Der Troll,
die Prinzessin,
der Mathematiker,
der eine und die andere


Es war einmal ein Raum, der war so schlicht und langweilig, niemand hätte ihm auch nur ein Wort gewidmet, wenn es sich an jenem einen Tag nicht begeben hätte, dass sich drei ganz und gar illustre Gestalten in diesem Raum zusammengefunden hatten. Da der Raum sich wie bereits erwähnt durch seine Schlichtheit auszeichnete, bot er nicht allzu viele Möglichkeiten zum Verweilen. So kam es, dass jene drei Personen, mangels Alternativen, an dem nahezu quadratischen Tisch Platz nahmen, den sie in der Mitte des Raums vorfanden. Da die leere Wand kein Fenster besaß, war die nackte Glühbirne über ihren Köpfen außerdem ihre einzige Lichtquelle. Und weil sie nur zu dritt waren, blieb der vierte Stuhl am Tisch frei.
„Warum sollen ausgerechnet wir das Weihnachtsfest im oberen Viertel organisieren?“, brüllte der Troll unter ihnen und schlug mit seiner wuchtigen Faust auf den Tisch. Niemanden hätte es verwundert, wenn dieser Schlag die Anzahl der funktionstüchtigen Möbel in jenem Raum dezimiert hätte, doch das Holz hielt ächzend stand.
„Die Frage ist doch eher“, sagte die Frau in der Runde, die gar keine Frau war, „warum ich ausgerechnet mit euch beiden das Fest organisieren soll!“
Beide schauten die dritte Person an, die zwischen ihnen saß, und erwarteten offensichtlich auch von ihr eine Wortmeldung. Der hagere Mann, dessen Haar sich schon deutlich lichtete, räusperte sich umständlich ob dieser urplötzlichen Anteilnahme an seiner Anwesenheit, und sagte: „Ich frage mich eher, warum dieser Tisch nur annähernd quadratisch ist. Wenn man schon einen Tisch in dieser Form gestalten möchte, warum macht man dann nicht alle Seiten gleich lang? Nur ein oder zwei Zentimeter und das Quadrat wäre perfekt gewesen, aber jemand scheint sich etwas dabei gedacht zu haben, diesen Tisch einen Hauch breiter als lang zu machen. Oder länger als breit, je nach Betrachtung.“
Der Troll und die Frau tauschten einen skeptischen Blick.
„Ich finde meine Frage wichtiger!“, stellte die Frau fest. „Ich bin nämlich Lea und wenn ich das Fest schmeiße, dann kracht die Schwarte, wär ja sonst gelacht!“
„Woher willst du wissen, dass meine Partys nicht viel tollerer sind als deine?“, grollte der Troll und entblößte seine prächtigen Hauer.
„Na, sieh dich doch mal an!“, entgegnete Lea und maß ihn von Kopf bis Tischkante.
Der Troll sah an sich hinunter. „Die Krawatte ist nach der neuesten Mode!“, verteidigte er sich.
Lea schnaubte und verdrehte genervt die Augen. „Die Krawatte ist ja auch recht dufte. Die Sache ist eher, was man nicht sieht! Ansonsten bist du komplett nackt, Troll! Das spricht nicht gerade für kultivierten Umgang.“
Noch ehe der Troll etwas erwidern konnte, erhob der Mann zwischen ihnen wieder seine Stimme: „Da Trolle für gewöhnlich gar keine Kleidung tragen, finde ich es schon sehr beachtlich, dass er wenigstens eine Krawatte trägt. Während er für seine Rasse überdurchschnittlich viel Kleidung zur Schau stellt, ist es bei dir genau umgekehrt, Lea.“
Lea errötete schlagartig und schlang die Arme um ihre nackten Schultern, was ihren nackten Bauch umso mehr betonte.
„Stimmt. Und das zu dieser Jahreszeit“, fügte der Troll hinzu.
„Ihr habt doch alle keine Ahnung!“, schnappte Lea, verschränkte die Arme und überschlug ihre Beine, nur um in schmollendes Schweigen zu versinken.
„Ich will ganz viele Bananen!“, erklärte der Troll.
