sondern mehr durch seine Uniform an Autorität gewann. In seiner enormen Statur wirkte er immer und geradezu absurd größer, je näher er Dean und Luceija kam. Als der stellvertretende CEO dem Europäer die Hand gab, wurde er gefühlt von ihr verschlungen. Es waren deutlich zu große, beinahe unmännlich weiche Hände, die sich nur durch den Beruf und die Fachrichtung des Arztes erklären ließen. "Major...", nickte Dean betont freundlich und sah leicht nach oben, "...oder ist der Doktor Ihnen lieber?", wollte er wissen und dadurch ein Fettnäpfchen vermeiden, noch bevor der Riese seine Hand wieder aus dem Griff nahm. "Leif tut's auch. Giusy hat mir erzählt, dass sie Sie bereits seit langem kennt, also keine falsche Bescheidenheit.", entschärfte der Blonde und seinem Gegenüber missfiel kurz, wie gönnerhaft diese Sache seitens des Arztes herüberkam. Er lächelte es jedoch weg, nickte erneut, begrüßte dann Giusy selbst und bediente sich eines altbacken wirkenden Handkusses, bevor er den Abschluss dieser notwendigen Begrüßung einläutete, kurz auf Luceija deutete und sie mit "Meine Frau", vorstellte, was eben den Effekt hatte, den er zu erreichen versuchte: Niemand beachtete sie besonders ausführlich. Giusy besah sie kurz, nickte, sandte ein Lächeln zum schwach werden und ihr Mann selbst nickte nur, schien über die deutlich kleinere Frau hinwegzusehen, obgleich er sie kurz ansah und ihr die Hand gab, bevor er sie wieder in der Hosentasche verschwinden ließ. "Maj-...Leif, Giusy, bitte nehmen Sie unsere Einladung an und sitzen heute Abend an unserem Tisch, ja? Er bietet den absolut besten Blick auf die Bühne und wenn wir mit dem Hauptgang fertig sind, dann lässt sich doch hier und da noch übers Geschäft sprechen, nicht wahr?", lachte der Amerikaner etwas zu hoch und erntete eine angezogene Braue des Arztes, der kurz zu seiner Frau sah, die zusichernd nickte. "Unbedingt!", antwortete die offensichtliche Südländerin und schmiegte sich enger an ihren Ehemann. "Bevor ich heute Abend auch nur einen zusichernden Handschlag mache, will ich wissen wo die Bar ist.", verkündete der Chirurg mit einem Grinsen. "Gerüchten zufolge wird heute Abend der beste Wein gereicht, aber Sie müssen wissen-...ich bin vielleicht mit einer Italienerin verheiratet, aber alles andere als ein Fan dieser-....Landesspezialität.", schloss er sarkastisch und sah Rhodes fragend an, der kurz überfordert schien. "Im östlichen Flügel hat unsere große Bar bereits jetzt geöffnet, falls Sie sich schon umsehen möchten. Die Bar im Hauptsaal öffnet erst mit dem Bankett, was noch ein wenig dauernd wird, also-...bitte, tun Sie sich keinen Zwang an."
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  12. #12 Zitieren
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    Manche Gefühle konnte man keinem anderen erklären. Sie brachen in absoluter Schnelligkeit aus einem heraus und hinterließen ein verheerendes Inferno, brannten alles nieder was auf ihrem Weg gelegen hatte und ließen Zerstörung zurück. So in etwa hätte ein möglicher Ansatz aussehen können, aber gänzlich beschreiben konnte kein einziges, profanes Wort eben das, was manchmal in Menschen vorgehen konnte. Dafür war es zu komplex, ausgelöst von viel zu einfachen, unscheinbar geltenden oder unwichtig genannten Ereignissen, die es aber schafften ein gesamtes Leben auf den buchstäblichen Kopf zu stellen. Gefühle, Emotionen, so groß, schwer und verfänglich, dass sie das Potenzial hatten jeglichen, meterdicken Zement zu sprengen, den man über sie gekippt hatte, weil es schlicht zu schmerzlich war wenn man sie zugelassen hatte. Gefühle wie der sinnbildliche Einschlag eines Blitzes bei einem Gewitter.

