Für eine gute Erzklinge brauchte er drei Tage. Wenn er nun aber gleich fünf von ihnen abliefern sollte, noch dazu zwei davon Zweihänderklingen, die je mindestens einen Tag länger benötigten, alleine schon um wirklich gründlich an der Luft auskühlen zu können, dann …
„Hörst du mir eigentlich noch zu? Also, überhaupt irgendwann mal?“
Harkon schreckte aus seinen Gedanken und hatte Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. Sein Körper, seine angespannten Arme auf den Lehnen des abgewetzten Sessels, sie mussten verraten haben, dass er über alles Mögliche nachgedacht hatte, nur eben nicht über das, was seine Frau ihm gerade gesagt hatte. Vielleicht hatte sie auch gar nichts gesagt und es war nur ein Test gewesen. Den hatte Harkon jedenfalls nicht bestanden, wenn er sich die verärgerte Miene Lennas so ansah.
„Was habe ich denn gesagt?“, fragte sie nach einer Weile, prüfend. Also doch ein Test. Lenna stand einige Schritte von ihm entfernt, ein Blatt Papier in der Hand, strich sich unwirsch eine Haarsträhne aus dem Gesicht zurück hinters Ohr.
„Na, mit deinem Theater“, versuchte Harkon möglichst souverän zu klingen.
„Ja, mit meinem Theater!“, wiederholte Lenna laut und deutlich. „Und das ist natürlich wie immer alles, was dir dazu einfällt.“
„Ich spiele ja nicht mit.“
„Zum Glück nicht, muss man wohl sagen“, erwiderte Lenna gereizt. „Mit deinen Schauspielkünsten ist es ja nicht weit her.“
Harkon lachte schnaubend auf. „Und deshalb bin ich eben Schmied geworden.“
„Schmied, aber kein Handwerker“, gab Lenna zurück und machte ein paar Schritte durch den Raum. Um die Dielen zum Schlafzimmer hast du dich nämlich noch immer nicht gekümmert. Wenn ich dich mal freundlich daran erinnern dürfte.“
Harkon blickte unter seinen buschigen Augenbrauen hin zu der Stelle, auf die Lenna mit ihrer Hand wies. Sie hatte schöne Hände, Lenna. Er hatte sie damals vor allem wegen ihrer Hände kennengelernt, wenn man es genau nahm. Jedenfalls war immer viel mit ihren Händen los gewesen.
„Oder findest du das gut so?“, holte Lenna Harkon aus seinen Gedanken zurück. „Und irgendwann fällst du oder ich da drüber, und was dann?“
Harkon begutachtete die Dielen. Sie hatten sich verzogen, wohl durch die Feuchtigkeit, und eine der Holzplanken bog sich schon langsam nach oben. Es war in der Tat nur eine Frage der Zeit, bis diese Stelle am Fußboden endgültig aufbrechen würde.
„Ich kümmer mich beizeiten drum“, sagte Harkon. „Habe ich dir doch versprochen.“
„Ja, versprochen hast du mir das schon einige Male“, stellte Lenna nüchtern fest. „Wann wirst du dein Versprechen einlösen?“
„Mach ich schon noch“, brummte Harkon. Er fuhr sich nachlässig durch den Bart. Lenna wollte etwas entgegnen, aber Harkon kam ihr unabsichtlich zuvor.
„Und wenn es dich so sehr stört, dann kannst du es ja auch selbst machen, Lenna. Du bist doch keine Frau, die sich alles von Männern abnehmen lässt. So ein kleines handwerkliches Ding, das bekommst du doch hin.“
„Ich habe aber keine Zeit“, sagte Lenna hörbar eingeschnappt, kam an Harkon in seinem Sessel heran und hielt ihm das Papier unter die Nase, dass sie die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte. „Wie du ja vielleicht wissen solltest!“
Harkon tat so, als würde er lesen. Und konzentrierte sich auf den Duft von Lenna. Dieses Parfüm …
„Es ist nicht mehr lange hin bis zur Schulaufführung. Ich habe alle Hände voll zu tun … und jetzt ist auch noch die Hauptrolle krank geworden! Ich hoffe mal, ich kriege Marvin heute noch eingearbeitet, sonst …“
Harkon zog Lenna auf seinen Schoß.
„Nun vergiss das ganze Theater und diesen Marvin doch einmal“, hauchte Harkon. „Hier gibt es immerhin auch noch jemanden, um den du dich kümmern müsst.“ Er legte eine Hand auf ihren Schenkel, dorthin, wo ihr Rock aufhörte.
„Ich muss gar nichts“, sagte Lenna bestimmt, wischte die Hand von ihrem Bein weg und stand wieder auf.
„Ach komm schon, Lenna! Gefalle ich dir etwa nicht mehr? In letzter Zeit willst du gar nichts mehr von mir wissen!“
„In letzter Zeit habe ich eben viel anderes um die Ohren, und das solltest du eigentlich auch haben.“
„Das war aber auch schon, bevor die Sache mit deinem Theater da war!“, maulte Harkon. Er hielt nun die Arme vor der Brust verschränkt und sah dabei aus wie ein trotziges, bärtiges Kind.
„Dann war es eben auch schon davor“, maulte Lenna zurück. „Du kannst ja überlegen, warum. Mach daraus, was du willst. Ich habe jetzt jedenfalls keine Lust.“
Lenna rollte das Papier in ihrer Hand demonstrativ zusammen und machte kehrt, um in ihr Schlafzimmer zu gehen – alleine.
„Du hast nie Lust!“, rief Harkon ihr noch hinterher, doch Lenna drehte sich nicht mehr um, nicht einmal mehr, als sie die Tür hinter sich zumachte. Der Schlüssel drehte sich im Schloss, dann war Stille.

Harkon war kein Mann für Spaziergänge, zumal die Gelderner Gassen bei all den vielen Neubauten der letzten Jahre nicht mehr wirklich zum Flanieren einluden. Aber die frische Luft half ihm ein bisschen, dieses bedrückende Gefühl in ihm in den Griff zu bekommen. Den Kloß in seinem Hals vermochte sie freilich nicht zu lösen, und den Gedankenknoten in seinem Kopf destoweniger. Dass Lenna keine Lust auf ihn hatte, das war schon oft vorgekommen, war mittlerweile schon die Regel. Dass sie sich nun aber im Schlafzimmer einschloss, noch dazu alleine, das gab der Sache eine ganz neue Qualität. Die Zeiten, in denen sie sich noch jeden Tag und jede Nacht geliebt hatten, die waren definitiv längst vorbei. Vermutlich waren nun auch die Zeiten vorbei, in denen sie sich wenigstens einmal pro Woche nahekamen. Und wenn er ehrlich zählte, dann waren eigentlich auch schon fast drei ganze Monate voll – oder eben leer. Eine Lösung wusste er nicht, und es war nicht das erste Mal, dass er über all das nachdachte. Fest stand: Das mit dem Liebemachen, das klappte nun schon wirklich seit viel zu lange nicht mehr. Ansonsten waren alle Fragen offen, insbesondere die nach dem Warum.