„Und Ente süß-sauer sollte es auch geben!“, fügte der Mathematiker hinzu.
„Wie meinst du das?“
„Na, auf dem Weihnachtsfest. Da sollte es einen Stand geben, der Ente süß-sauer verkauft.“
Der Troll schlug sich die Hände vors Gesicht. „Jetzt! Ich will jetzt Bananen, nicht irgendwann bei irgendeinem blöden Fest.“
„Okay, also nur Ente süß-sauer beim Weihnachtsfest. Bin ich auch mit einverstanden.“
„Nein!“, brüllte der Troll und schlug abermals mit den Fäusten auf den Tisch. „Ich will jetzt und Weihnachten Bananen!“
„Seid ihr denn beide gestört?“, platzte es nun aus Lea heraus. Sie löste ihre Arme aus der Verschränkung sowie ihre Lippen aus dem Schmollmund, nur um sich erstere in die Seiten zu stemmen und letztere weit aufzutun. „Welcher Hein Blöd will auf einem Weihnachtsfest denn Bananen und Ente süß-sauer haben! Das ist doch vollkommen absurd!“
Der Troll und der Mathematiker blinzelten sie verdutzt an. „Stimmt“, sagten sie, wie aus einem Mund.
„Ente süß-sauer zu Weihnachten ist echt komisch“, sagte der Troll.
„Bananen will Weihnachten doch nun wirklich niemand essen“, der Mathematiker.
Zornig funkelte der Troll seinen Sitznachbarn an, der beschwichtigend die Arme hob.
Abrupt erhob sich Lea von ihrem Stuhl, vor Begeisterung konnte sie offenbar nicht mehr still sitzen, und breitete die Arme aus. „Ein richtiges Weihnachtsessen besteht aus einer deftigen Suppe, die richtig gut durchwärmt, einem fetten Braten, von dem die ganze Familie satt wird, und am Wichtigsten ist natürlich das Dessert! Riesige Schüsseln voll Herrencreme, Eis in zimtigen Wintersorten, frische Lebkuchen und selbstgebackene Plätzchen, von den Kindern bunt verziert und noch warm vom Ofen!“
„Weihnachten ist im Dezember“, erinnerte der Mathematiker sie.
„Wer will da denn Eis essen?“, war auch der Troll abgeneigt.
„Ich hab viel mehr als nur Eis aufgezählt!“, keifte Lea und stampfte mit ihrem Absatz auf. „Ignoriert das gefälligst nicht! Außerdem gibt es spezielle Wintersorten, wann soll man die denn sonst essen?“
„Du würdest also auch Glühwein im Hochsommer trinken, wenn jemand auf die Idee käme, ihn in Sommervarianten herauszubringen, verstehe ich das richtig?“ Der Mathematiker nickte, als würde ihm etwas klar, das er sich schon lange gefragt hatte. „Das erklärt so einiges, was ich schon im Supermarkt gesehen habe.“
„Glühwein im Sommer?“, der Troll schauderte, „Bei der Vorstellung fang ja nicht nur ich, sondern auch mein Fell an zu schwitzen!“
„Es reicht, es reicht, es reicht!“, kreischte Lea und trommelte mit beiden Fäusten auf den Tisch. „Eure Essgewohnheiten sind absolut unwürdig! Wenn ihr beiden euch um das diesjährige Weihnachtsessen kümmert, würde das das schlimmste Weihnachten aller Zeiten, so war ich hier stehe! Überlasst diesen Part also besser mir.
„Aber“, wollte der Troll widersprechen, doch der finstere Blick der falschen Lady ließ ihn verstummen. Brummig die Arme verschränkt starrte er auf die Tischplatte. „Dann bring ich mir halt meine eigenen Bananen mit. Und ich werde sie mit niemandem teilen, jawohl!“
Der Mathematiker zuckte nur unverbindlich mit den Schultern und beließ es dabei.
„Schön!“, sagte Lea und strahlte zufrieden. Rücklings ließ sie sich zurück auf ihren Stuhl plumpsen. „Jetzt, wo das geklärt ist, können wir uns ja um den nächsten Punkt kümmern.“
„Und der wäre?“, fragte ihr Sitznachbar.