    Diesen Einschlag erlebte Luceija hoffnungslos unvorbereitet und zu einem so gänzlich unpassenden Zeitpunkt. Gerade ein Wimpernschlag bevor es soweit gewesen war, hatte sie stillschweigend aber wundervoll-drapiert lächelnd neben ihrem Ehemann gestanden. Deans Hand etwas zu fest in ihre äußerst schmale Taille greifen lassen - die linke, definitiv unbrauchbare Hand kaschiert und die rechte locker an ihren Unterarm gelegt, ihren Ehering glänzend präsentiert wie eine Trophäe, die allen aussagte, dass sie vergeben, verheiratet und eben diesem schön anzusehenen, überaus professionellen, beanzugten Mann zugetan war. Sie brillierte in ihrer Rolle, die nichts anderes als eine solche war. Aber sie bröckelte, nein, sprengte sich in Milliarden kleinster Teile, als sie vollständig unerwartet aus ihren abwesenden, verklärten, grünen Augen heraus beobachete, wer die wenigen, breiten Treppen dieser Eingangshalle hinauf stieg.

    Sie musste glauben sich um gänzlich falschen Film zu befinden. Gefangen in der Farce die ihr Leben schrieb. Sich fragend, ob oder ob nicht irgendeine höhere Macht dieses Szenario zusammensetzte und sie noch immer nicht genug hatte leiden lassen. Ihr Lächeln war eingefroren und wirkte noch viel mehr fehl an ihrem Platz als das sie nur noch weiter schmälernde und zierlicher präsentierende, dünne, helle Kleid an ihrem Körper.

    Er hatte immer diese eine Gabe gehabt: Die, ein gesamtes Universum nur mit seiner Präsenz anhalten zu können wie es niemand neben ihm konnte. Einen Raum vollständig einzunehmen, nur dadurch, dass er sein Lächeln und die wachen, grauen Augen über seine Umwelt schweifen ließ. Anderen jede Möglichkeit an Luft zu nehmen, sie sogar regelrecht aus den Lungen der Anwesenden zu pressen, weil nichts, so absolut garnichts seiner würdig schien. Eine unendlich gutherzige, lebendige, idealistische, reinliche, liebevolle, humorvolle und zuversichtliche Aura zu schaffen, innerhalb eines kurzen Augenaufschlages. Genau jenen, den sie beinahe verpasst hatte, weil Luceija völlig und vollständig innerhalb vom kleinsten Teilchen einer Sekunde von ihm eingenommen wurde. Von seinem Lächeln. Von seinen Augen. Von einer regelrechten Zeitlupe, die sie nicht mehr losließ und zu spät realisieren ließ, dass sie eben nicht alleine waren. Und viel zu sehr sichtbar wurde, eben viel zu offensichtlich, dass es diesen Schlag gegeben hatte und in eben jener Sekunde ein Herz in ihrer Brust zu schlagen begonnen hatte.

    Luci hatte nicht geglaubt dass noch einmal etwas so sehr weh tun konnte wie das hier und sie flehte, sie wimmerte und schrie und verlangte in ihrem Inneren so sehr, es möge aufhören. Nach acht verdammten Jahren konnte es niemals wieder so sein wie früher, richtig? Es war irreal. Ein absoluter Unsinn, den ihr Körper nicht interessierte. Alles was der Sizilianerin blieb war, ihren Kopf mit dem längst festgefrorenen, dezenten, müden und abwesenden Lächeln und Blick zu senken, als biedere sie sich auf diese winzige Weise den Gästen an, denen sie urplötzlich gegenüber stand. Nur um ihr eigener Zuschauer zu sein, in hinterster Reihe zu sitzen und sich dabei zu beobachten, wie sich ihre Hand automatisiert, eine gesellschaftliche Gepflogenheit abarbeitend, seiner näherte um sie zu schütteln.
    Ein zweiter, noch viel heftigerer Schlag traf die Verheiratete und ihr wurde schummrig. Kaum, dass sie seine weiche Haut berührt hatte, hatte er die Hand wieder aus ihrer gezogen und das, was vielleicht ein romantischer Moment in einer alternativen Welt hätte werden können nichts weiter war, als Professionalität. Ein kurzes, neutrales Nicken, dass Luceija nach der kurzen, trockenen Vorstellung als "Meine Frau." eben genau als jene abhakte und vermerkte. Er würdigte sie kaum eines Blickes. Schien sie wie zu übergehen, als sei es egal ob sie existiere oder nicht.