Die Hände hinter dem Rücken verschränkt trottete Harkon weiter und folgte dem Hauptweg durch die Stadt Geldern, der ihn nun an seinem Schmiedeplatz vorbeiführte. Harkon spielte mit dem Gedanken, den verlorenen Tag doch noch zu nutzen und ein wenig weiterzuarbeiten, aber erstens war Ruhetag und zweitens fühlte er sich kraftlos und faul. Er hätte im Prinzip zwar gerne den Hammer geschwungen, hatte aber das Gefühl, heute nichts Ordentliches mehr zustande zu bringen.
Harkon ließ den Schmiedeplatz also rechts liegen und bog um die Kurve. Der Weg stieg hier ein wenig an. Harkon verdrängte die Anstrengung, indem er seinen Gedanken nachhing. Ja, doch, es stimmte: Geldern war auch nicht mehr das, was es mal gewesen war. Früher, vor dem Krieg, da hatte es die wunderbarste Altstadt gehabt, kleine, feine Häuser, aber auch die ein oder anderen Prachtbauten, die durch den florierenden Handel mit Bodenschätzen aus dem umliegenden Gebirge finanziert worden waren. Geldern war eine überaus reiche Stadt gewesen. Und dann hatten die Orks den Krieg angefangen. Sie hatten angefangen. Aber das durfte man mittlerweile ja auch nicht mehr laut sagen. Sie hatten den Krieg angefangen, waren in Geldern eingefallen und hatten alles zerstört. Also, fast alles, die Wohnhäuser waren verschont geblieben, und viele der umliegenden Bauern hatten ihre Felder selbst angezündet, damit sie nicht den Orks in die Hände fielen. Aber die Orks selbst waren auch keine Kinder von Traurigkeit gewesen und hatten ziemlich in Geldern gewütet. Und dann, als sich der Krieg dem Ende geneigt hatte, hatten sie auch noch die Unverschämtheit gehabt, einfach so mit ihnen, den Menschen, Frieden zu schließen. Und nicht nur das, sie waren so frech gewesen, das zerstörte Geldern in Eigenregie wieder aufzubauen, neue Häuser hochzuziehen und die alten zu restaurieren. Vom ursprünglichen Geldern war jedenfalls kaum noch etwas übrig geblieben, und längst nicht jeder Handwerksbetrieb war noch in Menschenhand. Man konnte ihnen gerade noch so zugute halten, dass sie keine Sklaven hielten. Aber da hörte es auch schon auf. Und wenn man sich so umschaute in der Stadt, gab es nicht wenige neu aufgebaute Häuser, in denen gleich mehrere Orkfamilien gemeinsam wohnten, was aber auch kein Wunder war, denn diese Orkkinder wurden ja auch immer mehr -
„Verzeihung, sprichst du mit mir?“
Harkon blickte erschrocken auf und verstummte sofort. Vor ihm stand ein Ork, dessen Alter nicht so recht einschätzbar war, und in den Harkon beinahe hineingerannt wäre. Der Ork blickte ihn erwartungsvoll an, Harkon kam ins Stottern.
„Ähm, äh, also, nein, ich meinte … so allgemein!“
Der Ork zog seine buschigen Augenbrauen hoch und schien noch etwas sagen zu wollen, beließ es dann aber dabei und spazierte davon. Im Gegenzug verzichtete auch Harkon darauf, noch etwas zu der Angelegenheit zu erklären, wobei er ohnehin nicht so recht gewusst hätte, was er denn noch zu sagen gehabt hätte. Und als er dem Ork dann wenigstens noch nachblicken wollte, war dieser schon verschwunden, vermutlich in eine Seitenstraße oder dergleichen.
Etwas bedröppelt blickte Harkon sich um. Hier an diesem Teil des Ringwegs rund um Geldern hatte er sich nie länger aufgehalten, hier gab es vor allem Wohnhäuser, davon aber auch nicht viele, und die meisten orkisch. Geschäfte für ihn gab es ihn hier nicht, und auch sonst hatte ihn beim Durchqueren stets das Gefühl beschlichen, dass er hier nichts zu suchen hatte. Aber auch ohne zu suchen hatte er jetzt etwas gefunden.
Harkon stand vor einer unauffälligen Hütte, die zwischen den anderen noch viel unauffälligeren Hütten dann aber doch hervorstach, was nur an dem dunklen Holzschild lag, das leicht schief und mit zu vielen Nägeln über dem Eingang angebracht war und in weißer Schrift verlauten ließ:

Gromnir’kall – Schamanische Beratung

Harkon wusste genau, worum es sich hier handelte, denn es war nicht das erste Mal, dass ihm dieser Name unterkam. Als er einmal nach einer Routineuntersuchung bei seinem Hausdoktor, einem verdienten ehemaligen Feldarzt, ins Schwätzen gekommen war, über die Götter und die Welt und dieses und jenes, und dabei das Gespräch auch Harkons Situation mit Lenna und die daraus entspringenden Unzufriedenheiten gestreift hatte, hatte Doktor Erlinger, so hieß sein Hausarzt, einen Besuch Harkons bei Gromnir’kall ins Gespräch gebracht. Doktor Erlinger hatte dabei versichert, er wisse von mehreren treuen Patienten, die auch zu Gromnir’kall in Behandlung gingen und die er teils auch erst an diesen überwiesen hatte, dass der orkische Schamane eine Koryphäe war auf dem Gebiet der seelischen Medizin samt ihrer somatoformen Ausprägungen, einer medizinischen Teildisziplin, die hier im Midland noch fast vollkommen unerforscht war (was sicherlich auch der Grund dafür war, warum Harkon noch nie etwas davon gehört hatte). Dieser Gromnir’kall jedenfalls, so Doktor Erlinger, verstünde sich ganz hervorragend auf die Analyse von dem, was man so neumodisch Beziehungsprobleme nannte, inklusive aller Nebeneffekte, die solche Probleme typischerweise mit sich brachten. Und wenn es gut lief, dann hätte er sogar meist schon nach nur einer Sitzung eine Lösung dieser Probleme parat, und deshalb, schloss Doktor Erlinger, solle Harkon doch ruhig mal einen Termin bei ihm ausmachen. Dieser Rat lag nun schon knapp drei Monate zurück, und Harkon hatte innerhalb dieser Zeit natürlich kein einziges Mal ernsthaft darüber nachgedacht, diesen Gromnir’kall aufzusuchen.
Und nun hatte er ihn ganz von alleine aufgesucht, sozusagen. Gromnir’kall, schamanische Beratung. Es hatte ihn irgendwie hierhin geführt, und nun begann Harkon eben doch zu wackeln. Was hatte er eigentlich zu verlieren? Doktor Erlinger war ein seriöser Arzt, ein Kenner seines Fachs und sicherlich auch vieler anderer Fächer, und wenn so ein Fachmann schon mehrere seiner treuesten Patienten mit Erfolg zu diesem Ork geschickt hatte, dann musste an der Sache doch etwas dran sein. Und selbst wenn nicht, dann hatte es auch nicht geschadet und war für Harkon nur ein weiterer Beleg dafür, dass dieser ganze Schamanismus nichts anderes war als fauler Zauber. Ja, fauler Zauber, schlimmstenfalls – und vor dem hatte Harkon doch wohl keine Angst!