„Deko?“, warf der Troll hoffnungsvoll ein.
„Die Getränke natürlich“, antwortete Lea zuckersüß, aber mit verkniffenen Mundwinkeln, was ihre strapazierte Geduld zeigte.
„Schnaps“, schoss der Troll sofort los und schlug abermals begeistert auf die Tischplatte. „Grog, Med, Baileys!“
„Für später vielleicht“, unterbrach ihn der Mathematiker. „Wenn schon beim Essen, oder Innos bewahre davor, nur Hochprozentiges ausgeschenkt wird, finden wir die von Lea so üppig geplanten Desserts wahrscheinlich im Abtritt wieder. Nichts könnte den Feierlichkeiten ein jäheres Ende versetzen.“
„Was schlägst du stattdessen vor?“, wollte Lea wissen. „Nach einem Empfangssekt könnten wir feinperliges Tafelwasser ausschenken. Die Gäste sollten sich auf das Essen konzentrieren, dem Trinken kann wahrlich später noch genug Aufmerksamkeit geschenkt werden.“
„Ich empfehle Tee“, wandte der Mathematiker ein.
„Tee?“, wunderte sich Lea. „Macht der nicht müde?“
„Nicht unbedingt, ganz im Gegenteil sogar.“ Dem Mathematiker huschte ein verstohlenes Lächeln übers Gesicht, als ihm einfiel, wie er sie überzeugen würde: „Es gibt auch zahlreiche Tees in Wintersorten: Wintermärchen, Kaminfeuer, gebrannte Mandeln, Sahne-Krokant…“
„Oh, das klingt herzallerliebst!“ Lea klatschte vor Begeisterung in die Hände und ihr stieg Röte in die Wangen. „Also kümmerst du dich um die Getränke bis zum Ende des Dinners, während du dich um das anschließende Gelage kümmerst, Troll!“
„So wie ich Weihnachten kenne, dauert das Essen doch ohnehin bis in die Puppen“, brummelte der Troll unzufrieden, wagte es aber nicht, sich noch deutlicher zu beschweren.
Zufrieden faltete Lea die Hände. „Dann kommen wir nun zur…“
„…Deko?“, vervollständigte der Troll ihren Satz.
Lea versetzte ihm einen vernichtenden Blick. „Nein, zur Liederauswahl.“
„Zu was?“, entfuhr es dem Mathematiker und seine Augen wurden groß.
„Du hast mich schon verstanden!“, schnappte Lea und reckte ihre Nase in die Höhe. „Natürlich müssen wir wie jedes Jahr ein paar Lieder singen, um in weihnachtliche Stimmung zu kommen, und um uns die Zeit bis zum Essen zu vertreiben. Hat jemand Vorschläge?“
„Oh Gott, das ist das schlimmste, was passieren konnte!“, jaulte der Troll auf. „Nie und nimmer singe ich irgendwelche schnulzigen Bibelchöre! Stiiiiille Nacht, Heeeeilge Nacht. Wenn ich schon an diese lang gezogenen Töne denke, will ich Weihnachten so krank sein, dass ich nicht selbst kommen kann!“
„Wie wäre es mit einer peppigeren Nummer als Stille Nacht?“, fragte Lea. „Jingle Bells? Last Christmas?“
„Last Christmas?“, würgte der Mathematiker. „Das muss man doch so schon oft genug in jedem Geschäft hören, das kannst du nicht ernsthaft auch noch Weihnachten…“
„Wenn die Herren der Schöpfung nur meckern, werden wir hier nie fertig!“, brauste Lea auf. „Wenn ihr schon euer Veto gegen bestimmte Lieder einlegen wollt, solltet ihr wenigstens Ersatzvorschläge machen.“
„Nur mal so als ganz abwegige Idee“, der Mathematiker hob beschwichtigend beide Hände. „Wie wäre es, wenn wir gar nichts singen und uns einfach mit den anderen Gästen unterhalten?“
Lea starrte ihn reglos und mit offenem Mund an.
Der Mathematiker starrte ebenso unbewegt zurück und fragte sich, ob sein Leben in wenigen Sekunden enden würde.