    Sie tauchte aus dieser einnehmenden, luftleeren Blase auf, kaum, dass die Hand ihre verlassen hatte und wie heraus aus einer Schockstarre. Kurz noch im Glauben, es hätte einen Moment lang denselben Effekt gehabt wie ihre Begegnung auf Proteus, damals, vor acht verflucht langen Jahren irgendwann im Sommer. Aber wie dumm war sie eigentlich? Wie viele Erinnerungen hatte sie vergraben, als sie so vehement versucht hatte diesen Mann aus ihren Erinnerungen zu kratzen?! Da war diese Verhandlung gewesen. Seine. Und ihre Aussage die alles zerstört hatte, aber ja, diese wundervollen Hände, eben irgendwie rettete. Dass er sie nun nicht einmal mehr wirklich wahrnahm, war so quälend schmerzlich und wohltuend zugleich. Denn es war die Reaktion, die sie sich eigentlich erhofft hatte um alles hinter sich lassen zu können. Sie waren eben...rein garnichts mehr. Nicht einmal mehr bekannte. Ganz gleich was dieses stetig pochende Herz dazu sagte. Aber nichts, kein einziger Schlag, keine Demütigung, kein Blick auf ihr Leben, rein garnichts tat ihr im Moment so sehr weh wie das.

    Insbesondere dann, als sie sah, was sie unweigerlich sehen musste. WEN sie sehen musste. Eine verdammte Schönheit. Ein-..fleischgewordenes Agenturphoto auf hohen aber zarten Riemchenschuhen, mit sonnengebräunter, gesunder Haut, einem erstklassigen und so makellosen Teint, der dem, was noch kam, trotzdem nicht die Show stehlen konnte. Sie war unweigerlich genau die Art von Perfektion die Luceija immer Angst gemacht hatte. Mit wunderschönen, längeren, brandschwarzen und zu sanften Locken gedrehten Haaren, funkelnden, grünen Augen und einem so bestechenden und alles andere als falschen, breiten, weißen Lächeln dass es surreal schien. Dass sie sich beinahe selbst in diese Frau verliebt hätte und es-..so sehr hasste zu wissen, was es war, was da an ihrem schlanken Finger lag. Unverkennbar. Groß, sicherlich schweineteuer. Sie wirkte nett. Wirklich verdammt nett, nicht arrogant, nicht gespielt, sondern natürlich, einfach-...genau so, wie sie nicht war und-...vielleicht auch niemals werden konnte.



    SIE, Giusy Svensson, beachtete die Dame ihr gegenüber mit einer sehr offenen und sympathischen Aufmerksamkeit. Sie nahm sie wahr, nickte, scannte sie mit ihrem hellen Blick und nahm wohlwollend das hübsche Kleid der bislang Stummen wahr. Sie glaubte, sie heute noch fragen zu müssen woher sie es habe, aber erwartete keine gewinnbringende Antwort ihres Gegenübers. 'Distale Radiusfraktur..?', überlegte sie, als ihr Blick auf das Handgelenk der Zierlichen fiel und - ha - direkt bemerkte, dass sie eben doch eine Ärztin war, die einfach nicht mit ihrer Arbeit abschließen konnte. Kurz sah sie sorgenvoll zu ihr, glaubte, der abwesende Blick hätte eventuell etwas hiermit zu tun, wollte ihr aber nicht direkt vorwerfen eventuell nur eine kopflose Frau zu sein die hier nur optische Dienste leistete. Kennengelernt hatte sie sie ja bislang noch nicht. Deshalb lächelte sie ihr wieder entgegen, ehrlich, offen, bevor ihr Blick zurück zum Mann neben der Fremden huschte, auch ihn vollständig wahrnahm und sich so vollständig über die Einladung freute, am besten Tisch des Hauses zu speisen. Nur zu gerne drückte sie sich zurück an den Arm ihres Ehemannes, der sein Interesse anderswo sah.


