,,Die Fassade wird von Drohnen gereinigt, ihr würdet auffallen. Außerdem bekommen wir auf die Schnelle keine Hebebühne, vergessen wir das also.“ Vincent flanierte weiter um das Krankenhaus herum und musterte das Gebäude durch ein HUD. Vas und Chen taten an anderen Stellen das Gleiche und sammelten ebenfalls Ideen für einen Zugangsweg. Blaupausen, Lieferanteneingänge und -verträge zu besorgen war eine Sache von Minuten gewesen, ein Krankenhaus war im Prinzip nicht viel mehr als eine glorifizierte Fabrik: Kranker Bürger + Ressourcen + Arbeit + Zeit = Gesunder Bürger. Dementsprechend gradlinig waren die Abläufe und ebenso durchgeplant war die Organisation. Und alles was einem Plan folgte, konnte durchschaut werden.
,,Egal wie wir rein kommen, zu Vhan schaffen wir es nur als Personal oder als Cops.“, merkte Vas richtig über den CommLink an.
,,Bis zu ihm zu kommen ist nicht das Problem. Und ab da werden wir ohnehin improvisieren.“
,,Leute, ich hab was!“, schaltete sich Chen ein. Auf Vince HUD erschien der Plan des Krankenhauses mit einer eingezeichneten Route durch mehrere Etagen.
,,Das ist ein Müllschacht.“, kommentierte der Mann in Schwarz, blieb an der Südost-Ecke des Komplexes stehen und tat so, als müsse er sich den Schuh zu binden, während er nach offen stehenden Fenstern in dem Trakt suchte, in dem Vhan untergebracht war.
,,Na und? Eng und dunkel ja, aber auf keinen Fall kontrolliert.“
,,Eng, dunkel und voll mit potentiell infektiösem biologischen Material.“, gab Vas seinen Senf dazu und klang wenig angetan.
,,Ohhh, hat da jemand seine Impfungen nicht bekommen?“
,,Maul halten, Funkdisziplin!“, rief Vincent die Truppe zu Ordnung und besah sich Chens Route noch einmal in Ruhe.
,,Vas, wie nah musst du an Vhans Monitor ran, um Zugriff zu bekommen?“
,,Acht Meter vielleicht.“
,,Reicht ein Nebenraum?“
,,Reicht.“
Der Mann in Schwarz checkte den Belegplan der Privatstation sowie der angrenzenden Flure und fand was er suchte.
,,Gut. Vas, wir treffen uns am Haupteingang, die anderen besorgen einen Transport und finden sich dort ein.“ Er sendete die Koordinaten und machte sich auf den Weg. Das Spiel begann.
*
,,Ist bei Ihnen alles in Ordnung mit den Bildschirmen?“ Ein kahlrasierter Schädel wurde zur Tür reingesteckt, der Pfleger war offensichtlich im Stress.
,,Wie bitte? Äh … ja, alles in Ordnung hier.“, antworte Sarin Merejin (Asari, 478, 2. Post-OP-Tag nach Vitrektomie rechts)
,,Und der andere?“ Der Pfleger kam herein und deutete auf den deaktivierten Holoschirm neben dem leeren zweiten Bett in dem Zimmer. Miss Merejin hatte zur Zeit das Glück, ihr Zweibett-Zimmer mit niemandem teilen zu müssen.
,,Keine Ahnung, hab ihn nicht ausprobiert.“
Mit schnellen, dem Krankenhauspersonal eigenen Schritten ging der Pfleger zu dem Entertainmentmodul, schaltete sein OmniTool an und drückte ein paar Schaltflächen. Keine Reaktion vom Holobildschirm, das Modul blieb deaktiviert.
,,Dachte ich es mir. Muss mal einer vom Hausdienst draufschauen.“, murmelte der Mann in blauer Funktionskleidung und war ebenso schnell wieder aus dem Zimmer verschwunden, wie er hineingekommen war.
*
,,Hmm?“ Lopez schreckte hoch, als er die hektischen Pieptöne aus Vhans Zimmer vernahm. Ohne zu wissen, was sie genau bedeuteten öffnete er die Tür und fand einen vollkommen verwirrten Vhan inmitten laut piepender und wild leuchtender medizinischer Überwachungsapparate vor. Der Turianer wusste anscheinend auch nicht, wie ihm geschah, sein Blick und der des C-Sec-Officers trafen sich, zwei ebenbürtige Ausdrücke von Ratlosigkeit.
,,Aus dem Weg!“, brüllte ein Arzt in der Bereichskleidung der Intensivsation, Haube und Mundschutz und drängte Lopez unsanft beiseite. Er trat an Vhans Bett, legte ein Stethoskop auf die Brust des Turianers und drückte mit der anderen Hand entweder sehr gezielt oder völlig wahllos auf den Schaltflächen der Monitore herum.
,,Mike, schalt‘ die Alarme ab!“, rief er seinem glatzköpfigen Kollegen zu, der wie aus dem Nichts in dem Raum aufgetaucht war. Lopez machte sich so klein er nur konnte und versuchte den beiden nicht im Wege zu stehen. Vhan lag immer noch völlig perplex im Bett.
,,Es wäre jetzt ein guter Moment, um bewusstlos zu werden, wenn wir Braelyn zu fassen bekommen wollen.“, flüsterte der Arzt, während Mike sich an den Monitoren zu schaffen machte.
Ob Vhan nun endlich begriffen hatte, was gespielt wurde oder ob die ganze Sache wirklich zu viel für ihn wurde, konnte Vincent nicht sagen, aber der Turianer fiel, ein laut hörbares Ächzen von sich gebend nach hinten und rührte sich nicht mehr.
,,Scheiße! Mike, los!“, schrie der Arzt und löste die Feststelltasten des Bettes.
