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Lesekreis

  1. #21 Zitieren
    Bücherwolf  Avatar von HerrFenrisWolf
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    Das mit dem Theater hast du wahrscheinlich besser begriffen als ich. Ich stand bei der Beschreibung auf der Leitung und dachte, vielleicht handelt es sich um ein Bordell. So wie du es darlegst, macht es weit mehr Sinn. Stimmt schon. Wobei ich denke, dass Will gezwungen wird sich zu verändern, während Jim es nicht erwarten kann. Sprich der Zirkus/der Sturm ist die äußerliche Kraft, die beide Jungen erfasst und verändern wird, ob sie es wollen oder nicht.

    Woraus ich bisher nicht schlau werde, ist Wills Vater. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass beide Jungen ohne Vater aufwachsen. Jims Vater ist tot. Wills Vater ist zu unfähig mit seinem Sohn umzugehen. Ich weiß nicht, ob ihre Beziehung immer schon so war, auf mich macht es zumindest den Eindruck. Das Entfremden von den Eltern, ist Teil des Erwachsenwerdens. Will und sein Vater scheinen sich sehr zu ähneln, aber ihnen fehlt völlig der Draht zueinander.
    HerrFenrisWolf ist offline

  2. #22 Zitieren
    Trillionär  Avatar von void
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    Ja, bei Wills Vater habe ich mich gefragt, was für eine Rolle er spielen wird. Denn irgendwie scheint er mir doch auch in den Einflusskreis des Zirkus gekommen zu sein. Müsste ich aus meinen bisherigen Erfahrungen mit solchen Konstellationen ableiten, was passieren wird, würde ich sagen, dass die beiden wohl noch den Draht zueinander finden werden, vielleicht weil Wills Vater ihm in der Not hilft, oder so. Mal sehen, bin gespannt
    void ist offline

  3. #23 Zitieren
    Trillionär  Avatar von void
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    Ich bin durch.

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    Und ehrlich gesagt etwas negativ überrascht. Ist die Moral der Geschichte: Gib deinem Sohn ein paar heftige Ohrfeigen, dann reißt er sich zusammen und alles wird gut? "Vor den Hieben flogen alle Tränen davon. Keine einzige blieb zurück". Oder ist die Moral vielleicht: Wenn einem etwas schlechtes passiert, dann sollte man seine wahren Gefühle unterdrücken und einfach versuchen, trotzdem fröhlich zu sein - und dadurch lösen sich dann die Probleme in Luft auf? Und was ist mit dieser mehrmals wiederkehrenden problematischen Assoziation zwischen dem Bösen schlechthin und Zigeunern? Bzw. auch die negative Konnotation von Behinderten und körperlich ungewöhnlichen Menschen (im Buch kollektiv Missgeburten). Und über Frauen weiß der Autor folgendes zu sagen: "Frauen leben vom Tratsch, und was ist Tratsch schon anderes als ein Schleim aus Kopfschmerzen [...]" Und ein herrlicher Beziehungsratgeber ist er offenbar auch, mit mehreren Hinweisen wie: "Ein Mann und eine Frau gehen nicht voneinander, sie bringen einander nicht um, sondern sie martern einander ein Leben lang, reißen sich die Haare, die Fingernägel einzeln aus, und die Qual des einen ist dem anderen das Narkotikum, das ein Leben erst lebenswert macht." Es wirkt, als würde Bradbury vielfach über einen sehr kleinen Teller nicht hinausblicken können und als wären ihm essentielle Wahrheiten bezüglich Mitmenschen, Frauen, Erziehung, etc verwehrt gelieben. Bezüglich seiner Aussprache bleibe ich der Meinung, dass er sehr schön Bilder und Stimmungen erzeugen kann. Umso trauriger. Narrativ ist die Geschichte wohl zumindest durchschnittlich, es gibt eine konsistente Handlung, einen klassischen Spannungsaufbau usw.
    void ist offline

  4. #24 Zitieren
    Bücherwolf  Avatar von HerrFenrisWolf
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    Ich werde erst am Montag wieder zum Lesen kommen, denke ich.
    HerrFenrisWolf ist offline