Ein, zwei Regentropfen erwischten Harkon am Kopf, direkt an der Stelle, an der sein Haar lichter wurde. Er sah in den Himmel und entdeckte Wolken. Die nächsten Tropfen erreichten ihn. Das war dann wohl das Zeichen. Harkon nickte sich selber zu und schritt durch die offene Hüttentür.
Das Innere der Hütte, die sich von außen geradezu zwischen die anderen Hütten im Viertel gequetscht hatte, entpuppte sich für Harkon als größer als erwartet. Sicher, eine Tanzveranstaltung konnte man hier nicht abhalten, aber in seiner Vorstellung hätte hier nicht viel mehr Platz als in einer etwas geräumigeren Besenkammer sein dürfen. Stattdessen wartete die Behausung sogar mit einem kleinen Vorraum auf, der als Besucherzimmer zu dienen schien. Eine kleine, fein gearbeitete Kerze aus grünem Wachs und gesprenkelt mit fremdartigen Mustern in Gold brannte auf einer Art Theke zur Rechten, zwei einfache, aber gepolsterte Stühle standen auf der linken Seite des Raumes an der Wand. Niemand war da. Harkon hatte mit einem Mal das Bedürfnis, zu riechen, zu schnüffeln, denn er erwartete einen Geruch, von der Kerze, vom alten Holz, vom Raum, von irgendwas, aber da war nichts, das Zimmer roch nach nichts, dabei hatte Harkon eigentlich eine recht gute Nase, er roch zehn Meilen gegen den Wind, vor allem diese -
Harkon schreckte aus seinen Gedanken hoch, als eine Tür knarzte. Direkt vor ihm, sie war, so schief wie sie in ihren Angeln hing, schon vorher einen Spalt offengestanden. Sie wurde nun von innen aufgedrückt, und in den Raum trat eine massige Gestalt, ein alter, faltiger Ork in der traditionell weißen Kleidung eines Schamanen. Überhaupt ein Schamane wie aus dem Bilderbuch: Geflochtene Zöpfe, exotischer Schmuck, Gesichtsbemalungen. Alles dabei.
„Entschuldigen, Ihr wartet schon lange? Haben wir Termin, ja, nein?“, fragte der Ork mit natürlich grollender Stimme. Harkon war ein bisschen überfordert. Eigentlich, so dachte er, wollte er doch gar nicht hier sein. Was sollte er diesem Ork-Schamanen denn schon erzählen? Verstand er überhaupt etwas davon, von … ja, von allem?
„Keinen Termin, oder? Ich kann mich nicht an Euch erinnern, aber ich war mir nicht sicher, bin alt, bisschen vergesslicher geworden. Egal. Bitte, kommt!“
Harkon wusste nicht so recht, wie ihm geschah, als ihn der Ork hinter sich her winkte und wieder in dem Kämmerchen verschwand, aus dem er gekommen war. Weil Harkon nicht unhöflich sein wollte, folgte er ihm.
Das Kämmerchen war tatsächlich nur ein Kämmerchen. Für einen Ork, der von Natur aus größer, breiter und bulliger war, war es beinahe zu eng, aber der Schamane bewegte sich erkennbar routiniert zwischen den herumstehenden Möbeln und Gegenständen hindurch zu den zwei Sesseln, die vor dem abgedunkelten Fenster auf einem runden, roten Teppich drapiert waren. Dort angekommen wandte der Schamane sich wieder zu Harkon um und winkte ihn erneut heran, bedeutete ihm, sich auf dem linken der beiden beigen Polstersessel niederzulassen.
Während der Schamane selbst sich niederließ und in den rechten der beiden Sessel einsank, war Harkon noch damit beschäftigt, irgendwie einen Durchblick durch den kleinen Raum zu bekommen, eine eigene Ordnung und Orientierung für sich zu finden. Es war nur schwer möglich: Obgleich das Kämmerchen alles andere als weitläufig war, war es vollgestopft mit Gegenständen in der Zahl eines ganzen Hausrats. An den Wänden links und rechts reihten sich dunkle Schränke und Kommoden auf, die den ohnehin schon schlauchförmigen Raum noch mehr verengten. Auf ihnen stapelte sich ausnahmslos Gerümpel, das beim näheren Hinsehen zwischen alten Flechtkörben, seltsam geformten Fläschchen und abgebrannten Kerzen auch einige interessante Schätze wie einen goldenen Kelch, einen Zierdolch oder auch das kleine Bildnis eines Königs – eines Menschenkönigs wohlgemerkt – verbarg. Die Habe des Schamanen stapelte sich jedenfalls bis zur Decke des Kämmerchens, und wo am Estrichboden nicht schon ein Schrank oder dergleichen den Platz einnahm, waren die dazwischenliegenden Lücken mit großen Standvasen, schmucken Truhen und verstaubten Bücherstapeln gefüllt.
„Ist ein bisschen unaufgeräumt, ja. Haben mir schon viele gesagt, ich muss umziehen, dann mehr Platz, aber ach, bin alt und gewöhnt an mein Heim. Bitte, kommt, sitzen, ja?“
Harkon ließ pro forma noch einen letzten Rundblick durch die Kammer kreisen, nahm dabei aber nichts Spezielles mehr wahr, und folgte dann der Bitte des Schamanen. Mit Bedacht, keine der herumstehenden Tonvasen versehentlich umzuwerfen, manövrierte er sich zu den Sesseln hin, sah in die entblößten Zähne des Orkschamanen und ließ sich dann auch endlich nieder. Dass er dabei so tief einsank, das hatte er nicht erwartet, und diese Überraschung war dem Ork nicht entgangen.
„Sind gute Sessel, gutes Polster, hat mir gemacht der Polsterer am Nordtor, Name Frieder, vielleicht kennt Ihr ihn?“
Harkon überlegte. Ja, er kannte Frieder. Harkon hatte für ihn schon einmal ein paar kleinere Arbeiten angefertigt. Da hatte er eigentlich ganz sympathisch gewirkt. Harkon hätte nicht gedacht, dass Frieder auch Aufträge von Orks entgegennahm.
„Ja, kann sein“, antwortete Harkon. Der Orkschamane nickte.
„Das ist schon ordentlich, wenn ich Stäbchen anzünde, ja?“, fragte er dann. Er hielt Harkon ein Räucherstäbchen in Übergröße unter die Nase und deutete mit der freien Pranke auf eine kleine Feuerstelle unterhalb der Fensterbank, an der in der Vergangenheit schon einige Rauchwaren abgebrannt sein mussten.
„Kein Problem, nur zu“, sagte Harkon und bereitete sich innerlich darauf vor, binnen der nächsten Minuten einem fürchterlichen Gestank ausgesetzt zu sein.
Der Ork beugte sich aus seinem Sessel heraus, zog eine Schublade an der nächststehenden Kommode auf und griff dort nach zwei kleinen Gegenständen, die geradezu in seinen riesigen Händen versanken. Nachdem er das Räucherstäbchen in der kleinen Feuerstelle aufgestellt hatte, begann er, die beiden in seinen Pranken verborgenen Gegenstände aneinanderklackern zu lassen. Harkon begriff jetzt, dass es Feuersteine sein mussten, und war erstaunt. Von einem Orkschamanen hätte er einen Feuerzauber erwartet. War dieser Ork am Ende gar ein Hochstapler?
