Die wählen doch eh alle wieder die Union, weil sie es immer schon so gemacht haben.
In der Tat wird es dir vermutlich nicht gelingen, den rechtschaffenen Otto Kaschulze, dem dieses Interweb-Dingens in etwa so geheuer ist wie die Homoehe und der endlich wieder Recht und Ordnung in Deutschland haben will, davon zu überzeugen, der CDU/CSU den Rücken zu kehren.
Aber die größte politische Fraktion sind die Nichtwähler. Bei der Europawahl 2014 lag die Wahlbeteiligung bei etwa 43% insgesamt und knapp 48% in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Deutschen geht nicht zur Wahl. Denen muss man (höflich!) Beine machen. In der Zeit, die du brauchst, um einen CSU-Wähler zu bekehren, kannst du auch 10 Nichtwähler, die im Grunde bereits deiner Meinung sind und nur aus Bequemlichkeit (oder Ignoranz) nicht wählen gehen, davon überzeugen, vielleicht dieses Mal doch eine Stimme abzugeben. Und sei es per Briefwahl.
Ich benutze das Internet eh nicht so viel / Mir sind andere Dinge wichtiger.
Es gibt ein paar... ich nenne sie mal "Superthemen", die quasi über anderen politischen Dingen stehen (sollten). Als Beispiel sei hier mal der Klimawandel genannt. Was immer dir politisch am Herzen liegt (seien es die Renten, Hartz 4, die Flüchtlingskrise oder die Verkehrspolitik) - wenn wir den Planeten soweit erwärmen, dass eine humanitäre Katastrophe die nächste jagt, dann wird es dir schwer fallen, mit deinem persönlichen Lieblingsthema noch ein Wort dazwischen zu kriegen. Dann hat die Menschheit dringendere Sorgen als deine persönlichen Probleme. Es gibt halt Dinge, die alles andere übertrumpfen. Zuerst behandelt man die Schusswunde im Bauch, erst danach macht man sich dann Gedanken um den Tumor im Bein.
Ein freies Internet ist IMHO ein solches Superthema. Viele Leute beziehen ihre Informationen über das Internet, tauschen sich dort aus und benutzen es für ihre Meinungsbildung. Wenn wir dank Artikel 13 die Kontrolle darüber, was besprochen werden darf, nun den Großkonzernen überlassen, die als einzige die Mittel haben, eine Filter-Infrastruktur zu betreiben (Facebook und Google), dann übertragen wir diesen Firmen einen wesentlichen Teil der politischen Diskussion. Während Artikel 13 die Internetriesen eigentlich an die Leine legen sollte, führt es defakto zum genauen Gegenteil. Denn nur diese Internetgiganten können die Auflagen erfüllen.
Egal, welches politische Thema dir wichtig ist: Wenn der Google-Filter entscheidet, dass es nicht besprochen werden darf, wie willst du dann öffentlich dafür werben? Dich im Regen auf eine Seifenkiste im Park stellen und den Passanten predigen? Viel Spaß!
Die da oben machen doch eh, was sie wollen.
Das machen sie deshalb, weil sie glauben, keine Konsequenzen fürchten zu müssen. Weil viele, die die Entwicklung aufmerksam verfolgen, desillusioniert sind und gar nicht wählen und das Feld damit den oft uninformierten Traditionswählern überlassen. Während viele in der Bevölkerung die EU immer noch nicht so richtig ernst nehmen, haben die Lobbyisten schon lange erkannt, dass dort die wahre Macht liegt. Und sie nutzen es kräftig aus. Aber wenn es eines gibt, was den Politikern in Brüssel und Berlin wichtiger ist als die Lobbygelder, dann ist es ihre Macht. Und die beeinflussen wir mit der Art und Weise, wie wir wählen gehen. Wenn mehr als die Hälfte der Deutschen kein Interesse zeigt und bei der Wahl zuhause bleibt, ja natürlich machen die dann was sie wollen. Aber das ist dann unsere Schuld, weil wir unseren Job nicht gemacht haben.
Die EU ist doch eh scheiße!
Wir können ein anderes Mal über die Vor- und Nachteile der EU diskutieren. Im Moment ist es jedenfalls so, dass sie nun mal existiert und unser Leben beeinflusst. Und wir dementsprechend darauf achten müssen, dass sie kein Schindluder treibt. Wenn du nicht wählen gehst, wird das niemanden davon überzeugen, dass die EU abgeschafft oder reformiert gehört.
Meine Stimme macht doch sowieso keinen Unterschied!