  5. #25 Zitieren
    Bücherwolf  Avatar von HerrFenrisWolf
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    Bin jetzt auf Seite 260, wir können bestimmt Sonntag/Montag über das ganze Buch fabulieren.
    HerrFenrisWolf ist offline

  6. #26 Zitieren
    Trillionär  Avatar von void
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    Gut Bin gespannt, was du dazu sagst^^ Wahrscheinlich nicht das Selbe wie ich...
    void ist offline

  7. #27 Zitieren
    Bücherwolf  Avatar von HerrFenrisWolf
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    Also ich bin durch. Die zweite Hälfte las sich dann wieder ähnlich schnell weg, man musste eben nur anfangen.
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    Also ich fand es wurde noch sehr spannend. Speziell die Stelle, als sich die Jungs unter dem Gitterrost vor dem Zigarrenladen verstecken, der Vater begreift und seine erste Auseinandersetzung mit M Dark hat, fand ich grandios. Auch wegen dem Versteck, wie oft hab ich als Kind solche Gitter hinab gesehen und mich gefragt, wie es wäre da unten zu sein? Will ist bis dahin wirklich aktiver geworden. Nach der Prügelei mit Jim, fordert er seinen Vater heraus (was eine Annäherung bewirkt) und nimmt es schließlich im Alleingang mit der Hexe im Ballon auf.

    Für mich nährt die Szene nochmal dieses Eis/Sturm Motiv des Zirkus. Jim bereut es in seiner Hybris den okkulten Blitzableiter vom Dach genommen zu haben. Wobei ich bezweifle, dass der etwas gegen den Zirkus ausgerichtet hätte, so wie M Dark in der Bibliothek über die Bibel spricht. S.255: „Haben Sie jemals darin gelesen M Dark?“ „Gelesen! Jede Seite, jeder Absatz, jedes einzelne Wort ist mir an den Kopf geworfen Sir! …Halten Sie Naivität wirklich für Ihre beste Waffe? ... Haben Sie erwartet, dass ich mich nun vor Ihren Augen in tausend zuckende Stückchen auflöse?“

    Hier, bzw. spätestens bei der Konfronatation M Dark und Chris Halloway wechselt der Scheinwerfer von Jim weg, hin zu Wills Vater. Man könnte argumentieren, dass Jim seinem Freund bereits zu sehr entglitten ist, während sich der Vater ihm annäherte. Aber eigentlich waren die beiden doch nach dem Polizeirevier wieder auf Augenhöhe miteinander und Jim bereute seine Entscheidungen. Als der Vater in der Bibliothek die Kinder über den Zirkus aufklärt, bekommen wir auch eine zeitliche Einordnung der Geschichte, sie spielt ca. 1930 und damit in Ray Bradburys eigener Kindheit.
    Manche der Erklärungen die Wills Vater gibt, finde ich extrem gut geschrieben und unfassbar zitierwürdig:

    S.235: „Im ganzen Land liegen heute Abend Städte, Dörfer und winzige Ortschaften voller Narren. Der Zirkus fließt vorbei, rüttelt an jedem Baum. Es regnet Idioten."

    S.245: „Die meisten Menschen sind doch begierig nach einer Gelegenheit, alles für nichts aufzugeben. Mit nichts anderem gehen wir so nachlässig um wie mit unseren unsterblichen Seelen. … Wozu braucht Mephistopheles eine Seele? … Diese Kreaturen brauchen das Leuchtgas aus den Seelen, die nachts keinen Schlaf finden und am Tage wegen alter Sünden fiebern. Eine tote Seele lässt sich nicht entzünden. Aber eine lebende, zerquälte Seele, heiß von Selbstanklage – ja, das ist das Richtige für solche wie die!“

    - das ist für mich speziell eine Wow-Stelle, weil ich das Gefühl habe meine eigene Gemütsfassung darin wiederzuerkennen, was wohl jeden empfindsamen Menschen trifft

    S.247: „Der Tod existiert nicht. Es hat ihn nie gegeben, es wird ihn nie geben. … Aber er ist nichts weiter als eine stehen gebliebene Uhr, ein Verlust, ein Ende. Nichts. Und der Zirkus ist klug genug zu wissen, dass wir uns vor dem Nichts mehr fürchten als vor dem Etwas.“

    Die letzte Erklärung erschien mir eher banal, bis ich sie vorhin nochmal gelesen habe. Sie ist wichtig das Ende betreffend.

