N'Abend,
Zitat von
wildundgesetzlos
@ naddy
Hallo naddy. Ja. Ich habe mich absichtlich nicht gemeldet, war mir einfach zu aufgeladen und zu unruhig.
Das macht mir nichts. Ich liebe den Streit der Meinungen, solange es dabei sachlich zugeht. Je besser die Argumente der Gegenseite, desto präziser muß man die eigene Meinung formulieren. Das hilft auch zu überprüfen, ob man sich eventuell verrannt hat.
Wie siehts also aus? Sollen wir versuchen auf Herrn Putin, der auf Angriff geschaltet hat, zuzugehen?
Dafür dürfte es etwas zu spät sein. Allerdings hat Merkel in der Vergangenheit des Öfteren mal die Vermittlerrolle gespielt, ich nehme an mit Einverständnis der USA. So konnten die Hauptmatadoren öffentlichkeitswirksam auf Eiszeit schalten, eine Etage tiefer aber trotzdem im Gespräch bleiben.
Er hat Russland, ähnlich wie Erdogan, in einen nationalistischen Taumel gestürzt.
Das Thema hatten wir ja schonmal. Ist eine schwierige Frage, warum einige Volksgemeinschaften scheinbar stärker zu Autokraten tendieren als andere. Das hat einerseits sicher viel mit der jeweiligen Geschichte zu tun, in unserem Fall mit Hitler. Warum Stalin in Rußland zum Teil auch heute noch verehrt wird ist wohl nur dadurch zu erklären, dass er den Krieg nicht verloren hat. Andererseits wird in Krisenzeiten durchgängig der Ruf nach "dem starken Mann" laut, der das alles regeln soll. Wenn mich meine historischen Kenntnisse nicht ganz verlassen haben, war sowas ja sogar mal in Staatsform gegossen, denn in einer Phase der Römischen Republik waren für den Kriegsfall "Tyrannen auf Zeit" vorgesehen. Offenbar hat man also ziemlich früh erkannt, dass schnelle Entscheidungen nicht zu den Kernkompetenzen der Demokratie gehören.
Nach meiner Einschätzung hat das "Führer"-Prinzip aber auch sehr viel mit religiösen Prägungen zu tun, denn da ist das Urbild des Führers vorgegeben. Wer daran gewöhnt ist, sich lediglich als Ausführender eines höheren Willens zu begreifen, wird auch mit weltlichen Führern wenig Probleme haben. Damit das auch der Einfältigste versteht, wurde das "Gottesgnadentum" erfunden. Und damit der Kirche, deren "Reich" ja angeblich "nicht von dieser Welt" ist eine unfaßbare Machtfülle zugestanden.
Aber wie ich gerade sehe, hast Du einen neuen Thread aufgemacht, in dem diese Thematik sicher besser aufgehoben ist. Deshalb wegen des Zusammenhangs nur noch:
Ist die NATO also eine Bedrohung für Russland speziell? Ähm, nein. Russland ist nicht nur sehr groß, sondern auch noch voll von Atomraketen. Ein Angriff würde sicherlich einen Atomschlag, man ist derzeit ja von "taktischen" Nukes ganz begeistert, auslösen.
War Kuba eine wirkliche Bedrohung für die USA? Da hätte eine einzige der damaligen Wasserstoffbomben ausgereicht und die ganze Insel wäre Geschichte gewesen. Nein, so funktioniert dieses Spielchen der Mächtigen nicht.
Eine permanent ost-erweiterte NATO ist für Rußland auf jeden Fall eine realere Bedrohung, als es Kuba für die USA jemals sein konnte.
Sollte Russland sich nach China wenden, so wird der Braunbär bald merken, daß der liebe Panda nicht nur cleverer, wendiger und gerissener, sondern auch fortschrittlicher ist als das behäbig pumpende mütterchen Russland.
Darum geht es aber nicht. Diese Ungleichgewichte der Bündnispartner sind innerhalb der NATO doch noch wesentlich krasser. Es geht darum, dass neue Blöcke geschmiedet werden, die dann gemeinsame Interessen mit konzertierten Aktionen durchsetzen können. Wenn sich so Schwergewichte wie China und Rußland, vielleicht noch Indien, zusammentun, wird es sogar für die USA langsam ernst, sowohl militärisch als auch wirtschaftlich. Von Europa ganz zu schweigen.
Sprechen wir von Bildern die die Meinungsbildung der öffentlichkeit beeinflussen so ist der Informationskrieg schon längst ausgebrochen. Erinnern wir uns an Alan Kurdi, der in der Ägäis ertrunken ist und an den Strand angespült wurde, die Refugees in den überfüllten Schlauchbooten auf dem Mittelmeer,...
Ein weiteres Thema für einen eigenen Thread. Oder auch für mehrere. Die genannten Bilder sprechen unmittelbar die Emotionalität an, die dann zur Grundlage politischer Entscheidungen gemacht wird. Wollen wir das? Ist das klug?
Jedem, der seinen Verstand auch nur ein paar Minuten täglich einschaltet, muß klar sein, dass bei 250 Millionen Migranten weltweit die unbegrenzte Einwanderung nach Europa nicht die Lösung sein kann. Also: "Fluchtursachen bekämpfen!" Und wie? Indem man den arbeits- und leistungsfähigen Anteil der Bevölkerung aus den Problemländern nach Europa lockt? Wer engagiert sich dann für die Besserung der Verhältnisse dort? Die Alten und Schwachen? Oder ist der Plan, dass mittelfristig die Hälfte der Weltbevölkerung in den sogenannten "Wohlstandsstaaten" lebt? Ein Aspekt, der von der Politik bei solchen Fragen regelmäßig übersehen oder ausgeblendet wird: Es handelt sich nicht um die Verteilung eine festen Kontingents, sondern um die Steuerung eines permanenten Prozesses.
Bei den sogenannten "Klimaflüchtlingen" wird's dann mit "Fluchtursachen bekämpfen!" völlig meschugge. Wie lange dürfte es wohl dauern, bis wir das Weltklima so weit unter Kontrolle haben, dass sicheres Leben auch in Überschwemmungsgebieten und Dürrezonen gewährleistet werden kann?
Aber wesentlich tiefgreifender erscheint mir bei der "Politik der Bilder" etwas Anderes. Ich formuliere es einmal plakativ:
Seit Anbruch des multimedialen Zeitalters - also seit etwa hundert Jahren - wird der Mensch mit Sinneseindrücken konfrontiert, auf die sein Wahrnehmungs- und Verarbeitungssystem nicht ausgerichtet ist.
Alle Sinne haben eine gewisse Reichweite, die bis auf den Blick in den Sternenhimmel immer Eines ermöglicht: Interaktion mit dem Wahrgenommenen. Sei es Zuwendung, Flucht, Konfrontation oder Beseitigung eines Störfaktors. Dieses Prinzip wurde mit der weltumspannenden Bilderflut ausgehebelt. Folge: Starke Emotionen ohne Handlungsrelevanz.
Wie soll man beispielsweise adäquat auf ein Video reagieren das zeigt, wie in Ruanda Frauen und Babys mit der Machete zerhackt werden? Sich abwenden? Wütend werden? Demonstrieren? Spenden? Sich engagieren? - oder dann doch besser für Robbenbabys, den Regenwald, artgerechte Tierhaltung, gegen die Klimakatastrophe, Faschisten, Mietspekulanten oder die Atomkraftlobby in Fukushima?
Wenn man nicht irre werden will lautet meine Empfehlung: Informationsvermeidung. Oder Zynismus. Denn das Alles ist viel zu viel und zu weit weg für den kläglichen menschlichen Verstand.