    Luceija badete in dieser Stimme, die sie niemals glaubte wieder zu hören. Egal, welche schmerzenden Worte sie sprach. Egal, ob er einen Namen für die bildschöne Begleitung hatte und so beiläufig dreist diese Ehe feststellte, in die er sich offenbar wieder begeben hatte, dass sie nichts anderes als annehmen musste, dass es, ebenso wie sein Kommentar zu italienischen Weinen, eben der vernichtende Kommentar war, der ihr zeigte, dass er sie durchaus wahrgenommen hatte. Wahrgenommen, gesehen, für nichtig befunden hatte. Vielleicht war es so, vielleicht nicht. Sie wusste nichts mehr. Garnichts mehr. Und jede weitere Sekunde wurde unendlich unangenehm. Und davon...sollte es wohl noch so viele mehr geben, wie sie der Einladung Deans entnahm. Also nur der Beginn des Weges, tiefer in die unaufhaltsame Höllenspirale.
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  13. #13 Zitieren
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    "Ja, Liebling, tu dir keinen Zwang an.", pfiff Giusy heiter und lachte ausgelassen, konnte aber ihren Blick nicht von Dean's Frau abwenden. "Vielleicht geht ihr beiden einfach schon mal vor und vielleicht kann-...Mrs. Rhodes mir zeigen, wo ich die Toiletten finde? Nur wenn es gerade auch wirklich passt...?", erkundigte sie sich zaghaft und bemerkte, wie absurd ihre Bitte gegenüber der (quasi) Gastgeberin wohl wirken mochte. Doch der Ehemann der Schwarzhaarigen schien nicht abgeneigt, entließ seine Liebste, so mochte man meinen, gab sie für Giusy frei und wandte sich Leif zu. "Dann zeige ich Ihnen wohl die Bar, hm?", bot er dem Schweden freimütig an, der diese ungeahnte Wendung schulterzuckend und schließlich mit einem Grinsen hinnahm. "Ich werd' mich nicht wehren.", gab der Arzt bekannt und ließ die Hand seiner Frau los, nicht aber, ohne ihr einen beiläufigen Kuss auf die Stirn zu drücken, bevor er sich abwandte und die Frauen sich selbst überließ.
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  14. #14 Zitieren
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    "Ja, Liebling, tu dir keinen Zwang an.", pfiff Giusy heiter und lachte ausgelassen, konnte aber ihren Blick nicht von Dean's Frau abwenden. "Vielleicht geht ihr beiden einfach schon mal vor und vielleicht kann-...Mrs. Rhodes mir zeigen, wo ich die Toiletten finde? Nur wenn es gerade auch wirklich passt...?", erkundigte sie sich zaghaft und bemerkte, wie absurd ihre Bitte gegenüber der (quasi) Gastgeberin wohl wirken mochte. Doch der Ehemann der Schwarzhaarigen schien nicht abgeneigt, entließ seine Liebste, so mochte man meinen, gab sie für Giusy frei und wandte sich Leif zu. "Dann zeige ich Ihnen wohl die Bar, hm?", bot er dem Schweden freimütig an, der diese ungeahnte Wendung schulterzuckend und schließlich mit einem Grinsen hinnahm. "Ich werd' mich nicht wehren.", gab der Arzt bekannt und ließ die Hand seiner Frau los, nicht aber, ohne ihr einen beiläufigen Kuss auf die Stirn zu drücken, bevor er sich abwandte und die Frauen sich selbst überließ.