,,Fassen Sie mit an, er muss in den Eingriffraum!“, herrschte er Lopez an, der sofort hinzusprang und mithalf, das Bett aus dem Zimmer zu schieben. Zu dritt wuchteten sie den regungslosen Vhan aus dem Zimmer, Mike schaltete die Elektromotoren am Bett ein und dann ging es in halsbrecherischem Tempo über den Flur der Station. Lopez hatte Müh und Not, mit dem Bett und den beiden Ärzten Schritt zu halten, die zielstrebig dem nächsten Knotenpunkt zustrebten.
,,Sie können nicht mit, Strahlung!“, rief ihm der eine Arzt zu als, sie sich einer großen doppelflügeligen Schiebetür näherten.
,,Aber ich…“ ,,Weg jetzt!“ Mit einem Stoß schubste der Arzt ihn von dem Bett weg, die Schiebetür öffnete sich lautlos und die beiden Ärzte, das Bett und Vhan, den Lopez zu beaufsichtigen hatte, verschwanden im nächsten Trakt. Der Officer bleib atemlos zurück und starrte einen Augenblick auf die inzwischen wieder geschlossene Tür. Dann erinnerte er sich wieder an seine dienstlichen Pflichten und aktivierte sein OmniTool:
,,Captain, hier Lopez. Vhan hatte grade einen Herzinfarkt oder so etwas und wurde eben auf die Intensivstation oder so gebracht, die röntgen ihn jetzt oder so, glaube ich.“
,,Auf welcher Station sind Sie jetzt?“
,,Ich bin nicht beim ihm, ich musste draußen bleiben.“
,,Was? Und wohin wurde er gebracht? Und wer ist jetzt bei ihm?“
,,Keiner von uns. Er ist jetzt auf der, Moment…“ Lopez schaute auf die Stationsbeschriftung über der Tür.
,,…in der zentralen Bettenaufbereitung…Scheiße!“ Der Polizist rannte los und jagte dem flüchtigen Vhan hinterher.
Chen hörte, wir hinter ihm im Container etwas landete. Etwas schweres.
,,Ist drin!“, hörte er den Mann in Schwarz über das CommLink. Chen startete den Motor und steuerte das MüllSkyCar vorsichtig aus der Containerbucht. Die gekaufte Lieferanten-ID öffnete die Sicherheitsschranke am Ausgang, während der Schlagbaum sich hob, sah er, wie jemand von der Seite angerannt kam und mit den Händen wedelte.
,,Halt! Stopp!“ Wie von selbst griff Chen zu der Carnifex, die im Fußraum vor ihm lag, ließ die Scheibe herunterfahren und schaute zu dem herbeirennenden Mann, der Kleidung nach zu urteilen einem Krankenhausmitarbeiter.
,,Was?“
,,Deine Containerabdeckung ist offen!“
Der Griff um die Waffe lockerte sich. Chen lachte und schaute nach hinten.
,,Oh Mann, danke! Ich hätte bestimmt sonst den ganzen Dreck auf der Schnellstraße verloren!“
,,Kein Problem, gute Fahrt.“, rief der Mann noch und winkte ihm zum Abschied, während Chen sich in den vorbeiströmenden Verkehr einreihte.
*
,,Entschuldigen Sie, Miss, Sie haben etwas verloren.“ Die berühmt-berüchtigte Biotikball-Spielerin drehte sich um, als ihr der Unbekannte auch schon eine pechschwarze Visitenkarte in die Hand drückte und schneller als ein Schatten verschwand. Sie schaute verdutzt auf die Karte, in der ein ihr nur allzu vertrauter Name eingraviert war. Auf der Rückseite stand in weißer Schrift eine Adresse und ein einziges Wort: Pennyworth
*
Die wütende Polizistin stand rauchend vor dem Haupteingang des Krankenhauses, ihre Hand fest um den Kaffeebecher gekrallt, den sie in der Cafeteria gekauft hatte. Das hinter ihr liegende Gespräch war bereits vergessen, nur kurz eine Zigarette und ein Kaffee und dann ging es weiter. Auf einmal merkte sie, dass etwas in der Pappmanschette steckte, die um den Becher geschlungen war. Sie trat die Kippe aus und zog einen gefalteten Zettel unter der Manschette hervor. Ein Flyer für Vox‘ Benefiz-Gala für das Green Heart. Handschriftlich war eine Notiz darauf geschrieben:
Hier wird gleich die Hölle los sein. Warum nicht lieber in Erinnerungen schwelgen? Alte Freunde erwarten Sie.
*
Rarkin, Vox und die grade dazugekommene Sorax berieten sich grade über den Fortschritt der Bergung und vor allem das Angebot, das Rarkin den beiden anderen gemacht hatte, als eben diese beiden gleichzeitig eine Nachricht auf ihren OmniTools empfingen:
Code:
Der Ort unseres ersten Treffens. Pennyworth.
Vox und Sorax schauten einander an. Sie wussten, von wem die Nachricht stammt und von welchem Ort er sprach.
*
,,Packt ihn aus.“, ordnete Vincent an und deutete auf die übergroße schwarze Tragetasche, die auf dem Teppichboden des Schlafzimmers stand. Chen hockte sich hin und zog den Reißverschluss auf.
,,Willkommen zurück unter den Lebenden, Mister Vhan.“, begrüßte der Mann in Schwarz den aus der Tasche krabbelnden Turianer. Chen hatte auf dem Weg zum Amber Veil zwei Mal das Fahrzeug gewechselt und Vhan zuletzt in der Tasche ins Hotel geschmuggelt.
,,Darf es schon etwas zu trinken sein oder wollen wir erst auf die anderen Gäste warten?“