Nach kurzer Zeit brannte das Räucherstäbchen. Sein Rauch war fein, silbrig und mit bloßen Auge kaum zu erkennen. Nachdem es ein bisschen gebrannt hatte – und Harkon immer noch nichts roch – ergriff der Ork wieder das Wort.
„Und?“
Harkon fühlte sich auf dem falschen Fuß erwischt, öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Meinte der Ork jetzt das Räucherstäbchen, oder … ?
„Was kann ich für Euch tun?“, setzte der Schamane nach. Damit konnte Harkon nun schon eher was anfangen. Indes: Nach Worten rang er immer noch. Was sollte er nun erzählen? Und vor allem: Warum? Warum ihm, diesen Ork? Was machte er hier überhaupt?
„Also, ich … ja, das ist ein bisschen schwierig … zu erklären. Also, das ist auch eine längere Geschichte. Wie viel Zeit haben wir denn?“
„So viel Zeit wie nötig Zeit.“ Der Ork entblößte seine Eckzähne, das musste ein Lächeln sein.
Harkon schluckte und nickte. Theoretisch hätte er einfach wieder aufstehen und gehen können, aber ganz praktisch gedacht kam er aus der Nummer nicht mehr heraus.
„Okay“. Er zupfte sich am Hemdkragen und kratzte sich an der Stirn. Dann setzt er nochmal an. „Es geht um mich, aber auch um meine Frau. Zwischen uns … also, es läuft nicht mehr so. Wenn Ihr versteht.“
Und dann brach es sich doch noch Bahn. Harkon erzählte, schilderte, stockte zwar ab und an, wurde durch das geduldige Zuhören Gromnir’kalls aber zum Weiterreden ermuntert. Ab und zu nickte und brummte der Schamane, ansonsten hielt er sich aber zurück, während Harkon weit ausgriff in die vergangenen Monate, er Szene an Szene und Moment an Moment reihte und so lange am Stück sprach wie wohl schon seit Jahren nicht mehr, wenn man die diversen Kneipenabende nach ein paar Wacholder zuviel mal ausklammerte.
Irgendwann endete der Redeschwall, und er schien richtiggehend nachzuhallen, was Gromnir’kall offenbar ähnlich wahrnahm, denn es sah so aus, als horchte er noch einem Echo nach.
„Und deshalb“, schloss Harkon dann noch einmal aus der Verlegenheit des Schweigens heraus, „deshalb läuft es einfach nicht mehr zwischen uns. Wenn Ihr versteht.“
Gromnir’kall nickte. „Verstehe ich alles, ja, Habt Ihr viel erzählt. Viel von Euch selber.“
„Und habt Ihr eine Lösung?“, fragte Harkon, der sich aber sogleich wieder für diese vorschnelle Frage schalt. Er wusste zwar nicht genau, wie lange er jetzt geredet hatte, aber allein das konnte dem Ork doch nicht reichen, um mal eben eine Lösung aus dem nicht vorhandenen Hut zu zaubern, Schamane hin oder her.
„Ja, weiß, was Euch fehlt“, kam dann die Antwort.
„Was, echt?“
Gromnir’kall nickte. „Karrak-Varrag“, sagte er dann, als hätte Harkon da auch von alleine drauf kommen können.
„Karrak … Warg?“
„Karrak-Varrag. Ist die Kraft …“
Gromnir’kall machte eine vielsagende Geste, indem er seinen Arm zunächst der Länge nach ausstreckte, und dann den Unterarm in einer langsamen Bewegung angespannt nach oben beugte, wie, als wenn sich von selbst aufstellte, einem Schlagbaum gleich, bis seine Faust fast in Kopfhöhe angekommen war.
Harkon war sich zunächst unsicher, was das bedeuten sollte, und glaubte angesichts der Muskeln des alten Orkschamanen, er spiele auf die Kraft in den Armen an – die er, Harkon, allein schon von Berufs wegen doch zur Genüge hatte. Je verschwörerischer das Grinsen Gromnir’kalls jedoch wurde, desto klarer wurde für Harkon, was der Schamane meinte. Und das war Harkon nun doch schwer unangenehm. Er fühlte sich ertappt und war gleichzeitig erstaunt, dass Gromnir’kall überhaupt so einen Treffer gelandet hatte, denn bei all den Schilderungen Harkons rund um die Probleme mit seiner Frau hatte er diesen einen speziellen Aspekt gerade ausgeklammert – das Liebesleben im engeren Sinne, wie er zu sagen pflegte, wenn er denn überhaupt mal davon sprach, was angesichts des Mangels in eben diesem Liebesleben meist nicht vorkam, und wenn, dann nur gegenüber seinen männlichen Freunden, und dann ausgeschmückt mit den fabelhaftesten Lügengeschichten. Und dieser Ork kannte ihn nun – wie lange? Zwanzig oder dreißig Minuten, und schon las er in ihm wie in einem offenen Buch. Und erspähte dabei Befürchtungen, die Harkon im Grunde sogar vor sich selbst verheimlicht hatte.
Da war er also wieder, der Verdacht, dass es zwischen ihm und Lenna nicht mehr so lief, weil es vor allem bei ihm, Harkon, selbst nicht so lief, weil sein … ja, sein Karrak-Varrag zuweilen zu wünschen übrig ließ. Es war zwar nie so gewesen, dass er gar nicht … konnte, jedenfalls hatte er das nicht so in Erinnerung, aber da er oft von der Arbeit so müde und erschöpft war, hatte er schon daran gezweifelt, ob … aber Lenna hatte nie was gesagt! Wahrscheinlich war es ihr einfach unangenehm gewesen, dass ihr Mann kein Karrak-Varrag mehr hatte, oder jedenfalls nicht mehr genug davon, und wollte die Sache einfach totschweigen. Aber jetzt passte alles ins Bild: Ihr Verhalten, ihre Vorwürfe. Alles.
Gromnir’kall verharrte noch immer in seiner vielsagenden Geste und grinste Harkon noch vielsagender an. In Ermangelung einer besseren Idee zur Fortführung des Gesprächs fragte Harkon: „Wie habt Ihr das so schnell herausgefunden?“
Der Schamane ließ den Arm endlich wieder sinken und faltete sein Gesicht zu einem zufriedenen Lächeln. „Habe ich gemerkt durch was Ihr gesagt und wie Ihr gesagt. Typisches Problem, müsst Ihr nicht schämen. Kommt bei Männern häufig vor, wenn sie schon viele Geburtstage verbracht haben. Wenn sie älter werden. Bei manchen schon früher.“
Harkon schämte sich trotzdem. Er hoffte, dass man es ihm wenigstens nicht anmerkte. Er versuchte sich vom unangenehm mitfühlendem Blick des Orkschamanen abzulenken, indem er überlegte, ob Gromnir’kall dieses … Problem möglicherweise auch selbst kannte. Irgendwie hatte Harkon aber nicht den Eindruck. Und überhaupt, wenn er darüber nachdachte, wie viele Kinder die Orks immer so hatten …
Der Ork sagte nichts mehr und schien auf eine Erwiderung Harkons zu warten.