„Nein“, stellte Lea fest und faltete wieder ihre Hände. „Wenn ihr selbst keine Lust habt, die Organisation zu übernehmen, bitte, dann opfere ich mich halt und werde im Interesse der Allgemeinheit die Liederauswahl selbst vornehmen. Dieses Treffen kann ja nicht ewig andauern und wir müssen noch über viele Punkte sprechen.“
„Ich finde, der Typ hat recht“, rang der Troll sichtlich verzweifelt um Worte. „Ich glaube wirklich nicht, dass irgendjemand an diesem Abend mit mir zusammen irgendetwas singen will und ich glaube auch nicht, dass ich jemanden von den anderen Gästen singen hören will.“
„Fertig?“, fragte Lea.
Der Troll nickte langsam.
„Dann kommen wir nun zur Deko.“
„Du bist überhaupt nicht auf meinen Standpunkt eingegangen!“, empörte sich der Troll und breitete seine langen Arme aus, um mit seinen Pranken seine Fassungslosigkeit kundzutun.
„Du wolltest doch schon die ganze Zeit über Deko reden, oder?“, entgegnete Lea kühl.
„Seit wann bist du hier eigentlich so etwas wie unsere Wortführerin?“, verlangte der Mathematiker zu wissen.
„Sonst schien sich ja keiner darum zu reißen“, antwortete Lea.
„Wieso stehen hier eigentlich vier Stühle an diesem annähernd quadratischen Tisch? Sollten wir nicht vielleicht noch auf den vierten warten, damit er die Leitung übernehmen kann?“
„Glaub mir, unsere Runde ist vollständig. Wer zu spät kommt, sollte auch keine Feierlichkeiten organisieren. Die werden dann nämlich nicht rechtzeitig fertig. Kleine Weisheit am Rande.“ Lea straffte ihre Schultern und atmete tief durch. Ihre Nasenflügel blähten sich. „Also zur Deko.“
„Ganz klar, Konfetti!“, platzte es aus dem Troll heraus. „Bergeweise Konfetti, die von wohlproportionierten Trollinnen in Engelskostümen den ganzen Abend lang unablässig durch den Raum geworfen werden!“
„Konfetti ist nicht gerade weihnachtlich“, bemerkte der Mathematiker vorsichtig, um nicht wieder einen Wutausbruch zu provozieren.
„Ersetzen wir Konfetti doch durch künstlichen Schnee, das wäre dann weihnachtlich“, überlegte Lea.
„Aber Schnee ist nicht bunt!“, widersprach der Troll und raufte sich die Haare.
Lea stieß einen spitzen Schrei aus, schlug sich die eine Hand vor den Mund und krallte die andere in den Tisch, um nicht vor jäher Entzückung von ihrem Stuhl zu kippen. „Bunter Schnee!“, rief sie schließlich aus und war offenkundig ganz aus dem Häuschen. „Wir produzieren Schnee in allen Farben des Regenbogens, darüber werden die Gäste noch in Jahren reden!“
„Und… den wollt ihr wirklich den ganzen Abend haben?“, wagte der Mathematiker einzuwerfen. „Auch beim Essen?“
„Du hast recht“, sagte Lea. „Wir müssen Lebensmittelfarbe nehmen.“
„Das meinte ich nicht.“
„Bunter Schnee, das wird so geil!“, freute sich der Troll und trommelte mit seinen Fäusten auf den Tisch.
„Die Idee, dass Trollinnen den Schnee werfen, finde ich auch gut“, fuhr Lea fort. „Sie dürften groß genug sein, um auch ohne Leitern arbeiten zu können. Sie sind also flexibler und wir sparen uns das Geld für die Leitern.“
„Im Rathaus gibt es bestimmt mehrere Leitern“, warf der Mathematiker ein, doch beim Thema Deko schienen der Troll und Lea so auf einer Wellenlänge zu sein, dass sie ihn komplett ausblendeten.
„Wie viele Tannenbäume brauchen wir?“, fragte Lea.