Das ist ein logischer Fehlschluss (Paradoxie des Haufens). Ich habe einen Beutel mit Sand, den ich hoch heben kann. Ein weiteres Sandkorn wird keinen Unterschied machen. Ich kann den Beutel immer noch tragen. Und noch ein Sandkorn wird wieder nichts ändern. Jedes Mal kann ich sagen, dass ein Korn mehr nichts bewirken wird. Also kann ich jede beliebige Menge Sand anheben. Selbst, wenn sie 20 Tonnen wiegt.
Sicher, es kommt praktisch nie vor, dass eine einzelne Stimme am Ende den Unterschied ausmacht. Aber wenn sich
jeder sagt, dass
seine einzelne Stimme nichts wert ist und zuhause bleibt, dann hat das eben doch Auswirkungen. Unangenehme, in der Regel. Unter anderem dadurch ist ja in den USA der werte Herr Trump
an die Macht gekommen.
Was soll ich denn wählen, die sind doch eh alle gleich!
Es gibt durchaus signifikante Unterschiede beim
Abstimmverhalten. Geschlossen gegen Artikel 13 waren beispielsweise die Linken, die Piraten, die FDP und die AfD. Da sollte eigentlich für jeden was dabei sein.
Ich kann nicht für Partei X wählen, weil sie Position Y vertreten oder Abgeordnete(n) Z in ihren Reihen haben.
Die richtige Balance zwischen Pragmatismus und Prinzipien zu finden, ist schwierig. Ich kann dir nur sagen, dass die Extreme unproduktiv sind. Wenn du nie für deine Prinzipien wählst, wird sich auch nie was ändern. Umgekehrt, wenn du darauf wartest, dass eine Partei als Ganzes und jeder Kandidat auf der Liste im Einzelnen in allen Lebensbereichen zu 100% deiner Meinung sind, mach's dir gemütlich. Das kann ein Weilchen dauern. In der Zwischenzeit machen die anderen Nägel mit Köpfen.
Also wäre mein Rat: Hüte dich vor dem Narzissmus der kleinen Differenzen und suche dir eine Partei, die in den für dich wichtigen Punkten (insbesondere den von mir angesprochenen "Superthemen") die richtige Position vertritt. Setze Prioritäten und versteife dich nicht zu sehr auf Einzelpersonen in der zweiten Reihe oder Nebensächlichkeiten. Niemand ist ein perfekter Mensch und man darf unterschiedlicher Meinung sein. Wähle diejenigen, von denen du erwartest, dass sie mehr richtig als falsch machen werden.
Ich habe keine Ahnung von der Materie und weiß nicht, wen ich wählen soll!
Erstmal: Großes Lob! Zugeben, dass man etwas nicht weiß, ist für Erwachsene. Das kann nicht jeder und auch bei mir hapert's daran gelegentlich. Und ich habe dafür Verständnis. Du hast ein Leben zu führen. Du musst vielleicht Geld verdienen oder die Kinder betreuen. Und in der wenigen verbleibenden Freizeit gehst du lieber anderen Dingen nach als dieser langweiligen Politik.
Aber am Ende beeinflusst diese Politik eben doch dein Leben. Der Arbeitsplatz, an dem du das o.g. Geld verdienst und die Zukunft, in der deine Kinder leben werden, die werden von der Politik nicht unwesentlich beeinflusst. Also ist es vielleicht eine Idee wert, sich mal etwas Zeit zu nehmen, um sich zumindest in die Grundzüge einzuarbeiten. Niemand verlangt eine Dissertation von dir, du sollst nur informiert wählen gehen.
Ein erster Einstiegspunkt könnte z.B. der
Wahl-O-Mat sein. Dieser vergleicht deine Position zu diversen Fragen mit den erklärten Positionen der Parteien. Man muss hier ein wenig aufpassen, dass die Positionen stark vereinfacht sind und Wahlversprechen und tatsächliches Abstimmverhalten im Parlament nicht immer übereinstimmen. Auch sehr interessant ist der
Digital-O-Mat, der sich zwar primär auf Fragen rund um's Internet und Datenschutz beschränkt, aber dafür
mit dem tatsächlichen Abstimmverhalten der Politiker vergleicht. Allerdings muss man auch hier ein wenig vorsichtig sein: Schaffte es eine Partei nicht ins Parlament, kann ihr Abstimmverhalten auch nicht bewertet werden. Und auch Gründe werden nicht berücksichtigt. So kann es Übereinstimmungen mit zwei Parteien geben, deren Positionen einander völlig widersprechen. Und zwar u.a. dann, wenn die eine Partei gegen ein Gesetz gestimmt hat, weil sie grundsätzlich dagegen war. Und die andere, weil es ihr nicht weit genug ging. Dennoch sind beide Quellen eine gute erste Orientierungshilfe.