„Und … gibt es eine Lösung dafür?“
Gromnir’kall nickte. „Daran arbeiten. Das Karrak-Varrag zurückgewinnen. Ist nicht für immer verloren. Musst aufmerksam sein, konzentrieren. Und du musst es … wollen.“
Harkon stutzte. Gewollt hatte er seinem Empfinden nach doch eigentlich immer viel und am besten ständig. Das Problem war doch gerade, dass Lenna nicht wollte – und er selber dann freilich auch nicht mehr.
Harkon fing ein weiteres mildes Lächeln des Orkschamanen auf.
„Ich kann sehen, du hast kein Vertrauen in dir“, sagte er. „Ich will dir deshalb Ding geben, wird dich unterstützung. Unterstützung, nicht helfen! Helfen musst du selbst.“
Gromnir’kall drehte seinen wuchtigen Leib im Sessel, um sich zur Wand hinter sich zu drehen, aus der eine dünne Stange herausragte, an der zahlreiche Amulette und Anhänger mit verschiedensten Motiven und Darstellungen aufgehangen waren. Mal waren es Fratzen, mal Früchte, dann wiederum Waffensymbole oder Abbildungen von Sonne, Mond und Sternen. Der Ork griff scheinbar zufällig nach einem der Amulette, aber Harkon war sich sicher, dass die Wahl einem festen Plan folgte. Auch, wenn er bei seiner speziellen Angelegenheit eine eindeutigere Symbolik erwartet hätte. Das Symbol am Ende des Anhängers, den sich Gromnir’kall nun geangelt hatte, war eher undefinierbar, oder es war einfach kein Symbol, das Harkon kannte. Es war eher ein Konglomerat an Symbolen oder jedenfalls verschiedenen Bestandteilen. Was an der Oberseite zunächst wie ein kleines Geweih aussah, war jedenfalls nicht natürlich gewachsen, sondern vermutlich aus mehreren einzelnen Tierzähnen zusammengebaut. Dieses so gebildete Geweih ging vom dunkelroten Mittelteil des Anhängers aus, der, da war sich Harkon sicher, die getrocknete Zunge eines Echsenwesens sein musste. Nach unten und damit parallel zur Richtung der Zungenspitze waren zwei bogenartige Verhärtungen angebracht, deren Material Harkon nicht ganz zuordnen konnte. Für Minecrawlerzangen waren sie zu klein, weshalb sie auch von Feldräubern stammen konnten. Die grüne, schlammige Farbe jedoch ließ ebenso gut auf Fingerkrallen eines weiteren, anderen Echsenwesen schließen, drapiert zu einer Art Kranz. So oder so vermutete Harkon, dass mindestens drei nicht ganz ungefährliche Tiere ihr Leben für dieses Schmuckstück hatten lassen müssen.
Harkon sah vom Anhänger auf zurück in Gromnir’kalls Gesicht. Der Ork präsentierte abermals die ihm ureigene Version eines Lächelns. Er wirkte dabei sehr gütig, als hätte er gerade etwas wirklich außergewöhnlich Nettes getan.
„Und … was stelle ich jetzt damit an?“, fragte Harkon unüberhörbar ratlos.
„Anstellen musst du nicht, ist doch keine Maschine!“, belehrte ihn Gromnir’kall amüsiert. „Tragen musst du das. Halten. Was auch immer. Bei dir haben. Und dich … besinnen, ja, ich glaube, so sagt ihr das. Besinnen und konzentrieren. Dann kommt dein Karrak-Varrag ganz von alleine zurück.“
Der Ork machte wieder die eindeutig-zweideutige Geste mit dem angespannten Unterarm, und hob, offenbar zur Bekräftigung der Wirksamkeit dieses Anhängers, die Faust dabei bis auf Kopfhöhe an. Er lächelte verschwörerisch. Harkon lächelte zurück und hoffte, dass der Ork die Unsicherheit und Skepsis in seinem Menschengesicht nicht lesen konnte.
Harkon nahm den ihm ausgestreckten Anhänger entgegen, besah sich noch einmal den eigenartigen Aufbau und verschloss das Stück dann in seiner Faust. Als er wiederum aufblickte, nickte Gromnir’kall zufrieden.
„Du bist auf einem guten Pfad“, befand er. Und saß dann wieder stumm vor sich hin, sah ihm in die Augen. Harkon sah zurück. Das Gespräch war irgendwie zum Stehen gekommen, und der Schmied wusste nicht so recht, worauf der Schamane nun hinauswollte.
„Aber gehen musst du ihn“, setzte Gromnir’kall dann nach einer Weile nach. „Jetzt liegt es in dir. Sitzung ist beendet. Wenn es nicht gut geht, dann wiederkommen, irgendwann, nächste Woche oder in zwei Wochen. Aber gib dir Zeit, dir und anderen. Einverstanden?“
„Einverstanden“, sagte Harkon nur, der jetzt begriffen hatte, dass der Schamane ihn hinauskomplimentieren wollte. Sie standen gleichzeitig von ihren Sesseln auf. Geredet wurde ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Mit zielstrebiger Geste und weiterhin gütigem Lächeln wies Gromnir’kall den eigentlich unübersehbaren Weg zur Kammer hinaus und folgte dem heraustrottenden Harkon bis zum Rande des Wartezimmers, in dem noch immer niemand wartete. Er sah Harkon noch ein wenig nach, aber das sah der Schmied gar nicht mehr, denn er begab sich ohne weitere Umschweife hinaus ins Freie.
Draußen schauderte er kurz, aber das nicht etwa, weil es kalt war – es war lediglich die für diese Jahreszeit übliche frühabendliche Kühle, die sich über Geldern legte –, sondern weil die Angst in ihm anschwoll, von jemandem, der ihn kannte, gesehen zu werden, während er aus der Praxis dieses Orks herauskam. Harkon verbat sich nervöse Seitenblicke, denn Peinlichkeit wurde immer noch ein Stückchen größer, wenn man sie sich anmerken ließ. Wohl aber war er durchaus darauf bedacht, jetzt schnell Land zu gewinnen. Als er für sein Empfinden weit genug von der Bretterbude des Schamanen entfernt war, wurde er etwas weniger zielstrebig und schlenderte eher daher, während er die vergangene – ja, was denn? Stunde? – innerlich Revue passieren ließ. Hatte das jetzt was gebracht? War er jetzt irgendwie schlauer? Er bemerkte, dass er den orkischen Anhänger noch immer fest umklammert in seiner rechten Hand hielt. Als er sie öffnete, sah er, dass die Zähne des Geweihs einen deutlich sichtbaren Abdruck in seinem Fleisch hinterlassen hatten. Er seufzte, wollte sich den Anhänger in die Hosentasche stecken, bemerkte, dass er dafür zu unförmig war, also der Anhänger, hängte ihn sich deshalb direkt um, verbarg ihn dann aber sicherheitshalber unter seinem Hemd und machte sich endlich auf den Heimweg.