„Hundert!“, antwortete der Troll und streckte seine Arme, bis er unter die Decke stieß. „Und so groß müssen sie sein! Bis zur Decke!“
„In jeder Ecke jedes Raums einen, finde ich gut. Hundert scheinen mir angemessen, wenn man bedenkt, wie viele Räume der Öffentlichkeit zugänglich sein werden. Wir müssen nur darauf achten, dass wir auch genug Weihnachtsbaumkugeln haben.“
„Wir müssen sie in Regenbogenfarben schmücken, dann passen sie zum Schnee!“
„Und in der Eingangshalle stellen wir sieben Bäume auf, jeder in einer Farbe geschmückt!“
„Lametta, wir brauchen ganz viel Lametta!“
„An jedem Treppengeländer!“
„Und Lichterketten, überall!“
„Bis man von der Decke nichts mehr erkennen kann, wunderbare Idee! Dann sparen wir uns das Geld für die gewöhnliche Deckenbeleuchtung. Und im Geiste der Weihnacht spenden wir das so eingesparte Geld einer Stiftung!“
Der Mathematiker überlegte, sie auf ihren Fehler hinzuweisen, ließ es dann aber unkommentiert. Das Thema Deko hatte er aufgegeben.
Als Lea und der Troll endlich schwiegen, waren sie ganz aus der Puste, aber sichtlich zufrieden.
„Kommen wir also zu den Einladungskarten“, sagte Lea nach einer kurzen Verschnaufpause.
„Was gibt es denn da zu besprechen?“, kam es vom Troll. „Einladungskarte ist Einladungskarte.“
Lea blies empört die Backen auf. „Zunächst einmal ist das Format zu bestimmen. Hoch- oder Querformat, und wie groß? Dann das Design: Welches Motiv soll die Karte zieren, welche Farbe hat der Umschlag und soll ihn eine Schleife zusammenhalten? Ja, soll vielleicht auch auf dem Umschlag schon ein Bild zu sehen sein? Erst wenn diese Dinge geklärt sind, können wir uns an den Einladungstext machen. Wie reden wir unsere Gäste an, welche Schriftart verwenden wir? Zentriert oder Blocksatz? Bunt oder schwarz? Verfassen wir den Text als Gedicht, und wenn ja, welches Versmaß verwenden wir?“
„Da bin ich raus!“, verkündete der Troll und verzog das Gesicht. „Das ist mir viel zu kompliziert!“
„Okay, dann mach ich das auch!“, kiekste Lea mit rosigen Wangen. „Ich werde ein Gedicht schreiben, dass selbst die trübste Tasse zu Tränen rührt!“
„Einen Moment!“, schritt der Mathematiker ein. Lea zuckte zusammen. Es war offensichtlich, dass sie seine Anwesenheit komplett verdrängt hatte. „Übernimm die Karte, damit habe ich kein Problem. Aber lass mich den Text korrekturlesen, bevor du die Karten verschickst.“ Denn ihm war fast nichts ein größerer Graus als ein furchtbares Versmaß, eigentlich war sogar nur gar keins unerträglicher. Im Stillen hoffte er, nicht gleich alles neu schreiben zu müssen.
„Na schön“, entgegnete Lea und meinte es nicht so. „Ganz wie du willst. Dann müssen wir jetzt nur noch über eine Sache sprechen. Über die wichtigste.“
„Die wichtigste?“, erwachte der Troll aus seiner Lethargie. „Was ist das wichtigste? Nun hau schon raus!“
„Ich bezweifle, dass es die wichtigste ist“, nuschelte der Mathematiker, dem schwante, worauf es hinauslief.
„Die Geschenke!“, rief Lea und riss beide Arme in die Höhe. „Wir brauchen für jeden einzelnen Gast unbedingt ein Geschenk, das auf ihn persönlich zugeschnitten ist und ihn total aus dem Häuschen bringt! Dass er in seiner Wohnung zur Schau stellt und nach dem er noch in Jahren gefragt wird: Oh, wo hast du dieses entzückende Kleinod denn her? Und er wird bei der Erinnerung an das rauschende Fest selig lächeln und antworten: Das habe ich einst zu Weihnachten bekommen, seitdem ist es mein kostbarster Besitz!“
Nun war es einmal mehr an der Zeit für den Mathematiker und den Troll, mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zu wechseln.