    Die Auseinandersetzung zwischen Dark und Chris Halloway in der Bibliothek war nochmal ein Wow-Moment für mich. Denn die Art wie Dark den alten Mann verführen will, versucht Druck auf ihn auszuüben, die ist fantastisch. Das abzählen von Sekunden wie Jahre und anschließende betonen, wie der Mann seine Möglichketen verschwendet, ist diabolisch und gleichzeitig schon prototypisches Verkäufergeschwätz "Verknappung durch zeitliche Begrenzung." damit schaffen Verkäufer/Vertriebler die Illusion von Handlungsdruck.... alles für nichts.

    Als die Staubhexe Wills Vater das Herz anhält, hatte ich tatsächlich Angst um die Figur. Es mag kitschig erscheinen, dass er ich ins Leben zurücklacht, weil er über sich selbst lacht und damit die Hexe in die Flucht schlägt, aber bei all dem "der Zirkus nährt sich von Leid & Trauer" Gerede ist das durchaus konsequent. Deswegen gefiel mir auch die Szene mit dem Gewehr und wie Chis Halloway mit der Hexe und der Menschenmenge umgeht.

    Jim wird bis dahin nicht nur durch Passivitiät, sondern pure Nichtbeachtung für mich leider etwas degradiert. Er ist dann eben der Einsatz um den zum Schluss gespielt wird. Man hat nur zwischendurch nochmal etwas Jim-Action, weil Dark ihm das Angebot macht, den Zirkus mit ihm zu leiten, sollte M Cooger nicht zu retten sein. Cooger zerfällt schließlich zu staub. Ich glaube die Illustration von Nightshade & Dark trägt da viel zur Stimmung bei.

    Schön finde ich, wie der Vater nicht auf Darks List hereinfällt. Die Szene in der sie Jim wiederbeleben, für die Chris seinen Sohn sogar schlägt, war ein einziges großer WTF für mich. Das wirkt nicht wie ehrliche Freude, eher wie ein manischer, an Wahnsinn grenzender Totentanz. Aber ok es wirkt... ich dachte gestern noch, das Ende versaut das ganze Buch. dann habe ich die Stelle über den Tod nochmal gelesen, die setzt die Szene für mich in eine neue Perspektive. Vielleicht war Jim gar nicht Tod, sondern das war die letzte Drohung des Zirkus, die letzte Illusion alles für nichts herzugeben, der Trauer einheimzufallen und den Zirkus zu füttern, bis er Will und Chris besiegt. Deswegen lässt sich diese Illusion genauso überwinden, wie die Spiegel oder die Hexe.

    Das sie am Ende das Karussell zertrümmern, um nicht der Versuchung nachzugeben selbst der Zirkus zu werden, finde ich super konsequent. Es lässt aber die Opfer des Zirkus ungeheilt zurück. Bei Jim erscheint das weniger tragisch, er ist immerhin nur 2 1/2 Jahre oder so gealtert, was wohl einem Angleich an sein geistiges Alter entspricht, aber M Fury und die Lehrerin haben eben die Arschkarte gezogen.

    Die letzte Szene als alle drei wie Jungen mit dem Wind laufen, ist ein schöner Abschluss,


    EDIT:

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    Ich habe bewusst deinen Spoiler gemieden, um meine Meinung möglichst authentisch zu formulieren. Aber du hast völlig recht. All diese Dinge sind mir auch aufgefallen. Das mit dem Tratsch hab ich sogar fotografiert, um es meiner Freundin und meiner Mitbewohnerin zu schicken . Ich weiß nicht ob das in-character Chris Halloway ist, der Mann ist 54 Jahre alt, um etwa 1930, der hat Ansichten aus einem vergangenen Jahrhundert. Könnte mir vorstellen das Bradbury da seinen eigenen Vater geschrieben hat. Ansonsten ist das Buch 1962 veröffentlicht wurden, basiert auf einer Kurzgeschichte die er 1948 geschrieben hat und entstand eigentlich in den 50er Jahren. Wenn über traditionelle Werte, stabile Ehen usw. geredet wird, beschwören doch viele ein verklärtes Bild der Erwachsenen aus den 50er Jahren. Man kann diese Passagen wohl getrost als Relikt ihrer Zeit betrachten. Keine Ahnung, ob Bradbury es in den 60er anders geschrieben hätte.