Es war ziemlich warm, als Harkon in sein Heim trat. Lenna musste den Ofen vor kurzem nochmal angeschürt haben. Von seiner Frau war jedoch keine Spur, das Wohnzimmer war leer. Auf dem kleinen Tisch in der Mitte des Raumes lag ein Stoß Papier. Wie so häufig in letzter Zeit. Hier Papier, dort Papier, überall dieses Papier, das Lenna im ganzen Haus verteilte. Als wohnten sie in einer Schreibstube. Harkon fasste bereits die Idee, das Papier in den Ofen zu feuern, als er Stimmen hörte. Stimmen, die aus dem Schlafzimmer kamen. Eine davon war Lennas, Harkon erkannte sie. Aber da war noch eine andere Stimme. Eine, die er nicht kannte. Die Schlafzimmertür stand halb offen, sodass Harkon nur ein paar Schritte zur Seite machen musste, um zu erkennen, was dort vor sich ging. Lenna sah er nicht. Aber er sah einen jungen Mann, einen Jüngling, vielleicht gerade mal sechzehn Sommer alt. Gekleidet in ein weißes, viel zu luftiges Gewand, deutlich zu luftig für diese Jahreszeit. Ein schlanker, leicht muskulöser Körper, dunkle Haare, und obwohl Harkon ein wenig zu weit weg war, so konnte er es doch erahnen, das Gesicht eines Schönlings, der noch nie hatte arbeiten müssen, der die Härten des Lebens nicht kannte. Er kniete auf dem Bett – ihrem Ehebett! – und lauschte dem unverständlichen Gemurmel Lennas, bevor er selbst seine klare Stimme erhob.
„Oh Prinzessin! Welch Ehre wird mir zuteil, Euch in Eurem Gemach aufsuchen zu dürfen! Doch was seh’ ich, Ihr schicktet Eure Zofe fort! Hat es einen Grund, warum Ihr so bereitwillig auf Ihre Dienste verzichtet? Nein, sagt nichts, schweigt lieber, und lasst Eure wunderschönen Hände für Euch sprechen …“
In Harkon kochte es hoch, so sehr, dass der wohnzimmerliche Ofen als Eisschrank durchgehen konnte. Und so schnell wie jetzt war er schon seit Jahren nicht mehr zum Schlafzimmer gestürmt. Er hatte gerade seinen Mund geöffnet, um brüllend wilde Flüche auszustoßen, da bekam er plötzlich einen Schlag gegen den Fuß und hob ab. Es war kein langsamer Flug sondern ein schneller Fall, aber die Zeit reichte für einen einzigen Gedanken. Die Diele.
Der Gedanke kam zu spät: Einen halben Atemzug später traf Harkon mit dem Kopf auf das Türblatt, stieß so den Eingang zum Schlafzimmer auf und landete dann bäuchlings auf dem Boden. Einen Moment lang wusste er nicht, ob ihm nun sein Oberkörper, seine Knie oder sein Kopf am meisten wehtat, aber dann setzte sich der Kopf sehr schnell und pochend durch. Heiße Flüssigkeit rann seine Stirn herunter und begann, sein Resthaar zu verkleben. Und Harkon hatte man doch immer gesagt, sein Quadratschädel würde alles aushalten. Eine Schlafzimmertür im vollem Galopp wohl nicht.
„Harkon!“, rief Lenna und kam auf ihn zugestakst. Er sah von unten nur ihre Beine unter dem Rock hervorlugen. Immerhin war sie noch anständig angezogen. Aber das entschuldigte nichts. Ein paar Minuten später hätte Harkon den Rock wahrscheinlich auf dem Schlafzimmerboden aufsammeln können. Doch hatte er das Innos sei Dank ja noch verhindern können.
Harkon schlug die Hand weg, die ihm aufhelfen wollte.
„In meinem eigenen Schlafzimmer“, hauchte er. Ihm war immer noch schwarz vor Augen und er blutete weiter. Beides wurde nicht besser, im Gegenteil.
„Mit irgendsoeinem Jüngling … betrügst du mich … und ich wunder mich … dass du keine Augen mehr für mich hast …“
Harkon war von Schwindel ergriffen, aber er wollte in seinem Ärger nicht klein beigeben.
„Harkon, du verstehst das falsch!“, hörte er Lenna rufen, die nun nicht nochmal nach ihm griff, wie er am Boden kauerte. Der Jüngling stand noch immer in seiner lächerlichen freizügigen Kleidung im Türrahmen und starrte den einzigen Mann im Haus kreidebleich an. Das Bild verschwamm leicht vor Harkons Augen.
„Das ist doch einer meiner Schüler!“, fuhr Lenna fort.
„Auch das noch!“, polterte Harkon zurück, aber das Brüllen ließ ihm nur den Schmerz durch den Kopf fahren, weshalb er sich etwas zügelte. „Hüpfst mit einem deiner Schüler in die Kiste …“
„Harkon, jetzt hör doch mal zu!“, rief Lenna nun ebenfalls verärgert. Sie sah von oben auf ihn herab und musste sich mehrmals eine Haarsträhne hinters Ohr streichen, damit sie nicht länger in ihr gerötetes Gesicht fiel.
„Ich habe dir doch erzählt, dass bald in der Schule die Aufführung ist, und die bereite ich schon die ganzen letzten Wochen vor! Du hast mir einfach nicht zugehört! Und ich habe dir auch gesagt, dass heute Marvin vorbeikommen wird, weil die ursprüngliche Besetzung für die Hauptrolle kurzfristig krank geworden ist. Wir haben nur das Stück geübt, verstehst du?“
„Nur … geübt …“, hörte Harkon sich murmeln, aber seine Sinne schwanden nun rapide. Vielleicht war es die Einsicht, die nun so sehr auf ihm lastete, denn er hatte auf einmal das dringende Bedürfnis, einfach einzuschlafen.
„Marvin“, hörte er Lenna noch sagen. „Ich weiß, das ist jetzt ziemlich unangenehm für alle Beteiligten, und ich will dich als deine Lehrerin nicht in Familienangelegenheiten mit reinziehen, aber … könntest du bitte schnell Doktor Erlinger holen? Ich glaube, mein Mann ist … ein bisschen kaputtgegangen. Und … zieh dir etwas anderes an, bevor du gehst.“

Von mir aus geh, aber sieh zu, dass du rechtzeitig zum Stück da bist! Jeder Besucher zählt!