    Wie automatisiert nickte Luceija. Sie wusste kaum, wie ihr geschah. Sie hätte vielleicht nein sagen sollen, sich übermannen lassen von der inneren Panik die sie sich machte, als die Bildschöne, diese-...Frau ihres Exfreundes eine künstlich geschaffene Zweisamkeit einforderte. Es fühlte sich so unnötig gefährlich an. In ihrer Gegenwart fühlte sie sich nicht nur physisch, sondern tatsächlich kleiner, weil die einnehmende Art ihres Charmes die Umgebung zu bezaubern schien. Luceijas Herz war gebrochen. Vollständig. Alles von dem was pochende Schmerzen in sie aussandte war gebrochen. Die Endgültigkeit saß in jedem ihrer Schritte, ihre Haltung, die sich außerhalb des Kreises von Dean ein wenig verschlechtert hatte, drückte unbewusst etwas seltsames aus und passte zu gut in diese Schublade eines rein vorzeigbaren Püppchens an Deans Seite.

    Luceija sagte kein Wort. Gab aber mit ihren Schritten den Weg innerhalb eines Gebäudes an, den sie hatte lernen müssen, kaum, dass sie hier angekommen waren. Die Schwarzhaarige an vielen Personen vorbei in Richtung der noch nahezu leeren Toiletten führte. Und sie, als sie über die Schulter sah, keinen Leif mehr dort stehen sah. Fast so, als sei die Illusion seiner Anwesenheit einfach so wieder verpufft..
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  15. #15 Zitieren
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    Wie automatisiert nickte Luceija. Sie wusste kaum, wie ihr geschah. Sie hätte vielleicht nein sagen sollen, sich übermannen lassen von der inneren Panik die sie sich machte, als die Bildschöne, diese-...Frau ihres Exfreundes eine künstlich geschaffene Zweisamkeit einforderte. Es fühlte sich so unnötig gefährlich an. In ihrer Gegenwart fühlte sie sich nicht nur physisch, sondern tatsächlich kleiner, weil die einnehmende Art ihres Charmes die Umgebung zu bezaubern schien. Luceijas Herz war gebrochen. Vollständig. Alles von dem was pochende Schmerzen in sie aussandte war gebrochen. Die Endgültigkeit saß in jedem ihrer Schritte, ihre Haltung, die sich außerhalb des Kreises von Dean ein wenig verschlechtert hatte, drückte unbewusst etwas seltsames aus und passte zu gut in diese Schublade eines rein vorzeigbaren Püppchens an Deans Seite.

    Luceija sagte kein Wort. Gab aber mit ihren Schritten den Weg innerhalb eines Gebäudes an, den sie hatte lernen müssen, kaum, dass sie hier angekommen waren. Die Schwarzhaarige an vielen Personen vorbei in Richtung der noch nahezu leeren Toiletten führte. Und sie, als sie über die Schulter sah, keinen Leif mehr dort stehen sah. Fast so, als sei die Illusion seiner Anwesenheit einfach so wieder verpufft..


    "Herrlich, vielen Dank!", begrüßte Giusy die Ruhe der abgelegenen Toiletten, die noch nicht einmal wirklich beleuchtet waren, so früher Abend war es noch. "Meine Füße fühlen sich jetzt schon an, als wären sie zu groß für diese hohen Schuhe.", lachte die Italienerin ihre Begleiterin an, die wortlos mit ihr in den Vorraum der sanitären Anlagen getreten war und sie verstohlen musterte. "Ich hoffe jedes Mal, dass es an einer Schwangerschaft liegt, aber wahrscheinlich verbringe ich einfach zu viel Zeit in diesen Dingern, wer weiß.", murrte sie halb ernst, fische nebenbei einen dunkelroten Lippenstift aus ihrer Tasche und positionierte sich möglichst nah an einem der tief hängenden Spiegel. "Haben Sie und Dean eigentlich Kinder?"
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  16. #16 Zitieren
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    "Herrlich, vielen Dank!", begrüßte Giusy die Ruhe der abgelegenen Toiletten, die noch nicht einmal wirklich beleuchtet waren, so früher Abend war es noch. "Meine Füße fühlen sich jetzt schon an, als wären sie zu groß für diese hohen Schuhe.", lachte die Italienerin ihre Begleiterin an, die wortlos mit ihr in den Vorraum der sanitären Anlagen getreten war und sie verstohlen musterte. "Ich hoffe jedes Mal, dass es an einer Schwangerschaft liegt, aber wahrscheinlich verbringe ich einfach zu viel Zeit in diesen Dingern, wer weiß.", murrte sie halb ernst, fische nebenbei einen dunkelroten Lippenstift aus ihrer Tasche und positionierte sich möglichst nah an einem der tief hängenden Spiegel. "Haben Sie und Dean eigentlich Kinder?"