    Die durchweg negative Darstellung des Zirkus war mir auch verdächtig. Weil es in dieses fahrendes Volk ist böse Narrativ schlägt. Ich muss aber dazu sagen, dass für mich folgende Eigenschaften entlastend wirken. Cooger & Dark sind kein normaler Zirkus, das wird bereits zu Beginn betont. Sie kommen im Oktober, wenn kein anderer Zirkus mehr kommt. An anderer Stelle beschreibt Wills Vater einen Clown der eine Torte ins Gesicht bekommen als positive Erfahrung, was für mich so das klassischste Zirkusbild ist, welches es gibt. Chris Halloway bezeichnet sie mit dem Verweis aufs Übernatürliche als Herbstmänner. Gegen Ende macht er deutlich, dass solche Gestalten nicht ausschließlich in Form des Zirkus kommen, sondern jede beliebige Form haben können, zwischenzeitlich spricht er sogar von Päpsten und Sklaventreibern. M Dark ist ein Sklaventreiber, die Missgeburten (ich weiß, nicht besonders pc) leiden unter seiner übernatürlichen Knute in Gestalt der Tätowierungen und sind frei als er stirbt. Er war es auch, der sie zu dem gemacht hat, es sind also eher verstümmelte Opfer seiner Macht, denn "Freaks". Aber natürlich hab ich dieselben Vibes von dem Buch bekommen wie du.


    Insgesamt kann ich damit leben und werte das Buch als eine positive Erfahrung.
    HerrFenrisWolf ist offline Geändert von HerrFenrisWolf (04.08.2019 um 11:46 Uhr)

  8. #28 Zitieren
    Trillionär  Avatar von void
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    Hm es ist gut, was du schreibst! So kann ich die Lese-erfahrung jedenfalls positiver in Erinnerung behalten, denn du hast recht. Ich habe es wohl ab einem gewissen Punkt gefärbt gelesen, also z.B. jene guten Stellen die du zitierst schon bewusst gelesen, aber dann einfach nicht ergründet und genossen. Leider weiß ich nicht mehr viel dazu zu sagen, außer das deine Hinweise meine Kritik in den entsprechenden Punkten abschwächen.

    Die Szene in der Bibliothek war tatsächlich richtig gut Und die Endszene war auch gut gewählt. Dass die Opfer des Zirkus ungeheilt zurück bleiben, mag allerdings auch beabsichtigt sein, da jene, die ihre Seele hergeben in vielen Geschichten auf ewig verdammt sind. Es wäre ein moralisches Urteil (wobei es nicht meine Moral ist, von der ich spreche), dass diese Menschen ihr Unheil selbst über sich gebracht haben und es somit verdienen.
    void ist offline

  9. #29 Zitieren
    Bücherwolf  Avatar von HerrFenrisWolf
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    Zitat Zitat von void Beitrag anzeigen
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    Hm es ist gut, was du schreibst! So kann ich die Lese-erfahrung jedenfalls positiver in Erinnerung behalten, denn du hast recht. Ich habe es wohl ab einem gewissen Punkt gefärbt gelesen, also z.B. jene guten Stellen die du zitierst schon bewusst gelesen, aber dann einfach nicht ergründet und genossen. Leider weiß ich nicht mehr viel dazu zu sagen, außer das deine Hinweise meine Kritik in den entsprechenden Punkten abschwächen.

    Die Szene in der Bibliothek war tatsächlich richtig gut Und die Endszene war auch gut gewählt. Dass die Opfer des Zirkus ungeheilt zurück bleiben, mag allerdings auch beabsichtigt sein, da jene, die ihre Seele hergeben in vielen Geschichten auf ewig verdammt sind. Es wäre ein moralisches Urteil (wobei es nicht meine Moral ist, von der ich spreche), dass diese Menschen ihr Unheil selbst über sich gebracht haben und es somit verdienen.
    Stimmt, was die Moral angeht. Schömn das meine Gedanken für dich ein wenig "took the edge off" waren.
    HerrFenrisWolf ist offline

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