Lennas Worte hallten in seinem Kopf wider, lange noch, nachdem er das Haus verlassen hatte. Während Harkon durch das kalte Geldern stapfte, kam er sich selbst wie einer ihrer Schüler vor, ausgeschimpft wegen irgendeiner Dummheit. Mit einigem Widerwillen musste er zugeben, dass das auch durchaus seine Berechtigung hatte. Harkon hatte sich nur ungern belehren lassen, gerade von Lenna, aber schlussendlich hatte sie Recht behalten. Harkon hatte sich geirrt, schwer geirrt, und man konnte von Glück sagen, dass nur eine Beule an seinem Kopf dabei herausgekommen war, zumindest was die rein physischen Einbußen anging. Nach langer Diskussion mit seiner Frau jedenfalls hatte Harkon eingesehen, was wirklich geschehen war. Glaubhaft hatte Lenna ihm versichert, dass alles nicht so gewesen war, wie es ausgesehen hatte. Dass sie doch nur geprobt hatten, sie und dieser Marvin, weil sie in der Schulaula keine Ruhe hatten, wegen der ganzen Aufbauarbeiten. Dass sie sich ins Schlafzimmer zurückgezogen hatten, weil die Szene im Stück nun einmal ein Bett erforderte. Dass der ohnehin schon sehr schüchterne Marvin nun noch nervöser war vor dem kommenden Stück. Und dass Lenna nicht umsonst gesagt hatte, Harkon müsse sich endlich um die lose Diele kümmern.
Harkon konnte sich nur noch bruchstückhaft daran erinnern, was passiert war, denn nach dem Anblick dieses Jünglings in seinem Schlafzimmer setzte die Erinnerung aus. Er musste irgendwann nach dem Sturz, den er nur dank Lennas mehrfacher und ausführlicher Erzählungen rekonstruieren konnte, kurzzeitig das Bewusstsein verloren haben. Das nächste, woran er sich erinnern konnte, war, wie er in seinem Bett gelegen und hinauf in Doktor Erlingers gerunzelte Stirn geschaut hatte. Der Doktor hatte ein bisschen mit ihm gesprochen, Harkon hatte nur auszugsweise zugehört. Das milde Lächeln auf dem Gesicht des Arztes hatte ihn aber schon ausreichend beruhigt, und schließlich hatte der Heiler ihn mit dem Hinweis verabschiedet, dass ihm zwar eine dicke Beule wachsen und der Kopfschmerz einige Zeit anhalten würde, er aber gerade so an einer Gehirnerschütterung vorbeigeschrabbt sei. Sein Quadratschädel war also doch zu etwas gut.
Mit seiner Diagnose hatte Doktor Erlinger jedenfalls goldrichtig gelegen: Die Beule an Harkons Kopf war so dick geworden, dass er sie mehr aus Scham denn aus medizinischer Notwendigkeit verbunden hatte, und sein Kopf dröhnte wie eine ganze Batterie aus Schiffskanonen. Der kalte Wind draußen verschärfte den Kopfschmerz zudem eher als ihn zu lindern, aber dass er vor dem Theaterstück nochmal frische Luft schnappen wollte, hatte Harkon ohnehin nur als Grund für seinen Ausgang vorgeschoben. Er war nämlich auf dem Weg zum Ork. Das hatte er Lenna natürlich nicht erzählen können, und er war froh gewesen, dass Doktor Erlinger nicht beiläufig nachgefragt hatte, ob er denn schon beim Schamanen gewesen sei. Zumindest konnte Harkon sich an so eine Nachfrage nicht erinnern.
Harkon war mittlerweile vor der orkischen Praxis angekommen. Er las noch einmal das schiefe Schild:

Gromnir’kall – Schamanische Beratung

Er atmete tief durch. Es gefiel ihm nicht, dass er hier noch einmal aufkreuzte, zumal er glaubte, dass der Anhänger, den ihm der Schamane gegeben hatte und den Harkon bereits heute nicht mehr trug, mehr Pech als Glück gebracht hatte. Er wollte ihm das Teil wenigstens zurückgeben, das gebot der Anstand. Und wenn der Ork dann noch Zeit haben sollte, über den gestrigen Vorfall zu sprechen, so von Mann zu Mann …
Harkon rüttelte einmal kurz an der Hüttentür, aber sie ging nicht auf. Er versuchte es noch einmal, mit angemessener Vorsicht, damit er das zusammengezimmerte Ding mit seiner geballten Kraft nicht noch aus den Angeln hob. Es half nichts, die Tür war abgeschlossen. Harkon klopfte dreimal laut und kräftig gegen das Holz. Er wartete, sehr geduldig – den Orks sagte man ja nach, dass sie nicht immer die schnellsten waren. Nach einer Weile klopfte er ein weiteres Mal. Und nach einer weiteren Weile nochmal. Nichts. Der Schamane war entweder nicht da oder hatte keine Lust ihn zu empfangen. Harkon trat noch einmal ein paar Schritte zurück und blickte auf die Hüttenfront. Außer dem Holzschild war dort nichts, kein Anschlag oder sonstiger Hinweis, dass die Praxis heute geschlossen war. Dabei wäre das doch das Mindeste gewesen.
Er schüttelte den Kopf. Dann eben nicht. Vielleicht war es auch besser so. Er war doch ohnehin nicht ernsthaft auf einen Orkschamanen angewiesen!

Als Harkon in die Aula eintrat, traf ihn fast der Schlag. Es war bullig warm, als hätte man sämtliche Öfen der Schule gesammelt in den Saal gestellt und angeschürt. Die Luft war dick genug zum Schneiden, und Harkon, der sowieso zum schnellen Schwitzen neigte, fühlte bereits seine Stirn feucht werden.
Der moosgrüne Teppich gab unter seinen schweren Schritten – seine Schuhe waren leicht verdreckt, bemerkte er jetzt – etwas nach, während er eintrat und versuchte, sich Orientierung zu verschaffen. Statt auf Einzelsitzen saß das Publikum auf mehreren durchgehenden, dunklen Holzbänken, die mit Blickrichtung zur Bühne ausgerichtet waren. Es war ein bisschen wie in einer Kapelle. Der große Unterschied war der Lärm: Alte und junge Leute gleichermaßen unterhielten sich in einer Lautstärke, die Harkons ohnehin geschundenen Schädel gefühlt noch weiter anschwellen ließen. Es waren offenbar nicht nur die Eltern der auftretenden Kinder, sondern teils gleich deren ganze Sippe mitgekommen, inklusive kleiner Geschwisterkinder, die natürlich erst recht nicht still und ruhig auf ihren Plätzen sitzenbleiben konnten. Einen Moment lang dachte Harkon darüber nach, einfach wieder in hohem Bogen zu stolpern und bewusstlos zu werden, dann aber verwarf er den Gedanken und suchte nach Lenna. Er fand sie in der ersten Reihe, die offenbar für die Lehrer und sonstige honorige Persönlichkeiten mit Bezug zur Schule reserviert war. Die Bank war vollends belegt. Lenna aber sah zufällig nach hinten, ihr Blick traf sich mit dem Harkons. Aus ihrem Gesicht konnte Harkon keine besondere Reaktion ablesen, aber immerhin hatte sie ihn gesehen. Kurz darauf wandte sie sich wieder nach vorne und ihre Blicke verloren den Kontakt. Harkon überlegte, ob er jetzt vielleicht einfach wieder gehen sollte, aber das traute er sich dann doch nicht: Lenna würde herausfinden, dass er sich noch vor Beginn des Stücks davongestohlen hatte. So etwas fand sie immer heraus.