„Also ich würd ja jedem Gast einfach eine Banane schenken“, raunte der Troll. „Mit Schleife drum, damit sie erkennen, dass es ein Geschenk ist.“
„Außer den Trollen möchte aber niemand Bananen“, gab der Mathematiker zu bedenken. Der Troll funkelte ihn böse an. „Vom Grundsatz her ist deine Idee schon die richtige. Aber für die menschlichen Gäste wären wahrscheinlich Pralinen angebrachter.“
„Papperlapapp, das ist doch beknackt!“, erboste sich Lea. „Niemand wird sich an Bananen und Pralinen erinnern! Niemand freut sich über solchen Ballast, von dem man dieser Tage ohnehin mehr als genug hat!“
„Ich glaube, an die Bananen würde man sich erinnern“, wandte der Mathematiker ein. „Oder hast du schon mal eine Banane zu Weihnachten bekommen?“
Lea wollte gerade etwas Ungehaltenes erwidern, da glitt die Tür auf und die vierte Person trat ein.
Lea, der Mathematiker und der Troll verstummten. Sie warteten, bis die vierte Person ebenfalls an dem beinahe quadratischen Tisch Platz genommen hatte.
„Ich bin gekommen, um zu erfahren, wer von euch dreien die Aufgabe übernehmen wird“, eröffnete die vierte Person die finale Phase des Gesprächs.
Lea, der Mathematiker und der Troll sahen sich irritiert an.
„Wir haben die Aufgaben unter uns aufgeteilt“, antwortete der Mathematiker.
„Wobei ich die meisten Sachen übernommen habe!“, fügte Lea gewichtig hinzu.
Der vierte Mann schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Einer muss die ganze Aufgabe übernehmen, oder alles wird in Chaos ausarten. Ihr solltet nun also in euch gehen und gut überlegen: Was spricht dafür, dass ich nur euch allein die Aufgabe übertrage?“
„Ich bin groß!“, antwortete der Troll wie aus der Pistole geschossen.
„Ich bin dumm“, sagte der Mathematiker, da er nicht recht Lust auf die ganze Arbeit hatte.
„Ich bin ein Mann!“, brüstete sich Lea mit besonders tief verstellter Stimme.
Die vierte Person lächelte. „Es scheint gute Gründe für jeden von euch zu geben.“
Plötzlich war mir, als hätte jemand meinen Namen gerufen. Und verschwommen hörte ich die Frage: „Hörst du mir denn gar nicht zu?“
„Was?“ Ich blinzelte ein paar Mal desorientiert, bis ich das Wohnzimmer meiner Eltern wiedererkannte.
„Ich habe dich gefragt, wie du Weihnachten feiern möchtest“, wiederholte meine Mutter ihre Frage.
Ich lächelte triumphierend. „Als Vorspeise sollte es eine deftige Suppe geben, die richtig gut durchwärmt, als Hauptspeise einen Braten, der so groß ist, dass von ihm alle satt werden! Der eigentliche Höhepunkt sind aber die Desserts: Frische Lebkuchen und bunte Plätzchen, Herrencreme und Eis in zahlreichen Wintersorten. Zur Begrüßung gibt es natürlich Sekt, während des Essens servieren wir Tee, wiederum in diversen Wintersorten, während nach dem Essen Med, Grog und Baileys für Erheiterung sorgen. Oh, und vor dem Essen singen wir ein paar Lieder, um uns die Wartezeit zu verkürzen. Jingle Bells und Last Christmas wären schön. Das Treppengeländer muss mit Lametta geschmückt werden, unter die Decke kommen ganz viele Lichterketten und in jede Ecke des Raums ein Weihnachtsbaum! Überall verteilen wir Schnee in Regenbogenfarben. Wir verschicken an alle Gäste Einladungen in Umschlägen, die von Schleifen zusammengehalten werden, mit einem Einladungstext in perfekter Versform. Und als kleines Geschenk bekommt jeder eine Banane mit Schleife drum herum, damit sie auch sehen, dass sie ein Geschenk ist.“