    Vermutlich war das eine Art persönlicher Alptraum. Einer der sie wie eine japanische Geisha stumm und etwas zu unterwürfig vor der ebenfalls Italienerin her laufen und ihr den Weg weisen ließ. Sie schluckte alles herunter was sie sagte. Jede Zukunftprognose, die sie mit Leif wohl teilte und hatte das Gefühl, viel...oh SO viel zu tief in eine Privatsphäre zu tauchen die sie nichts mehr anging. Und sie hätte eben das auch respektieren müssen. Niemandem das Gefühl geben sollen, als sei sie nichts weiter als Neugierig. Als habe sie auf eben diesen Moment gewartet und sich wie ein Parasit an Leifs weiteres Leben geheftet, wartend auf den richtigen Moment um Blut zu saugen. Und vor allem, so wusste sie, hätte sie einfach weiter still sein und es aussitzen müssen. Unsicher, ob sie hier bleiben sollte, wenn die Italienerin auf die Toilette gehen wollte oder ob sie einfach nur ein peinliches Gespräch aufnahm um ihr zu signalisieren, dass sie besser gehen sollte..
    Nichts desto trotz erhielt sie die Antwort mit einem schwachen Lächeln und nur in Form von ebenso trägem Kopfschütteln, der ihre im Vergleich zu früher, deutlich kürzeren, glatten Haare in eine sanfte Bewegung brachte. Und ihr Blick, der erst noch an den roten Lippen der temperamentvollen Schönen hing, zurück diskret gen Boden ging.
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  17. #17 Zitieren
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    "Hmm-...Vielleicht gut so? Sie beide sind sicher viel beschäftigt.", vermutete die Italienerin und zog den roten Stift ein letztes Mal über ihre vollen Lippen. Langsam und bedachte steckte sie dann die Abdeckung wieder darauf, verstaute das teure Utensil in ihrer Tasche und schloss sie, ehe sie Luceija, deren Vornamen sie bisher nicht einmal kannte, wieder ansah. Eindringlicher als zuvor. "Lass Sie mich Ihre Hand ansehen.", forderte sie sanft und kam der quasi Fremden ein Stück näher, wartete nicht auf Antwort oder Erlaubnis, sondern griff ebenso zaghaft die schmale Hand, die eine leichte Schwellung aufwies, die aber wohl vor allem Fachleute wahrnehmen würden, wenn die Betroffene ihr Handgelenk nicht gerade geschickt kaschierte. "Wie kommen Sie dazu? Ein Unfall?"
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  18. #18 Zitieren
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Ein erster Instinkt ließ sie einen Rückwärtsschritt tun, der die Sizilianerin beinahe ins Ungleichgewicht gebracht hätte. Sie wich damit aus, zeigte eine vor dieser Ewigkeit nicht dagewesene Unsicherheit und war schließlich doch wehrlos, während die Fremde ihre Hand einfach so in ihre nahm. Und der der sie gehörte einen weiteren, kleineren, unangenehmen Stich ins Herz versetzte. Sie war nicht im geringsten unsanft gewesen. Nicht brutal. Einfach nur direkt. Und dennoch schien sich in diesem Moment der Schmerz dieses Bruches zu vervielfachen. Der Ärmel musste hierfür kaum den zu schlanken Arm hinaufgeschoben werden.