Es war wirklich voll, in den meisten Reihen war kein Platz mehr frei. Jeder Besucher zählt, hatte Lenna gesagt, aber offenbar hatte sie die Begeisterungsfähigkeit der Einwohner Gelderns für Schulaufführungen drastisch unterschätzt. Harkon befand, dass er da doch fast ein schlechtes Gewissen haben musste, wenn er, der so gar keine Lust auf das Stück hatte, jemand anderem den Platz wegnahm. Vielleicht war es also doch das Vernünftigste, wenn er einfach -
Ein Winken riss ihn aus seinen Gedanken. Es war ein großer, dicker Arm zu seiner Rechten, und als Harkon sich zur Bank drehte, sah er, dass der Arm zu einem Ork gehörte. Erst auf den zweiten Blick und nachdem er sich gefragt hatte, warum ausgerechnet ein Ork ihm zuwinkte, erkannte er, dass es Gromnir’kall war, der Orkschamane. Er war genau so gekleidet wie bei ihrem ersten Treffen: Makelloses, weißes Gewand in der Größe einer durchschnittlichen Zeltplane, geflochtene Zöpfe, exotischer Schmuck. Nur bei der Gesichtsbemalung hatte er sich offenbar bewusst zurückgehalten. Alles in allem sah es so aus, als sei er direkt aus seiner Praxis hier in diese Aula gekommen. Das erklärte, warum die Praxis geschlossen war. Nicht erklären konnte sich Harkon dagegen, was der Schamane hier machte.
Was Harkon auch nicht konnte: Weiterhin ignorieren, dass der Ork ihm nicht nur unverbindlich zuwinkte, sondern ihm anzeigte, dass neben ihm auf der Bank noch ein Platz frei war. Nicht nur einer, wenn man es genau nahm: Links neben ihm am Ende der Bank war noch mehr als genug Platz für Harkon, und rechts neben ihm hätten noch zwei Leute seines Formats Platz gehabt, bis die Bank wieder mit anderen Besuchern belegt war. Der Saal war voll, das Stück musste gleich beginnen – und Harkon ergriff, wenn auch mit wenig Eifer, die Chance. Er ließ sich zur Linken des Orks nieder. Die Bank war unglaublich hart.
Der Schamane grinste ihn unter Einsatz seiner Eckzähne an. „Alles gut?“, fragte er knapp.
„Ja“, antwortete Harkon automatisch, weil man das auf solche Fragen zu antworten hatte. Auf den skeptischen Blick des Orks fügte er noch rasch hinzu: „Also, ich hatte einen kleinen Unfall, aber mit meinem Kopf ist alles in Ordnung soweit …“
Der Schamane nickte wissend. Sein Blick ging kurz zurück nach vorne Richtung Bühne, wo offenbar die letzten Vorbereitungen getroffen wurden und es eifrig hinter dem roten Vorhang raschelte.
„Eure Praxis ist heute geschlossen, weil Ihr hier bei der Aufführung seid?“, fragte Harkon nach, weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte und ihm das Schweigen zu unangenehm gewesen wäre.
„Ja, ist so“, brummte der Ork zurück. „Darf nicht fehlen. Immerhin ist mein Enkel drin in der Aufführung. Da muss ich als sein Pappek auch da sein! Er hat wichtigste Rolle im Stück.“
„Die Hauptrolle?“, entfuhr es Harkon. Er war verblüfft. Mehr als das, er war verwirrt. Sollte nicht dieser Jüngling, der sich in sein Haus gewagt hatte, die Hauptrolle übernehmen, als Vertretung für jemand ganz anderen? Hieß das, dass er nun auch krank geworden war? Hatte es doch etwas mit dem Vorfall von gestern … nein. Was, wenn das alles gar nicht gestimmt hatte? Wenn dieser Jüngling in Wahrheit gar nicht zum Üben mit Lenna ins Schlafzimmer gegangen war? Wenn das alles nur eine Ausrede im Nachhinein gewesen war, eine List, um ihn zu täuschen? In Harkon stieg es heiß hinauf. Sein Blick suchte Lenna in der ersten Reihe und fand sie, aber sie blieb stur Richtung Bühne gedreht, sodass er nur ihren schwarzen Haarschopf sah. Wenn sie ihn tatsächlich belogen haben sollte, dann …
„Nicht Hauptrolle, nein“, sagte der Schamane ruhig. „Wichtigste Rolle! Ist ein Unterschied, zwei Dinge verschieden. Aber mein Enkel hat seinem Pappek gut zugehört, weiß nun, was wichtig ist und hat weise Wahl gemacht. Wird irgendwann sicher auch ein guter Schamane werden.“
„Was für eine Rolle hat er denn nun?“, fragte Harkon etwas zu hastig zurück. Er verstand nun gar nichts mehr, wenn er zuvor denn überhaupt etwas verstanden hatte.
„Die Rolle, für die man viel von Karrak-Varrag braucht.“
Karrak-Varrag?“ Harkon zuckte fast zusammen. Was war das für ein Stück, für eine Schulaufführung, in der es um sowas ging? Und hieß das nicht, dass Lenna und dieser Jüngling in ihrem, in seinem Schlafzimmer noch etwas ganz anderes geübt hätten, wenn Harkon nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen wäre?
„Hmhm“, brummte der Ork. Dann machte er wieder diese Geste, indem er seinen Arm zunächst der Länge nach ausstreckte und dann den Unterarm in einer langsamen Bewegung angespannt nach oben beugte. Unterarm und Faust ragten nun stramm bis zu seinem Kopf hinauf, und diesmal klopfte sich der Ork mit den Fingerknöcheln zweimal gegen die Stirn. „Karrak-Varrag“, sagte er feierlich. „Die Kraft des Geistes.“
Harkon schaute ihn mit großen Augen an. „Die … die Kraft des … Geistes?“
Gromnir’kall nickte. „Mein Enkel macht die Rolle des Erzähler. Dafür braucht man Kraft des Geistes, viel davon. Denn ein Erzähler darf nicht nur reden. Er muss vorher nachdenken, und noch vorher zuhören. Zuhören, denken, reden. Dann setzt man sein Karrak-Varrag weise ein. Und dann lösen sich viele Probleme ganz von selbst. Nicht wahr, oder? Aber jetzt sollten wir stumm werden, die Aufführung beginnt!“
Harkon sah den Ork noch eine Weile lang fassungslos an, aber der hatte sich schon weggedreht und sah zur Bühne, wo sich langsam der rote Vorhang lichtete. Die Aula war nun in eine schummerige Atmosphäre getaucht. Ein kleiner Ork stapfte vorne auf die Bühnenbretter. Er trug einen hellen Talar am Körper und eine etwas zu kleine Krone auf dem Kopf. Er baute sich am Rand der Bühne auf, atmete einmal tief durch, blickte in die Menge und erhob dann seine Stimme. Mit tiefem, aber klarem Timbre begann er, zum sichtlichen Gefallen der Zuschauer, die Rahmenhandlung des kommenden Stücks zu erklären.
Aber Harkon hörte gar nicht mehr richtig zu. Er war längst schlaff in seinen unbequemen Banksitz zusammengesunken und hielt sich die pochende Beule an der Stirn. Karrak-Varrag. Die Kraft des Geistes. Und das Schlimmste war, dass er nicht nur bei diesem einen Wort, sondern bereits all die Jahre zuvor komplett danebengelegen hatte.