    Sie zuckte mit den Schultern. Natürlich wusste Luceija, woher sie sich diesen Bruch eingefangen hatte, der selbst bei kleinen Bewegungen unsäglich schmerzte. Dafür verantwortlich? Eine zu enge Handschelle, ein Wutanfall und ein gezielter, aber kaschiert 'zufälliger' Tritt. Offiziell war es eine viel simplere Antwort. Aber sie antwortete erst gar nicht. Und nur viel zu zögerlich. Viel zu lange später, mit diesem Akzenthauch, den sie hier ein bisschen weniger zurückzuhalten versuchte: "Ich bin hingefallen." Die verdammt dümmste aller Ausreden. Auf der Leiter der Unsinnigkeiten war eben das knapp hinter einem 'Ich bin die Treppe heruntergefallen'. Wie verflucht lächerlich sie sich vorkam..
    Luceija ist offline

  19. #19 Zitieren
    Mythos Avatar von AeiaCarol
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    Tatsächlich war diese Aussage lächerlich, doch Giusy ließ sich nichts dergleichen anmerken und lächelte herzlich, so als kaufe sie ihrer Genossin die knappe Geschichte ab. "Lassen Sie mich raten, Sie sind auf der Kante der Treppenstufe gelandet? Ist mir auch schon passiert.", log sie ungeniert und gab die Hand der hübschen Schwarzhaarigen frei. "Aber sie sollten das umgehend behandeln lassen. Mein Ehemann ist Unfallchirurg und ein exzellenter dazu. Er wird später einen Blick darauf werfen und im besten Fall kann er Ihnen morgen in seiner Praxis auch tatsächlich helfen. Betrunken sollte er wohl keinen Gips oder dergleichen anlegen. Was denken Sie?"
    AeiaCarol ist offline

  20. #20 Zitieren
    Fionda per cereali  Avatar von Luceija
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    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
    Zitat Zitat von AeiaCarol Beitrag anzeigen
    Tatsächlich war diese Aussage lächerlich, doch Giusy ließ sich nichts dergleichen anmerken und lächelte herzlich, so als kaufe sie ihrer Genossin die knappe Geschichte ab. "Lassen Sie mich raten, Sie sind auf der Kante der Treppenstufe gelandet? Ist mir auch schon passiert.", log sie ungeniert und gab die Hand der hübschen Schwarzhaarigen frei. "Aber sie sollten das umgehend behandeln lassen. Mein Ehemann ist Unfallchirurg und ein exzellenter dazu. Er wird später einen Blick darauf werfen und im besten Fall kann er Ihnen morgen in seiner Praxis auch tatsächlich helfen. Betrunken sollte er wohl keinen Gips oder dergleichen anlegen. Was denken Sie?"


    "Auf keinen Fall", sagte sie viel zu schnell und schickte einen inneren Fluch an sich selbst. Senkte einmal mehr den Kopf, nahm die Hand zurück, als habe ihr die Italienerin versucht ihr Gelenk für ein neues Auto zu verkaufen. Sie reagierte viel zu plötzlich für ihren Geschmack und fragte sich sofort, ob es irgendjemand hätte sehen können, ob es-...
    Niemand sah es. Niemand außer sie beide waren gerade hier. Die letzte Frau war vor 2 Minuten nach dem Händewaschen nach draußen verschwunden und hatte die behelfsmäßige Untersuchung eben nichtmal gesehen. Nichts desto trotz stotterte Luci eine entschuldigende, sizilianische Phrase und schob sich die gerademal etwas mehr als schulterlangen, tiefdunklen Haare mit der gesunden Hand hinter ihr Ohr, während die andere Seite jenen Platz stur nicht einnehmen wollte.
    "Mi dispiaci...assai..*" *Es tut mir sehr leid. (Sizilianisch)

    "Ich bin...sicher er könnte das und ich...danke für das Angebot. Aber es wird schon besser. Falls nicht, nehme ich Ihr Angebot sicher irgendwann an.", versuchte sie sich darin die unangenehme Situation zu überspielen und log sie direkt an. Sie würde dieses Angebot niemals annehmen können.
    Luceija ist offline

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